Kurzgeschichte
Gesammelte Werke 2

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"Gesammelte Werke 2"
Veröffentlicht am 20. Mai 2011, 100 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Gesammelte Werke 2

Gesammelte Werke 2

Beschreibung

Kurzweiliges. Leicht und verständlich geschrieben. Zum Lachen und Zum Weinen. Für fast jeden etwas dabei.

Aber gut sieht sie aus

Was hatte ich hier zu suchen? Ich sitze nur da und höre zu. Keine Chance mal selbst zu Wort zu kommen. Und das sich ständige wiederholen geht mir auch auf den Sack. Aller zwei Sätze werde ich gefragt, ob ich verstanden habe, was gesagt wurde. Oder wird nur festgestellt, ob ich noch am Leben bin?

Ich schaute mich unbemerkt um. Zwei Tische weiter saß eine junge, hübsche Dame, die gleich Amok laufen würde. Jedenfalls hatte ich es vor, wenn mein Gegenüber nicht bald die Fresse halten würde. Meine Ohren schmerzten schon von dem Gelaber. Wenn es denn wenigstens interessant wäre. Aber all die alten Geschichten kannte ich schon in und auswendig. Manchmal glaubte ich, das ich es selbst erlebt habe, so gut kannte ich die Geschichten. Detailgenau konnte ich sie zu jedem Zeitpunkt wiedergeben.

Ich konzentrierte mich auf das Mädchen, das zwei Tische weiter saß. Sie gefiel mir. Nicht nur, das sie hübsch aussah. Das Mädchen schnitt Grimassen, das ich nicht anders konnte, als anfangen zu lachen. Zum Glück hatte es mein Gegenüber erwartet gehabt. Jedenfalls glaubte ich es, da er auch lachte. Nicht, das mich das zu diesem Zeitpunkt noch irgendwie interessierte. Aber es war dennoch schön, das es passte.

Nun schaute sie zu mir. Sie war wahrlich eine Schönheit. Sobald mein Gegenüber sich in andere Räume verdrückte, würde ich die Gelegenheit nutzen, um zu ihr zu gehen und mich ihr vorzustellen. Ich hatte schon lange keine Frau mehr angesprochen. Ging ja auch nie weg. Geld knapp. Aber wenn man schon mal freundlicher weise eingeladen wurde und hier ist, konnte man die Situation auch gleich ausnutzen. Ich sehnte mich ein wenig nach weiblicher Nähe. Nach Augen, die mich liebevoll,- oder auch gierig -, ansahen. Zärtliche Hände, die mich überall berührten. Mir wurde bei dem Gedanken ganz anders. Plötzlich schien die Zeit still zu stehen. Mich drängte es zu ihr zu gehen und sie anzusprechen. Ich konnte aber meinem Gegenüber nicht so unhöflich sein und ihn wegen einer anderen alleine sitzen zu lassen.- Mitnehmen ging auch nicht, der er uns dann alle totlabern würde. Warum konnte er nicht einfach aufstehen und pinkeln gehen. Kacken wäre mir sogar noch lieber, weil ich dann mehr Zeit hätte.

Endlich entschuldigte er sich. Kaum war er außer Sichtweite, stand ich auf und blieb erst mal stehen. So ein Glück, das die andere Person auch mal musste. Nun konnte ich ungestört mit ihr in Kontakt treten. Ob ich es noch drauf hatte? Hatte ich es schon mal drauf gehabt? Schnurstracks ging ich auf sie zu und fragte sie, ob sie sich freuen würde Dialoge zu führen. Ich erklärte ihr, das dies bedeuten würde, das jeder mal zu Wort kam. Sie nahm es mir ein wenig übel, das ich ihr erklärte, was ein Dialog war. Ich bin nicht so blöd, erwiderte sie und stand auf. Bevor wir gingen, hinterließ ich meinem Partner eine kurze Notiz, das es mir nicht gut ginge und deshalb gegangen war.

Da waren wir beide. Mitten in der Nacht auf der Straße. Beide die Chance etwas zu sagen. Aber keiner wusste, was er sagen sollte. Welch ein Wunder, dachte ich mir. Immer dann, wenn man könnte, konnte man nicht. Da fiel mir ein, das ich noch gar nicht wusste, wie sie hieß. Das wäre ja schon mal ein Anfang. Der Rest würde sich dann bestimmt ergeben. Und so war es auch. Ich erfuhr sehr viel über sie und was sie so dachte. Ich erzählte ihr von mir und meinen Gedanken. Am Ende stellten wir fest, das wir uns sehr ähnlich waren.

Es hätte so schön werden können. Sie und ich bei mir zu Hause. Romantische Musik. Kerzenschein. Knisternde Erotik. Aber das konnte ich mir abschminken. Ebenso eine Beziehung mit ihr. Warum nur musste ich immer so viel Pech haben. Sie wäre doch ziemlich perfekt für mich gewesen. So eine liebenswerte und hübsche Person. Und was war? Lesbisch.

Das verbotene Zimmer

Drei Monate später war ich immer noch unbefleckt. Mein Onkel fünften Grades war wirklich sehr nett, obwohl er steinreich war. Langsam taute ich auf und bekam vertrauen zu ihm. Er war nicht, wie die anderen aus meiner Familie. Mir wurde bewusst, warum niemand, aus meiner Familie, ihn mochte. Mein Onkel war eben ein netter Mensch. Er respektierte mich und ich ihn. In seinem Landsitz durfte ich alles. Und ich durfte überall hin. Mir alles ansehen und mich mit den Bediensteten abgeben. Aber ein Verbot hatte ich dennoch. Es gab da ein bestimmtes Zimmer, welches ich nicht betreten durfte. Nachts hörte ich manchmal bekannte Geräusche. Schreckliche Erinnerungen kamen dann in mir hoch. Schon lange wollte ich mit ihm darüber reden. Aber ich konnte es nicht. Sobald ich vor ihm stand und dies zum Thema bringen wollte, sah ich in seine gütigen Augen. Seine weichen Gesichtszüge und sein liebevolles Lächeln ließen mich immer daran denken, wie lieb und nett zu mir ist. Und das wollte ich nicht zerstören. Nie wieder wollte ich von hier weg.

Als mein Onkel eines Tages wegfuhr und ich alleine in seinem Anwesen war, ließ mich die Neugier nicht los. Unbedingt wollte ich wissen, was sich hinter jener verbotenen Tür befand. Ich hatte schon so eine Ahnung. Wenn man eine ganze Weile mit jemanden zusammen in einem Haus lebt und sich mit dieser Person des öfteren unterhält, lernt man sie kennen. In der Zwischenzeit habe ich herausbekommen, das mein lieber Onkel sich gern mit dem männlichen Geschlecht abgibt. Mich störte es nicht. Mein Körper war für ihn tabu. Leider war er in der Beziehung der einzigste, so weit ich das mitbekommen hatte. Und er war auch der einzigste, mit dem ich mich unterhalten konnte, der mir zuhörte und mich ernst nahm.

Ich entschloss mich, nicht die Tür zu öffnen. Es war das einzigste Verbot, welches er ausgesprochen hatte und ich musste dies respektieren, wenn ich weiterhin bei ihm bleiben wollte. Vielleicht würde er es mir verraten, wenn ich ihn fragte. Oder er würde es mir eines Tages von sich aus sagen. Ich war kein kleiner Junge mehr, der seine Neugier nicht unter Kontrolle hatte. Mit fünfzehn war ich reif genug Grenzen zu akzeptieren und einzuhalten.

Am Abend, als wir gemeinsam aßen, sprach ich ihn doch noch darauf an. Ich erzählte ihm von den Geräuschen, die ich Nachts von dort, bis in mein Zimmer drangen. Und das ich wusste, wonach es klang, da ich es selbst an meinem eigenen Leib gespürt hatte. Plötzlich blieb ihm der Bissen im Hals stecken und das Besteck glitt ihm aus den Händen. Er konnte nicht glauben, das ich schon Erfahrung in diesen Dingen hatte. Nicht freiwillig, aber ich hatte sie. Nun wollte er mehr darüber wissen und ich erzählte ihm alles. Seinen Appetit hatte er verloren. Stattdessen trank er Wein und hörte mir fassungslos zu. Zwischendurch verschluckte er sich. Und obwohl ihm schlecht wurde, beim Zuhören, wollte er alles wissen.

Ich fühlte mich erleichtert. Alles war raus und mir ging es dadurch besser. Dafür sah mein Onkel schlecht aus. Leichenblass. Es dauerte eine ganze Weile, bis er die Fassung wieder erlangte. Dann stand er wortlos auf und verließ den Raum. Ich hörte, wie er telefonierte. Danach kam er wieder zurück und bat mich, ihm zu folgen.

„Ich zeige dir jetzt das Zimmer, das ich dir verboten hatte zu betreten. Es ist mein privates. Ich denke, nachdem, was du alles erlebt hast, kann dich nichts mehr schocken. Und ich bin mir sicher, das du schon herausgefunden hast, das ich auf Knaben fixiert bin, um es einmal so auszudrücken.“

„Man sieht es dir, ehrlich gesagt, an. Aber mich stört es nicht. Ich bin tolerant. Ich weiß, da du mich nicht anfasst und ...“

„Es gibt Grenzen. Auch wenn du schon fünfzehn bist, zählst du für mich zur Kategorie Kind und das ist Tabu für mich. - Hier sind wir.“

Er öffnete die Tür und ich blickte in ein rosa gestrichenes Zimmer. An den Wänden und Decken hingen Aktbilder von Männern und diverse Spielzeuge. Nun war das Geheimnis gelüftet.

Kurz nach meinem sechzehnten Geburtstag, gingen wir unsere Familie besuchen. Es war mein Wunsch gewesen, sie ein letztes mal zu sehen. Ein unvergesslicher Anblick für mich. Strafe muss eben sein.

Ein Schwein namens Schnitzel

Über fünfzehn Kilogramm Lebensgewicht. Vier Beine und Ringelschwanz. Es quiekt vergnügt, wenn man es hinterm Ohr streichelt. Seit drei Tagen haben wir nun schon das Schwein und es ist uns in der kurzen Zeit sehr ans Herz gewachsen. Durchwachsen sollte es einst heißen, aber dann entschieden wir uns doch alle für Schnitzel. Passte besser, irgendwie. Ende der Woche sollte es geschlachtet werden, denn da gab es ein Schlachtfest. Fest überzeugt war ich, das ich nicht dabei sein werde. Es würde mir zu sehr weh tun, zuzusehen, wie das arme Schwein elendig verendet. Wie Tränen aus seinen treuen Augen purzeln. Ich konnte nicht Scheibe für Scheibe von ihm abschneiden und jedes mal sein Wehklagen ignorieren. Mussten wir es denn wirklich schlachten? Konnten wir es nicht einfach am Leben lassen? Es war doch so niedlich.

Nachts hatte ich Alpträume. Ich sah, wie es auf mich zukam. Es hatte nur noch Fleischfetzen an seinen Knochen und es stank nach Verwesung. Mir gab es die Schuld, das es tot war. Das es das zeitliche gesegnet hatte, ohne das Gott ihn gerufen hatte. Seine Tränen blitzten dabei im Schein der Laterne, die neben ihm leuchtete. Dann riss es mein Herz aus der Brust, schmiss es lieblos auf den Boden und trampelte darauf herum.

Der Tag des Festes rückte immer Näher. Näher wollte ich auch an ein bestimmtes Mädchen. Doch war ich erstens zu feige es ihr zu sagen und zweitens hatten wir zu unterschiedliche Meinungen. Ihre Meinung war, das Schnitzel auf den Grill kommt und meine Meinung war, das wir ihn am Leben ließen. Schließlich hatte er niemanden etwas getan. Er war für keinen eine Gefahr. Ganz im Gegenteil. Es war treu und hörte auf bestimmte Kommandos. Ich liebte es. Alle anderen hatten es zum Fressen gern. Zum Fressen gern, hatte ich jemand anderes, aber das war mir in dem Moment egal. Egal war mir aber Schnitzel nicht. Ich musste es retten.

Das Ende der Woche war da. Das Schlachtfest begann. Frohgelaunt wurde getanzt und getrunken. Vor allem zweiteres. Und trotz meines Widerwillens, war ich mit dabei. Nicht mehr lange und Schnitzel quiekte vor Schmerz. Aus Mitleid teilte ich mein Bier mit ihm. Ich wusste, das ich es nicht gebacken kriegen würde, ihn zu retten. Gebacken hatte ich gestern Pizza. Mit viel Schinken drauf. Erst jetzt, als ich Schnitzel in die Augen sah, bemerkte ich, das Schinken vom Schwein war. Wie traurig.

Schnitzel und ich tranken, bis wir nicht mehr stehen konnten. Eigentlich müsste er bald in die Zange genommen und geschlachtet werden. Armer Schnitzel. Noch ein letzter gemeinsamer Schluck. Aber dann geschah etwas unvorhersehbares. Die Sonne hatte geschien. Sie schien direkt auf unsere Köpfe und bewirkte, das der Alkohol richtig wirkte. Schnitzel fiel um und ich auch. Alles was danach geschah, erfuhr ich durch die anderen.

Ich schlief, mit Schnitzel im Arm, auf dem Rasen und wir beiden schnarchten. Die anderen Jungs versuchten sich Mut anzutrinken. Niemand konnte Schnitzel auch nur ein Haar krümmen. Selbst als sie hackevoll waren, konnten sie es nicht. Und so lebte Schnitzel weiter und wurde zum Maskottchen unserer Schule. Und obwohl wir alle schon längst unseren Abschluss in der Handtasche haben, besuchen wir regelmäßig unseren Schnitzel.

(Ich mach mir jetzt ein Kotelett)

Meine alte Heimat

Heimat. Wie lange war ich fern geblieben? Du hast dich so sehr verändert, das ich dich gar nicht wiedererkenne. Die „Deutsche Eiche“. Ich hatte mich so sehr auf ein kühles Bier gefreut und nun muss ich feststellen, das es den Gasthof gar nicht mehr gibt. Wie oft haben wir zusammengesessen, geraucht, getrunken, Karten gespielt und dabei völlig die Zeit vergessen! Es war so schön gewesen. Und heute ist da ein leerer Fleck. Zwischen zwei Ruinen scheint die Sonne auf kahlen Beton. Der Wind fegt traurig darüber. Ich kann ihn förmlich weinen hören.

Einst fand ich hier meine große Liebe. Lange ist es her. Wir waren jung und knackig. Heute sind wir nur noch und. Wo sie wohl sein mag? Wie es ihr wohl geht? Ich habe sie schon Jahre nicht mehr gesehen. Der Bund rief und ich machte gleich meine Karriere dort. Dabei vergaß ich völlig, das hier jemand auf mich wartete. Sehnsuchtsvoll. Hoffnungsvoll. Ich dachte nur an das verdammte Geld. Anfangs dachte ich auch noch an sie. An eine gemeinsame Zukunft mit ihr. Deshalb schlug ich auch die Laufbahn beim Bund ein. Aber mit der Zeit vergaß ich alles, was mir einst wichtig war. Schrieb keine Briefe mehr, arbeitete das Wochenende durch und wurde langsam unentbehrlich. Ich verzichtete freiwillig auf meinen Urlaub. Feiertage gab es für mich auch nicht. Ich wollte sofort zur Verfügung stehen, wenn ich gebraucht wurde. Die Kaserne war mein zuhause. Die Rekruten meine, Familie. Ich arbeitete mich bis ganz nach oben. Bis ich zu alt dafür wurde. Nun komme ich zurück und niemand ist da, der mich in Empfang nehmen könnte.

Da unten, wo drei Linden ein Dreieck bilden, war mein Elternhaus. Dort verbrachte ich meine Kindheit und ein teil meiner Jugend. Am anderen Ende der Straße wohnte mein bester Freund. Wir spielten anderen gerne harmlose Streiche. Zum Beispiel schmierten wir Öl auf Türklinken, oder Honig. Oder wir klingelten und wenn derjenige seine Tür öffnete, fiel eine unechte Spinne von oben herab. Natürlich machten wir es nicht bei den ganz alten Leuten. Wir wollten ja nicht, das sie sich zu Tode erschreckten. Niemand war deshalb auch wirklich sauer auf uns. Es wurde gemeckert und geflucht, aber wir wurden nie wirklich bestraft. Höchstens selbst hereingelegt. Nicht selten kam es vor, das wir in unsere eigene Falle hineingefallen waren. Es war ein kleines Dorf. Wenn man dachte, das alles unbeobachtet blieb, irrte man.

Hier wohnte sie. Das Haus sieht zwar auch schon halbverfallen aus, aber man kann noch erkennen, wie es damals aussah. Die Bank davor weckt Erinnerungen in mir. Da saßen wir. Sie und ich. Hielten unsere Hände und warteten, das alles schläft und wir uns endlich küssen können. Es waren damals andere Zeiten und die Leute im Dorf waren ein wenig hinter der Zeit. Aber dennoch war es schön gewesen hier zu wohnen und zu leben. Ich sah die nackten Damen auf diversen Bildern in den Spinten der Rekruten. Für uns Buben war es schon aufregend, wenn wir ein nacktes Damenbein sehen durften.

Eines Nachts wurden wir von ihrer Mutter erwischt, wie wir uns zärtlich küssten. Sie hatte nicht gezögert und uns gleich ein paar Ohrfeigen gegeben. Die hatten gesessen. Da merkte man gleich, das sie hart arbeitete. Und ihre Standpauke war auch nicht ohne. „Nicht vor der Hochzeit.“, höre ich sie noch sagen. Aber so weit kam es dann doch nicht mehr. Wenn ich irgendwo in der Nähe stationiert geworden wäre, wer weiß, wie dann alles gekommen wäre.

Ich hatte mich stark verändert. Weit weg von der Heimat. Andere Umgebung, andere Sitten und Gebräuche. Man gleicht sich irgendwann an. Unbemerkt wird man wie sie. Ich merkte es zuerst an meiner Aussprache. Meinen Dialekt, auf den ich einst Stolz gewesen bin, weil er nur noch von wenigen Menschen gesprochen wurde, verlor ich. Dafür redete ich jetzt in ihrer Sprache. So, wie viele tausende anderer Leute.

Mein Elternhaus scheint noch bewohnbar zu sein. Fast das einzigste, in meinem Dorf. Innen sieht es noch genauso aus, wie damals, als ich fortging. Der Staub von Jahren liegt auf den Möbeln. Aber ansonsten hatte sich nichts verändert. Alles ist so, wie ich es in Erinnerung habe. Selbst mein Zimmer ist geblieben, wie ich es verließ. Meine Mutter hoffte, das ich wiederkomme. Nun bin ich da. Doch sie kann es nicht sehen. Tränen voll Traurigkeit tropfen zu Boden. Ich lege mich in mein Bett, das der Zeit trotzte. Schließe meine Augen und träume von früher, als die Welt noch in Ordnung war.

Warum habe ich nichts unternommen

Es gibt Momente in meinem Leben, die würde ich am liebsten auslöschen. Oder zumindest vergessen wollen. Manchmal frage ich mich selbst, warum sagte, beziehungsweise machte, ich das?Ich greife mir selbst an den Kopf und frage mich, warum. Verstehen tue ich vieles nicht, von meinem Gesagten und Getanem. Nicht immer wird es mir sofort danach bewusst. Oft braucht es eine gewisse Zeit. Aus irgendeinem Grund kommen mir die Erinnerungen wieder hoch und ich sage zu mir selbst, das ich ein Idiot bin. Was ging in dem Moment in mir vor? War ich geistig anwesend? Warum habe ich das getan, wenn ich es doch gar nicht wollte?

Es war irgendwann im Sommer. Im Großen und Ganzen eine ganz hübsche Zeit. Single, arbeitslos, ständig auf Achse und kräftig am Schlucken. Aber mir ging es gut und ich fühlte mich wohl. Ich sah die Welt in bunten Farben. Heute sehe ich nur noch schwarz, weiß und grau. Es ist zwar nicht so, das ich mir diese Zeit zurück wünsche. Aber einiges war da doch schöner. Ich machte mir über nichts Gedanken. Lebte von einem Moment auf den anderen. Auch wenn mein ständiger Begleiter eine Bierflasche war, ging es mir ausgezeichnet. Das Geld reichte problemlos bis zum Folgemonat. Auf meinem Gesicht hatte ich ein Dauerlächeln. Aber ich schweife ab. Ich wollte von einem Vorfall erzählen, den ich bis heute nicht verarbeitet habe. Was war da nur los?

Ich war mit einem Kumpel auf dem Hof meiner Schwester. Zu dem Zeitpunkt war ich noch nüchtern, so weit ich jetzt weiß. Sie wollte etwas von ihrem Sohn. Er erwiderte etwas und plötzlich schlug sie zu. Einfach so schlug sie ihren Sohn, der etwa zehn Jahre alt war und sich nicht wirklich gegen sie wehren konnte. Es war nicht nur eine Ohrfeige. Damit hätte ich noch leben können. Sie haute ihn mehrfach. Ich verstand den Sinn dahinter nicht. Warum tat sie das? Und was war mit uns? Wir standen nur da und schauten zu, wie sie ihren Sohn verprügelte. Anstatt dazwischen zu gehen und ihm zu helfen, schauten wir nur zu. Ich versuche bis heute zu verstehen.

Es ist schon einige Jahre her. In der Zwischenzeit habe ich mich selbst gebunden und für Nachwuchs gesorgt. Ich sehe über einiges hinweg, weil ich weiß, das es Kinder sind und sie sollen ihre Kindheit genießen. So vieles darf man als Erwachsener nicht mehr. Und wenn man es doch tut, dann wird man schief angeguckt und bekommt noch eine Standpauke dazu.Das ich kein Kind mehr bin, weiß ich selber. Aber warum darf ich mich nicht ab und zu so aufführen. Meinen Kindern gefällt es.

Es fällt mir nicht immer leicht ruhig zu bleiben. Meine Sprösslinge machen gern was kaputt. Ich weiß nicht, ob sie es mit Absicht machen, oder ob es ihnen einfach so passiert. Ich rege mich manchmal sehr darüber auf. Vor allem dann, wenn sie es gerade erst bekommen haben. Da schreie ich schon mal ziemlich laut. Aber bevor ich sie grün und blau schlage, gehe ich ihnen aus den Weg und reagiere mich woanders ab. Trotz allem haben sie es nicht verdient, das man sie schlägt. Was bringt es überhaupt? Gar nichts.

Wenn meine Kinder groß sind, sollen sie auf eine glückliche Kindheit zurück blicken können. Zugegeben, es kommt mal vor, das sie einen Hieb auf ihre Hand bekommen, wenn sie nach x Ermahnungen und Erläuterungen immer noch nicht die Hände vom Herd lassen, sondern immer wieder an den Knöpfen spielen. Aber ich übertreibe es nicht.

Zu meiner Schwester habe ich keinen Kontakt mehr. Ich weiß weder wie es ihr geht, noch wie es ihrem Sohn geht. Um ehrlich zu sein, habe ich auch kein Interesse daran. Seit dem sie im Ausland wohnt, hat sie sich sehr negativ verändert. Sie ist hochnäsig geworden. Ihren alten Freunden schaut sie nicht mal mehr mit ihrem A... an. Selbst ihre beste Freundin, mit der sie weit über zehn Jahre dick befreundet war.

Café \"Nur Ruhe\"

Viel Tage. Viele Nächte. Die Zeit vergeht nur ganz langsam. Er sitzt zu Hause vor dem Fernseher und weiß nichts mit sich anzufangen. Seine Gedanken drehen sich einzig und allein um seine ehemalige Frau. Wie lange waren sie glücklich zusammen? Jahre. Plötzlich ging es auseinander. Er weiß nicht warum. Er hatte sie geliebt und er liebt sie immer noch. Oft denkt er an die Zeit zurück. Abends, wenn er in seinem Bett liegt, hört er sich Schlager an und weint. Er ist allein. Seine Tränen sieht keiner, außer ihm. Er sieht ihr Bild vor sich, versucht es wegzuwischen, doch schafft es nicht. Sie liegt in den Armen eines anderen. Keine Chance sie wieder zu bekommen. Er schaltet den Fernseher ab und zieht sich an. Ein Spaziergang, so denkt er sich, wird ihn wieder auf andere Gedanken bringen. Auf dem Weg kommt er am Café „Nur Ruhe“ vorbei. Es ist kaum besucht. Oft saßen sie hier und schauten sich einfach nur an. Kein Wort. Keine Geste. Nur anschauen. Ein Regentropfen trifft seine Nase. Er geht um die Ecke und ins Café. Der Platz, wo sie immer gemeinsam saßen, ist leer. Er setzt sich hin und bestellt sich einen Espresso. Wieder spürt er die Leere in seinem Herzen. Tausend Fragen drehen sich in seinem Kopf. Warum!? Warum ist sie gegangen? Was hatte sie für einen Grund gehabt?

Zwei Männer unterhalten sich am Nebentisch. Er hört mehrmals ihren Namen, in Verbindung mit seinen. Es muss sich um seine Exfrau handeln. Er hört genauer hin. Ja, es geht um sie. Sie spricht über ihn. Schlecht, aber sie denkt noch an ihn. So weit er versteht, spricht sie häufig über ihn, selbst wenn sie mit ihrem Neuen im Bett liegt. Sie kann ihn offenbar nicht vergessen. Ein kleines Lächeln erhellt sein Gesicht. Ob sie es bereut, mit ihm Schluss gemacht zu haben? Es hat den Anschein. Am liebsten würde er sie jetzt anrufen und zur Rede stellen. Zu ihm hatte sie gesagt, dass er ihr nichts mehr bedeute, und verließ ihn. Kurze Zeit später war sie mit ihm zusammen. Ziemlich schnell, findet er. Ein wenig zu schnell.

Der Mann am Nebentisch fragt sein Gegenüber, ob es nicht besser wäre, die Frau zu verlassen. Der Mann antwortete mit den Worten, dass er es nicht sagen könne. Diese Entscheidung müsse er schon selbst treffen. Er sieht das dem Mann die Entscheidung schwer fällt. Er liebt sie bestimmt, aber er kann es nicht ertragen, das sie stets von ihrem Ex spricht.

Er wollte gerade seinen Espresso bezahlen und gehen, als er sah, das seine geschiedene Frau hereinkommt. Sein Herz schlug wild in seiner Brust. Ihre Blicke treffen sich. Sie steuert direkt auf ihn zu. Ihr Neuer beobachtet das Geschehen und kann es nicht verstehen. Sie waren hier verabredet.

Er steht auf und begrüßt sie mit einem Lächeln. Wortlos stehen sie sich gegenüber und er sieht, das der erloschene Funke gewillt ist wieder zu entfachen. Aber war er dazu bereit? Sie schweift ihren Blick ab und betrachtet für einen kurzen Augenblick lang ihren Jetzigen. Es waren nur Millisekunden und ihre Entscheidung war gefallen. Für sie gab es nur einen. Den Einen. Es fließen Tränen. Bittere Tränen. Süße Tränen.

Frauentausch

Ich war von Anfang an dagegen. Deshalb hatten wir in den letzten Tagen nur noch Streit. Unser Sohn litt sehr darunter, auch wenn er es sich nicht anmerken ließ. Ich versuchte daher ihr stets aus dem Weg zu gehen und Streit zu vermeiden, aber die Frau brachte mich immer wieder zur Weißglut. Dann kam der Tag, den ich verfluchte. Die neue Frau kam. Vom ersten Moment an zeigte ich ihr, was ich von dem Frauentausch hielt. Sie schien mich zu verstehen, denn als ich ihr in die Augen sah, bemerkte ich, dass sie auch gegen den Frauentausch war. Am meisten störten mich die Kameras und Fernsehleute. Meine Privatsphäre war dahin und ich wollte nur noch gehen. Irgendwohin, wo ich alleine sein konnte.

Zum Abschied reckte meine Frau ihren Kopf zu mir, aber ich wies sie ab. Beleidigt zog sie los und ich setzte mich vor meinen Rechner. Eigentlich hatte ich darauf keine Lust, aber in dem Moment fiel mir nichts Besseres ein, um mich zurückzuziehen. Nach ein paar Minuten musste ich aufhören, da mein Sohn anfing zu schreien. Er hing an seiner Mutter und nun war sie nicht mehr da. Er begriff noch nicht ganz was eigentlich los war. Auch störten ihn die vielen Menschen in der Wohnung. Meine Frau wollte ihn eigentlich mitnehmen, besann sich aber am Ende eines Besseren. Unsere Wohnung war ihm vertraut. Hier hatte er auch sein Zimmer und vor allem sein Bett. Wer weiß, ob er sich in einer neuen Umgebung wohlgefühlt hätte. Denn er hing nicht nur an seiner Mutter, sondern auch an mir. Ohne seine vertraute Umgebung und ohne mich, das wäre zu viel für den kleinen gewesen.

Die neue Frau war sehr nett. Kaum hatte ich mich erhoben, wies sie mich zurück, nahm den Kleinen hoch und tröstete ihn. Mein Sohn beruhigte sich erstaunlich schnell. Dann bekam er was in seine Luke, wurde gewindelt, angezogen und wir drei gingen spazieren. Wortlos. Sohnemann war glücklich. Wir zwei Alten weniger. Stunden später waren wir wieder zurück. Die neue Frau kümmerte sich rührselig um ihn und hatte keine Probleme ihn zum Schlafen zu bringen. Zuerst las sie ihm eine meiner Kinderkurzgeschichten vor und dann sang sie ihm noch ein kleines Liedchen. Das machte mich an. Am liebsten hätte ich sie auf der Stelle ausgezogen und an mich gedrückt.

Die Tage vergingen schnell. Zu schnell. Jeden Tag waren wir zusammen draußen und unternahmen auch sonst alles gemeinsam. Es war, als wären wir ein glückliches Pärchen, das sich unsterblich liebt und ich glaubte fast, dass ich mich in sie verliebt hatte. An meine Frau dachte ich gar nicht mehr. Ich hatte nur noch Augen für die Neue. Unsere Gespräche waren geistreich. Wir hatten viele Gemeinsamkeiten. Der Fernseher, der sonst von morgens bis nachts durchlief, blieb kalt. Wir brauchten ihn nicht. Meistens spielten wir abends zusammen, unterhielten uns, oder liehen uns einen Film aus.

Kurz vor Ende des Frauentauschs war es dann passiert. Wir beide dachten nicht mehr an unsere eigentlichen Partner. Die Filmleute registrierten wir schon gar nicht mehr. Wenn wir ins Bett gingen, waren sie sowieso nicht mehr da. Wir lagen also im Bett und unterhielten uns über unsere Gefühle. Es ging ganz automatisch und wir hatten keine Angst davor. Dabei stellte sich heraus, dass wir beide das gleiche fühlten. Wir waren in den letzten Tagen ein eingespieltes Team geworden. Haben uns näher kennengelernt und bemerkt, wie gut wir eigentlich zusammenpassten. Dann war es geschehen. Wir rückten näher zusammen, streichelten uns und liebten uns. So sinnlich hatte ich bisher noch nie Sex gehabt. Was ich nicht verstehen wollte, da ich doch meine Frau einst tief und innig geliebt hatte. Die neue gestand mir, dass es ihr genauso erging und sie bei mir mehrere Orgasmen hatte. Bei ihrem Mann kam sie nur ganz selten. Oft machte sie es sich selber, wenn sie alleine war, da ihr Mann sie nicht wirklich befriedigen konnte.

Am nächsten Morgen musste sie ihre Sachen packen. Es war ein schwerer Abschied für uns zwei. Auch mein Sohn wollte sie nicht gehen lassen. Er klammerte sich an sie und weinte. Nur mit Mühe und dem Versprechen, das sie uns öfter besuchen kommen wird, konnte sie ihn beruhigen. Währenddessen stand meine Frau heulend vor der Tür. Sie bereute den Frauentausch zutiefst. Der Mann hatte sie ausgenutzt. Den ganzen Tag hatte er faul auf dem Sofa gelegen und sie den Haushalt machen lassen. Damit sie auch genug zu tun hatte, sorgte er für reichlich Müll und Dreck. Sie gestand uns, dass er gehofft hatte, es käme eine schöne, schlanke, junge Frau mit der er sich im Bett vergnügen konnte. Stattdessen bekam er die meinige. Nicht die Schönste und Schlankeste und Einfachste. Auch erfuhr ich, dass er am letzten Abend versucht hatte sie zum Sex zu zwingen. Aber ein Tritt von ihr in seine Juwelen hatte gereicht, um ihn davon abzubringen. Sie muss sehr hart zugetreten haben, denn er musste danach ins Krankenhaus.

Ich nahm meine Frau in die Arme und drückte sie an mich. Dabei spürte ich, dass ich sie noch liebte. Die Tauschfrau verschwand still und heimlich. Später erfuhr ich, dass sie sich noch am gleichen Tag von ihrem Mann getrennt hatte. Zuerst zog sie zu ihrer Mutter und mit deren Unterstützung suchte sie eine neue Wohnung. Sie begann ein neues Leben. Wahre Liebe hatte sie schon länger nicht mehr für ihn gefühlt gehabt und nachdem sie erfahren hatte, was er von dem Frauentausch eigentlich erwartet hatte, war es ganz aus.

Es hatte eine Weile gedauert, aber schließlich hatte sie ihr Versprechen doch noch eingelöst. Sie kam uns besuchen. Und obwohl keiner von uns ein Wort über die letzte Nacht verloren hatte, spürte ich, das meine Frau von dem Seitensprung wusste.

Schwarzes Mädchen

Wenn man jung ist, macht man vieles, ohne vorweg darüber nachzudenken. Wie viel scheiße habe ich gemacht. Heute bereue ich es. Ladendiebstahl würde ich nie wieder machen. Wenn ich die Chance hätte, würde ich es rückgängig machen. Warum musste ich mich auch dazu überreden lassen? Meine Schuld. Ich hätte einfach NEIN sagen sollen und gehen. Aber stattdessen...Wie lange das wohl in meinen Akten stehen wird?

All die Lügen, die ich erzählt habe. Bis heute frage ich mich, warum ich dies getan habe. Meist war es unnötig. Idiotisch. Hatte gar keinen Grund dazu. Das schlimme an der Sache ist, das ich mir damit viel Ärger eingehandelt hatte. Und man gab mir nicht die Chance es wieder gut zu machen. Doch noch die Wahrheit zu sagen. Irgendwas in der Art.

Als ich noch jung war – Oh Gott, ist das schon lange her – hatte ich mich zu fast allem überreden lassen. Es ist ein Wunder, das ich noch keinen Mord begangen habe. Ich glaube, wen der Richtige gefragt hätte, wäre ich bestimmt dazu bereit gewesen. Mein Umgang war ja nicht der Beste. Damals Kleinkriminelle. Und heute? Ich habe sie schon ewig nicht mehr gesehen. Was wohl besser für mich war. Gerade jetzt, wo ich Familienoberhaupt bin, sobald meine Frau und meine Kinder nicht im hause sind.

Warum musste ich mich damals hinreißen lassen und Bier trinken? Besser gefragt: Wieso musste ich mich an den Geschmack gewöhnen und mir dann gefallen? Unbemerkt schlich es in mein Leben und meinen Alltag. Trank ich anfangs nur ganz selten, wurde es bald immer mehr. Immer wieder fanden wir einen Grund zum Trinken. Und dann brauchte ich es täglich. Mit Willenskraft schaffte ich es davon wegzukommen.

Am Anfang schloss ich mich den Punks an. Machte aber schlechte Erfahrung. Die meisten waren Intolerant. Sie hielten auch nicht viel von Hygiene. Erst viel später lernte ich andere aus der Szene kennen, die die Meinung eines Anderen akzeptierten und sich auch wuschen. Aber da war ich schon in der Rechten Szene. Ich fühlte mich da ganz wohl. Wir verstanden uns sehr gut und machten vieles gemeinsam. Wichtig war auch, das wir uns vertrauen konnten. Dort lernte ich auch, das es besser war, wenn ich gleich die Wahrheit sagte. Lügen war tabu. Andere Meinung zu haben, war in Ordnung.

Ich hatte ein Problem. Schade das ich damals so anders dachte. Wer weiß, wie mein Leben heute aussehen würde. Da gab es nämlich ein Mädchen. Etwa mein Alter. Sie hatte nur einen Fehler. Sie war schwarz. Damals war ich total rechts und konnte es mit mir nicht vereinbaren, mich mit einer Ausländerin abzugeben. Heute denke ich anders darüber. Vor allem deswegen, weil mein Biologielehrer gesagt hatte, das es Vorteile hätte, sich mit Ausländern zu vereinen. Genvermischung. Gesunde, starke Gene.

Sie war wirklich ein liebes Mädchen gewesen. Sehr Intelligent. Ich gab mich mit ihr ab. Freundschaftlich. Aber dennoch hatte ich ein unschönes Gefühl, wenn ich mit ihr gemeinsam spazieren ging. Ich wollte nicht wirklich mit ihr gesehen werden. Vor allem nicht vor meinen damaligen Freunden.

Eines Abends waren wir bei ihr. War aßen Pizza. Danach hatte ich die Chance mit ihr zu schlafen. Sie machte eindeutige Zeichen und schmiegte sich an mich an. Es wäre ihr Geburtstagsgeschenk gewesen, wenn ich damals nicht so naiv gewesen wäre. Stattdessen stand ich auf und ging. Und nur, weil sie nicht weiß war. Ich nannte ihr keinen Grund, warum ich ging. Aber in ihren Augen konnte ich sehen, das sie die Wahrheit wusste. Sie hatte meine Fahne und meine CD Sammlung gesehen. Sie wusste, was und wer ich war. Hatte gemerkt, das ich anders war, wenn wir gesehen wurden. Trotzdem war sie meine Freundin gewesen. Und sie hatte gehofft, das mehr daraus wird. An diesen Abend wurde ihr klar, das niemals was aus uns werden würde. Weil ich so war, wie ich war. Weil ich beschränkt war. Heute ist mein Horizont weiter und sie hat einen festen Freund, so wie ein paar Kinder. Ich sehe sie manchmal auf der Straße, wie glücklich sie ist. Mit mir wäre sie es nicht geworden. Ich bin ich. Mal so, mal so.

Kleine weiße Friedenstaube

Was für ein Erlebnis. Einmalig. Das kommt nie wieder. Dabei war ich relativ nüchtern gewesen, als ich auf diese Idee kam. Es war so.

Wie jedes Jahr, wurde in meiner Heimatstadt demonstriert. Die Rechten liefen ihren Weg und die Linken kreuzten ihn. Leider war nicht jeder Antidemonstrant friedlich. Aber dazu später. Zuerst möchte ich von meiner Idee erzählen, die wir tatsächlich in die Tat umgesetzt hatten. Es war ein Spaß. Die blöden Gesichter, die uns anstarrten, werde ich wohl nie vergessen. Wenn ich down bin, hole ich mir jene Bilder wieder ins Gedächtnis und mir geht es wieder gut.

Wir saßen in der Kneipe. Ein paar von uns wollten zur Demonstration gehen, die am folgenden Tag stattfand. Sie erklärten uns die Route, Startpunkt und Startzeit. Wir anderen sollten mitkommen. Zur Unterstützung. Jeder Mann wurde gebraucht. Ich wollte nicht, weil ich wusste, das es irgendwann zu Gewalttaten kam. Ich hatte nichts gegen Linke. Einige meiner Freunde waren links und wollten zur Gegendemonstration gehen. Sie gehörten zu denjenigen, die friedlich blieben und jeglicher Gewalt aus dem Weg gingen. Ich hasste die Ausnahmen. Mir war egal, ob sie rechts oder links waren, oder ganz was anderes. Mich störte es, wenn jemand seine Fäuste, anstatt Worte, reden ließ.

„Also gut. Wenn wir alle das wunderschöne Lied: „Kleine weiße Friedenstaube“ anstimmen, bin ich dabei. Oder: „Der kleine Trompeter“. Ich bin auch für: „Wenn Mutti früh zur Arbeit geht.“ Oder aber...“

„Ist schon gut. Lass es bleiben, du rote Sau.“, wurde ich unterbrochen.

Um ehrlich zu sein, war ich schon beim vierten Bier und nicht mehr ganz nüchtern. Es sollte eh nur ein Scherz sein. Ich wollte nicht, das mich einer ernst nimmt. Aber einer tat es.

„Wieso eigentlich nicht? Ist doch mal was anderes. Immer sind wir die bösen Buben. Wenn wir jetzt die Friedenslieder singen, werden sie vielleicht anders über uns denken.“

„Werden sie nicht. Aber lustig stelle ich mir das schon vor. Wenn ihr alle mitmacht, bin ich dabei.“

Vielleicht lag es am Alkohol. Oder es war was anderes. Wir erhoben unsere Gläser, stießen an und schwörten, das wir alle zur Demo kommen und singen würden. Zusätzlich riefen wir alle noch ein paar Bekannte an und überredeten sie, das sie mit uns mitmachten.

Der Tag war gekommen. Wir standen da und warteten darauf, das es losging. In wenigen Minuten kam der letzte Zug mit den restlichen Demonstranten an. Im Kopf gingen wir noch einmal die Texte durch. In unseren Taschen hatten wir rote Arbeiterfahnen. Ich weiß nicht mehr, wer auf die Idee kam. Es war sehr spät gewesen und keiner mehr nüchtern. Der Wirt hatte uns versprochen gehabt, seine Kneipe erst später zu öffnen, um mit uns zu marschieren. Das blieb mir noch in Erinnerung. Und er löste sein Versprechen ein. Aber nur, weil er sehen wollte, wie wir alte DDR-Friedens- und Freiheitslieder sangen, mit denen wir aufgewachsen waren.

Endlich ging es los. Die erste Reihe stimmte an. Wir stimmten mit ein. Neben uns liefen Polizisten und wollten die ersten Festnahmen machen. Aber dann erkannten sie, was wir sangen und mussten uns in Ruhe lassen. Schließlich sangen wir nichts Verbotenes.

Die Gegendemonstranten machten dumme Gesichter, als sie unsere roten Arbeiterfahnen sahen und unsere Pionierlieder singen hörten. Wo waren die bösen Rechten? An manchen Fenstern hingen schwarz-weiß-rote Flaggen und warteten, das die Rechten durch ihre Straße liefen. Sie erkannten nicht, das wir diejenigen waren, auf die sie warteten. Leider trafen uns auch faule Eier und angegammeltes Gemüse. Wir machten uns nichts draus, sondern weiter. Bis zum Ende. Erst dann holten wir unsere schwarz-weiß-roten Fahnen raus und verkündeten unsere Botschaft:

„Importverbot für kriminelle Ausländer. Gleiches Recht für alle. Meinungsfreiheit.“

Das waren unsere Hauptpunkte, die wir erreichen wollten. Natürlich wollte uns keiner erhören, weil wir alle rechts waren. Aber ich wusste, das wir nicht die einzigsten waren, die das wollten. Wie schon erwähnt, habe ich auch Freunde, die links sind, oder unpolitisch, aber genauso dachten. Die Rechten sind gar nicht so böse, wie immer dargestellt wird. Sie haben eine Meinung, zu der sie stehen. Ebenso, wie die Linken und die Schwarzen und die...

Gegenüber am Fenster

Es ist Abend. Der Regen trommelt ans Fenster. Auf meinem Tisch brennt eine kleine Kerze. Meine letzte. Wenn sie abgebrannt ist, sitze ich im Dunkeln.

Der Mond steht voll am Himmel und strahlt sein sanftes Licht auf die Erde.

Ich sitze am Fenster und zähle die Regentropfen an meinem Fenster. Dann sehe ich sie. Gegenüber am Fenster. Sie macht gerade das Licht in ihrem Badezimmer an. Zwar kann ich nur ihren Schattenumriss sehen, aber das genügt um mich zum Wahnsinn zu treiben. Sie geht unter die Dusche. Ich stelle mir vor, wie das Wasser ihren Körper benetzt.

Meine Gedanken schweifen a und ich verliere den Sinn für die Realität. Die Sekunden werden zu Minuten. Nur langsam vergeht die Zeit.

Was ist geschehen? Es ist stockdunkel bei ihr. Ob sie ins Bett gegangen ist?

Wenn ich meine Kerze betrachte, könnte es möglich sein, denn sie ist abgebrannt. Nun sitze ich im Dunkeln. Der Regen hat auch schon nachgelassen. Die letzten Tropfen fallen vom Himmel. Tropf Tropf Tropf.

Es klingelt. Die letzten Traumfetzen lösen sich in Luft auf. Ich gehe an die Tür.

Autsch, der Tisch - und das war der Sessel - Endlich, - die Tür.

Meine Augen scheinen mir einen Streich spielen zu wollen. Ich kann nicht glauben wer da vor meiner Tür steht. Ein Engel. Ein Traum. Wach ich oder träum ich? Sie ist so schön. So wunder- wunder- schön. Jetzt weiß ich auch warum der Himmel weint, weil er seinen schönsten Stern verloren hat.

Sprachlos stehen wir uns gegenüber. Was macht sie? Sie kommt näher! Ich kann mich nicht bewegen. Meine Augen schließen sich. Ihre Lippen berühren meine. Butterweiche Knie, feuchte Hände, starkes Herzklopfen. Ich glaube, ich bin verliebt. Der Himmel auf Erden.

Ihr Bein schwingt um meine Hüften. Unser Lippenbekenntnis geht zum Zungenspiel über. Mir wird immer heißer. Der Siedepunkt ist fast erreicht. Meine Hose ist kurz vorm platzen. Da - da. Oh Gott. Das ging voll in die Hose, aber es war gut. Nein, das ist nicht der richtige Ausdruck dafür. Atemberaubend trifft es schon eher.

Mein Herz, mein armes Herz. Es schlägt schneller, als ein Flugzeug fliegt. Ob ich das überleben werde?

Es geht ins Wohnzimmer. Ich bin ihr ergeben. Ich kann nicht anders als ihr folgen wohin sie geht.

Sie ist wild. Sie ist zärtlich. Sie ist der helle Wahnsinn. Wo warst du nur so lange?

Ihr Mantel fällt. Darunter...erbarme dich meiner. BH und Spitzenhöschen. Ganz in schwarz, genau wie ihre Strapse und ihre Stöckelschuhe.

Ich gleite nach hinten. Auf meine Couch und die Fernbedienung meiner Anlage.

“Stöckel und Strapse und lederner BH...”

Hastig suche ich nach dem Ding und schmeiße es runter.

“Love me Tender, love me...”

Sie zieht mich aus. Gaaaaanz langsam. Mein Hemd ist schon ganz durchgeschwitzt.

Es kitzelt, wenn sie mich auf den Bauch küsst. Nicht so wie als würde man durchgekitzelt werden. Dieses kitzeln war anders. Aufregend.

Knopf. Hosenstall. Freiheit. Jetzt habe ich nur noch meine Socken und meine Glücksshorts an. - Shorts. - Nackt.

Ihr Mund stülpt sich über meinen Penis. Der so hart und steif wie ein Fels ist.

Nun fällt bei ihr der restliche Stoff, der ihren himmlischen Körper bedeckt.

Sie steigt auf. Der Flug startet. Langsam steigt sie auf und ab und hält meine Arme dabei fest, damit ich mich nicht wehren kann.

Wehren? Ich? Oh nein.

Ihre wohlgeformten Brüste wippen im Rhythmus mit. Leise stöhnt sie mir ins Ohr. Ich spüre schon die nächste Explosion.

Mein zweiter Höhepunkt des heutigen Abends und noch lange nicht mein letzter.

Stellungswechsel.

Jetzt bin ich oben und gebe den Ton an.

Meine Augen können sich an ihr nicht satt sehen. Ihre Brüste, zwar nicht groß, aber formschön und natürlich. Keine Spur von Silikon, keine Piercings, kein Make up- abgesehen von dem aufregend rotem Lippenstift- die reinste Naturschönheit.

Ich bin mir immer noch nicht sicher ob es ein Traum ist oder wirkliche Wirklichkeit, obwohl es mir im Moment ganz egal ist. Soll es nur ein Traum sein. Hauptsache ist, dass ich jetzt nicht aufwache.

“Tiefer, tiefer,” stöhnt sie: “noch tiefer.”

Das Frauen das immer sagen müssen. Davon bekommt man immer Zweifel an seiner Männlichkeit.

“Du-bist-so-gut.-Zum-er-sten-mal...”

Das baut wieder auf. Feuer frei für Schuss Nummer drei und auf zum letzten Gefecht..

Wer hätte gedacht das Sex so schön sein kann, so aufregend und das ich soviel Saft und Kraft in mir habe.

Drei Jahre ist es nun her, dass ich mein erstes Mal hatte und genauso lange, dass ich das letzte Mal in einem Mädel war. Um genau zu sein war mein erstes gleichzeitig mein letztes Mal. Welches im Übrigen nicht annähernd so schön war.

Sie gleitet wieder auf mir. Meine letzten Kräfte gebe ich her. Noch einmal. Nur noch einmal.

Sie wird langsamer. Im Gegensatz zu ihrem stöhnen.

Der Schweiß klebt an uns, wie Fliegenpapier und ihr langes, schwarzes Haar schmiegt sich an jede freie Stelle ihres Körpers an.

Bow. Mein letztes Magazin ist nun verschossen.

Ausgepowert fallen wir immer tiefer in einen Traum.

Noch nie in meinem Leben war ich so fertig und doch glücklich.

Meine ganze Liebe und Leidenschaft habe ich gegeben.

Ich liebe sie. Es war zwar nur eine Nacht, aber trotzalledem habe ich das Gefühl, als würde sie auf meiner Wellenlänge liegen.

Ich gedenke dein

Seltsam, wie die Wege Gottes manchmal aussehen. Wir waren so unterschiedlich. Und doch hatten wir so viel gemein. Wie oft habe ich mich über sie aufgeregt. Warum musste sie mich auch belügen? Wenn ich bedenke, wie viel Zeit wir verloren hatten, weil ich so wenig über sie wusste. Über ihr Chaos im Kopf. Obwohl sie nicht dumm war, wusste sie sehr wenig. Kannte viele Worte nicht. Ganz normale Worte. Oft fragte sie nach, was jenes Wort bedeute. Es nervte und sie spürte es. Deshalb hörte sie auf zu fragen. Ließ mich reden. Verstand nichts. Wir stritten. Auch setzte ihr Hirn manchmal aus. Einfach so. Mitten im Gespräch. Ich erzählte ihr was und sie hörte es nicht. Streit.

Zugegeben, sie war häufig ein Biest. Ein Miststück. Und eine Schlampe. Bei der Vergangenheit. Mich wunderte es nicht. Je mehr ich über sie erfuhr, desto mehr verstand ich sie. Leider zog sich dies über Jahre hinweg. Und erst sehr spät fing sie damals an, mir brockenhaft über sich zu erzählen.

Viele Stunden verbrachte ich allein. Mit mir und meinen Gedanken. Ich dachte viel über uns nach. Über sie und mich. Ich wusste, das wir zwei zusammen gehörten. So unterschiedlich wir auch waren. Oft sprach der Eine aus, was der Andere dachte. Wie ein lange verheiratetes Ehepaar.

Geheiratet hatten wir auch. Die Ehe war schon von Anfang an nicht die Beste. Des Öfteren wollte sie sich von mir scheiden lassen. Aber bis auf eine räumliche Trennung, blieben wir zusammen. Und nur wenige Nächte verbrachte ich bei mir. Nur wenn wir uns wieder mal in den Haaren hatten. Viele wollten, das wir uns ganz trennen. Entweder, oder. Aber wir schissen drauf. Mehr ich, als sie. Ich wollte mich nicht von ihr trennen. Trotz allem, liebte ich sie doch sehr. Und auch wenn sie es nicht zugeben wollte, in ihren Augen war ich nicht nur ein guter Kumpel.

Der Abschied fällt mir nicht leicht. Zu viel hatten wir gemeinsam durchgemacht. Und zu lange waren wir zusammen gewesen. Haben unser Leben geteilt. Neues Leben entstehen lassen. Ich denke oft an sie. Fast täglich gehe ich zu ihrem Grab und lege eine Blume nieder, obwohl sie mit Blumen nichts anzufangen wusste. Ich denke an unsere gemeinsame Zeit. An die, die unser „Glück“ nicht gönnten. Die uns auseinanderbringen wollten. Früh erkannte ich, das die Freunde, die meine liebe Gattin hatte, keine Freunde waren. Und ich sagte es offen heraus. Hielt sie fern von ihnen. Es war mir egal, das sie mich nicht leiden konnten. Mir ging es um meine Frau und meine Ehe. Wir brauchten keine Menschen um uns, denen man nicht vertrauen konnte. Auf die kein Verlass war. Manchmal sah sie es ein. Und oft traf sie sich heimlich mit ihnen. Bis sie es endlich begriffen hatte, das es kein Umgang für sie war.

Absichtlich hatte ich niemanden etwas von ihrem Tod und der Beerdigung gesagt. Darum waren nur ich und unsere Kinder anwesend gewesen. Ich wollte keine falschen Tränen sehen. Und erst recht nicht ihre Familie. Viel zu viel Schaden hatten sie bei ihr angerichtet. Körperlich, wie seelisch.

Es war nicht leicht gewesen, ihren Tod zu verheimlichen. Jedenfalls für eine Weile. Aber die Behörden hatten Mitleid mit mir. Und so erfuhren sie alle erst nach der Beerdigung davon. Sie bedankten sich schriftlich, so wie Telefonisch, bei mir, weil ich ihnen nicht Bescheid gegeben hatte. Die schriftlichen Drohungen legte ich der Polizei vor. Was sie damit machten, war mir egal gewesen. Ich wollte nur meine Ruhe haben. Meine Kinder brauchten keine Großeltern, im Chaos lebten. Denen es egal war, wann die Kinder zu Bett gingen. Die auch gern und häufig tranken.

Mit dem Tod meiner Frau, begann ich ein neues Leben. Nur ich und meine Jungs. Es war nicht leicht mit ihnen. Sie hingen doch sehr an ihrer Mutter und konnten nicht verstehen, das sie nie mehr wieder kommen würde. Auch ich verstehe es nicht. Bis heute. Sie fehlt mir sehr. Ganz egal, wie sie war.

 

Mit einer Rasur fing es an

Stundenlang starrte ich die Decke an. Was sollte ich mit meiner neuen Freiheit anfangen? Ich versuchte mich zu erinnern, was ich früher getan hatte, bevor ich sie kennengelernt hatte. Mir fiel es nicht ein. Ich sah nur ein schwarzes Loch. Vor einiger Zeit hatte ich mich noch darüber beschwert, das ich keine Zeit für mich fand. Nun hatte ich alle Zeit der Welt und wusste nichts damit anzufangen. Was wollte ich eigentlich? Ich musste doch etwas gewollt haben.

Zerknittert stand ich auf, machte mich frisch und versuchte, wie ein Mensch auszusehen. Wie eine Rasur ein Gesicht verändern kann. Auch wenn ich mein Spiegelbild nicht mochte, musste ich es mir ansehen. Vorher hatte ich einen Bart gehabt und ich sah verkommen aus. Ich fühlte mich auch so. Ohne Bart sah ich ganz normal aus. Wie ein Mensch. Dementsprechend fühlte ich mich auch. Aber die Klamotten passten nicht dazu. Ich musste mich umziehen. Aber vorher unter die Dusche. Nichts gegen Katzenwäsche. Normalerweise reicht sie für mich aus. Aber in diesen Moment musste ich mich einer Ganzkörperwäsche hingeben. Schon komisch gewesen. Bart ab und ich hatte das Gefühl, ich müsste mich komplett waschen und pflegen. Zum Glück hatte ich Zeit.

Zähne putzen, Zahnseide benutzen und mit Mundwasser gurgeln. Nun noch meinen besten, und einzigen, Anzug aus dem Schrank holen und anziehen. Fertig. Ich fühlte mich, wie ein ganz neuer Mensch. Dachte nicht mehr an meine Ex, die mich plötzlich und unerwartet verließ. Irgendwie war ich jemand anderes. Ich gefiel mir und dachte positiv.

Auch wenn es schon später war, als ich dachte, ging ich hinaus, an die frische Luft. Es war ein ungewohntes Gefühl, aufrecht zu gehen. Den Blick geradeaus. Mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht. Aber es half. Positiv blickte ich in die Zukunft. Und nur, weil ich mich äußerlich ein wenig verändert hatte. Ich weiß gar nicht mehr, wie lange ich schon diesen Anzug hatte. Gekauft und in den Schrank gehangen. Nie ergab sich eine Gelegenheit, ihn zu tragen. Hätte ich ihn nur mal eher aus dem Schrank geholt. Wer weiß, wie mein Leben in diesem Moment gewesen wäre.

Neue Hoffnung. Und Glaube. Ganz fest hoffte und glaubte ich, das sich mein Leben positiv verändern würde. Es lag nur an mir. Einfach nur nach vorn schauen. Immer geradeaus. In mir war etwas, das raus wollte. Schon seit Jahren. Aber es gab so vieles andere, was mir wichtiger war. Nun gab es aber nur noch mich.

Am folgenden Morgen stand ich sehr früh auf. Kaffee trinken, duschen, rasieren, Zähne putzen und in meinen Anzug schlüpfen. Nun noch mein Lächeln trainieren. Es sollte dezent sein. Sichtbar, aber dennoch verborgen. Damit wollte ich Eindruck machen. Es sollte jedem zeigen: „Ich will. Ich kann. Ich werde.“

Mit meinem Lebenslauf, meinen Zeugnissen und meinem Lächeln, begab ich mich auf Jobsuche. Die Chef waren schwer beeindruckt, von meinem selbstsicheren Auftreten. Leider suchten sie niemanden, oder andere Fachkräfte. Trotz der vielen Absagen, ließ ich mich nicht davon abbringen, weiterhin positiv in die Zukunft zu schauen. Es war mir schon vorher bewusst gewesen, das ich nicht sofort eine Arbeit finden werde. Ich durfte nur nicht aufgeben, sondern musste dranbleiben.

In der Vergangenheit habe ich zu oft und zu schnell aufgegeben. Kein Wunder, das aus mir nichts geworden war. Aber diesmal würde ich nicht aufgeben. Das habe ich mir geschworen gehabt. Geduld ist eine Tugend, die ich bisher nie besessen hatte. Jetzt hatte ich sie.

Was lange währt, wird endlich gut. Und das wurde es auch. Ich hatte einen Job gefunden. Zwar nicht das, was ich erhofft hatte, aber immerhin. Ab jetzt konnte es nur noch bergauf gehen.

Scheiß Valentinstag

Ach leck mich doch. Scheiß auf den Valentinstag. Überall diese Turteltauben.Unerträglich.

Ich war verheiratet. Einmal sollte es jeder versuchen. Es hatte nicht so geklappt, wie ich es mir vorgestellt hatte. Um es kurz zu machen; sie war schuld an der Scheidung. Und es war ihre Idee gewesen.

Valentinstag. Der einzigste Tag, im Jahr, wo ich in die Kneipe gehe. Es ist ja nicht so, das ich den anderen es nicht gönne, verliebt und glücklich zu sein. Aber müssen sie es in aller Öffentlichkeit zeigen? Haben sie kein Zuhause. Selbst in den Geschäften hängen überall Aushängeschilder. Schon Wochen vorher.

Schon damals, als ich noch jemand hatte, konnte ich damit nichts anfangen. Ich wartete nicht auf diesen Tag, um meiner Frau zu zeigen, das ich sie liebe. Sie erfuhr es täglich. Mal half ich ihr im Haushalt. Ein andermal ließ ich sie in Ruhe. Je nach dem, was ihr gerade am liebsten war.

Eigentlich könnte ich auch zu Hause bleiben. In meinem Haus wohnen nur alte Leute. Verbitterte alte Leute. Von denen möchte ich aber niemanden sehen. An all den anderen Tagen kann ich sie geradeso ertragen. Aber am Valentinstag... Schlimmer, als ich. Okay, ich kann sie schon verstehen. Die einen sind verwitwet und die anderen wünschten sich, Witwe/r zu sein.

Ich war beim x-ten Bier. Da fiel mein blick auf meinen Nebenmann. Wer der Mann war, wusste ich nicht. Er rauchte und ich, der über zwanzig Jahre nicht mehr geraucht hatte, musste sein Qualm einatmen. Und das Schlimmste war, ich hatte, nach so langer Zeit, wieder richtig Appetit darauf.

Was sollte ich machen? Nüchtern war ich nicht mehr. Meine Handlungen hatte ich nicht wirklich unter Kontrolle. Und ehe ich es mich versah, klebte eine glühende Zigarette zwischen meinen Lippen. Der erste Zug widerte mich an. Es wäre das beste gewesen, die Zigarette gleich wieder auszumachen. Aber ich versuchte es noch einmal. Und dann wieder. Sah den Rauchwolken nach und überlegte, ob ich mir eine Schachtel kaufe. Zum Glück wurde mir schlecht. Ich bezahlte und ging nach Hause.

Vor meiner Wohnungstür wartete ein Kumpel auf mich. Er war gerade in der Nähe gewesen. In der Hand hielt er einen Teller mit belegten Schnitten. Es roch ganz gut, aber mir war noch übel. Es war eben ein verdammt großer Fehler gewesen, die Zigarette zu rauchen.

Während er im Wohnzimmer saß, duschte ich. Hinterher fühlte ich mich ein weniger wohler. Mir war zwar immer noch übel, aber nicht mehr so sehr. Ich bekam sogar ein paar Schnittchen runter.

Dann spielten wir. Ich sah ihn an und fragte mich, ob ich nichts besseres zu tun hatte, als mich Jahr für Jahr sinnlos volllaufen zu lassen. Als täglich auf die Frauenwelt zu schimpfen und alle in einen Topf zu schmeißen. Vielleicht gab es ja doch noch ein zwei Frauen, die ganz erträglich waren. Es wäre zumindest ein schönerer Anblick, als seiner. Nichts gegen ihn. Aber ich habe nicht das Bedürfnis, mich in seine Arme zu legen.

Ich dachte über all die gescheiterten Beziehungen nach, die ich hatte. Und über meine Ehe. Für die Scheidung zahle ich immer noch. Vielleicht war es doch besser, das er da war und keine Frau. Die bringen einem doch nur Unglück.

Scheidungskinder

Ich war der Neue in ihrem Leben. Zwischen u8ns lief es wunderbar. Nur mit ihren Kindern gab es Probleme. Dabei gab ich mir die allergrößte Mühe, mich stets zurückzuhalten. Ich ließ meine Finger von ihrer Mutter, wenn sie in der Nähe waren. Hielt mich aus allem raus. Schwieg meistens. Dennoch mochten sie mich nicht. Feindselige Blicke trafen mich und ich fragte mich, wie ich sie dazu bringen konnte, mich richtig kennenzulernen und vielleicht zu mögen.

Es war eine schier endlos lange Nacht für mich. Ich versuchte mich in die Kinder hineinzuversetzen. Zu denken und zu fühlen, wie sie. Es war gar nicht so schwer. Schließlich war ich auch ein Scheidungskind. Unzählige Stiefmütter kamen und gingen. Einige waren lieb und nett. Ich mochte sie sehr und akzeptierte sie als meine Mutter/ Stiefmutter. Andere mochte ich überhaupt nicht. Ich hasste sie regelrecht. Leider blieben sie am längsten mit ihm zusammen. Manchmal frage ich mich, wo er die Frauen kennenlernt. Und warum hielten sein Beziehungen nie lange?

Auch meine Mutter hatte einen neuen Mann. Der war nett. Akzeptierte uns so, wie wir waren. Von Anfang an. Mit dem ist sie heute noch zusammen. Zum Glück hatte uns keiner vorgeschrieben, wann wir sie besuchen mussten. Wir konnten ganz individuell entscheiden. Je nach Laune. So war es bei uns gewesen. Aber heute gibt es Vorschriften und Vordrucke. Die Kinder werden gar nicht gefragt, sondern einfach übergangen. Auf den Formularen gibt es kein Kästchen zum Ankreuzen, wo dasteht, Kinder besuchen Partner, wenn es ihnen passt. Nein, sie müssen sich entscheiden, ob sie jedes Wochenende, oder aller zwei Wochenenden zu ihrem anderen Elternteil gehen. Das nervt. Vor allem, wenn man sich verabredet und vergisst, das man ja gar nicht zu Hause ist. Dann ist das Theater groß. 'Du hältst mir meine Kinder vor.' So, oder so ähnlich, fangen dann die Streits der Eltern an.

Ich stand früh auf. Sehr früh. Die Frau ließ ich schlafen. Ihren Wecker schaltete ich aus. Sie war Hausfrau. Hatte also keinen Job, außer Haushalt und Kinder. Außerdem brauchte sie ihren Schlaf. Diesmal würde ich alles schmeißen. Vor allem wollte ich mit den Kindern reden. Ihnen klar machen, das ich sie verstehe. Einen Draht zu ihnen finden.

Sie waren verwundert, als sie mich als erstes sahen. Normalerweise wurden sie von ihrer Mutter geweckt. Ich bat sie leise zu sein und um ein Gespräch in der Küche. Da ich wusste, das niemand, in der Familie frühstückte, hatte ich nur Kaffee und Tee gemacht. Wenn sie schon nichts essen wollten, sollten sie wenigstens etwas trinken.

Als wir gemeinsam am Tisch saßen, sprach ich über meine Gedanken, die ich die Nacht hatte. Sie hörten mir zu. Das machte es mir leichter, ihnen näher zu kommen. Vertrauen entgegen zu bringen. Ich erzählte von mir und meinen Erfahrungen. Auch von den Berichten, die ich im Fernsehen gesehen hatte. Wo endlich mal die Kinder gefragt wurden. Ich machte ihnen deutlich, das ich sie verstehe. Nachfühlen kann, wie es ihnen geht. Ich machte ihnen klar, das ich auf ihrer Seite bin. Sie jederzeit zu mir kommen und über alles reden könnten. Vor mir brauchten sie weder Angst noch Scham zu haben.

Das Gespräch war sehr gut gelaufen. Unser Verhältnis zu einander hatte sie ein wenig gebessert. Natürlich brauchte es seine Zeit, bis sie wirkliches Vertrauen zu mir entwickeln konnten. Aber immerhin sprachen sie, mit mir, offen über die Situation. Das es ihnen nicht gefällt, das sie gezwungen werden jedes Wochenende bei ihrem Vater zu verbringen. Gerade jetzt, wo er eine Neue hat. Er kümmerte sich nur noch um sie. Da musste ich natürlich einschreiten. Zuerst sprach ich mit ihrer Mutter und sie sprach mit ihm. Das Ende der Geschichte war, das er ihr sagte, das sein Interesse, für seine Kinder, nicht besonders groß war. Kurz gesagt, er würde sich freuen, wenn sie ihn nicht so oft besuchen kämen. Für mich klang es so, als wünschte er sich null Kontakt zu seinen Kindern. Ich fand es Schade. Und auch wenn seine Kinder behaupteten, das es ihnen egal wäre, das ihr Vater sie nicht bei sich haben möchte, wusste ich, das es anders war. Tief in ihrem Inneren bluteten ihre Herzen.

Ein paar Wochen später erhielt sie einen Brief. Ihr Ex beschuldigte sie, das sie ihm seine Kinder vorenthielt. Nun mussten die Kinder ran. Auch wenn sie nicht wollten, mussten sie zu ihm und mit ihm reden. Ihn darüber aufklären, das er sie nicht wolle und sie ihm seinen Wunsch erfülle. Jedenfalls hatten sie es so verstanden.

Es war ein langer und harter Kampf gewesen. Ich wollte mich aus allem heraushalten. Aber man ließ mich nicht in Ruhe. Zwischenzeitlich gab man mir, für alles, die Schuld. Diese Anklage wies ich entschieden zurück. Schließlich hatte ich nur mit den Kindern über ihre Gefühle und Gedanken geredet und sie dann der Mutter berichtet. Jene hatte bei ihrem Ex angerufen und ihren Kindern gesagt, das er kein Interesse an ihnen hätte.

Es war ein hin und her. Ging es anfangs noch um die Kinder, ging es, am Ende, nur noch um die Beiden. Gegenseitig schoben sie sich die Schuld in die Schuhe. Laut seiner Meinung, trug sie die Schuld, das ihre Ehe auseinander ging. Denn sie flirtete mit jedem, der ihr über den Weg lief. (Das war mir neu und gefiel mir überhaupt nicht, wenn es der Wahrheit entsprechen sollte.) Sie meinte, das er fremdgegangen war und sie sich deshalb scheiden ließen. Seine Neue gefiel ihm besser. Alles konnte sie besser. Kochen. Putzen. Und auch im Bett war sie besser. Zu viele Informationen. Auch wenn ich sie nicht direkt erfuhr, sondern von ihr, abends, im Bett.

Wieder mal konnte ich nicht schlafen, weil ich an die Kinder dachte. Ich sah ihnen an, wie sehr sie darunter litten. Auch wenn sie es nicht zugaben. Als sie Ferien hatten, nahm ich sie einfach mit. Ziellos fuhren wir zum Bahnhof und nahmen den erstbesten Zug. Wir fragten nicht, wohin er fuhr. Legten einfach das Geld hin, nahmen die Fahrkarten entgegen, liefen zum entsprechenden Gleis, stiegen ein und schon kurz darauf ging die Reise los. Ihrer Mutter hatten wir nur eine kleine Notiz hinterlassen: „Kommen zurück, sobald ihr erwachsen geworden seid.“ Unterschrieben von uns dreien. Drumherum legten wir unsere Mobiltelefone, damit wir nicht erreichbar waren.

Es war uns egal, was und wie sie darüber dachte. Schließlich hatte sie nicht an ihre Kinder gedacht, als der Streit mit ihrem Ex anfing. Vielleicht würde sie endlich mal darüber nachdenken, wie wichtig ihr die Kinder waren. Und vielleicht würde auch er darüber nachdenken. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Während der Reise kamen wir uns immer näher. Wir dachten nicht darüber nach, was zu Hause los war. Die Natur war unser neues Zuhause. Wir wanderten durch die Wälder und bemerkten dabei nicht, das wir eine Landesgrenze überschritten hatten. Plötzlich befanden wir uns auf Tschechischen Boden. Und wir fühlten uns frei. Da begann es, das ich fühlte, es wären meine eigenen Kinder. Und sie nannten mich Papa. Ich hätte weinen können, als sie es zum ersten Mal zu mir gesagt hatten. Aber ich beherrschte mich. So schwer es mir auch fiel.

Die Tage vergingen schnell. Viel zu schnell. Schon bald mussten wir zurück, weil die Ferien sich dem Ende zuneigten. Aber es war schön gewesen. Schön und unvergesslich. Wir schliefen im Wald und ernährten uns, größtenteils, von den Früchten, die dort wuchsen. Nie werde ich den Geschmack der echten Waldbeeren vergessen. So frisch und aromatisch. Auch die Kinder waren begeistert gewesen. Sie hatten viel gelernt. Zum Beispiel, wie Hirsche in Wirklichkeit aussahen. Einen hatten wir sogar dazu bekommen, vertrauen zu uns zu gewinnen. Er kam ganz nah zu uns. Doch dann hörte er ein Geräusch und verschwand wieder im Dickicht. Schade. Aber dennoch ein Erlebnis, wovon sie ihren Enkeln noch erzählen würden.

Ihre Mutter war von unserer Reise nicht begeistert gewesen. Sie kochte vor Wut und giftete mich an. Geduldig hörte ich mir das an und dachte an die vergangenen Tage. Die frische Luft. Das Abenteuer. Und plötzlich wurde ich aus meinen träumen gerissen. Unerwartet stand ihr Ex an der Tür. Nackt. Erschrocken sah er mich an und rannte zurück ins Schlafzimmer. Die Kinder waren nicht begeistert gewesen, als sie ihn sahen. Ganz im Gegenteil. Sie klammerten sich an mich. Wollten, das ich für immer bleibe. Und was war mit mir? Fragte irgendjemand danach?

Angezogen kam ihr Ex wieder raus. Ich sagte nur: „Einer von uns beiden ist zu viel und sollte jetzt gehen.“ Ehe ich es mich versah, zeigten die Kinder auf ihren leiblichen Vater. Die Mutter stand sprachlos da. Ihr Blick wanderte von mir zu ihm. Ich wollte jetzt nichts sagen. Wusste auch nicht, was ich sagen sollte. Die Kinder wollten mich und nicht ihn. Für wen würde sich ihre Mutter entscheiden. Die Spannung stieg ins Unermessliche. Alle schwiegen. Wer würde der Erste sein, der das Schweigen brach? Unerwartet nahm er seine Jacke und verabschiedete sich wortlos. Nun hätten wir unser Leben weiterleben können. Aber stattdessen lief sie ihm hinterher. Nur bekleidet mit einen Morgenmantel.

„Und wieder einmal sind wir es, die die Leidtragenden sind. Die nicht gefragt werden, was sie wollen.“

„Mach dir nichts draus. Mich fragt auch keiner.“, antwortete ich.

In dem Moment hatte ich keine Lust mehr auf sie. Mir kam es so vor, als wären sie meine leiblichen Kinder und wir wurden soeben verlassen. Einfach so im Stich gelassen. Minutenlang standen wir da und starrten auf die Tür. Sie kam nicht zurück. Nun stand ich alleine da. Zwei Teenager und ich. Ich fragte mich, wie es dazu kam, das sie sich plötzlich wieder vertrugen. Außerdem fragte ich mich, ob sie jemals wiederkam. Schließlich hatte sie zwei Kinder. Wollte sie sie wirklich im Stich lassen? Das konnte ich mir nicht vorstellen.

Am Abend kam sie wieder. Die Kinder schliefen schon und wir führten ein langes Gespräch. Es endete damit, das sie zu ihrem Ex zurück ging und die Kinder mitnahm. Doch hatte sie nicht mit extremen Widerstand gerechnet. Verständlich, das man nicht gut drauf ist, wenn man brutal geweckt und mit so einer Nachricht konfrontiert wird. Ihr Sohn wurde sogar handgreiflich und ich musste ihn zurückhalten. Üble Schimpfwörter schmissen sie ihr an den Kopf. Erschrocken stand sie da und ich wusste, das sie mir die Schuld dafür gab.

Ein paar Tage hatten wir noch. Dann mussten wir uns verabschieden. Ich war nicht ihr leiblicher Vater. Und was die Kinder wollten, interessierte keinem. Sie mussten zu ihren Eltern, ob sie wollte, oder nicht.

Es dauerte nicht lange und sie fingen wieder an mit streiten. Ich erfuhr es, weil die Kinder mich regelmäßig besuchten. Zu Hause hielten sie es nicht aus. Selbst nachts zofften sie sich. Schlafen war da unmöglich. Deshalb zogen die Kinder einfach bei mir ein. Mich hatten sie nicht gefragt, ob es mir recht wäre. Und ihren Eltern hatten sie auch nichts gesagt. Anscheinend bekamen sie noch nicht einmal mit, das ihre Kinder weg waren.

Es vergingen Tage. Sogar Wochen. Plötzlich stand sie vor meiner Tür. Sie sagte nichts, sondern knallte mir einfach eine. Dann stürmte sie in meine Wohnung und packte die Sachen ihrer Kinder. Ich machte nichts. Rein gar nichts. Plötzlich klingelte es. Die Kinder. Und zwischen ihnen stand eine Dame. Etwas älter, als ich. Ihr Blick war sehr streng. Jagte mir ein wenig Angst ein.

„Ich bin vom Jugendamt. Darf ich eintreten?“

Noch ehe sie den Satz ausgesprochen hatte, betrat sie meine Wohnung und schaute sich sorgfältig um.

„Ich bitte sie um Entschuldigung. Aber ich kam nicht zum Aufräumen. Übrigens, die hysterische Dame ist die Mutter der Beiden.“

Sie benahm sich wirklich hysterisch. Fluchte und schrie. Ich erkannte sie nicht wieder. Die Frau vom Jugendamt sagte nichts. Dachte sich ihren Teil. Musterte die Kindesmutter.

„Dafür, das sie nicht zum Aufräumen kamen, sieht es, abgesehen von den Kinderzimmern, sehr ordentlich aus. Bis sie nichts anderes von uns hören, bleiben die Kinder bei ihnen. Und sie, Frau...? Ihnen empfehle ich, sich einmal gründlich untersuchen zu lassen. Bis dahin halten sie sich fern von ihren Kindern und dieser Wohnung.“

Dann nahm sie ihren Arm und verschwand. Ich verstand mal wieder rein gar nichts. Nur so viel, das die Kinder beim Jugendamt waren und ihre Eltern wegen Vernachlässigung angezeigt hatten. Mich wollten sie als erziehungsberechtigten. Warum wurde ich nicht gefragt, was ich will? Wie ich darüber denke?

Und so verging die Zeit. Tage. Wochen. Monate. Endlich bekamen wir Bescheid. Kindesvater und Kindesmutter wurden, nach umfangreichen Untersuchungen, das Sorgerecht entzogen. Dafür bekam ich es. Ich wurde nicht gefragt. Nur darauf hingewiesen, wo ich zu unterschreiben habe. Und so kam ich zu zwei Kindern, die mir das Leben nicht immer leicht machten. Dennoch liebe ich sie und kann mir ein Leben, ohne sie, nicht mehr vorstellen.

Einmal im Monat

...Immer am Zahltag. Sobald ich meinen Lohn auf meinem Konto habe, darf ich zu ihr gehen und was Abdrücken. Alimente. Unterhalt für sie und die Kinder. Ich weiß nicht, warum ich das tue. Sie will es so. Es war ihre Idee gewesen, das ich ihr das Geld persönlich überreiche. Ich weiß nicht, warum ich das jeden Monat mitmache.

Jahre ist es her, das wir uns getrennt haben. Ihre Idee. Bis heute kenne ich nicht den genauen Grund dafür. Ich bin mir ziemlich sicher, das sie es selber nicht weiß. Wir waren nicht immer einer Meinung. Stritten häufig, weil wir aneinander vorbei redeten. Andererseits verstanden wir uns ganz gut. Was der eine dachte, sprach der andere aus.

Unsere Ehe ging den Bach runter, weil sich zu viele hinein hingen. Ungefragt quakten sie rein. Dann stritten wir uns. Auch behaupteten einige, das sie mich irgendwo, mit einer anderen Frau, gesehen haben. Manchmal stimmte es. Aber ich tat es nie hinter ihrem Rücken. Ich sagte es ihr vorher. Spätestens am Abend, falls ich die Dame erst unterwegs traf.

Aus irgendeinem Grunde, den ich nicht kenne, verkehre ich meist mit Frauen. Ich kenne nur wenige Männer. Meine Frau kannte sie alle. Es gefiel ihr nicht. Manchmal bekam ich es zu spüren. Dann sagte ich ihr, das sie mir zu viele Kerle kennt. War kein Argument, für sie. Dabei sollte ich erwähnen, das ich denen nicht traute. Manchen schon. Aber ein paar, von denen, starrten sie so komisch an und nahmen sie gern in die Arme. Das Küsschen zur Begrüßung und zum Abschied, musste sein. So lang, wie möglich. Auf die Lippen. Würden sie sie nur als Kumpel sehen,hätte ich nichts dagegen gehabt.

Als wir uns trennten, hatten wir eine stinkwut aufeinander und auf unsere Freunde. Die trugen die Hauptschuld an unserer Trennung. Hätten die das Maul gehalten und sich um sich selber gekümmert, würden wir wahrscheinlich immer noch zusammen sein. Unsere Ehe wäre nicht die Beste. Aber wir wären immer noch zusammen gewesen und ich würde mir den monatlichen Gang, zu ihr, ersparen.

Wie gern hätte ich ihr gesagt, das ich das Geld lieber überweisen würde, anstatt immer zu ihr zu kommen. Aber ich konnte es nicht. Davon abgesehen, führte ich ein ziemlich einsames Leben. Ich hatte keine Freunde mehr und eine neue Freundin hatte ich auch noch nicht gefunden. Mein Interesse war auch weit davon entfernt, mir was Neues zu suchen. Wenn ich was finden würde, dürfte ich den Unterhalt eh nur noch überweisen. Denn schließlich will man ja treu sein.

Es ist immer das Gleiche. Ich bringe ihr das Geld. Spät am Abend. Die Kinder schlafen tief und fest. Sie steht an der Tür und ist nur leicht bekleidet. So sehr ich es auch versuche. Ich kann ihr nicht widerstehen. Immer wieder lasse ich es zu, das ich ihre Wohnung betrete. Wir trinken ein kleines Glas und kurz darauf liegen wir, eng umschlungen, in ihrem Bett. Ich kann nicht behaupten, das es mir nicht gefällt. Dennoch will ich es nicht. Wir sind getrennt. Jeder lebt sein Leben. Wie kann ich eine neue Beziehung anfangen, wenn ich jeden Zahltag bei ihr bin?

Völlig fertig, schläft sie ein und ich darf nach Hause gehen. Schließlich dürfen die Kinder nichts davon wissen. Es wäre ein Schock für sie, wenn sie jemals davon erfahren würden.

Oft wollte ich mit ihr über verschiedene Dinge reden, die mir wichtig erschienen. Aber es kam nie dazu. Kaum will ich damit anfangen, lässt sie was fallen und muss es aufheben. So beginnt alles. Dann gehen wir gemeinsam in ihr Schlafzimmer und alles ist vergessen. Hinterher schläft sie zufrieden ein.

Ich bin ihr völlig ausgeliefert und das weiß sie auch.

Und so kam es

Es ist ja nicht so, das ich es unbedingt wollte. Ich bin da einfach so reingeschlittert. Kennst du einen, kennst du alle. Das bedeutet auch nicht, das ich genauso bin. Ich kenne sie nun halt mal. Und sie kennen mich.

Wo soll ich anfangen? Am besten beim Elternhaus. Meine Mutter trinkt gerne wein. Zwei Flaschen verträgt sie allemal. Und kann immer noch geradeaus laufen. Wenn ich eine Flasche trinke, liege ich unterm Tisch. Früher hatte sie Wodka getrunken. Eine ganze Flasche, ganz alleine. Mein Vater trinkt eigentlich so ziemlich alles. Hauptsache, es dreht. Und er verträgt ziemlich viel. Übung macht den Meister. Es ist zwar nicht so, das sie jeden Tag trinken. Aber doch gelegentlich häufig. Zumindest der alte Mann trinkt relativ viel und oft. Durch ihn kenne ich einen anderen, der gern zu viel trinkt. Tagelang hintereinander. Plötzlich hört er über Wochen hinweg auf und möchte lieber allein sein, um nicht zum Saufen animiert und überredet zu werden. Er ist sehr ordentlich. Wobei ich sagen muss, das es stark untertrieben ist. Der Typ ist penibel. Aber sehr nett und intelligent.

Sein Freund ist da anders. Mal so, mal so. Je nach Blutwert im Alkohol. Rastet schnell mal aus. Und ist eine riesengroße Schlampe. Vor kurzem hatte er sich eine Couch besorgen lassen, mit Schlaffunktion. Die Möglichkeit bestand ja, angeblich, das mal jemand bei ihm übernachten will. Problem: kein Platz. Auf der Couch sammelt sich aller möglicher Mist. DVD´s, LP´s, Zeitungen, Zeitschriften, Erdnüsse, Kippen und weiß der Teufel. Platz, zum Sitzen, ist da keiner. Es würde zu lange dauern, um das Sofa von allem zu befreien. Denn selbst auf dem Fußboden liegt schon ein Haufen Müll rum.

So unterschiedlich können Alkoholiker sein. Während der Eine sich weiterbildet, in dem er Dokumentationen ansieht, verdummt der andere durch hirnlose Serien. Streitet und merkt nicht, wenn er unrecht hat.

Und ich kannte noch einen anderen, der war wirklich schlau. Anstatt selbst was in seiner Wohnung zu machen, ließ er seinen Kumpel alles tun. Wie er ihn dazu brachte, ist mir bis heute ein ungelöstes Rätsel.

Ich konnte noch rechtzeitig die Bremse drücken, bevor ich dem Alkohol richtig verfallen konnte. Einen Teil trug der Penible bei. Denn er sagte mir, das ich nicht mehr weit entfernt davon bin, Alkoholiker zu werden. Und so weit wollte ich es nicht kommen lassen. Schließlich trage ich Verantwortung für eine Frau, der ich ganz egal bin, und Kindern, die nicht hören können. Dennoch sind wir eine Familie und halten zusammen, wenn es zu spät ist.

Durch diverse andere Bekannte – Schwiegervater – lernte ich Menschen kennen, die sich häufig an der frischen Luft aufhielten. Um sich zu wärmen, rieben sie sich von innen ein. Damals hatte ich mir keine Gedanken darum gemacht, wie es aussieht, wenn ich bei ihnen stehe und mit trinke. Heute sieht es natürlich anders aus. Da achte ich mehr auf meinen Umgang. Mein Ansehen ist mir wichtig geworden. Auch muss ich an meine Kinder denken. Wie sieht es aus, wenn sie von der Schule kommen und ihr Vater hängt mit Alkoholikern zusammen?

Das leere Grab

Deprimierend. Ich bin ein niemand. Ein Vergessener. Versager. Niemanden bedeute ich etwas. Lieblos wurde ich verbrannt. Dann unter die Wiese gebracht. Irgendwo da unten, wo das Gras wächst, liegt meine Asche. Kein richtiges Grab. Niemand, der um mich trauert. Was habe ich getan, das mich keiner mag. Das es jedem egal ist, das ich nicht mehr am Leben bin.

Früher war ich immer da, wenn Not am Mann war. Hab mich oft ausnutzen lassen. Ich war dumm gewesen. Glaubte an das Gute im Menschen. Aber eines Tages ging auch dieses vorbei. Denn ich hatte endlich dazu gelernt. Dennoch blieb ich hilfsbereit. Nur war ich nicht mehr für alle und jederzeit da. Ganz bestimmte Personen konnten immer auf mich zählen. Drunter war auch meine Gattin. Warum? Sie hatte mich belogen. Verarscht. War egoistisch. Ein Miststück. Kurz gesagt: Das Letzte. Immer wieder ließ ich mir alles von ihr gefallen. Sie hatte mich getreten. Geschlagen. Gebissen. Gekratzt. Wenn sie mir wehtun konnte, war sie glücklich. Und ich Idiot habe mir alles gefallen gelassen. Habe mich nie gewehrt. Nie zurück geschlagen. So blöd konnte nur ich sein. Gott sein Dank war nun alles vorbei. Lange genug hatte es gedauert.

Wo sind meine Freunde geblieben? Das meine Frau nicht erscheinen würde, war mir irgendwie schon klar gewesen. Immer wieder hatte sie mir gezeigt, das ich ihr nichts bedeute. Behauptet, hatte sie was anderes. Was hatte mich dazu bewegt bei ihr zu bleiben?

Als ich sie kennengelernt hatte, war sie sehr schamhaft. Ich stellte mich darauf ein. Wurde genauso. Doch plötzlich hörte es auf. Ich weiß nicht, ob sie sich nur vor den Kindern nicht schämte, oder allgemein. Anfangs dachte ich mir auch nichts dabei. Ließ sie nackt herum laufen. Machte es selbst. Doch unser Sohn starrte stets auf die Geschlechtsteile. Bei ihr, wie bei mir. Ich mochte nicht mehr, das sie Haut zeigte. Damals sollte ich sogar von ihr aus, mir was drüber ziehen und darauf achten, das nichts rausguckt. Wenn doch mal was hinaus lugte, war unser Sohn der erste, der es sah, darauf starrte und es anfassen wollte. Bei mir achtete meine Frau darauf. Sie selbst lief oben ohne. Zumindest im Sommer. Es war ihr egal, das er es faszinierend fand, was an ihr hing. Aber wenn er daran fasste und ihr weh tat, was häufig vorkam, wurde sie fuchsig. Dennoch blieb sie nackt. Nur einen Slip hatte sie angehabt. Mehr nicht.

Was ich bis heute nicht verstehe, ist, warum sie sich stets vor ihm anzog. Wir kamen aus der Dusche und sie ging in sein Zimmer, weil da ihre Sachen lagen. Und da zog sie sich auch an. Wenn unser Sohn aber in einem anderen Raum war, nahm sie ihre Sachen mit dahin und zog sich da an. Warum? War sie pervers? Pädophil?

Es gab Zeiten, da durfte unser Kind sie häufiger nackt sehen, als ich. Weder durfte ich sie ansehen, noch berühren, oder sonst irgendwelchen Kontakt haben. Aus heiterem Himmel hatte sie keine Lust mit mir zu verkehren. Sich mit mir sehen zu lassen. Sie war da sehr wechselhaft. Jetzt so. Eine halbe Sekunde später so. Ohne Grund wechselte ihr Stimmung. Von Gut auf Mies. Andersherum dauerte es länger. Wenn ich nichts sagte, konnte es Monate dauern. Und wenn ich was sagte, musste ich Minimum zwei Stunden reden, um eine halbwegs vernünftige Antwort zu erhalten.

Es war eine Qual mit ihr zu leben. Sie wusste nicht, was sie wollte. Ließ nicht zu, das ihr etwas Gutes widerschien. Doch nun bin ich tot. Und ich freue mich, das die Qualen endlich ein Ende haben. Nun müssen nur noch die Erinnerungen schwinden, dann wäre ich wirklich glücklich.

 

Kurzbesuch in meiner Heimat

Nach über fünfzig Jahren kam ich wieder in meine Heimatstadt. Ein drittel, meines Lebens, verbrachte ich hier. Ich fragte mich, warum ich damals gegangen war. Eigentlich hatte ich mich doch ganz wohl gefühlt. War sehr heimatverbunden. Ja, ich liebte diese Stadt.

Ich suchte meine alten Gegenden auf, wo ich mich des öfteren aufgehalten hatte. Es war schwierig für mich, mich zurecht zu finden, da sich so vieles geändert hatte. Kaum etwas erkannte ich wieder. Das Rathaus sah aus, wie immer. Aber der Platz, wo es steht, hatte sich stark geändert. Oder trübten mich meine Erinnerungen? Erinnerte ich mich nur falsch daran?

Ich fuhr aus der Stadtmitte, an den Rand. Besuchte meine alten Stadtviertel, wo ich eine zeit lang gelebt hatte. Auch hier hatte sich einiges geändert. Nur noch wenig erinnerte an damals. Meine letzte Wohnung hatte eine komplette Sanierung bekommen. Hätte mich auch gewundert, wenn sie das Haus so gelassen hätten. Als ich wegzog, bröckelte schon leicht der Putz von der Wand. Und auch so, war es nicht besonders ansehnlich. Hier hatte ich mein erstes Kind gezeugt. Viele hatten behauptet, das dieses Kind nicht von mir stammte. Irgendwann hatte ich es fast selbst geglaubt. Kein Wunder. Eine ganze zeit lang war ich allein gewesen. Morgens verschwand sie und erst nachts kam sie wieder. Öfters erhielt ich Anrufe, das sie mit anderen Kerlen gesehen wurde. Meine anrufe ignorierte sie. Und wenn ich sie fragte, mit wem und wo sie gewesen war, erfuhr ich nichts. Sie sprach nicht mit mir. Diese Phasen hatte sie zu unterschiedlichen Zeiten. Auch die Zeitspanne war ungleich. Dennoch hatte ich sie geliebt.

Nach der Geburt lief es sehr gut, zwischen uns. Dann hatte sie wieder ihre Phase. Es war ein hin und her gewesen. Zwischendurch wollte sie sich von mir trennen. Dann wieder nicht. Gern ließ sich sich von ihren „Freunden“ reinreden. Sie bemerkte nicht, das sie von ihnen angelogen wurde. Glaubte jeden scheiß, den sie ihr über mich erzählten. Und irgendwann machte sie daher ganz Schluss. Eigentlich hätte ich mich darüber freuen sollen. Endlich frei. Das ganze Theater hinter mir. Aber ich hatte sie zu sehr geliebt, wie unser Kind.

Nach und nach kamen die Erinnerungen zurück. Mir fiel alles wieder ein. Auch der Grund, warum ich damals gegangen war. Zu oft wurde mir mein Herz gebrochen. Meine Kindheit war auch nicht die beste gewesen. All die Erinnerungen schmerzten. So sehr, das ich das Gefühl hatte, sie wären ganz frisch.

Warum musste ich damals so sehr leiden? Immer wieder wurde mir irgendwie wehgetan. Stets stand mir irgendwas, oder irgendwer, im Weg und ich kam nicht vorwärts. Kaum hatte ich mir was angespart, gab ich es wieder aus. Entweder verlieh ich es jemanden und bekam es nicht zurück, oder ich war so blöd, und gab es freiwillig für jemand aus. Meist für die, mit der ich gerade zusammen war. Auch wenn ich schon vorher wusste, das die Beziehung nicht lange hält. Lag es an mir, das es so schnell wieder auseinanderging?

Ich hatte keine Lust mehr. Knapp zwei Stunden, war ich in meiner Geburtsstadt gewesen. Die Erinnerungen schmerzten zu sehr. Ich wusste wieder, warum ich damals fortging. Zu viel Schmerz und Leid. Deshalb lief ich damals fort. Und ich hätte fernbleiben sollen.

Aufräumen

Vor einiger Zeit habe ich meinen Fernseher verschenkt. Viel zu oft hing ich davor. Eigentlich lief er, ohne das ich hinsah. Verbrauchte sinnlos Strom. Saublöde Sendungen flimmerten, während ich auf dem Klo saß, oder in einem ganz anderen Raum beschäftigt war. Ab und zu schaute ich mal kurz hin, beschwerte mich über den Mist und ging wieder aus dem Zimmer. Der Fernseher lief weiter.

Dann gab es noch die Tage, wo ich den ganzen Tag damit vergeudete. So vieles hatte ich mir vorgenommen und nichts davon gemacht. Die Glotze war wichtiger. Es kam zwar nichts Sehenswertes, aber ich musste es mir anschauen. Das erinnerte mich eines Tages an meinen alten Herrn. Der saß auch lieber vor der Flimmerkiste und tat nichts. Naja, er trank Bier. Nicht selten kam es vor, das er schon morgens damit anfing. Und so wollte ich nicht enden. Daher entschied ich mich, das Ding loszuwerden.

Die ersten Tage wusste ich nicht, was ich machen sollte. Mir war irgendwie langweilig gewesen und ich hatte zu nichts Lust. Auch nicht zum Lesen. Was ich, eigentlich, ganz gern tat. Nach Musik, war mir auch nicht gewesen. Alles ging mir auf den Sack.

Eines Tages zog ich mich an und ging einfach raus. Die Sonne schien und ich machte einen Spaziergang im Grünen. Und ich fand es schön. Es gefiel mir. Darüber hinaus, bekam ich neue Energie. Tatendrang. Plötzlich hatte ich Ideen, wie ich meine Wohnung gestalten könnte. Viel Platz, auf wenig Raum. Ja, ich hatte viel Mist, den ich einfach nicht wegschmeißen konnte. Und den musste ich irgendwie unterbringen. Jeden Tag hatte ich es mir vorgenommen, es endlich in Angriff zu nehmen. Aber nie wurde etwas daraus. Doch jetzt, wo die Glotze weg war und ich im herrlichsten Sonnenschein spazieren ging, hatte ich die nötige Energie dafür.

Ich lief schnellen Schrittes. Irgendwie hatte ich es eilig, nach Hause zu kommen. Dort angekommen, legte ich mich sofort ins Zeug. Schob dieses nach rechts und anderes nach links. Baute mir Regale, die bis unter die Decke reichten und füllte sie auch gleich auf. Und so vergingen die Stunden. Ehe ich es mich versah, war es schon finstere Nacht. Zufrieden und erledigt, legte ich mich in mein Bett und schlief alsbald ein.

Am folgenden Tag musste nur noch Kleinkram erledigt werden. Putzen. Ein wenig saugen, kehren und wischen. Dies war relativ flott erledigt und strengte mich kaum an. Am Ende schaute ich noch einmal, prüfend, durch alle Räume. Viele waren es nicht. Aber sie boten mir jetzt eindeutig mehr Platz.

Plötzlich fiel mir ein, das doch noch etwas Entscheidendes fehlte. Nämlich eine Leiter mit Rollen. Da die Regale bis unter die Decken gingen und meine Wände knapp 2,50m hoch waren, brauchte ich etwas, womit ich bequem ans oberste Regal kam. Meine Leiter war mir zu schwer. Daher baute ich mir eine neue und befestigte sie an mein Regal, welches ja nicht nur sehr hoch war, sondern sich auch über die ganze Wandbreite ausstreckte. Mit dieser Leiter konnte ich innerhalb weniger Sekunden von A nach B kommen. Dafür brauchte ich noch nicht einmal abzusteigen. Nun war ich wirklich zufrieden und konnte mich um anderes kümmern. Eines Tages werde ich mich auch vom Ballast befreien, wie alte Stecker. Ich besitze so viele Netzstecker. Aber für welches Gerät sind sie? Auf den Steckern steht nichts.

Altern

Ich gehöre zu den Menschen, die nicht alt werden können. Wenn ich an meinem Spiegel vorbeilaufe, bleibe ich nicht stehen. Es macht mich depressiv, mich so alt zu sehen. Falten. Graue Haare. Ich kann meinen eigenen Anblick nicht ertragen.

Seit dem ich in Rente bin, geht es mit mir immer mehr bergab. Ich habe nichts zu tun. Meine Kinder leben irgendwo im Ausland. Meine Frau...Warum müssen wir überhaupt altern? Wenn Gott so allmächtig ist, kann er doch das Altern aufhalten. Warum tut er das nicht? Wenigstens bei mir könnte er eine Ausnahme machen. Ich mag nicht alt werden.

Meinen ersten Tag, als Rentner, verbrachte ich in meinem Sessel und schaute mir das Fernsehprogramm an. Ganz egal, welchen Sender ich auch an hatte, es regte mich auf. Niveauloser ging es nicht mehr. Vom schauspielern, hatte keiner eine Ahnung. Ich wusste gar nicht, wie gut es mir ging, als ich noch Arbeit hatte.

Am zweiten Tag ging ich spazieren. Und ich machte einen richtig ausgedehnten Spaziergang. Am Ende wusste ich nicht, wo ich mich befand. Aber ich sah etwas, das ich unbedingt haben wollte. Auf der Stelle. Diese Motorrad. Es war so schön. Und es schien mich förmlich zu rufen. Ich irrte durch die Gegend, bis ich herausfand, wo ich war. Gar nicht so weit von mir weg. Anscheinend war ich im Kreis gelaufen.

Die Bank hatte noch offen. Ich hob eine höhere Summe ab und ging zurück, zu dem Laden. Das Motorrad stand immer noch da. Es glänzte und lächelte mich an. Der Verkäufer sah, das ich das Bike unbedingt haben wollte und versuchte mich übers Ohr zu hauen. Beinahe hätte er es auch geschafft. Aber ich kam gerade noch rechtzeitig zu Sinnen. Und ich konnte den Preis sogar noch nach unten drücken. Nicht viel. Aber dennoch.

Freudestrahlend schob ich das Motorrad zu mir nach Hause. Ich konnte es kaum erwarten darauf zu sitzen und es zum ersten mal zu fahren. In Gedanken hörte ich es schon knattern. Ich sah mich darauf sitzen und fahren. Hinter mir meine Frau, die vor Freude schrie und sich an mir fest klammerte. Doch dann kam alles anders.

Als meine Frau das Motorrad sah, fing sie sofort an zu meckern. Mir eine Standpauke zu halten. Daher schloss ich das Vehikel erst mal weg.

Tage vergingen. Wochen. Monate. Jahre. Meine Frau hatte das Motorrad eingeschlossen gehabt und den Schlüssel versteckt. Jeden Tag suchte sie ein neues Versteck. Und immer wieder scheiterte ich daran, es zu finden. Aber eines Tages hatte ich endlich Glück. Ich fand den Schlüssel. Heimlich schlich ich mich zu meinem Motorrad. Ich stieg auf. Startete es. Fuhr ein paar Meter.

Im Krankenhaus war es gar nicht so schlecht. Den ganzen Tag spielten wir Karten und unterhielten uns. Meine Zimmergenossen hatten es auch nicht so, mit dem Altwerden. Wir beschlossen, das wir eine Motorradgang gründen würden, sobald wir alle aus dem Krankenhaus entlassen wurden. Doch wurde daraus nichts. Unsere Frauen hatten was dagegen. Sie fanden, das wir in Würde altern sollen. Und nicht versuchen sollten, unsere Jugend zurück zu holen. Sie hat recht. Auch wenn es mir schwer fällt, alt zu werden, muss ich ihr recht geben. Keine zwanzig Meter, und ich lag Tagelang im Krankenhaus. Ich war zu alt dafür.

Meine Tage verbringe ich damit. Bücher zu lesen. Mich daran zu erinnern, wie mein Leben war, bevor ich alt wurde. Einmal im Jahr sehe ich meine Kinder und Enkel. Vor kurzem wurde ich Uropa.

Ich bin alt. Mein Leben ist vorbei.

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