Biografien & Erinnerungen
Meine Erstkommunion

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"Meine Erstkommunion"
Veröffentlicht am 19. Mai 2011, 4 Seiten
Kategorie Biografien & Erinnerungen
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Meine Erstkommunion

Meine Erstkommunion

Auf den Tag meiner Erstkommunion hatte ich mich schon lange vorher gefreut. Es würde ein sehr schönes Fest werden, der schönste Tag in meinem Leben, der mir für immer in Erinnerung bleiben sollte – zumindest unser Herr Kaplan sah es so.

Einige Monate vorher bekam eine Schneiderin den Auftrag, mir ein schönes, weißes Kleid zu nähen. Jede Woche musste ich einmal zur Anprobe kommen. Ich saß dann meist stundenlang in ihrer kleinen Kellerwohnung in einer Ecke, sie schien sich einfach keine Zeit für mich zu nehmen. Als das Kleid endlich fertig war, war es mir fast zu klein, denn in der Zwischenzeit war ich schnell gewachsen.

Nach dem Gottesdienst war für die Erstkommunikanten eine Jause im Pfarrhof geplant, denn damals musste man beim Empfang der Hl. Kommunion noch vollkommen nüchtern sein, es gab also vorher kein Frühstück. Hinterher sollte jedes Kind noch ein Säckchen mit Bäckereien bekommen. Dafür sollten die Eltern am Vortag Kuchen oder Kleingebäck in den Pfarrhof bringen. Wer gar eine Torte bringen würde, bekäme auch ein Stück davon in sein Säckchen. Eine Torte war damals noch etwas ganz Kostbares, das Kinder wie ich, nur vom Hörensagen kannten, gegessen hatte ich noch nie ein Stück.

Meine Großmutter wollte mir eine Freude machen und ließ von einem Zuckerbäcker  eine wunderschöne Torte backen, reich verziert mit rosa und gelber Creme. Das Geld dazu hatte sie mühsam zusammengespart.

Zeitig in der Früh – da war es noch nicht so heiß – führte sie die Torte mit ihrem Handwagerl sechs Kilometer von ihrem Wohnort zur Kirche. Stolz wurde dann das Prachtstück – der Konditor hatte sich wirklich bemüht - in den Pfarrhof getragen.

Das Ende der Jause mit Kakao und Guglhupf konnte ich kaum erwarten, denn ich freute mich zu sehr auf mein Tortenstück.

Umso größer war dann die Enttäuschung als ich mein Säckchen öffnete, denn es war keine Torte zu sehen, nur ein kleines Stück Guglhupf. Da auf jedem Säckchen der Name stand, konnte auch keine Verwechslung passiert sein, man hatte mich einfach vergessen. Den Rest des Tages verbrachte ich heulend.

Unsere Wohnungsnachbarin war damals Obfrau bei der örtlichen  Frauenbewegung und sozial sehr engagiert. Als sie von meinem Pech erfuhr, versprach sie mir zum Weihnachtsfest eine große Überraschung und sie hielt ihr Wort. Noch vor Weihnachten wurde ich zu einer schönen Weihnachtsfeier eingeladen, die von der Frauenbewegung für bedürftige Mitbürger veranstaltet wurde. Darüber habe ich mich wirklich gefreut, denn sonst durfte niemand aus unserer Klasse daran teilnehmen.

Ich bekam ein Weihnachtspaket mit kleinen Geschenken, unter anderem war auch ein großes Stück Stoff in dem Paket. Daraus habe ich mir dann in der Schule im Handarbeitsunterricht eine Schürze genäht.

Meine Erstkommunion ist mir tatsächlich bis heute im Gedächtnis geblieben, damit hatte unser Herr Kaplan recht.

 

 

 

 

 

 

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ulla

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Fuchs1957 Es ist schon interessant, - wie die Kirche ein kleines Mädchen traurig. Und eine nichtkirchliche Organisation Menschen hilft.
Genau aus solchen Gründen, bin ich aus der Kirche ausgetreten, aber ich bleibe Christ.
Steffen
Vor langer Zeit - Antworten
ulla Re: Ich liebe... -
Zitat: (Original von erato am 21.05.2011 - 14:03 Uhr) diese geschichtsträchtigen, menschlich bewegenden
Berichte - sie schenken gelebtes Leben - pur.

Klasse und danke
Thomas


Danke Thomas,
Erinnerungen, gute und schlechte, sie machen unser Leben aus
danke fürs Vorbeischauen
glg
ulla
Vor langer Zeit - Antworten
erato Ich liebe... - diese geschichtsträchtigen, menschlich bewegenden
Berichte - sie schenken gelebtes Leben - pur.

Klasse und danke
Thomas
Vor langer Zeit - Antworten
ulla Re: -
Zitat: (Original von mukk am 20.05.2011 - 12:48 Uhr) Da hat weh getan, kann ich gut nachempfinden. Eine unglaubliche Frechheit... gab es also immer schon, wie gemein können Menschen doch sein ? .... Welch bittere Erfahrung für ein kleines Mädchen...
Sei liebst gegrüßt!
deine Ingrid


So spielt das Leben, nicht immer scheint die Sonne, doch immer wieder.
Danke für deinen netten Kommi
und ebenso liebe Grüße zurück
ulla
Vor langer Zeit - Antworten
ulla Re: erinnerungen sind kostbar -
Zitat: (Original von Himmelskind am 19.05.2011 - 17:22 Uhr) sehr schön in worte gefasst

lg

birgit


Danke Birgit,
ab und zu schärft so ein kleiner Erinnerungssplitter den Blick für die Gegenwart
glg
ulla
Vor langer Zeit - Antworten
ulla Re: Du hast eine wunderbare Art zu erzählen. -
Zitat: (Original von Forseti am 19.05.2011 - 16:34 Uhr) Wie traurig muss das kleine Mädchen gewesen sein........
Ein Stück Torte, für die heutigen Kinder etwas Selbstverständliches.......sie sollten diese Geschichte lesen, um mehr schätzen zu lernen, was sie haben. Aber auch wir Erwachsene sollten das tun...denn auch unsere Unzufriedenheit ist immer groß!
Liebe Grüße Marianne


Manchmal schadet so ein kleiner Rückblick nicht, man lernt das Heute erst richtig zu schätzen, wie du schreibst.
Danke fürs Kommentieren und liebe Grüße
ulla
Vor langer Zeit - Antworten
ulla Re: -
Zitat: (Original von tscherry am 19.05.2011 - 14:51 Uhr) Liebe Ulla,
schreibe gerade meine Autobiographie. Heute habe ich gerade das gleiche Thema,welches ich schon vor einem halben Jahr niederschrieb, überarbeitet. Es fällt immer wieder etwas dazu ein. Du hast mich darauf gebracht aus dem Buch Teilgeschichten zu veröffentlichen. Ich danke Dir dafür.
Liebe Grüße Ursel


Kleine Ausschnitte zu veröffentlichen ist besser, denn lange Texte liest niemand gerne
immer wieder überarbeiten, das Problem kenne ich auch, doch meist bleibt es bei ersten Fassung
danke fürs Lesen
lg
ulla
Vor langer Zeit - Antworten
ulla Re: Ach, diese Enttäuschung für ein armes Kind! -
Zitat: (Original von wega am 19.05.2011 - 13:41 Uhr) Deine Geschichte gefällt mir sehr, dein Schreibstil ist auch ganz nach meinem Geschmack.

GLG wega


Danke Wega
eine Enttäuschung war es wahrlich und doch versuchte eine sehr nette Frau, sie wieder gut zu machen, dafür war ich ihr sehr dankbar
glg
ulla
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Da hat weh getan, kann ich gut nachempfinden. Eine unglaubliche Frechheit... gab es also immer schon, wie gemein können Menschen doch sein ? .... Welch bittere Erfahrung für ein kleines Mädchen...
Sei liebst gegrüßt!
deine Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
ulla Re: Eine bewegende Erinnerung -
Zitat: (Original von baesta am 19.05.2011 - 21:52 Uhr) und die Torte haben sicher andere gegessen.........

Liebe Grüße
Bärbel


Wie recht du hast, aber sicherlich nicht die Kinder...
es gab Mesner, Ministranten, Ordner etc. , die alle auf Kosten der Kinder verpflegt wurden
wenn ich zurückdenke, empfinde ich das heute noch als eine riesige Frechheit...
Danke für deinen Kommi
glg
ulla

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