Das Kleid
Es hat damit angefangen, dass man Mann am Samstag, freiwillig ohne Erpressung, Geheul und Selbstmorddrohungen meinerseits, mit mir zum lokalen Markt ging. Gut, es gab etwas was ihn lockte, einen Infostand am Rathaus zum Thema Solarenergie, aber er schlenderte auch mit mir über den Markt und durch die Tübinger Gassen.
Wir kamen auch an „der Boutique“ in Tübingen vorbei und ich meine „die Boutique“. Hier gibt es normalerweise nichts für mich zu kaufen, weil es ungefähr ein Viertel meines Gehaltes auffrisst, wenn man dort ein Kleid anprobiert.
Nun ja aus gegebenem Anlass, Markt in Tübingen, stand ein Ständer mit Angeboten vor der Tür. Mein lieber Mann ist Schnäppchenjäger und als ich ein hübsches schlichtes hellbraunes Kleid hervorzog, das nur noch ein Viertel des ursprünglichen Preises kostete, war er schnell überredet, dass ich da mal reinschlupfen sollte.
Wir gingen in „die Boutique“ und er kam mit. Ich schlüpfte in das Schnäppchen und es sah im oberen Drittel einfach klasse aus.
Da es ein Jersey Kleid war, möchte ich auf den Teil ab dem Bauchnabel gar nicht weiter eingehen. Ich weiß nicht was mich ritt und was meinen Mann dazu bewegte, aber er meinte es sei echt schick, aber ich müsste da unterhalb des Bauchnabels und um die Hüften irgendwas machen.
Nun begann sich die Verkäuferin doch tatsächlich für uns zu interessieren, das Kleid sei ja wie für mich gemacht und Sie brachte eilfertig einen Gürtel der das doppelte vom Schnäppchen kostete, der aber „da ab dem Bauchnabel“ was machte, er verdeckte die Speckrolle ganz gut. Nun von vorne fast perfekt und wer hat hinten schon Augen? Außerdem war ja das Kleid so günstig.
Ich schaute noch mal auf den Preis des Gürtels, der blieb still und starr bei 159.-€. Die Verkäuferin fing meinen Blick auf und meinte pikiert, wenn ich das Kleid und den Gürtel nähme, könnte sie da schon noch was machen.
Ende gut alles gut, aber weit gefehlt. Wir verbrachten noch einen schönen Samstag auf dem Markt, bei den Solarmenschen und durften eBikes Probe fahren.
Etwas erschöpft und hungrig kamen wir Zu Hause an. Ich ließ es mir nicht nehmen, für meine Gatten Modenschau zu machen.
Jetzt kam dann doch die Erschöpfung durch und wir wurden uns einig, dass Frauen mit meiner Figur für Jersey Kleider nicht gemacht sind. Also mal wieder ein Schuss in den Ofen, aber gibt es da nicht diese Unterkleider, die einen in die Form bringen, die man gerne hätte?
Das Kleid ist so hübsch bis zum Bauchnabel, dass ich mich entschied so was mal anzuprobieren. Tragen das nicht alle Frauen und keiner weiß es? War da nicht so eine Szene bei Schokolade zum Frühstück?
Die Zeit verging und ich kam nicht zum Einkaufen. Heute endlich hatte ich eine Stunde in der Stadt, die ich überbrücken musste und da fiel mir ein, dass ich ja mal so ein Teil anprobieren könnte.
Etwas peinlich berührt schlich ich mich in die Damenwäsche Abteilung. Ich fragte eine ältere Verkäuferin, wegen eines Unterkleides, das die Figur etwas formt. Sie war sehr professionell, fragte mich nach meiner BH Größe und verschwand. Hatte sie noch „hautfarben“ gesagt, fragte ich mich, und sah meine Oma vor mir, wie sie abends ihre wunderschönen langen Haare flocht und in ihrer hautbraunen Unterwäsche vor dem Spiegel saß. Nun ich bin ja auch schon Oma, beruhigte ich mich.
Das Unterkleid, so möchte ich es nennen, sah ganz ok aus, und hatte eine hübsche Spitze auf die ich meinen Blick fixierte. Ich nahm das Kleid und verschwand in der Umkleidekabine. Ich versuchte es über den Kopf zu ziehen und musste feststellen dass mein Kopf zu dick war, wie sollte ich das jemals an meinen Körper bekommen?
Nach ein paar Minuten fragte die Verkäuferin, ob es passe, da ich gerade mitten war, drin brachte ich nur „einen Moment noch hervor „ nun war ich mit der Geduld am Ende und zog feste am Mieder und siehe da es fluschte.
Nun konnte die Verkäuferin gucken und meinte das mache eine schöne Linie, was immer das heißt. Auf dem Schildchen stand ja auch, wir machen ihnen eine schöne Figur.
Das Spitzenkleid kostete fast nochmal so viel wie Gürtel und Schnäppchen zusammen. Jetzt brauchte ich noch eine passende Seidenstrumpfhose und es wäre alles perfekt.
Ich musste noch durch den ganzen Laden zur Kasse laufen und das hautfarbene Bekleidungsstück, lies sich nicht verstecken. An der Kasse war einiges los und damit kann ich der Verkäuferin fast verzeihen, was dann noch kam.
Sie sagte laut zu mir, so ein Teil habe ich mir auch mal gekauft, aber das tue ich mir nicht mehr an. Ich muss gestehen, ich werde in peinlichen Situationen immer noch rot, aber da mir der Weg durch das Kaufhaus schon peinlich war, konnte mein Gesicht nicht noch mehr anlaufen.
Nur schnell weg. Sie packte das Corpus Delikti in eine Tüte und ich rannte gemächlichen Schrittes davon. Nur schnell zum Parkhaus. Ich musste das Teil ja nie wieder aus der Tüte nehmen, wenn ich nicht wollte.
Für einen Dienstagmittag war sehr viel los und als ich zum Parkhaus Übergang kam musste ich mir meine Weg durch die Leute bahnen, vielleicht ein Touristen Bus um zuschauen zu können als ich durch die Sicherung lief und der Alarm laut los piepste.
Ich liebe diese Art der Aufmerksamkeit und meine gerade fast neutralisierte Gesichtsfarbe frischte flammend auf. „Kommen Sie doch bitte kurz her, da ist vergessen worden etwas zu entsichern.“
Die nächststehende Verkäuferin nahm mir meine Tüte ab, griff hinein zog meine „Spitzenkleid“ heraus hielt es hoch und ich erwarte sie würde sagen alle mal herschauen! Sie fand den Sicherungsknopf entfernte ihn, entleerte meine gesamte Unterwäsche auf ihren Tisch, suchte den Kassenzettel um zu schauen, ob das Teil auch drauf stand und füllte alles zurück in die Tüte. Entschuldigen Sie war alles was Sie sagte, ich lächelte selbstbewusst in die Runde und stolperte Richtung Parkhaus.
Ich kaufe nie wieder ein Jersey Kleid.