Kurzgeschichte
... vergeht nicht

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"... vergeht nicht"
Veröffentlicht am 11. Mai 2011, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Bisher von mir erschienen im Verlag neun9zig Liebe mbH ISBN 978-3-944907-00-0 Querfeldein ISBN 978-3-944907-02-4 Beide Bücher leider komplett ausverkauft. Noch erhältlich bei Amazon, Verlag neun9zig oder direkt bei mir: Quertextein und hinterm Komma links ISBN 978-3944907215 Kontaktaufnahme über meine Homepage: http://quertextein.jimdo.com/
... vergeht nicht

... vergeht nicht

„Sie kommt!“

„Was?“

„Wo?“

„Schon wieder?“

„Mit oder ohne diese Höllenmaschine?“

„Mit dem Messer!“

„Aaachtung! Alle die Köpfe einziehen! Flach auf den Boden drücken und völlig unauffällig verhalten …!“

„Flach und unauffällig? Sehr witzig, du hast gut Reden.“ Bellis schüttelte ihr rot-weiß-gelbes Köpfchen und blickte vielsagend auf Moosi hinunter, der sich unter zwei Blättern des benachbarten Breitweg-Erichs zu verstecken versuchte.

„Kopf einziehen? Phhh ...“ Hochmütig drehte Ruderalia Löwenzahn eine ihrer ehemals leuchtend gelben Blüten in den Wind und schickte ein paar silberne Samenschirmchen auf die Reise. „Mir doch wurscht, wie viel sie rumschnippelt oder auszustechen versucht, ich komme sowieso wieder, hier oder anderswo.“

„Ich auch“, bemerkte Stellaria selbstsicher vom Rand der grünen Fläche herüber.

„Du?“ Verächtlich schüttelte sich Ruderalia. „Du bist doch nur einjährig.“

„Ja, vielleicht.“ Stellaria kicherte leise. „Aber dieses eine Jahr nutze ich gut. Da kann sie zupfen und zerren, sogar hacken – völlig egal, von mir bleibt immer was zurück, das neu austreibt. Und wie ist das mit dir?“ Freundschaftlich drehte die Vogelmiere ein paar ihrer kleinen weißen Blütenköpfe in Richtung des Kletten-Labkrauts, das sich mit seinen Borstenhaaren an einem Forsythienstamm festklammerte.

„Ach“, jammerte dieses. „Ich beneide Moosi und Trifolium Klee und Weg-Erich zutiefst. Die wachsen da inmitten des Rasens und können sich prima tarnen, und um Viola wird sogar manchmal drumherumgemäht, aber unsereins ist mit dem hellen Grün auf dem dunkelbraunen Boden schutzlos ihren suchenden Blicken und ihrem scharfen Messer preisgegeben und gleich geht es mir an den Kragen, fürchte ich. Oder eher noch an die Wurzel ...“

„Wurzel?“ Zwei der Kratzdisteln, die bis eben träge in der Sonne gedöst hatten, mischten sich in das Gespräch ein. „Bei der Wurzel kommt es hauptsächlich auf ihren Durchmesser und ihre Verlaufsform an. Möglichst dick sollte sie sein, weit verzweigt und tief in die Erde wachsend, so wie unsere“, dozierte die eine. „Damit krallen wir uns dann im Boden fest. Und wehe, sie hat ihre Handschuhe vergessen, dann kann sie uns sowieso nix.“

„Und wenn das alles nichts nützt“, gnickerte die andere, „gibt es noch einen Trick, um sie vollends zur Weißglut zu bringen. Unsere Kleinen haben das ganz toll drauf: Die ziehen sich einfach für einen Moment in die Erde zurück, warten, bis sie vorbeigegangen ist, und schießen dann plötzlich wieder aus dem Boden. Und wenn sie sich sich prüfenden Blickes umdreht, blinzeln sie ganz unschuldig in den Himmel und tun so, als hätten sie schon immer dort gestanden. Ich darf Ihnen verraten, dass es ein prima Mittel ist, um die Frau an den Rand des Wahnsinns zu treiben. Manchmal ist sie so genervt, dass sie uns dann in Ruhe lässt.“

„Auch keine schlechte Idee“, schmeichelte eine unscheinbare Pflanze, die auf ihren dünnen Stängeln schmale, bräunliche Kapseln balancierte. „Mir persönlich wäre das ein bisschen zu umständlich. Und ich hänge auch gar nicht so am Leben, mir ist es viel wichtiger, meinen Nachkommen einen guten Start zu ermöglichen.“

„Tatsächlich?“ Neugierig linsten die Disteln nach unten. „Und wie handhaben Sie das?“

„Och“, piepste das Kraut, stolz, auch etwas zum Thema beitragen zu können, „ich warte, bis sie herangekommen ist, und sobald ihre Hand mich berührt, lasse ich meine Kapseln explodieren und schleudere meinen Samen schneller durch die Luft, als sie 'So ein Mist' rufen kann. Schauen Sie mal, so ...“ Angestrengt versuchte das Kraut, eine der Kapseln aufspringen zu lassen, aber der Wind, der ihm eventuell dabei hätte behilflich sein können, hatte gerade eine Pause eingelegt.

„Aha.“ Gelangweilt wandten sich die Disteln wieder ab.

„Hochinteressant ...“, höhnte Stellaria grinsend.

„Aber ausgesprochen effektiv“, schmollte das graugrüne Pflänzchen. „Und außerdem habe ich auf diese Weise schon die schönsten Flüche kennengelernt, sagte ich Ihnen! Da!“ Mit einem kaum hörbaren Plopp war es ihm schließlich gelungen, ein paar der bräunlichen Hüllen zu zersprengen.

„Hui!“ Die Vogelmiere war nun doch beeindruckt. „Das ist ...“

 

„Hey, sie verzieht sich ja wieder!“ Aufgeregt unterbrach Breitweg-Erich die Fachsimpelei der anderen.

„Tatsächlich ...“ Viola und Bellis seufzten erleichtert aber auch ein bisschen erstaunt auf. „Ohne uns ein Blatt zu krümmen? Seltsam.“

 

Bei der ganzen Diskussion hatte niemand mehr auf die Frau geachtet, die sich ihnen zunächst mit einem langen Messer und einem Eimer bewaffnet genähert hatte, dann eine Weile in ihrer Mitte stehen geblieben war und jetzt langsam zum Haus zurückging.

 

„Ach, das ist doch nichts Neues“, meldete sich Elymus Queck gleichgültig zu Wort. „Das macht sie doch öfter. Erst naht sie mit entschlossenen Schritten und wenn ihr dann anfangt, vor Angst zu zittern und zu jammern, steht sie plötzlich ganz still, beobachtet euch scharf und scheint euch zu lauschen. Dann geht sie zurück und kommt kurze Zeit später mit so einem seltsamen Kasten wieder raus, stellt ihn aufgeklappt auf den Tisch und hämmert mit ihren Fingern auf einer Tastatur herum, dass es nur so klappert. Wenn ihr nicht immer so viel lamentieren würdet, hättet ihr das schon längst bemerken können.“

 

Alle blickten erstaunt auf die Kriechquecke, die sie noch nie so viel an einem Stück hatten reden hören, und von dort zu der Frau. Tatsächlich, sie hatte auf einem Stuhl Platz genommen und blickte konzentriert auf ein buntes Viereck, auf dem wie von Zauberhand eine Menge schwarzer Buchstabenreihen erschienen.

„Was tut sie da nur?“ Die Pflanzen zuckten ratlos mit den Blättern.

 

Ich hätte es ihnen verraten können ...

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Über den Autor

Gunda



Bisher von mir erschienen im Verlag neun9zig

Liebe mbH
ISBN 978-3-944907-00-0
Querfeldein
ISBN 978-3-944907-02-4

Beide Bücher leider komplett ausverkauft.

Noch erhältlich bei Amazon, Verlag neun9zig oder direkt bei mir:
Quertextein und hinterm Komma links
ISBN 978-3944907215

Kontaktaufnahme über meine Homepage: http://quertextein.jimdo.com/

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baesta Re: Re: Auch Unkraut ist zu was nütze ! -
Zitat: (Original von Gunda am 23.06.2011 - 19:42 Uhr)
Zitat: (Original von baesta am 22.06.2011 - 22:08 Uhr) An manchen Stellen darf es bei mir wachsen. Vorige Woche habe ich ein wundervolles Giersch-Pesto gemacht, das sogar meinem Mann geschmeckt hat. Sehr fantasievoll geschrieben, Deine Geschichte.

Liebe Grüße
Bärbel



Ja, "Unkraut" ist ja im Grunde auch immer nur DAS, was ich in DIESEM Moment an DIESER Stelle gerade nicht stehen haben will. Und wenn du Giersch zu Essbarem verwendest, ist es natürlich für dich kein Unkraut, Diese Geschichte entstand in Gedanken aber im Garten meiner SChwiegermutter, und wenn du bis zu den Knien in Disteln stehst, da denkst du wirklich nur an UNkraut .... seufz ..

Lieben Gruß
Gunda



Naja, Disteln liebe ich nun auch nicht gerade, aber auch sie sind sicher zu was gut.

Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Re: Auch Unkraut ist zu was nütze ! -
Zitat: (Original von baesta am 22.06.2011 - 22:08 Uhr) An manchen Stellen darf es bei mir wachsen. Vorige Woche habe ich ein wundervolles Giersch-Pesto gemacht, das sogar meinem Mann geschmeckt hat. Sehr fantasievoll geschrieben, Deine Geschichte.

Liebe Grüße
Bärbel



Ja, "Unkraut" ist ja im Grunde auch immer nur DAS, was ich in DIESEM Moment an DIESER Stelle gerade nicht stehen haben will. Und wenn du Giersch zu Essbarem verwendest, ist es natürlich für dich kein Unkraut, Diese Geschichte entstand in Gedanken aber im Garten meiner SChwiegermutter, und wenn du bis zu den Knien in Disteln stehst, da denkst du wirklich nur an UNkraut .... seufz ..

Lieben Gruß
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Auch Unkraut ist zu was nütze ! - An manchen Stellen darf es bei mir wachsen. Vorige Woche habe ich ein wundervolles Giersch-Pesto gemacht, das sogar meinem Mann geschmeckt hat. Sehr fantasievoll geschrieben, Deine Geschichte.

Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Re: Ein schöner Text! -
Zitat: (Original von Fuchs1957 am 14.05.2011 - 22:35 Uhr) Leider bin ich ein Gartenbanause, der immer nur zum Ernten kam. Ein Laster muss man ja auch haben! Dennoch liebe ich die wundervolle Gartenpracht!
Steffen



Lach ... Wundervolle Gartenpracht kommt nur leider meist nicht von alleine, Steffen :o))

Lieben Gruß
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
Fuchs1957 Ein schöner Text! - Leider bin ich ein Gartenbanause, der immer nur zum Ernten kam. Ein Laster muss man ja auch haben! Dennoch liebe ich die wundervolle Gartenpracht!
Steffen
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Re: So ähnlich hab ich auch ... -
Zitat: (Original von pekaberlin am 14.05.2011 - 18:14 Uhr) ... immer doziert, wenn es hieß Unkraut zupfen, oder Blaubeeren sammeln.
Zum Glück haben meine Eltern und Großeltern meine Faulheit für leichtgewichtger gehalten als meine blühende Phantasie!
Liebe Grüße Peter



Tja, es gibt aber in unserem Garten leider niemanden, der mir meine Ausreden ab- dafür die Arbeit übernehmen würde ... *seufz*

Lieben Gruß und Dank für deinen Kommentar
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Re: Wechselgesang -
Zitat: (Original von Gast am 14.05.2011 - 09:44 Uhr) Liebe Gunda,
jetzt, nach der Lektüre deiner unterhaltsamen Geschichte, betrachte ich den Garten mit ganz anderen Augen! (eben neigt sich die Pfingstrose zum Allium hinüber)
Liebe Grüße
Uschi



Lächel ... Deine Pflanzen werden dir die neue Betrachtungsweise mit erfreulichem Wachstum danken ;o))

Lieben Gruß und Dank
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
pekaberlin So ähnlich hab ich auch ... - ... immer doziert, wenn es hieß Unkraut zupfen, oder Blaubeeren sammeln.
Zum Glück haben meine Eltern und Großeltern meine Faulheit für leichtgewichtger gehalten als meine blühende Phantasie!
Liebe Grüße Peter
Vor langer Zeit - Antworten
Gast Wechselgesang - Liebe Gunda,
jetzt, nach der Lektüre deiner unterhaltsamen Geschichte, betrachte ich den Garten mit ganz anderen Augen! (eben neigt sich die Pfingstrose zum Allium hinüber)
Liebe Grüße
Uschi
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Das ist aber echt eine ... - ... putzige Idee. :-) Vielleicht sollt ich so was auch mal wieder versuchen. Lang, lang ist's her. Ich musste eben beim letzten Satz überlegen, aber klar, die Erzählerin schreibt quasi den eigenen Text. Öhh, damit hast du so was wie eine Endlosschleife produziert. In meiner Branche würde jetzt irgendwann der Server abstürzen. ;-) Tolle Idee!

Liebe Grüße
ein sehr amüsierter Thomas
Vor langer Zeit - Antworten
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