Ende 20. Jahrhundert. Die 19-jährigen Teenager William und Suzan sind verliebt und planen eine gemeinsame Zukunft, bis sie auf verschiedene Colleges gehen und sich aus den Augen verlieren. Zehn Jahre später, nachdem England durch die politische Situation in zwei Parteien gespalten wurde, treffen sie wieder auf einander. Er als Soldat, sie als Rebellin. William, der Suzan immer noch liebt, muss sich entscheiden. Sie, oder seine Karriere als Soldat.
William und Suzan saßen gemeinsam im Saint James Park und beobachteten, wie die Sonne hinter einem Bankgebäude versank. London hatte wundervolle Parks. Mit Teichen, vielen Blumen, Pavillions, Bäumen und sattgrünen Wiesen. Suzan liebte all die Parks in London, aber am meisten den Saint James Park. Er hatte einen großen See mit einem Brunnen, um den Bäume herum wuchsen von den schönsten Farben und Formen, ebenso wie Blumen. Ein kleiner, schmiedeeiserner Zaun umschloss die Beete und Bäume um den See, damit niemand in diesen hereinfallen konnte. Um den See herum waren riesige Rasenflächen, über die ein sandiger, breiter Pfad führte. Dort gab es auch Banken und Pavillions, und es war einfach wundervoll im Sommer neben dem plätschernden Brunnen, und den ganzen Pflanzen herzulaufen, nach einer Weile ein Päuschen auf einer Bank zu machen, und dann schließlich ein Eis bei einem der Eisverkäufer im Park zu kaufen. So hatten auch William und Suzan es an diesem Tag gemacht. Nun saßen sie auf einer der Bänke, und sahen schweigend zum Himmel hoch. Obwohl es schon acht Uhr am Abend war, war es noch immer heiß wie in einem Backofen. Suzan trug ein dunkelblaues Kleid mit Spagehttiträgen, das ihr bis zu den schlanken Knieen reichte, und farblich passende Flipflops. William trug ein schlichtes weisses Tshirt, mit einer khakifarbenden Shorts dazu, und - genau wie Suzan - Flipflops. Nach einer Weile nahm er Suzans Hand, drückte sie und seufzte anschließend. Es klang besorgt. Suzan entging dies nicht. Sie drehte sich zu ihm um, und schaute in seine braunen Augen, die teils von seinen dunkelblonden Haaren verdeckt wurden. "Was ist los?", fragte sie ruhig. Nun drückte auch sie seine Hand. Er lächelte leicht, doch seine Augen sahen ins Leere. "Es ist nichts.". Suzan schnaubte. "Mach mir nichts vor.", sagte sie, "Irgendetwas stimmt nicht. Du bist sonst nie so ruhig wenn wir zusammen sind.". William bemerkte, dass in ihrer Stimme ein leichter Vorwurf lag, weshalb er sich bemühte, etwas fröhlicher zu klingen. "Im Ernst, Suzie. Ich habe nur gerade an die Zukunft gedacht.", sagte er leise. Suzan lachte nervös. Sie hasste es, wenn er von der Zukunft sprach, auch wenn sie seine Sorgen verstehen konnte. Aber er dachte über so vieles nach, über so vieles, über das sie noch nicht einmal in einem Jahr nachdenken wollte. Er war so ernst in letzter Zeit. Sie lebte viel lieber im Jetzt. Genoss die Augenblicke, die das Leben ihr bot, und nahm alles so wie es kam. Aber William zwang sie praktisch dazu, sich mit den Problemen, die sie hatten, auseinander zusetzten. "Will, du weisst, dass ich nicht gern über so etwas spreche. Du bist so ein verdammter Realist!", sagte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. "Willst du mir damit sagen, dass es dir egal ist, wie es weitergeht?", fragte er bissig. "Wie was weitergeht?". Wieder seufzte er. "Suze, ich liebe dich. Aber wir müssen langsam über einige nicht so schöne Sachen sprechen. Ausbildung, Berufe, all diese finanziellen Aspekte, aber das ist nicht alles. Wo sollen wir leben, wie sieht es in punkto Familienplanung aus...". Suzan unterbrach ihn. "Ist das dein Ernst? Will, wir sind 19! Warum denkst du über sowas schon nach?! Wir waren noch nichtmal am College, ich weiss noch nicht was ich werden will, und von der Familienplanung können wir in fünf Jahren nochmal sprechen.". Wütend sprang er von der Bank auf, und sagte mit den Augen auf den See geheftet, der vor ihm im letzten Licht der Sonne seine Farben immer wieder änderte: "Genau darum geht es. Dir ist alles egal. Wir werden in wenigen Wochen auf die Colleges kommen, und du weisst nicht was du studieren willst. Was soll das für ein Leben werden? Willst du enden wie deine Tante, und dich mit Wochenendjobs als Zeitungsverteilerin durchschlagen? So läuft das hier nicht, Suzie. Die Welt ist keine kleine, schnuklige Seifenblase, die aus nichts als Wünschen besteht. Natürlich war es schöner als wir noch unbeschwert ausgehen und lachen konnten, aber die Zeiten ändern sich, und wenn wir irgendetwas aus unserem Leben machen wollen, unserem GEMEINSAMEN Leben, dann, Suzie, musst du der Wahrheit endlich ins Auge sehen und verstehen, dass es jetzt an der Zeit ist aufzuwachen.". Er hatte sich wieder zu ihr umgedreht. Ihre Augen fixierten ihre Flipflops, die von dem trockenen Sandweg ganz staubig waren. Insgeheim wusste sie, dass er Recht hatte. Sie wusste es, aber es machte ihr Angst, darüber zu sprechen. Und statt ihm zu erklären, dass sie all das wusste, das sie ihn VERSTAND, und das ihr nichts wichtiger war, als sich ein Leben mit ihr aufzubauen, sagte sie nur: "Lass meine Tante aus dem Spiel. Sie war nicht mal auf einem College und hat es trotzdem geschafft, ihre Familie zu ernähren.". Suzans Tante war eine von der Arbeit gematerte Frau. Sie war bereits 57 Jahre alt, und in ihrem Gesicht hing die Haut in dicken Lappen herunter. Ihre Haare, die einst schön und blond waren, ebenso wie Suzans Haare jetzt, waren nun grau und immer fettig. Auch von ihren leuchtend blauen Augen konnte man durch die Haut, die ihr darüber gerutscht war, kaum noch etwas sehen. Sie verdiente ihr Geld seit ihrem 25 Lebensjahr mit Gelegenheitsjobs. Als Barfrau, Kellnerin, Farmerin, oder - seit Kurzem - als Zeitungsverteilerin. William bemerkte, dass er Suzan mit seiner Schimpftirade, und insbesondere mit der Anspielung auf ihre Tante, sehr verletzt hatte. Er atmete tief durch, setzte sich wieder auf die Bank neben sie, und nahm sie in den Arm. "Es tut mir Leid.", sagte er und küsste sie auf die Wange. Suzan sah immer noch auf den Boden. Ihre Stimme klang fest und stark, doch insgeheim wusste er, dass sie den Tränen nahe war. "Es war so ein schöner Abend.", flüsterte sie. "Und ich will nicht, dass das aufhört. Ich glaube nicht, dass ich schon bereit dazu bin.". Diesesmal nahm William ihren Kopf sanft in die Hände, drehte ihn zu sich, und küsste sie auf die Lippen. Als er sie dann ansah, lächelte sie leicht. So müssen Engel aussehen, dachte er, und nun lächelte er auch. "Ich bin auch nicht bereit dazu. Aber was bleibt mir anderes übrig. Ich werde aufs College gehen, und dann zum Militär. Suzan sah ihn zweifelnd an. "Militär? Ehrlich, Will, dass ist auch keine Zukunftsperspektive.". Ihr Blick wanderte über die Bäume und Blumen, die im abendlichen Sommerwind leicht raschelten. "Wieso nicht?", fragte er, "Da wird man gut bezahlt.". Sie schnaubte verätlich, und dann trat ein fast schon bösartiges Funkeln in ihre Augen. "Wer sagt das? Die Politiker? Denen kann man doch allen nicht trauen. Natürlich behaupten sie, dass es guten Lohn gibt, eben weil es ihnen an Soldaten fehlt. Jedem ist bewusst, wie aussichtslos und gefährlich das Leben als Soldat ist, deshalb brauchen sie eine neue Taktik, und was lockt besser als Geld? Es ist ihnen egal, was mit ihrem Volk passiert, mit denjenigen, die hinter ihnen stehen und Steuern zahlen, das kümmert sie kein bisschen. Was dieses Land braucht ist eine Revolution, und nicht noch mehr Soldaten, die für nichts und wieder nichts in den Krieg ziehen, und dort sterben.". Während sie sprach, hatte sich ihr Gesicht zu einer grimmigen Maske verzogen, und nun hatte sie kein bisschen Ähnlichkeit mit einem Engel. Eher mit dem Teufel, dachte Will. Er war geschockt von soviel Hass, den seine Geliebte für ihr Vaterland empfand. So geschockt, dass er nicht reden, sondern einfach nur perplex auf den See starren konnte, bis sie das Wort an ihn wandte. "Bis du etwa nicht meiner Meinung, Will?". Er zögerte, und überlegte gut, was er antworten sollte. "Ich weiss nicht.", brachte er schließlich mühsam hervor. "So habe ich noch nie darüber nachgedacht, und ehrlich gesagt will ich das jetzt auch gar nicht. Lass uns jetzt lieber nach Hause gehen, es ist ganz schön kühl geworden.". Suzan leiß den Blick nachdenlich über den dunkel orangen Himmelschweifen ehe sie nickte, und die beiden sich gemeinsam von der Bank erhoben. "Gut,", sagte sie, "wir haben jetzt nämlich wirklich genug über die Zukunft geredet.". Sie lächelte ihn wieder mit ihrem Engelslächeln an, dann gingen sie Hand in Hand nach Hause. Und obwohl Suzan sich größte Mühe gab, William in ein ungezwungenes Gespräch zu verwickeln, blieb die Stimmung den ganzen Weg über angespannt. Sieh nur was du getan hast, Will, dachte sie, während sie mit ihrer freien, rechten Hand über die weichen Blätter der Hecken in den Vorgärten strich. Ich habe dir gesagt, dass es nicht gut ist, über die Zukunft zu reden, und jetzt sie was du getan hast, dachte sie wieder. In ihrem Hinterkopf wuchs der Gedanke, dass es mit William nie so werden würde, wie sie sich es erhofft hatte, und nach diesem Gespräch, das mehr oder weniger einen Keil zwischen sie getrieben hatte, erst recht nicht. Doch sie unterdrückte den Gedanken wieder, und redete sich für den Rest des Weges krampfhaft ein, dass er der Mann war, mit dem sie den Rest ihres Lebens verbringen würde. Er und kein Anderer.
Am nächsten Morgen wachte Suzan gegen zwei Uhr nachmittags auf. Sie hatte am vorigen Abend kein Auge zu getan, die Sache mit Will war ihr einfach zu nahe gegangen. Um vier Uhr morgens schlief sie dann tatsächlich ein, nachdem sie vor Erschöpfung die Augen nicht mehr offenthalten konnte, ihr Gehirn hielt das aber trotzdem nicht davon ab, unaufhörlich weiterzuarbeiten. So hatte sie verrückte Dinge geträumt, die auch jetzt, wo sie wach war, keinen Sinn ergaben. Sie griff nach der Wasserflasche neben ihrem Bett und trank sie fast komplett leer. Dann ging sie duschen, um den Kopf wieder etwas freier zu kriegen. Und es half wirklich. Mit nassen Haaren, und in einer roten Bluse mit Rock ging sie auf den Balkon. Ihre Mutter hatte immer gesagt sie solle nicht mit nassen Haaren nach draussen gehen, da sie sich sonst eine Erkältung holen könnte. Aber ihre Mutter war schon um sechs Uhr zur Arbeit gefahren, und im Moment waren ihre Regeln Suzan herzlich egal. Es war wie auch schon am Vortag brüllend heiß draussen, so dass ihre Haare von alleine trockneten. So stand sie also nur da, an das Balkongeländer gelehnt, dessen weisse farbe langsam abblätterte, die Augen geschlossen und - frierend. Sie wusste nicht warum sie fror. Ein flüchtiger Blick auf das Thermometer, das an der Hauswand befestigt war, verriet ihr, dass es 29° waren. Und doch war ihr kalt. Suzan wusste natürlich, dass das nicht an den äußeren Umständen lag, es lag daran, dass es ihr schlecht ging. Wirklich schlecht. Irgendetwas sagte ihr, dass etwas nicht stimmte, und das etwas schlimmes passieren würde. Und ihr Gefühl hatte sie noch nie gettäuscht. Wie um ihr Recht zu geben, klingelte in diesem Augenblick das Telefon. Suzan zuckte so heftig zusammen, dass sie beinahe hinten über über das Geländer in die Rosenbüsche ihrer Mutter fiel. Dann stürzte sie hinein, packte das Telefon und sagte mit heiserer Stimme: "Hallo?".Das Plastik des Hörers war von der Sonne so heiß geworden, das es regelrecht an Suzans Händen klebte, aber sie merkte es kaum. "Hallo Suzie.", sagte Will am anderen Ende der Leitung. Seine Stimme war leise und kühl. Erneut durchfuhr sie ein Frösteln. Er hörte sich nicht so an, als ob er gute Nachrichten für sie hätte. Doch er sagte nichts mehr, also überwand Suzan sich, und ergriff das Wort selbst. "Will? Ist alles okay? Du hörst dich...". Was? Wie hörte er sich an? Besorgt? Wütend? Enttäuscht? Sie wusste es nicht, sie wusste in diesem Augenblick gar nichts, nur das sie eine kindliche Angst vor dem empfand, was er womöglich gleich sagen würde. Sie wollte ihren Satz zu Ende bringen, doch sie schwieg. Also sprach Will wieder. "Mir geht es gut. Aber ich habe Neuigkeiten für dich.". Suzans freie Hand krallte sich in die splittrige Lehne ihres Schreibtischstuhls. Sie wollte ihn gerade fragen, was für Neuigkeiten es wären, als sie ein anderes Geräusch aus der Leitung warnahm. Etwas wie eine Durchsage. 'Alle Fahrgäste werden aufgefordert, in den Zug zurück zukehren. Die Reise wird nun fortgesetzt.". Und ohne gefragt zu haben, wusste sie auf einmal, was für Neuigkeiten es waren. Jetzt war alles, was sie fühlte, Wut. Wut, dass er ihr so etwas antun konnte. Und dass es ihn so kalt ließ, als ob es ihm nichts ausmachte. Ihre Stimme war kalt und ablehnend. "Will, wo bist du?", fragte sie. Als er das Wort ergriff, klang er überrascht. "Am Bahnhof von Leeds.", sagte er nach einigem zögern. "Ich bin heute früh am Morgen mit dem Zug von London aus losgefahren.". Ihre Finger verkrallten sich nun noch tiefer im Holz. "Die Militärakademie. Du bist zum Militär gegangen. Du willst Soldat werden.", fauchte sie in den Hörer. Leeds war bekannt für seine Militärakademie. Es gab viele davon in England, doch diese war besonders. Sie war hart, demütigend und teuer, allerdings bildete sie die besten Soldaten aus. "Ja, das will ich". Er klang, als ob er sich verteidigen wollte. "Ich habe das schon lange geplant, und das ist das, was ich machen will, dazu fühle ich mich bestimmt.". Suzan atmete tief durch. "Wie lange bleibst du weg?", fragte sie. "Die Ausbildung dauert sechs Jahre.", antwortete er nüchtern. "Das ist Standard.". "Es ist mir verdammt nochmal EGAL, ob das Standard ist!", schrie sie, nun die Stimme von Wut und Tränen erdrückt. "Du willst mich SECHS Jahre warten lassen, um zum Militär zu gehen?! SECHS Jahre, Will?! Um dann in den Krieg zu ziehen?! Das ist kein Leben, weder für dich, noch für mich!", brüllte sie. "Was soll ich sagen, Suzan?", fragte er leise. Suzan schluchzte so laut, dass sie ihn kaum hörte. "Komm nach Hause.", bettelte sie. "Komm nach Hause, wir gehen zusammen auf das London State College, und dann können wir uns ein Leben aufbauen.". "Das geht nicht. Ich habe mich schon eingeschrieben, und allein DAS hat mich schon 2000 Pfund gekostet. Aber ich werde wieder kommen, und dann werden wir uns ein Leben aufbauen. Wirst du auf mich warten?". Suzan sagte einen Moment nichts. Dann zischte sie mit scharfer Stimme: "Versprechen kann ich es nicht.", schmiss den Hörer auf die Gabel, und stürmte weinend aus dem Zimmer.
Zehn Jahre später. Suzan eilte den Flur des London Science&Economy Colleges entlang, um noch rechtzeitig zu ihrem Sozialwissenschaftskurs zu kommen. Sie war mittlerweile 29, und sollte im nächsten Monat, dem 10. Juli, 30 werden. Vor sechs Jahren hatte sie sich entschlossen, zum College zu gehen. Ihre Entscheidung hatte damals erst auf wackligen Beinen gestanden. Sie hatte ihr Leben als trostlos und lästig angesehen, ohne jeglichen Grund zu exestieren, was hauptsächlich an der immernoch nicht verheilten Wunde gelegen hatte, die die Trennung von William hinterlassen hatte. Obwohl er sie vor zehn Jahren darum gebeten hatte, auf ihn zu warten, hatte sie im nichts versprochen. Was folgte, und irgendwie war ihr es schon während ihres letzten Telefonates mit Will klar gewesen, war die Trennung ein halbes Jahr später. Damals kam Suzan die Entscheidung, obwohl sie ihr ein Loch ins Herz gerissen hatte, richtig vor, und das tat sie bis heute, wenn sie mal an Will dachte. Und das war so gut wie nie. Sie hatte sich Mühe gegeben, ihn zu vergessen, und es hatte geklappt. Über die Jahre war er aus ihrem Gedächtnis verschwunden, und Suzan hatte ihr Leben gelebt. Abgelenkt hatte sie sich größtenteils mit der Politik, die zumindest ihre Meinung nach den Bach runter ging. Sie hatte die Nachrichten verfolgt und an lokalen Bürgerversammlungen teilgenommen. Es war ihr kaum aufgefallen, dass aus dem Ablenkungsmanöver eine Passion wurde. So war es auch nicht anders zu erwarten, dass sie als Studienfächer Politik, Geschichte und Sozialwissenschaften wählte. Suzan schlug eine scharfe Kurve auf dem rutschigen Flur und fiel beinahe hin. Sie fing sich vor der massiven Eichentür der Vorlesungssaals, strich sich gekonnt die Haare aus dem Gesicht, klopfte und trat ein. "Miss Honnely, Sie sind zu spät.", sagte ihr Dozent Mr Hovington ohne von seinen Notizen hochzuschauen. Suzan sah sich beschämt und etwas nervös nach einem freien Platz um. "Ich habe meinen Ordner verlegt, Mr Hovington.", sagte sie entschuldigend und huschte zu einem freien Platz am Fenster, auf der linken Seite. "Setzen Sie sich und halten Sie den Mund. Es tut mir Leid, wenn sie nicht an meinem Kurs interessiert sind, andere hingegen schon.", entgegnete er scharf. "Und jetzt machen wir weiter. Wo war ich stehen geblieben?..... Ach ja. Das Rechtssystem. Wie Sie alle sicherlich wissen, werden die meisten Wahlen von den Parlamenten durchgeführt, welches zuvor vom Monarchen gewählt wurde. Die so unbestreitbare Qualität und Sicherheit was die...". Suzan räusperte sich lautstark. Diesmal sah Hovington auf, und musterte sie mit einem argwöhnischen Blick. "Sie möchten etwas sagen?", fragte er an Suzan gewandt. Sie hielt seinem Blick stand, und schüttelte unschuldig den Kopf. "Nein, nichts.". Hovington ging um das Podium herum und setzte sich auf die Kante seines Schreibtisches, den Kopf etwas schief gelegt. "Doch, ich glaube schon.", sagte er, "nur zu.". Suzan räsuperte sich erneut und zupfte ihre Bluse etwas zurecht. "Wollen sie wirklich meine ehrliche Meinung hören, Mr Hovington?", fragte sie mit etwas herausfordendem Unterton. "Aber natürlich, wir sind schließlich hier, um über Unstimmigkeiten zu diskutieren.", erwiderte er. "Wie kommen sie darauf, dass ich ihre Meinung nicht teile?". "Weil sie das nie tun.". "Vielleicht erleben sie eine Überraschung.", sagte Suzan mit einem leichten Grinsen auf den Lippen. "Ist das denn so?". Hovington. Suzan lachte, woraufhin sich die Augen ihres Dozenten zu Schlitzen zusammen zogen. "Nein, ich bitte Sie. Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, aber was sie da reden, ist einfach nur Bockmist.". Diesmal war er es, der lachte. "Bockmist? Wollen Sie damit sagen, dass sie unsere Regierung für schlecht halten?" "Ich halte sie nicht nur für schlecht, ich halte sie für das dümmste und verkommenste was jemals exestiert hat, und nicht für schlecht. Das ist ein Unterschied, Mr Hovington.". Nun war seine Stimme lauter. "Werden sie besser nicht frech, Miss Honnely, sie gehören eindeutig nicht zu denen, die besonders häufig positiv auffallen.". "Ich dachte, ich darf meine freie Meinung äußern.", erwiderte sie. "Sofern sie begründet ist.", erläuterte Hovington. "Oh, ich kann ihnen eine Begründung geben.". Jetzt stand Suzan auf. Alle Studenten sahen sie an, wie sie von Wut gepackt dastand, und sich immer mehr in Rage redete. "Dieses ganze angebliche Rechtssystem ist nichts weiter als eine gut vertuschte Diktatur, was ein bedeutungsloser Handlanger wie Sie natürlich nicht verstehen kann, denn dazu fehlt Ihnen ganz offensichtlich der gesunde Menschenverstand. Ihr ach so geliebter Monarch, König David, ist ein Tyrann, der gute Miene zum bösen Spiel macht, indem er so tut, als ob die Leute, die er ins Parlament wählt, die Interessen der Volkes vertreten, was sie ganz eindeutig nicht tun! Stadtdessen kriegen sie Anweisungen vom König, wie und was sie entscheiden sollen, um ihm freie Bahn zu machen, ohne das es einer merkt! Aber ich HABE es gemerkt, und werde diese ungeheuerlichen Betrug sicher nicht auch noch unterstützen!", kreischte sie. "Verschwinden Sie aus meinem Kurs, Honnely, oder ich werfe sie persönlich raus!". ""Oh, das brauchen sie gar nicht, ich gehe! Wenn sie meinen dieses korrupte Pack, dass sich Regierung schimpft gut finden zu müssen, ist das mit Sicherheit nicht mehr mein Problem!". Sowohl Suzans als auch Mr Hovingtons Kopf hatten einen dunklen Rotton angenommen. Hovington schnaubte und brüllte dann: "Dann GEHEN SIE!". Blind vor Wut packte Suzan ihre Tasche, und riss dabei den Stuhl mit um, was ihr herzlich egal war. Sie ignorierte die schockierten und belustigten Blicke, öffnete die Tür, und schloss sie mit einem Knall. Sollte er sie doch aus seinem Kurs schmeißen, das kümmerte sie kein bisschen. Sie würde nicht kuschen, nein, sie würde sich gegen dieses verkorkste System auflehnen. Und sie wusste auch schon, wie sie das am besten machte. Und mit welcher Hilfe. In wenigen Minuten hatte sie ihre kleine Wohnung im anliegenden Studentenwohnheim erreicht. Achtlos warf sie ihre Sachen in die gewohnte Ecke, und nahm das Telefon zur Hand. Sie wählte eine Nummer und wartete dann ungeduldig, bis sich die gewünschte Stimme meldete. Suzan stöhnte erleichtert auf. "Hallo Melody? Hier ist Suzan. Hör zu, ich habe einen Plan was die Ansprache des Königs übermorgen am Samstag betrifft...".
Blut und dünnflüssiger Schlam flossen William durchs Gesicht, so dass er kaum noch etwas sehen konnte, aber er wusste, dass er weiter kriechen musste. Er hatte sich am Anfang des Kriechpfades an dem zu Trainingszwecken darüber gespannten Stacheldraht die Haut über der linken Augenbraue aufgerissen. Der monsunartige Regen wusch im das Blut und den hochspritzenden Schlamm in die Augen. Weiter vor ihm konnte er den Drillsargeant hören, Sargeant Hollow. Will hasste ihn, und er hasste Will, was Williams Erfolg und Motivation in einem gewissen Maaße ziemlich einzuschränken schien. Das Leben hier an der Leeds Military Academy war kein Leichtes. Das war Will zum ersten mal klar geworden, als er das Studium wegen eines Beinbruchs, verursacht durch einen von Sargeant Hollows halzbrecherischen Pakurs, abbrechen musste. Er war unglaublich verbittert gewesen, sehr zur Schadenfreude Hollows. Dabei war der Studienabbruch gar nicht mal das Schlimmste gewesen. Das Schlimmste war, das er es nach vier Jahren abbrechen musste. Mit sechs hätte er den Abschluss in der Tasche gehabt. Die Academy war streng, und deshalb beschloss General Fipps, der an und für sich ein netter und entspannter, alter Mann war, das Will mit dem Studium noch einmal von neuem Beginnen musste, beziehungsweise mit der Ausbildung, wordurch er letzten Endes nicht sechs Jahre hier verbrachte, sondern zehn. Darüber war er SEHR verbittert gewesen. Der Grund dafür war Suzan gewesen. Suzan... er hatte ihr versprochen nach sechs Jahren zurückzukommen, aber dann... dann kam dieser Brief, eines Tages, noch in der ersten Hälfte des ersten Jahres. Sie hatte geschrieben, dass er sie vergessen solle, so wie sie ihn vergessen werde. Denn sie hatte etwas besseres verdient als eine Fernbeziehung, weil er so egoistisch gewesen war, und einfach so zur Leeds Military Academy ging. Sie wünsche ihm viel Glück und Erfolg, und ein erfülltes Leben. Sie hatte den Brief nichtmal unterschrieben. Verschwitzt und keuchend kroch er weiter. "Hartender!", brüllte Hollow. Will zuckte bei dem Klang seines Nachnamens leicht zusammen und versuchte, sich noch schneller fortzubewegen, doch der Regen hatte sich schon zu einem regelrechten Monsun entwickelt, so dass der Schlamm unter ihm so dünn wie Wasser wurde, und er immer wieder wegrutschte. Nach dem gefühlte Stunden vergangen waren, richtete er sich durchnässt und völlig erschöpft auf. Es war eine solche Anstrenung gewesen, dass er zu husten begann und seine Hände auf die Kniee stämmen musste, um nicht in Ohnmacht zu fallen. Wozu machst du das?, dachte er verbittert, wozu? Wem willst du etwas beweisen? Deinen chronisch unzufriedenen Eltern? Suzan? Dir selbst? Er schüttelte leicht den Kopf. Rechts von sich konnte er jemanden durch den wässrigen Schlamm auf ihn zu kommen hören. Vor ihm stand Hollow, packte ihn an der Schulter und schüttelte ihn leicht. "Alles in Ordnung, Hartender?", fragte er mit dunkel brummender Stimme. Will spuckte mit Blut durchzogenen Speichel aus und nickte schwach. Vor sich konnte er Hollows schwere Militärstiefel sehen, mit den Metallkapen, und an den Waden hochgeschnürt. Es schien unruhig zu sein, so wie er von einem Bein aufs andere wippte. Unsicher klopfte er Will auf den Rücken. "Kommen sie, Junge, ich muss mit Ihnen reden.". Will ahnte böses. Seine Muskeln spannten sich an, und als er versuchte einen Schritt nach vorne zu tun, fiel er der Länge nach in den Dreck. Hollow packte seinen Arm und zog ihn wieder auf die Beine. "Sie brauchen keine Angst haben, ich werde sie nicht bestrafen.", sagte er, obwohl es für Will wie eine Lüge klang. Doch schließlich ließ er sich widerstandslos von dem Sargeant in sein Büro schleifen. Er drückte ihm ein Handtuch in die Hand, bot ihm aber nicht an sich zu setzen, obwohl er seine sehnsüchtigen Blicke zum Stuhl bemerkte. Hollow grinste leicht, doch es verflog schon bald. "Es dauert nicht lange. Fipps hat mir aufgetragen, mit Ihnen zu reden.". Wills Magen krampfte sich zusammen. Das war's, sagte er sich, du hast versagt. Er wird dich wieder von Neuem anfangen lassen, womöglich wirst du in dieser Akademie noch sterben! Er gab ein heiseres Husten von sich. Die Stimme seines Drillsargeants schnitt scharf durch den Raum. "Sie werden doch nicht etwa krank, oder Hartender?". "Nein, Sir". Beide schwiegen für einen Moment. "Ist auch besser so.", knurrte Hollow dann. Mit einem ächzenden Geräusch lehnte er sich in seinem mit Leder gepolsterten Sessel zurück. "Fipps hat mir gesagt, dass ich Ihnen das hier geben soll.". Er zog eine der vier Schubladen an seinem Eichenschreibtisch auf, und nahm einen vom Staat versiegelten Umschlag heraus. Er trug die Aufschrift "Weiterzuleiten an den Gefreiten William George Hartender". Will zog die Augenbrauen hoch und nahm den Brief neugierig entgegen. Er riss die obere Kante auf, nahm die eine Seite weißes Papier heraus und begann ungläubig zu lesen, was dort geschrieben stand:
"An den Gefreiten William George Hartender.
Dieser Brief ist eine offizielle Aufforderung zu Ihrem Beitrag zum Schutz des Staatsoberhauptes. Nach abgeschlossener Grundausbildung werden Sie umgehend in London erwartet, um für die Bewachung König Davids zu sorgen. Finden Sie sich bitte in der folgenden für Sie vorgesehen Einrichtung ein: Westminster Military Social Tent
Bei Verweigerung wird Ihnen die Zulassung wieder abgenommen.
Eliah Porrington, Staatssekretär"
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William begann trotz aller Müdigkeit und Schmerzen zu grinsen. "Wirklich? Ich darf König David beschützten?". Hollow murmelte irgendetwas. Will freute sich wahnsinnig, dass sich die vielen Jahre hier endlich gelohnt hatten. Endlich ein Auftrag. Er wollte gerade umdrehen und aus dem Zimmer stürmen, um es seinen Eltern mitzuteilen, als ihm plötzlich etwas auffiel. Er machte auf dem Absatz kehrt und wandte sich wieder an der Sargeant. "Warum das Militär?", fragte Will, "reicht denn nicht die normale Straßenpolizei?". "Ich fürchte nicht.", entgegnete Hollow. "Einige Spezialisten der Polizei sind bei Undercover-Ermittlungen auf eine große Gruppe Rebellen gestoßen. Sie haben sich als Gleichgesinnte ausgegeben und wurden deshalb eingeweiht. Sie planen den Mord am König. Und es werden viele sein, sehr viele.". Ein Gedanke schoß William unwillkürlich durch den Kopf. Vielleicht war Suzan... doch er verwarf den Gedanken wieder. "Wieso haben sie die Rebellen nicht einfach festgenommen?". "Sie sind dahinter gekommen", erklärte der Sargeant, "und jetzt sind sie wie vom Erdboden verschluckt. Aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie, nur weil wir Bescheid wissen, den ganzen Plan wieder hinschmeißen. Wir müssen für alles gewappnet sein. Und machen sie sich keine Sorgen wegen Ihrer Ausbildung, diese ist für Sie nun abgeschlossen. Sondergenehmigung durch General Fipps. Bauen sie ja keinen Mist, Hartender. Ich werde nicht die Suppe für sie auslöffeln.". Mit diesen Worten wies er Will an, das Büro zu verlassen.
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Zwei Tage später. London. "Ruhe!", rief Suzan, und versuchte die aufgebrachte Gruppe Rebellen um sich herum zu beruhigen. Heute war Samstag, der Tag an dem König David plante seine Rede zu halten. Doch sie würden ihm einen Strich durch die Rechung machen. Dummerweise, dachte Suzan zerknirscht, weiss der König von unserern Plänen. Und das Militär auch. Der Überraschungseffekt fällt also weg, aber mit der richtigen Ausrüstung wird das schon. Sie grinste und klopfte auf das Gewehr, dass an ihrem Bein lehnte. Auch die geschätzten fünfhundert anderen Rebellen die sich versammelt hatten, trugen Waffen. Viele hatten sich Gürtel umgeschnallt, die mit Feuerwerkskörpern gefüllt waren, oder Tränengas. Einige hatten sich sogar Granaten eingesteckt, doch wenn Suzan es verhindern konnte, sollten diese nicht benutzt werden. Es ging immerhin nicht darum, Zivilisten zu töten. Der einzige Tote, den es geben sollte, war König John. Er hatte es verdient. Dieser hinterhältige... Vereinzelt fingen Leute an sich zu prügeln. "Hey!", schrie Suzan, und wedelte mit ihrem Gewehr durch die Luft. Die Streithähne ließen voneinander ab, warfen sich aber dennoch böse Blicke zu. Die Unruhe und Hektik störte sie. Sie hatte alles gut durchdacht und geplant, und hatte nicht vor sich das kaputt machen zu lassen. "Jim, was sollte das?", fauchte sie einen der Männer an. Jim war eigentlich noch nicht einmal ein Mann. Er war ein Junge, gerade mal 19. So alt wie Suzan als sie noch mit Will zusammen war. Sein Gesicht war blass, es lief etwas Blut aus seiner Nase. Er schüttelte beschämt den Kopf. "Das war ich nicht. Zac hat angefangen.". Zac war, ganz im Gegensatz zu Jim, schon ein richtiger Mann. Er war tättowiert und glatzköpfig, mit Sicherheit um die zwanzig Jahre älter als Suzan. Diese wandte ihren Blick nun Zac zu. "Stimmt das Zac?". Er schnaubte verächtlich. "Der Milchbubi hat Angst bekommen, wollte einen Rückzieher machen.". "Und wieso hast du ihn geschlagen? Keiner ist verpflichtet hier zu sein!", sagte Suzan scharf. "Ich weiss", murmelte Zac, "ich dachte, dass bringt ihn vielleicht zur Vernunft.". Suzan seufzte gereizt. "Was ist nun, Jim?", fragte sie. Jim kaute auf seiner Lippe und dachte nach. "Ich bin noch dabei.", sagte er dann. Suzan lächelte und nickte ihm ermutigend zu. Dann sprach sie wieder zu ihrer Truppe. "Alles klar, also dann. Ihr kennt den Plan, richtig?". Ein Raunen ging durch die Menge. Sie wertete es als ein Ja. "Wir gehen einzeln und durch verschiedene Türen raus. So ist es sicher, dass wir nicht auffallen. Dann positionieren sich alle auf ihren Posten. Sobald König David rauskommt, wird geschossen. Aber vorher werfen alle jene, die Entsprechendes dabei haben, die Feuerwerkskörper, um das Militär abzulenken. Alles verstanden?". Die Menge vor ihr nickte stumm. "Also gut. Dann würde ich sagen, die Operation 'Sommersylvester' kann beginnen.", sagte Suzan, ein leichtes Lächeln auf den Lippen und ein eifriges Funkeln in den Augen. Gruppe Rebellen teile sich. Suzan strömte mit der ersten Hälfte aus dem Seiteneingang, der in eine kleine schäbige Seitengasse führte. um die Gewehre und Gürtel zu verstecken hatten sie sich lange Mäntel angezogen. Die Hitze darunter war fast unerträglich, da es Sommer war, aber Suzan wusste, auf was für ein zeil sie zusteuerten und war bereit, dafür die Hitze zu ertragen. Weiter vor ihr konnte sie Melody sehen. Melody war ihre beste Freundin. Sie hatten sich auf dem Campus, im Debattierclub, kennengelernt und ihre beinahe identische Vorstellung vom Leben hatte die beiden eng zusammen geschweißt. Es war Melody gewesen, die Suzan kurz nach ihrem Rausschmiss aus dem Sozialwissenschaftenkurs angerufen hatte. Die Idee, den König zu stürzen war ihr natürlich nicht von jetzt auf gleich gekommen. Sie hatten das Attentat schon Monate vorher geplant. Nur ursprünglich nicht für diesen Tag. Trotzdem war es kein Problem gewesen, den Termin spontan vorzuverlegen. Die Rebellen waren flexibel, die Waffen hatte Melody schon Monate vorher besorgt und in ihrem Keller gelagert und auch der Plan war bereits ausgereift gwesen. Alles würde wie am Schnürchen klappen. Und trotzdem bin ich nervös, dachte Suzan und biss sich auf die Lippe. Warum nur? Ich habe das Gefühl, als wird heute etwas Seltsames geschehen, etwas Unvorhergesehenes. Aber was? Suzan redete sich ein, dass das nur eine Reaktion auf die ganze Situation war und berührte vorsichtig das Gewehr unter ihrem Mantel, nur um sicherzugehen, dass es noch da war. Sie waren nun fast am Ende der Seitengasse angekommen. Die Hauptstrassen waren wie leer gefegt. Sie sind alle schon vor dem Masters Palace, dachte sie wütend, sie sind alle da um diesem Nichtsnutz zuzuhören. Vorne gingen die ersten in Dreiergruppen davon. Die Trennung war nur übergangsweise. Sie würden sich zum Angriff alle in der Menge verstecken. Um den Masters Palace war rundherum eine große Mauer, so dass die Zuschauer König David nur von dem Balkon aus zu sehen bekamen. Der Plan war, die Zivilisten mit Tränengas zu vertreiben, die Mauer rauf zu klettern, und dann - zu schießen. Nun war auch Suzan vorne angekommen. Mit ihr in einer Gruppe waren Jim und Melody. Sie liefen laut mit einander plaudernd und lachend nebeneinander her, immerhin durften sie nicht auffallen, was mit Regenmänteln im Sommer sowieso schwierig war. Doch wie als ob das Wetter sich ihnen anschließen wollte, zogen von Nord-Westen her Wolken auf. Suzan schaute blinzelnd in den Himmel und lächelte. Das wird unser Meisterstück, dachte sie, mein Gott, und wenn ich dabei sterbe! Langsam sahen sie schon die ersten Menschen mit England-Flaggen herbeiströmen. Auch den hohen Turm des Masters Palace konnten sie bereits ausmachen. Der Masters Palace war eigens für den König gebaut worden. Er bestand aus großen, grauen Granitblöcken, mit einem Turm und der schon erwähnten Mauer, für die Sicherheit natürlich. Damit King Dave aber trotzdem auch Ansprachen halten konnte, war ein Stück höher als die Mauer ein kleiner Balkon an den Palace angebaut worden. Im Grunde war er sonst für nichts gut. David wohnte irgendwo in einer schicken Villa, die dauerhaft von der Polizei bewacht wurde und nutzte den Palace nur für solche Anlässe. Sein Bau war Geldverschwendung gewesen, in jeglicher Hinsicht. Endlich waren sie nun davor angekommen. Melody, Jim und Suzan quetschten sich durch die Menge so weit nach vorne wie es ging. Auf halbem Weg blieb Melody stehen und drehte dich zu Suzan um. "Suze", flüsterte sie ihr ins Ohr, "ich bleibe weiter hinten und mache das mit dem Tränengas. Du und Jim geht nach vorne und klettert die Mauer hoch, in Ordnung?". "Alles klar.", erwiderte Suzan und nickte Melody zu. Sie klopfte ihr freundschaftlich auf die Schulter, lächelte und sagte: "Viel Glück". Dann verschwand sie nach hinten und Suzan und Jim bahnten weiter ihren Weg durch die Menge. Schießlich waren sie ganz vorne angelangt. Jim neben ihr zitterte. Sie nahm seine Hand und drückte sie, wofür er ihr einen dankbaren Blick schenkte. Währenddessen begannen die Glocken zu läuten. David trat auf den Balkon, winkte dem jubelden Publikum und fing an zu sprechen. Suzan schloß kurz die Augen. Nach den ersten paar Sätzen des Königs ertönte von hinten ein lauter Knall und es wurde neblig. Das Tränengas breitete sich aus. "Komm!", brüllte Suzan Jim über die kreischende, auseinanderstrebende Menge hinweg zu. Die beiden zogen blitzschnell ihre Mäntel aus und nahmen ihre Wurfhaken vom Rücken. Sie warfen sie über die Mauer und kletterten unter einiger Anstrengung daran hoch. Jim keuchte, eben so wie Suzan, doch sie würden es schaffen, dass wusste sie. Unter ihnen hörten sie einen weiteren Knall. Melody begann Feuerwerkskörper anzuzünden und in die noch vorhandene, sture Menge zu werfen. Ein Schauer lief Suzan über den Rücken als sie ein kleines Mädchen erst schreien und dann weinen hörte, doch sie musste weiter klettern. Auch Melody kletterte nun die Mauer hoch, wärhend Suzan und Jim oben angekommen waren. Ihr einziger, dort vorhandener Deckungsschutz waren Zierpfeiler, die etwa die Dicke eines Bodendiele hatten, aber das war nun unwichtig. Sieh mich an David, dachte sie mit einem bösen Grinsen, sieh mich an, das sind deine letzten Stunden als lebender Mensch und König! Sie zog ihr Gewehr vom Rücken und zielte. Ebenso wie die sechshundert Soldaten, die sich unten am Palast aufgereiht hatten.
Einen Tag vor der Ansprache des Königs war William in London angekommen. Ein Offizier hatte am Bahnhof auf ihn und hundert andere Soldaten aus seiner Akademie gewartet, um ihn abzuholen und zum Westminster Military Social Tent zu bringen. Dies war Wills Unterkunft für seinen Auftrag, ein Zelt, das er sich mit fünfhundert anderen Soldaten teilen musste. Das war zwar kein Luxus, aber wenn alles glatt lief blieb er nur für eine Nacht. Die Fahrt vom Bahnhof bis zu dem Zelt, das versteckt in dem Wald hinter dem Masters Palace lag, dauerte nur etwa eine halbe Stunde. Dort angekommen, wies ein General sie in ihre Aufgaben ein und erklärte, wie es am nächsten Tag ablaufen würde. "Hartender, William George?", fragte der General durch das Mirkofon. Will hob seine Hand und rief: "Hier!". Der General suchte kurz die Menge ab, fand Wills Hand und nickte kurz. "Sie sind ebenfalls für den passiven Schutz verantwortlich. Sprich, sie reihen sich mit ihren Kumpanan unten auf und warten, ob die Rebellen versuchen, über die Mauer zu klettern. Der nächste...". Nach seiner Einteilung verließ Willam das Zelt und lief ein Stück in den Wald hinein, wo er sich eine Zigarette anzündete und nachdachte. Er war enttäuscht. Sehr sogar. Was er sich von diesem Auftrag erhofft hatte, war der Direktschutz des Königs, und nicht wie ein Namenloser zwischen fünfhundert Anderen Wache stehen. Es wird nicht ein Rebell auftauchen, dachte Will grimmig, nicht einer. Warum sollten sie auch? Sie wissen doch, dass wir Bescheid wissen. Das ganze wäre Selbstmord. Er schüttelte den Kopf und trat seine Zigarette aus. Noch war gutes Wetter, doch am nächsten Tag sollte es in Regen umschlagen. Wieder schüttelte Will den Kopf und seufzte. Hinter sich hörte er Schritte, woraufhin er sich umdrehte. Ben, einer seiner besten Freunde aus der Akademie, kam mit zwei Erkennungsmarken auf ihn zu. "Will", sagte er ruhig, "du hast vergessen, deine Marke abzuholen". "Danke, Ben.", sagte Will und nahm die Kette mit seinem Namen drauf. Eine Weile schwiegen beide. "William, es ist schon spät. Lass uns schlafen gehen. Ich schätze morgen wird ein langer Tag.". Will dachte einen Moment nach. "Okay, vielleicht hast du Recht.", stimmte er dann widerwillig zu und ging mit Ben still Richtung Zelt, wo er sich hinlegte und überraschenderweise augenblicklich in einen tiefen Schlaf fiel.
Am Nachmittag darauf ging der Stress los. Es waren nur noch wenige Minuten, bis der König seine Ansprache halten sollte. Draussen, am Westminster Military Social Tent, stand Will an der Waffenausgabe und wartete darauf, ein Gewehr in die Hand gedrückt zu bekommen. Es ging nur langsam voran. Über ihnen wurde der Himmel, wie schon angekündigt, immer dunkler, Wolken zogen auf. Endlich war Will dran. Der unfreundliche Offizier hinter dem Tisch drückte ihm ein langes Jagdgewehr in die Hand und wunk ihn mit einer hektischen Geste weiter. Will seufzte und stellte sich etwas an die Seite, wo er sich seine Marke umhängte, seine schusssichere Weste anzog und das Gewehr lud. Dann folgte er den anderen Gefreiten zum Masters Palace. William reihte sich mit den anderen auf. Ein paar Meter weiter neben ihm stand Ben. Auch er war dem passiven Schutz zugeteilt worden. Will schwitzte. Durch die aufziehenden Wolken wurde es zwar schon kälter, doch es war immernoch warm, besonders unter seiner gepolsterten Militäruniform. Vor der Mauer hörte er die Menge jubeln. Es waren nur noch wenige Minuten, dann hielt König David seine Rede. Hoffentlich geht alles glatt, dachte Will, ich bin eigentlich noch nicht darauf vorbereitet jemanden zu erschiessen. Jetzt gleich schlägt die Stunde der Wahrheit und ich habe gar kein gutes Gefühl. Er begann zu zittern und wartete. Und wartete. Dann hörte er leise Schritte auf dem Balkon über sich und wie die Menge brüllte. Sie brüllte auch noch als er die ersten paar Sätze bereits gesprochen hatte. "Hallo, geliebte Bürger Londons!", rief der König. "Ich freue mich, dass ihr heute so zahlreich erschienen seid. Denn ich suche zu jedem einzelnen Bürger eine Verbindung, einen Draht, um...". Das Brüllen wurde lauter. Dann ertönte ein Knall, und das Brüllen wurde zu einem entsetztlichen Kreischen. William klappte die Kinnlade runter. "Legt an!", rief der Sargeant, der das Kommando führte. Augenblicklich hoben Will und seine Kumpanen ihre Gewehre. Etwa zweihundert Haken wurden auf einmal über die Mauer geworfen. Will schwitzte immer stärker. Es passiert tatsächlich, dachte er panisch, sie sind hier. Sie müssen verrückt sein, dass wird keiner von ihnen überleben! Ihm wurde schlecht. Man konnte bereits die ersten Finger sehen, die sich an der Mauer festkrallten und sich daran hochzogen. Es waren die dünnen Finger einer Frau. Die Nägel waren nicht lakiert, zumindest konnte Will keine Farbe erkennen. Dann tauchte ein Kopf auf, ein Kopf mit blonden, langen Haaren, die zwar wirr, aber doch perfekt fielen. Die junge Frau hob den Kopf. Sie starrte auf den Balkon. Auf ihrem Rücken hing ein Gewehr. "Zielt!", rief der Sargeant. Alle Soldaten um Will herum hoben ihre Gewehre und zielten, jetzt jedoch auch auf die anderen Köpfe die über der Mauer aufgetaucht waren. Dahinter erklangen weiterhin Knälle und Schreie. Will glaubte Tränengas aufsteigen zu sehen. Doch er selbst zielte nicht. Die blonde Frau, die nun auf der Mauer stand und ihr Gewehr vom Rücken nahm stand direkt vor ihm auf der Mauer, doch er konnte nicht auf sie zielen. Sie kam ihm bekannt vor. Sehr bekannt sogar. Sie hob ihr Gewehr und zielte scheinbar auf König David. "Ladet!", wies der Sargeant sie weiter an. Ein einheitliches Klicken ertönte in der Masse der Soldaten. Die Frau schien sie erst jetzt zu bemerken. Wow, dachte Will währenddessen, diese Frau kommt mir wirklich bekannt vor. SIe sieht fast so aus wie... Die Frau drehte ihren Kopf in Richtung des Klickens der Gewehre der Soldaten, zwischen denen er stand. Ihr Blick fiel direkt auf Will. Und da erkannte er sie. Und sie ihn. .....Suzan. Will ließ das Gewehr sinken und starrte in ihre blauen Augen. Sie starrte zurück. Das darf nicht wahr sein!, fluchte er in Gedanken, sie darf nicht hier sein, sie werden sie erschießen! Und dann, zu Wills Schrecken, fiel tatsächlich der erste Schuss.
Der Schuss kam von einem Soldaten, der etwa zwei Meter neben ihm stand. Will war schon vorher aufgefallen, wie nervös er gewirkt hatte, wie er gezittert hatte. Dummerweise hatte er trotz des Zitterns getroffen. Eine junge Frau, fast so hübsch wie Suzan und scheinbar im selben Alter, mit strähnigen, langen, braunen Haaren fiel mit einem leisen Stöhnen rücklings über die Mauer. Geschockt starrte der junge Soldat auf sein Gewehr und stieß einen leisen Schrei aus. Auch Will war geschockt. "Was zum Teufel sollte das?!", brüllte der Sargeant, der sich zu dem Soldaten umgedreht hatte. Will ignorierte ihn. Seine Aufmerksamkeit lag auf Suzan. Sie hatte sich verzweifelt auf die Mauer gekniet und sah der toten Frau hinterher. Er hörte sie leise "Melody!" rufen, und dann schluchzen. Der junge Rebell neben ihr, William schätzte ihn auf 19, wurde blass. Währenddessen rappelte Suzan sich wieder auf. Selbst von der Entfernung konnte er puren Hass und unbändige Wut in ihren Augen sehen. Vor Zorn zitternd hob sie ihr Gewehr -und schoss auf den jungen Soldaten, der ihre Freundin getötet hatte. Er ging zu Boden, und wenn Will es richtig sah, hatte sie ihn am Kopf getroffen. Er war tot. Der Sargeant der noch dabei gewesen war, ihm zu erklären, dass sie erst schießen durften, wenn die Rebellen das Feuer eröffneten, stoppte mitten im Satz und drehte sich zu den Rebellen auf der Mauer um. "FEUER!", brüllte er, und um Will herum begannen sie zu schiessen. Suzan warf sich hinter einen der Zierpfeiler, genau wie der blasse junge neben ihr. Er hörte wie sie brüllte: "Los, FEUER!", und nun fingen auch die geschätzt fünfhundert Rebellen zu schiessen an. Einige von ihnen zogen kleine, rote Gegenstände aus ihren Gürteln und zündeten sie an. Dann warfen sie sie in die Soldaten. Und erst als eines davon Richtung Will flog, erkannte er was es war. Ein Feuerwerkskörper. Schützend hielt er sich die Hände vors Gesicht, doch es nützte nichts mehr. Er spürte wie die Explosion und das Feuer seine Haut verbrannten, so dass er stöhnend zu Boden ging und die Augen schloss. Als er sie wieder öffnete, sprangen einige der Rebellen von der Mauer und rollten sich gekonnt ab. Sie klebten etwas an die Mauer, zündeten auch das an und machten sich dann daran, weiter auf die Soldaten zu schiessen. Kurze Zeit später erschütterte eine Explosion den Boden. Will hielt sich die Ohren zu. Die Mauer zersprang, so dass ein großes Loch offengelegt wurde, wodurch noch mehr Rebellen in den Bereich hinter der Mauer strömen konnten. Durch das Loch konnte Will den leblosen Körper Melodys sehen. Mittlerweile hatte sich der blasse Junge zu ihr gesellt. Wenn Will das überlebte, würde er für beide beten. Suzan war währenddessen aus ihrer Deckung gekommen. Sie starrte Will an, zielte aber nicht auf ihn. Stattdessen legte sie ihren Kopf in den Nacken und spuckte ihm vor die Füße. "Das denke ich von dir, Soldat!", brüllte sie, und schoss dann auf einen anderen Soldaten, der gerade auch auf sie schoss. Sie verwundete ihn schwer, allerdings traf er sie auch an der Schulter, woraufhin sie verärgert zurück in ihre Deckung ging. Will war vollkommen perplex durch Suzans Aktion. Er verstand nicht, warum sie ihn so hasste. War es wirklich nur, weil er ein Soldat war? Weil er David beschützte? Weil er sie im Stich gelassen hatte? Er konnte ihre Schulter bluten sehen. Sie zog etwas aus ihrem Gürtel, riss etwas davon ab und warf es dann mit einem bestialischen Grinsen nach Will. Es sah aus wie eine Granate. Doch als sie den Boden berührte gab es keine Explosion. Es war Tränengas. Es juckte und brannte in Wills Augen und er schrie. "Suzan!", rief er. Er öffnete trotz des Brennens und Juckens die Augen, und sah ihre Silouette durch das Gas. Sie zielte auf den König, der von einigen Soldaten so schnell wie möglich durch den Hinterausgang evakuiert wurde. Will blickte sich um. Um ihn herum lagen nur Leichen. Auch Ben war unter ihnen. Will schämte sich dafür, dass er ihm nicht hatte helfen können. Doch es waren nicht nur tote Soldaten. Auch Rebellenleichen lagen herum, Frauen und Männer und anscheinend auch, zu Wills großem Entsetzten, Teenager. Ein junges Mädchen lag nah bei ihm. Er kroch darauf zu. Sie trug eine Namens Kette, kleine, silberne Buchstaben, die den Namen "Amy" bildeten. Sie sah aus wie Suzan, damals, als Will noch mit ihr zusammen gewesen war. Er spürte wie ein paar Tränen seine Wangen hinunterflossen. Dann hörte er einen Schuss. Er war ganz klar von Suzan gekommen. Um ein Haar hätte sie König David getroffen, doch er hatte sich rechtzeitig gebückt. Sie lud nach und setzte erneut an. Der Sargeant robbte mit einem verwundeten Bein auf ihn zu. "Hartender!", rief er hustend über den Lärm hinweg. "Erschiessen Sie sie! Meine Munition ist leer!". Mit einem Schlag waren alle seine Muskeln gelähmt. "Nein.", sagte er zittrig. Der Sargeant packte ihn wütend am Kragen. "Das ist Beffehlsverweigerung! Schießen Sie, William!", brüllte er und schüttelte William. Will war in einer Zwickmühle. Wenn er es nicht tat, war seine hart erarbeitete Karriere vorbei, aber er konnte doch nicht Suzan erschießen, nicht sie! Und in diesem Moment wurde es ihm klar: Er liebte sie. Er liebte sie noch immer, und er hatte nie damit aufgehört. Er liebte sie, obwohl sie Feuerwerkskörper und Tränengasgranaten nach ihm geworfen hatte, obwohl sie ihm respektlos und hasserfüllt vor die Füße gespuckt hatte, obwohl sie ihn vor neuneinhalb Jahren verlassen hatte. Er liebte sie. Und er konnte sie nicht töten. Suzan oben auf der Mauer löste die Sicherung ihres Gewehrs. "MACHEN SIE ENDLICH, ODER ICH TUE ES!", rief der Sargeant und griff nach Wills Waffe. "Nein!". Will hielt die Waffe fest im Griffe, einen Finger am Abzug. Der Sargeant stürzte sich auf ihn. Und da passierte es. Durch das Gewicht des Sargeant wurde Wills Finger weiter auf den Abzug gedrückt. Es löste sich ein Schuss. Und er traf Suzan am Kopf. In dem sich lichtenden Nebel sah will ungläubig, wie ihre Beine einknickten, und sie rückwärts von der Mauer stürzte. Durch das Loch in der Mauer konnte er sehen, wie ihr Körper auf dem Boden aufschlug. Sie bewegte sich nicht. Er wusste nicht, warum er darauf gehofft hatte. Immer mehr Tränen flossen sein Gesicht hinab, als er aufstand und mit wackligen, weichen Beinen auf Suzans Körper zueilte. Ihr Kopf war zur Seite gedreht, ihr Körper lag auf dem Rücken. Sanft strich er ihr die Haare aus der blutenden Stirn. Auch sie war blass geworden, wie der Junge und Melody auch. Vorsichtig, zitternd und weindend, fühlte er ihren Puls...Nichts. Trotzdem lächelte Will leicht. Dafür hatte er Suzan geliebt. Wie sie sich für ihre Überzeugungen einsetzte. Sie hatte als Rebellin gelebt, und war als Rebellin gestorben. Dafür, und für nichts anderes, hatte ihr Herz geschlagen. Hinter sich hörte er den Sargeant näher kommen. "Hartender?", fragte er. "Stehen Sie auf, die schiessen immernoch, obwohl der König schon weg ist. Scheinbar haben Sie ihre Anführerin getötet.". Ein Feuerwerkskörper landete dicht neben ihnen und explodierte. Will bekam es kaum mit. "Ich habe Suzan erschossen.", flüsterte er mit tränenerstickter Stimme. "Das haben sie gut gemacht.", sagte der Sargeant und klopfte ihm auf den Rücken. Wut kochte in William hoch. Er stand auf und richtete seine Waffe auf den Sargeant. Seine Tränen flossen unaufhörlich weiter. "Ich habe sie geliebt, die Nichtsnutz. Ich war mit ihr zusammen, vor vielen Jahren, aber ich habe sie immernoch geliebt. Wegen Ihnen hab ich sie getötet!", schrie Will. "Lassen Sie den Mist!", erwiderte der Sargeant wütend, "Geben Sie mir die Waffe!". Mit einem Mal war Will ganz zuhig. "Nein", sagte er, "da gibt es etwas, was ich vorher noch tun muss.". Das waren Wills letzte Worte. Er hob das Gewehr an seinen Kopf und drückte ab.
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Nach diesem Blutbad, das tragischer endete als gewollt, erschossen die Rebellen David doch noch, und so kehrte die Demokratie in England ein. William George Hartender und Suzan Mary Honnely wurden in einem Doppelgrab begraben. Der gemeinsame Grabstein trug die Inschrift: "Sie starben für ihr Land und für die Demokratie."
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Ende.