Â
Kapitel 2 Ö
"Danke, gut. Und dir?", antwortete ich. Und klickte auf sein Profil. Aha, er ist 27, nennt sich Charisma und wohnt 70 Kilometer entfernt von mir, die Eckdaten.
Das Daten auf dem Lande, wenn man die Kleinstadt in der ich wohne so nennen kann, ist anders als in der Stadt. Entfernungen sind auf dem Lande normal, aber 70 Kilometer finde ich dann doch zu weit und bleibe skeptisch. Sein Profilbild zeigt einen hübschen südländischen Mann, sehr gepflegt, aber nicht metro, er wirkt sympathisch. Wir tauschen uns über alle möglichen Themen aus, ohne wirkliche Struktur. Dann fragt er nach einem Treffen. "Heute noch?", frage ich. "Ja, warum nicht", antwortet er. Wir verabreden uns um drei, drei Uhr nachts, am Brunnen mitten am Marktplatz von dem ich nicht weit weg wohne. Die Uhr zeigt nun zwei Uhr. Ohne Rücksicht auf meine wahrscheinlich schlafenden Nachbarn, lasse ich mir ein heißes Bad ein, drehe die Musik lauter und begebe mich mit meinem Glas Wein in die Wanne. Ach tut das gut, der süßliche Lavendelgeruch des Schaumbades, zusammen mit meiner Lieblingscd und der Vorfreude auf Sex heben meine Stimmung deutlich. Ich rasiere mich, creme mich ein, schminke mich dezent, suche mir etwas schickes aber bequemes zum Anziehen heraus und finde mich dann auf meinem Sessel in der Küche wieder. Noch einmal studiere ich das Profil von Charisma. Wieso mache ich das eigentlich?, fragte ich mich. Der eine gerade zur Tür hinaus und schon der nächste? Ich kann jetzt einfach nicht alleine sein, verteidigte ich mich vor meinem schlechten Gewissen. G ist nicht da, meine Nachbarin bezieht Stellung für meinen Ex und meine Freundin will ich Mitten in der Nacht nicht in alle Einzelheiten einweihen, das ist meine Rechtfertigung für schnellen Sex. Ich brauche jetzt Aufmerksamkeit, männliche Aufmerksamkeit, ich will begehrt werden, will flirten. Kurz vor drei Uhr schlendere ich in Richtung Marktplatz direkt auf den Brunnen zu. Da steht jemand. Ein Auto, ein BMW, typisch Südländer. Ein Mann, der sich auf die unterste Stufe des Brunnens gesetzt hatte, lächelt mich an. Ui, der gefällt mir denke ich. Mit einem Hey und meinem schönsten Lächeln begrüße ich ihn. Er steht auf, stellt sich vor, küsst mich links und rechts, dann setzt er sich wieder auf seine Stufe. Ich setze mich neben ihn. Von hier aus kann ich das Restaurant sehen, indem sich heute so viel abgespielt hat. Nun sind alle Lichter aus, alles ist ruhig, ich kann mir kaum vorstellen, dass das wirklich alles heute Nacht passiert ist. Zusammen mit Charisma rauche ich eine Zigarette, wir beschließen an die Tankstelle zu fahren, um etwas Wein zu holen und es uns dann bei mir zuhause gemütlich zu machen. Ja ich weiß, man bringt keinen anderen Mann, in die gemeinsame Wohnung. Aber G ist nun mein Ex, er flirtet mit seinen Cousinen und ich mit Charisma. Zusammen fahren wir nun also zur Tankstelle. "Was möchtest du denn gerne trinken?", fragt er mich. "Weißwein", antworte ich wie aus der Pistole geschossen. Er kauft gleich zwei Flaschen, als ob er mich kennen würde...Wir fahren fahren zu mir. In der Wohnung angekommen ziehen wir Schuhe und Jacken aus. Er trägt ein enges Longshirt, genau mein Fall. Er hat einen guten Körper und alles in einem bin ich positiver Dinge ihm gegenüber. Anders als bei anderen Dates, halten wir uns sehr lange mit Gesprächen auf. Natürlich kommt auch das Thema hoch, wessen Wohnung das hier überhaupt ist. "Das ist meine und die meines Exfreundes, aber der ist im Urlaub", antworte ich wahrheitsgemäß. "Wir haben uns getrennt und ich ziehe bald aus". Als ich das ausgesprochen hatte, kam die Angst, die ich den Abend schon einmal so stark gespürt hatte wieder hoch. Ich glaube Charisma bzw. Ö wie er in Wirklichkeit heißt hat das gemerkt, er nahm mich in den Arm. Und da war´s auch schon geschehen mit mir. Altes Schema. Der Mann gefällt mir, den nehme ich mir. Ich spürte Lust in mir aufsteigen. Ö roch gut, ganz anders als G, aber wunderbar. Ich küsste ihn, er hatte dünne Lippen, beim Küssen hielt er meinen Kopf so, als ob er mich verschlingen wollte. Tut das gut dachte ich. Um hier keinen Liveporno an unsere Küchenfensternachbarn abzugeben, verzogen wir uns ins Schlafzimmer, bzw. In mein Zimmer, die Wohnung war ja aufgeteilt. Der Sex war lang und intensiv, es passte. Es gibt ja Männer mit denen klappt das einfach nicht. Der Sex war nun sicherlich nicht mein Bester gewesen, es war Blümchensex. Ich finde Blümchensex turnt nur mit Gefühlen an, also mit einem Mann den man auch liebt. Bei Unbekannten oder Onenightstands bewährt sich der dreckige Sex, wenn man ihn so nennen mag mehr, obwohl ich nicht verstehen kann, was daran dreckig ist. Gleich nach dem Sex sprang ich auf, ich hatte noch nicht genug Konversation, ich holte uns zwei Gläser Wein und wir unterhielten uns weiter. In der Hinsicht ist Ö echt ein Ausnahmeobjekt. Wir waren uns menschlich schon nach der kurzen Zeit sehr nah und schliefen eingekuschelt ineinander ein.
Am nächsten Morgen blinzelte ich und musste meine Augen sofort wieder schließen. Ein dicker Sonnenstrahl flutete das ganze Schlafzimmer. Ich blickte auf das Fenster und sah die Kirchturmuhr, die elf Uhr anzeigte.Ö lächelte mich an. "Na Süße, hast du gut geschlafen?" "Danke, wunderbar, du auch?", "Ja, und ich habe verdammten Hunger." Aber nicht sein Hunger sondern das klingeln meines Handys ließ mich aus dem Bett springen. Ja, eigentlich hätte ich schon seit einer Stunde arbeiten müssen. Aber da ich, wie ich fand, mich in einer Ausnahmesituation befinde, immerhin muss ich eine Trennung verarbeiten und außerdem ziehe ich sowieso um, schwänzte ich die Arbeit ohne schlechtes Gewissen. Wir gingen zusammen duschen, seine Geilheit steckte mich an, sodass wir es heiß unter der Dusche trieben. Anschließend gingen wir frühstücken und dann fuhr er wieder.
Ich kochte mir Kaffee, trank mindestens zwei Liter Wasser. Der viele Wein letzte Nacht hatte für einen ordentlichen Brand gesorgt. Da saß ich wieder in der Küche in meinem Sessel. Ich beschloss meine Freundin anzurufen und ihr von meinem Abend zu berichten.
Meine Freundin ist echt tolerant, sie hätte so eine Aktion niemals gebracht. Sie nimmt mich so wie ich bin und wir diskutieren alle Wenns und Abers aus. Nach guten zwei Stunden kommen wir auf das Thema Umzug zu sprechen. Ja ich wollte ausziehen, aber ich wollte nicht ausziehen, weil ich das wollte, sondern um konsequent zu sein. Eigentlich war das ja nur ein Druckmittel, aber jetzt, da es nicht als das fungiert hatte, musste ich konsequent sein. Über die Stadt waren wir uns schnell einig, danach überlegten wir, wie ich mal so eben auf die Schnelle eine Wohnung und einen Umzug organisiert bekomme. Doch ich bezog die Vorschläge und Pläne meiner Freundin und mir gar nicht als die meinen an. Ich zog es vor zu verdrängen und mich abzulenken.
Ich machte mich frisch, zog mich an und fühlte mich großartig. Anschließend ging ich Einkaufen. Ich füllte meinen Weinvorrat auf und kaufte einige Sachen für ein leckeres Abendessen ein. Es war schon wieder fünf Uhr. Ich beschloss meine Nachbarin zum Essen einzuladen, Hauptsache nicht alleine sein, dachte ich, außerdem mag ich sie.
N kam gleich mit einer Flasche Wein bewaffnet zu mir, die wir auch prompt leerten, während wir uns ein schmackhaftes Essen zubereiteten. Zusammen saßen wir in der Küche und aßen. Ich vermied es über den gestrigen Abend, G, Männer und vor allem von Ö zu erzählen. Das tat gut, eine Art Ablenkung von der Ablenkung. N ging und ich schaltete meinen Laptop an. Mist, Ö ist nicht online.
Â
Ich dachte nach, mir wurde klar, dass ich mir vorgenommen habe, nicht mehr da zu sein, wenn er aus seinem Urlaub kommt. Mir wurde bewusst, dass das die Trennung bedeutet. Die Spielchen und Trotzigkeiten haben zur Trennung geführt. Es ist aus mit mir und G.
Er hat sich noch kein einziges Mal gemeldet, schoss es mir durch den Kopf. Hat er denn auch mit mir abgeschlossen? Ich will doch aufgehalten werden, aber er hält mich nicht auf, der will mich nicht, er braucht mich nicht. Acht Tage lang grämte ich mich mit diesen Gedanken. Ich vermisste ihn so sehr, es fühlte sich an, als ob er gestorben wäre. Die Matratze in unserem Wohnzimmer, die ja in Zeiten der „getrennten Wohnung“, sein Bett war, roch nach ihm. Sein Geruch gab mir ein gutes sicheres Gefühl, sie wurde mein neuer Hauptsitz der Wohnung. Ich erinnere mich dass ich sehr viel geweint und geschlafen habe.
Doch dann kam mir die Zeit entgegen, die Zeit, eine Einheit die geht, ohne dass man etwas dafür tun muss, sie vergeht einfach immer.
In 10 Tagen kommt G zurück aus seinem Urlaub. Wo bin ich denn in 10 Tagen? Mein Ehrgeiz kam zurück. Ich durchstöberte das Internet nach passenden neuen Wohnungen, antwortete mit dutzenden von Mails und Briefen auf Stellenanzeigen. Da kam auch schon die erste Antwort, der Inhalt wie folgt: Hey Honey, wie geht es dir? Ich bin fassungslos, G hatte sich gemeldet. Die Emailadresse von der er schrieb, kannte ich nicht. Die hatte er sich bestimmt für eine seiner Cousinen zugelegt und wer ist überhaupt Honey. Den Kosenamen mag ich nicht, außerdem nennt er mich doch so eigentlich nicht, nennt er vielleicht seine Cousine so, sollte die Email vielleicht gar nicht an mich gehen. Sollte sie doch richtig an mich zugestellt worden sein, ha, wie platt ist das denn. Ich ziehe aus, wir trennen uns, und er fragt mich, wie es mir geht? Optionen, löschen. Mein Herz tobte, aber seine Mail motivierte mich auch auf meiner Wohnungs- und Arbeitssuche. Also schrieb ich weiter für mein neues Leben. Aber es ging nicht mehr, ich war so wütend und so traurig. Ich muss mich ablenken, dachte ich. Altes Schema, ich loggte mich seit langem wieder einmal auf der Singlebörse ein. Und wie es das Schicksal wollte, war Ö gerade online. „Hey Süße, alles klar bei dir? Geht es dir gut? Mache mir schon Gedanken, da ich nichts mehr von dir gehört habe.“, begrüßte er mich. Diese Nachricht gefiel mir wesentlich besser als die von G. Süße, ja Süße ist tausend mal besser als Honey... Ich erzählte ihm, dass ich etwas überfordert mit der Suche nach meinem „neuen Leben“ war. Er schlug vor vorbeizukommen und mir zu helfen. Ich ließ es zu, obwohl ich genau wusste, dass es nur auf Sex hinauslief. Aber ich freute mich auf ihn, obwohl ich Ö bisher nur einmal gesehen habe, mag ich ihn. Ö kam, wir saßen wieder in den gemütlichen Sesseln in der Küche unterhielten uns. Ö war geschickt, er brauchte mich nie auf das G Thema, er zeigte mir seine Bewunderung und lenkte mich somit gut ab. Okay, nach Wohnungen und neuen Arbeitsstellen haben wir zwar nicht geguckt, aber der Sex war wunderbar und baute mich auf.
Am nächsten Morgen öffnete ich mein Emailpostfach. Sie haben 16 neue Nachrichten.“Fein“, freute ich mich. Doch außer Absagen und einer weiteren Email von G befand sich nichts aufregendes in dem Postfach. G fragte nun, warum ich mich nicht meldete, warum ich schon wieder so herumticke? Ha, ich zicke rum, Junge deine Zeit ist abgelaufen. Ich mache mich nicht rar um dich wiederzubekommen, sondern weil ich jetzt wirklich hier weg will.
Da ich in der Kürze der Zeit einfach keine neue Wohnung fand, und mir die Zeit im Rücken saß, entschloss ich mich einen Kellerraum anzumieten, um dort meine Sachen unterzustellen und erst mal bei meiner Freundin zu wohnen. In einem Internetportal versteigerte ich recht schnell meinen Umzug. Ich plante den Umzug und fing an zu packen.
Ich packe gerne, ich trenne mich auch gerne von Sachen, lege Ballast ab. Aber das Packen war schwer, meine Sachen - seine Sachen. Bei dem Umzug musste ja alles getrennt werden. Es fiel mir schwer, die Kisten voll zu bekommen, denn eigentlich wollte ich ja hier bleiben, mit ihm zusammen sein. Doch wir passen einfach nicht, das ist offensichtlich.
Es klingelt an der Haustür: „Halli Hallo“, meine Brüder und mein Vater stehen vor der Tür.
Heute ist meine Abschiedsparty.
Im Dachgeschoss der Wohnung habe ich einen Tisch schön gedeckt, im Ofen schmorten Hähnchen und Kartoffeln in einem gut riechenden Sud. Wenig verspätet trafen meine Nachbarin und eine Freundin B zu unserer Runde hinzu. Zusammen sprachen wir sehr angeregt über Beziehungen aller Arten. Ich fühlte mich geborgen. Als ich den schweren Abschied meiner Familie hinter mich gebracht hatte, saßen nur noch meine Freundin und ich am Tisch. Zusammen machten wir klarschiff, wuschen das dreckige Geschirr ab. „So, und nun kommt unsere Zeit des Abends“, entgegnete ich ihr. Lass uns doch was zu trinken holen, ich hätte jetzt Lust auf eine kleine Weinschorle. B grinste: „Du und dein Wein, du kannst es einfach nicht lassen!“ „Also ich habe eine Trennung zu verarbeiten, welche Entschuldigung hast du?“, entschuldigte ich mein Trinkverhalten.
„Ach, immer das gleiche, weist du doch“, antwortete sie. Ich dachte über ihre Antwort nicht nach und wir machten und mit dem Fahrrad auf dem Weg zu meiner Stammtankstelle und kaufen zwei Flaschen Wein ein. Wieder zuhause angekommen, nahmen wir wieder an dem Tisch auf dem Dachboden platz. „B, ich weiß nicht ob das alles richtig ist, ich vermisste ihn so“, flennte ich ungehalten los. Es ist ja bekannt, dass Alkohol einen etwas emotionssensibler macht, doch auf einmal weinte auch B. „ Hey, was ist denn los bei dir süße?“ - „Ich bin schwanger, und er will mich nicht!„ Du bist was? Wer will dicht? Und warum trinkst du Wein wenn du schwanger bist? B was ist los? „ Ich kann es doch sowieso nicht behalten“, weinte sie weiter.
Ja B hatte es auch nicht leicht, bereits mit 17 Jahren bekam sie ihr erstes Kind, wanderte dann mit dem Kindesvater nach Deutschland aus, kurze Zeit später war die Liebe zwischen den beiden dann leider auch erloschen. Trotzdem führten sie ihre kleine Familie im Schein weiter. Vater, Mutter, Kind, so wie sich das gehört. Doch hatten Vater und Mutter eben Affären.
Und nun war B von ihrer Affäre schwanger. Da wir nun beide so deprimiert waren, fühlten wir uns sehr nahe und führten Gespräche wie nie zu vor. B kündigte nun ihren Abschied an. „Willst du nicht hier schlafen?“, frage ich sie. „Gerne, aber ich kann nicht, mein Mann muss morgen früh arbeiten und ich muss mein Kind in den Kindergarten bringen. Nach einen tränenreichen Abschied ging nun auch B. Nun saß ich alleine an dem Tisch auf dem Dachboden und überlegte, was ich mit dem Abend noch machen sollte. Ich habe Ö noch nie angerufen, wir haben immer nur über email oder sms kommuniziert. Doch diese Nacht rief ich ihn an, ob er Lust hat vorbeizukommen. Ja, die hatte er, und eine dreiviertel Stunde später war er auch schon da. Da saßen wir, nebeneinander an dem Tisch auf dem Dachboden. „Wollen wir nicht in die Küche gehen?“, frage er mich? „Ö, mir geht’s nicht so gut, da unten muss ich immer an G denken“, wohl nicht die schönste Antwort für Ö, aber er akzeptierte es. Das erste mal sprachen wir über meine Gefühlswelt, die ich ihm aber nur halb offenbarte. Das Hauptaugenmerk legte ich eher auf den Umzug. Ich erklärte ihm, dass ich keine Ahnung habe, wie ich das alleine alles schaffen sollte. „Ich bin für dich da, wenn du Hilfe brachst“ bot er mir an. „ Wie willst du denn alleine eine Waschmaschine die Treppe hinunter tragen, Ö?“ „ Wieso alleine, ich bringe einfach meinen Freund mit“
Mit dem Satz hat Ö wiedereinmal G ersetzt. Obwohl ich wusste, dass das sicherlich aller nur Gelaber war, fühlte ich mich geborgen bei ihm.
Â
Â