Beschreibung
Keine Beschreibung im Sinn.
In der Fremde
Und dann war sie wieder da, auf ihrer roten Couch, die Finger erwartungsvoll auf die Tastatur ihres in der Dunkelheit leicht flimmernden Laptops gelegt, bereit für all die Emotionen, die jeden Augenblick aus ihr herausbrechen müssen. Es kann nicht anders sein, sie spürt ein beinahe schmerzhaftes Ziehen, eine Unruhe die von ihr Besitz ergriffen hat. Aber das neu geöffnete Dokument bleibt leer, nicht ein Buchstabe hat sich dauerhaft darauf verirrt. Natürlich hat sie angefangen zu schreiben – Aber nicht ein Wort hat ihren Ansprüchen genügt, nicht ein Satz den sie zu Ende gebracht hätte. Über Verse will sie inzwischen nichtmals mehr nachdenken. Ihr Kopf beginnt zu schmerzen, weil sie vergessen hat zu blinzeln. Dieses verdammte Weiß, sie ertappt sich bei dem Gedankenspiel ihre Faust in eben diese Leere zu rammen und sie so mit sich selber auszufüllen, mit ihrem Blut, ihrem Schweiß und eben mit ihrem Fleisch. Aber sie verwirft die Gedanken rasch wieder, verbannt sie tief in eine Ecke ihres Geistes, zu dem sie selber nur selten Zugang hat.
Beinahe ertappt wirkt sie, als ihr Telefon klingelt, als habe sie sich zu etwas Unanständigem hinreißen lassen, dabei mag ihr Schreiben vielleicht manchmal zur Sünde verkommen, ihr Schweigen ist es selten. Sie ist ein lauter Mensch, voller Emotionen, auf der Zunge, auf den Fingerspitzen – Den Fingerspitzen... Eigentlich. Sie drückt den Anrufer weg, schaltet das Telefon ab. Wenn jetzt noch jemand ihre Konzentration stören sollte, kann sie den Laptop auch sofort zuklappen und sich für den Rest des Abends in die Badewanne legen. Aber sie ist ehrgeizig, sie hat sich in den Kopf gesetzt zu schreiben und sie erträgt den Gedanken nicht, gegen sich selber zu verlieren, keine Kontrolle zu haben. Kontrolle über den eigenen Geist, über die eigenen Gedanken, ehe ihr diese wieder entgleiten und es zu Szenen in ihrem Kopf kommt, an die sie nicht denken möchte. Es macht ihr Angst am Tag zu träumen, sich so weit von der Realität zu entfernen, dass sie die Menschen um sich herum nicht länger wahrnimmt. Manchmal lacht sie und kann dieses Lachen nicht abfangen, es drängt sich durch ihre Kehle und zwingt sich über ihre Lippen, vollkommen grundlos bricht es aus ihr heraus und sie kann sich nicht zurückhalten, legt die Hände auf ihren Bauch, wischt sich die Tränen aus den Augenwinkeln. Die Menschen starren sie dann an, bis sie ihrem Blick begegnet und ihre Augen nichts von der Fröhlichkeit verraten, für die das Lachen sprechen würde. Und dann bricht sie in Tränen aus, weil die Szene eines Buches sie vor Trauer erstarren und innerlich kalt werden lässt. Inmitten der Menschenmenge fühlt sie sich unwiderstehlich zu dem Menschen oder Wesen hingezogen, das beschrieben wird und spürt Mitleid und Bedauern für all das, was diesem widerfährt, ohne dass sie das Schicksal ändern kann. Sie könnte es ändern, wenn der Bildschirm nicht noch immer weiß wäre.
Sie könnte Schreiben. Sie kann schreiben, damit kann sie alles besser machen, sie kann die Welt nach ihren Wünschen formen. Aber sie ist sich fremd geworden. Und als sie die Worte liest, die nach und nach über die Tasten perlen, da ist es als wäre sie nach langen Jahren in das Haus zurückgekommen, in dem sie ihre Kindheit verbracht hat. Sie weiß, dass dies einmal ihre Heimat war, aber sie ist nun eine Fremde.
Hektisch klappt sie den Notebook zu und lässt heißes Wasser in die Badewanne laufen. Der Schaum riecht nach Mandeln und schmeckt bitter, als sie ihn mit der Zunge antippt. Nach und nach färbt sich das Wasser lila und verändert sich der Duft zu Lavendel. Sie taucht unter und sperrt alle Geräuscht aus.
Endlich allein.