Journalismus & Glosse
Farbenleere

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"Farbenleere"
Veröffentlicht am 10. April 2011, 10 Seiten
Kategorie Journalismus & Glosse
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Über den Autor:

Einst brach ich auf, eine Welt zu erobern! Heut sitz ich in einem Käfig voller Narren! So kam ich zum Entschluss, "Will Hofnarr sein!" Und daran arbeite ich nun, in Berlin, das durch seine einmalige Nähe von Ost und West vielleicht schon einen Gedanken voraus ist. Mag sein, dass dieser Gedanke auch Nord und Süd einander etwas näher bringen kann.
Farbenleere

Farbenleere

Beschreibung

***

Rot, Grün, Gelb, Schwarz! Braun gibt es auch. Und, hin und wider unterscheidet jemand auch zwischen Hell- und Dunkelrot. Viel mehr ist nicht los, bei der Auswertung irgendwelcher Umfragen.

Selbst befrage ich mich nach solchem Schema bei der Auswahl von Hemden, Pullovern oder Jacken. Bei den Hosen ist die Palette dann schon schmaler. Ganz zu schweigen von den Schuhen! Sicher mach ich mir auch Gedanken über mögliche Kombinationen, aber niemals käme ich auf die Idee, diese dann Jamaika oder Ampel zu nennen. Letzteres schon deshalb nicht, weil ich gar nicht sicher bin, ob eine Ampel nun ein hellrotes oder ein dunkelrotes Licht hat. Und außerdem, wie definiert sich denn eine Blumenampel? Brauner Topf mit grüner Pflanze? Ist die Blumenerde schwarz? Treibt die Pflanze vielleicht gelbe, dunkel- oder hellrote Blüten? Und wie sieht das Ganze aus, wenn es vom Balkon des zehnten Stockwerks abgestürzt ist, vermischt mit dem Blut eines unglücklichen Passanten? Ich will es mir gar nicht vorstellen! Erst recht nicht, seit ich weiß, wie übermüdet und schreckhaft Lastwagenfahrer heut sooft sind.

Ich schweife ab! Was soll dieses politische Spiel mit unschuldigen Farben? Soll es kaschieren, dass es Parteien, im Sinne von organisierten politischen und oft auch wirtschaftlichen Interessen sind? Ganz zu schweigen von der Beschaffung gut bezahlter Arbeitsplätze in Parlamenten, Ministerien, Rundfunkräten und was sonst noch alles für die Parteigänger.

Das Grundgesetz … ! Ja, ich höre es! Immer und immer wieder! Wollt ihr mich damit erschlagen?
Ich kann lesen! Auch das Grundgesetz!

Artikel 21 sagt: „Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit.“ Nicht mehr, und auch nicht weniger. Was soll also dieses Gequatsche von roter, grüner, gelber oder schwarzer Politik? Es gibt nur eine Politik nach dem Willen und zum Wohle des Volkes (real leider auch dagegen)!
Wenn alle Abgeordneten, nach Artikel 38 „…Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen …“ sind, was sollen dann Fraktionen, Fraktionsvorsitzende, Fraktionssitzungen und Fraktionsbeschlüsse für einen verfassungsgemäßen – pardon – Grundgesetzlichen Sinn haben? Oder sollten diese sogar den Tatbestand des Absatzes (2) von Artikel 21 schon erfüllen – „Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beinträchtigen …, sind VERFASSUNGSWIDRIG.“?

Zu hart formuliert? Okay! Wir haben ja ein Grundgesetz, keine VERFASSUNG! Das hab ich übersehen! Tut mir leid.
Und wenn ich ’s noch mal überdenke, haben sie ja vielleicht doch ihren Sinn. Nur 299 von 622 Bundestagsabgeordneten haben ein Direktmandat, sind also persönlich vom Volke auserkoren! Woher sollen die anderen 323 also wissen, was ihr Volk will? Da ist es gut, dass ihnen wenigstens die Fraktion jegliche Zweifel nimmt! Oder?
Mir wäre allerdings am liebsten, es ständen Namen auf den Wahlzetteln. Namen von Bürgern, die in meinem Wahlbezirk leben, deren Adresse ich kenne. Dann würde ich einen ankreuzen, und die zwei oder drei mit den meisten Stimmen wären ’s dann! Egal ob sie rot, grün, gelb oder schwarz tragen, oder ob sie blond, brünett, dick oder dünn sind, lange oder kurze Haare haben oder eben Glatze.
Eine Partei (Oder Farbe?) verfügt über gar keine Direktmandate! Die reden gerade vom inoffiziellen Titel des „Vizekanzlers“. Verständlich, wenn deren Held von Gestern rumlaberte, dass der Parteitag einen Beschluss gefasst hätte, und dieser nun (nach dem Grundgesetz?) Realpolitik werden müsste. Gibt es eigentlich Irrrealpolitik?
Wer hat die eigentlich gewählt? Neureiche? Adlige? Durchreißer?  Oder einfach nur Farbenblinde?

Aber selbst die Farben reichen nicht aus, um, vor allem die Direkten, zu katalogisieren. Da kann auch schon mal ein Grüner oder Schwarzer auch links sein. Man kennt ja die Sprüche über linkes und rechtes Bein oder den linken Hund! Das macht die Einordnung viel leichter und zeigt die Verwurzelung der Parteien in allen Volksschichten. Für mich sind das einfach die MdBs Ströbele und Geißler z. B., mit denen ich nicht immer einer Meinung bin, die aber zumindest eine Meinung haben. Sogar eine eigene! Und deshalb respektabel!

Das schönste aber am Grundgesetz ist, dass es, wie alle Gesetze, der Macht des Gesetzgebers unterliegt! Mit einer Zweidrittelmehrheit geht alles! So könnte man den Artikel 146 einfach abschaffen, der da heißt: „Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“ (Volksentscheid?)

Könnte jemand draufkommen, dass wir schon zwanzig Jahre überfällig sind! Woran liegt es? Wartet man noch auf den Anschluss Pommerns, Schlesiens und Ostpreußens? Völkerrechtlich anerkannte Nachkriegsordnung hin oder her! Oder wollen es die 323 nur nicht, wegen der Arbeitsplatz- und Pensionsgarantie?

Was, wenn sie ’s machen?
Generalstreik? – Verboten nach dem Grundgesetz!
Wahlverweigerung? – Ohne Wirkung, denn es gibt nur Stimmen für –, keine gegen einen Kandidaten, eine Partei oder Farbe!

Aber wie wäre es denn mit einem „Blauen Montag“?
Alle nähmen am Montag vor einer Wahl mal eben so Urlaub, ließen sich krankschreiben, feierten Überstunden ab oder verpennten einfach ausgiebig. Kann doch mal passieren. Alles vom Grundgesetz geschützt! Nachmittags träfe man sich so ganz ungezwungen zu Rednerwettstreiten, a la „Speakers Corner“ im „Hidepark“, auf  Marktplätzen, vor Rathäusern, Landtagen oder dem Reichstag.

Und in allen Zeitungen Aufrufe: „Meine ungültige Stimme für eine Verfassung, für Direktwahl!“ Ungültige Stimmen müssen gezählt werden, und sind schlecht mit „Wahlmüdigkeit“ oder "Politikverdrossenheit" abzutun.

Ach ja, zum Farbenspiel!
Einst kaufte ich einen wunderschönen Bulli. Der war so schön bunt! Schon etwas älter, nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit. Ja! Aber so schön rot, grün, schwarz und gelb, dass sogar das bisschen Braun vom Rost und vom getrockneten Schlamm nicht auffiel. Wenn ich ihn sah, träumte ich von love and peace, von einer heilen Welt. Er schalte sich etwas haklig , ja! Und die Bremsen verlangten schon nach hellsichtiger Fahrweise, aber sonst … einfach ein Traum!
Erwacht bin ich erst, als der TÜV – Mann meinte: „Das Ding ist eine Gefahr für die Gesellschaft! Bestenfalls fahren sie damit nur gegen einen Baum!“

                                                                                                                 PeKa

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Hörbuch

Über den Autor

pekaberlin
Einst brach ich auf, eine Welt zu erobern! Heut sitz ich in einem Käfig voller Narren! So kam ich zum Entschluss, "Will Hofnarr sein!" Und daran arbeite ich nun, in Berlin, das durch seine einmalige Nähe von Ost und West vielleicht schon einen Gedanken voraus ist. Mag sein, dass dieser Gedanke auch Nord und Süd einander etwas näher bringen kann.

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baesta Das mit den Wahlzetteln kennt man - ja noch aus DDR-Zeiten. Die haben sich sicherlich auch bis in die heutige Zeit gerettet. Dem Volke dienen heißt übersetzt, es auszunehmen wie eine Weihnachtsgans. Und leider werden es ja immer mehr, die sich an den direkten Tropf des Staates hängen. Regieren ist in, arbeiten ist out. Und manche können gar nicht so viel arbeiten, wie sie verdienen.
Du hast hier gute Schlußfolgerungen gezogen.

Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
pekaberlin Re: FarbenLEERE? -
Zitat: (Original von Gunda am 13.04.2011 - 20:40 Uhr) Eigentlich ist es ja mehr eine FarbenFÜLLE ... Oder wolltest du mit "Leere" die Hohlköpfigkeit und/oder Aufgeblasenheit der einen oder anderen "Farbe" karikieren? Aber im Grunde ist es auch völlig egal, ob man eine Partei nun bei ihrem Namen oder ihrem Pseudonym, sprich der Farbe (oder der Position, in der sich ihre Sitze im Bundestag befinden, rechts, Mitte, links, ganz links etc.) nennt ...

Direktwahlen - zumindest auf lokaler Ebene sind sie ja eigentlich gang und gäbe, Peter. So mancher Bürgermeister wird wahrlich nicht aufgrund seiner Parteizugehörigkeit, sondern aufgrund seiner Ortszugehörigkeit gewählt, sprich: Ist er seit 40 Jahren ein braver Bürger seines Ortes, verlässt man sich eher darauf, dass er dessen Interessen auch im Sinne seiner Wähler vertritt.

Was ich persönlich sinnvoll fände, wären in manchen Fragen Volksentscheide (ja, ja, ich weiß: WO soll man da ansetzen?). Hätte es bei der Entscheidung für/wider den Euro einen solchen gegeben, hätten wir heute noch die D-Mark ...

Farbige Grüße
Gunda


Ja, Gunda,
eine Menge Fragen bleiben! Theoretisch kann jeder seine Argumente begründen. Ich bin da ganz bei Marx, der schrieb: "Das Kriterium der Wahrheit ist die Praxis!" (Was einmal mehr zeigt, dass er nichts mit Diktaturen am Hut hatte, denn die setzen auf unumstößliche Theorien).
Man muss auch etwas wagen das Fragen offen lässt! Wichtig ist nur die Bereitschaft, es ständig zu verbessern, wenn nötig umzukehren! Um so größer die Schar der aktiven, desto geringer die Gefahr der Monopolisierung von Macht und Vorteilsnahme.
Liebe Grüße Peter
Vor langer Zeit - Antworten
pekaberlin Re: Sehr schöne Farbenlehre... -
Zitat: (Original von DoktorSeltsam am 13.04.2011 - 08:16 Uhr) Lieber Peter,

ein wunderbarer Text, der die Farbenblindheit vieler auf den Punkt bringt. Wer war das, der gesagt hat: "Wenn Wahlen etwas verändern würden, wären sie längst verboten." Ich weiss es nicht . Natürlich ist es zu einfach, immer auf die "armen Politiker" einzuprügeln. Andererseits ist die politische Kaste in diesem unserem Lande durch die Bank und alle Parteien dermaßen borniert, aufgeblasen, selbstverliebt, unfähig, verlogen und heuchlerisch, dass man beim besten Willen nicht immer an sich halten kann - und sicherlich auch nicht sollte. Auch an dieser Stelle, gilt es zu konstatieren, die Welt wäre ein Stückchen ärmer ohne dich. Mich, meine ich natürlich. Oder uns. Egal.

Mit brüderlichen Grüßen

Pater Noster


Gott zum Gruße, Pater!
Ja, ja, Macht macht böse! hat mein Opa immer gesagt! Und ich denke heute Macht ist nur böse, wenn man sie nicht hat! So, wie eine Bank nichts Gutes ist, es sei denn, sie gehört einem selbst!
Was sagt eigentlich die Bibel zu solcherlei Machtgelüsten und Schwindeleien, Pater! Wird das irgendwann gestraft? A la Sodom und Gommorrha?
Wahrscheinlich hast Du Recht: Ich bin? ..., Du bist? ... Wir sind? ... ach, egal! Die modernen Jünger! ... nur, Jünger wessen?
Liebe Grüße Phil O. Soph
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda FarbenLEERE? - Eigentlich ist es ja mehr eine FarbenFÜLLE ... Oder wolltest du mit "Leere" die Hohlköpfigkeit und/oder Aufgeblasenheit der einen oder anderen "Farbe" karikieren? Aber im Grunde ist es auch völlig egal, ob man eine Partei nun bei ihrem Namen oder ihrem Pseudonym, sprich der Farbe (oder der Position, in der sich ihre Sitze im Bundestag befinden, rechts, Mitte, links, ganz links etc.) nennt ...

Direktwahlen - zumindest auf lokaler Ebene sind sie ja eigentlich gang und gäbe, Peter. So mancher Bürgermeister wird wahrlich nicht aufgrund seiner Parteizugehörigkeit, sondern aufgrund seiner Ortszugehörigkeit gewählt, sprich: Ist er seit 40 Jahren ein braver Bürger seines Ortes, verlässt man sich eher darauf, dass er dessen Interessen auch im Sinne seiner Wähler vertritt.

Was ich persönlich sinnvoll fände, wären in manchen Fragen Volksentscheide (ja, ja, ich weiß: WO soll man da ansetzen?). Hätte es bei der Entscheidung für/wider den Euro einen solchen gegeben, hätten wir heute noch die D-Mark ...

Farbige Grüße
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
DoktorSeltsam Sehr schöne Farbenlehre... - Lieber Peter,

ein wunderbarer Text, der die Farbenblindheit vieler auf den Punkt bringt. Wer war das, der gesagt hat: "Wenn Wahlen etwas verändern würden, wären sie längst verboten." Ich weiss es nicht . Natürlich ist es zu einfach, immer auf die "armen Politiker" einzuprügeln. Andererseits ist die politische Kaste in diesem unserem Lande durch die Bank und alle Parteien dermaßen borniert, aufgeblasen, selbstverliebt, unfähig, verlogen und heuchlerisch, dass man beim besten Willen nicht immer an sich halten kann - und sicherlich auch nicht sollte. Auch an dieser Stelle, gilt es zu konstatieren, die Welt wäre ein Stückchen ärmer ohne dich. Mich, meine ich natürlich. Oder uns. Egal.

Mit brüderlichen Grüßen

Pater Noster
Vor langer Zeit - Antworten
pekaberlin Re: politik -
Zitat: (Original von evelin am 11.04.2011 - 16:29 Uhr) sehr farbig betrachtet - aber nicht blauäugig

liest sich gut !!

lg evelin



Dein Lob freut mich, weil es nicht leicht ist, Menschen für solche Themen zu begeistern. So hab ich noch Hoffnung!
Dank und liebe Grüße Peter
Vor langer Zeit - Antworten
pekaberlin Re: lese selten langtexte... -
Zitat: (Original von Tilly am 10.04.2011 - 19:41 Uhr) hier stimmt alles, aber bei direktwahlen... würden wir doch auch versprechungen erliegen, das richtige rezept... ich kenn es nicht


thomas


Danke für die Anerkennung, Thomas!
Nur eines zu Deinen Zweifeln.
Kein Diktator wurde je direkt gewählt!
Liebe Grüße Peter
Vor langer Zeit - Antworten
pekaberlin Re: Dein Wort zum Sonntag -
Zitat: (Original von wega am 10.04.2011 - 19:33 Uhr) hat mir wieder sehr gut gefallen, Peter.
Ich bin auch für Direktwahl. Leute die man kennt und denen man was zutraut, nicht das Parteiengemauschel....

Ganz lieben Gruß
wega


Das freut mich, wega!
Aber ehrlich, ich hab 's erwartet! Doch, um so besser!
Liebe Grüße Peter
Vor langer Zeit - Antworten
evelin politik - sehr farbig betrachtet - aber nicht blauäugig

liest sich gut !!

lg evelin

Vor langer Zeit - Antworten
Tilly lese selten langtexte... - hier stimmt alles, aber bei direktwahlen... würden wir doch auch versprechungen erliegen, das richtige rezept... ich kenn es nicht


thomas
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