Osterhasengeschichte
Mümmelinchen
Neben der frischen Quelle, die den kleinen Bach speiste, wohnte das kleine Hasenmädchen Mümmelinchen. Die meiste Zeit war es sehr traurig, weil sie die einzige aus der Familie war, die noch am Leben war.
In einer mondhellen Nacht hatte der Fuchs die Eltern und die neun Geschwister geholt, wohin das wollte das kleine Häschen lieber nicht wissen. Gerettet wurde Mümmi, wie sie die Eltern liebevoll nannten, nur durch ihre tiefe Freundschaft zu Quatto.
Wie jeden Abend, nach Sonnenuntergang war die dicke Kröte Quatto, in den alten baufälligen Schuppen gekrochen und genau wie jeden Abend, krabbelte das Häschen unter der Tür durch, die ein untertassengroßes Loch hatte. Irgendwann war eine tiefe Freundschaft zwischen den Beiden entstanden, die natürlich keiner verstehen konnte und von allen stets nur milde belächelt wurde.
Quatto wollte gerade berichten, wen er am Bach gesehen hatte, als es draußen, vor dem Schuppen einen Kampf gab. Piepsen, laute Schmerzensschreie und ein gewaltiges Rumpeln, ließen die beiden Freunde ängstlich in die äußerste Ecke, hinter einen alten verrosteten Eimer kriechen. „Was ist das, bitte Quatto sag mir was da los ist.“ „Ich glaube der Fuchs ist es, ich sah ihn am Bach, das wollte ich Dir ja gerade erzählen. Die jungen Füchschen spielten dort fangen, da dachte ich mir schon, dass Du in Gefahr bist. So schnell ich konnte, bin ich nach Hause gehüpft. Gut dass Du mir gleich gefolgt bist, sonst wärst Du jetzt auch……“ Quattos Stimme ist so zittrig, dass er kaum sprechen kann, es war mehr ein Krächzen, denn gesprochene Worte. „ Du meinst der Fuchs hat alle geholt? Papa, Mama und die Geschwister, ALLE?“ „Ja, Mümelinchen, ich glaube es, das heißt, ich bin mir sogar sehr sicher.“ Das kleine Häschen rückt so dicht an die kalte Kröte, dass es dieser richtig warm wird. Nicht nur auf der kalten pockigen Haut, sondern auch im Herzen. „Weißt Du, tröstet Quatto, Mümmi, es ist so gut, dass wir wenigstens uns haben.“
Dicke Tränen, laufen aus den großen braunen Augen, des kleinen Häschens. Der Schmerz, die ganze Familie verloren zu haben ist so groß, dass es den Trost der Kröte gern annimmt. Mümmelinchen weiß ganz genau, dass auf Quatto immer Verlass ist. Einen besseren Freund gibt es nicht, da ist sich Mümmi sehr sicher. Von diesem Tag an, sind die beiden noch unzertrennlicher als früher. Es gibt nichts, was der eine ohne den anderen macht. Mümmi und auch Quatto sind sich absolut sicher, dass sie zusammengehören und zwar für immer. Dem kleinen Hasenmädchen ist nicht bewusst, dass sich die Kröte immer mehr in sie verliebt. Nein, auch die tiefen Blicke nimmt es nicht wahr. Natürlich freut sich Mümmi über die knackigen Gänseblümchen und saftigen Sumpfdotterblumen, die Quatto den ganzen Frühling und Sommer mit in den alten Schuppen bringt, aber mehr als Dankbarkeit und Freude, empfindet Mümmelinchen nicht für ihren Freund.
Dem Frühling folgt ein heißer Sommer und nach dem stürmischen Herbst wird es bitterkalt. Es kommt ein Winter, der so eisig ist, dass sich die Beiden noch enger aneinander kuscheln, als sie es im Herbst schon getan hatten. Mümmelinchen, gibt irgendwann dann doch dem Drängen der Kröte nach, und sie werden ein Paar. Liebe? Nein Liebe ist es nicht, was das Häschen empfindet, aber eine große Dankbarkeit. Sie hat neben Quatto die Einsamkeit vergessen und so liebevoll, wie er sie versorgt, das ist wirklich wunderschön.
Liebe, die hatte Mümmelinchen nie richtig kennengelernt und langsam glaubt sie, dass genau das, was sie mit Quatto lebt, die Liebe ist. Er war immer für sie da und umgekehrt, sie konnten sich stets aufeinander verlassen. Ja, dachte das Häschen, ich liebe meine Kröte.
Als das Frühjahr kam, zogen Mümmelinchen und Quatto wieder an den Bach. Die Wiesen waren voller Gänseblümchen und die Bäume blühten, dass es nicht schöner sein konnte. Mümmi kostete an dem frischen grünen Gras und Quatto legte sich auf einen dicken Stein, mitten im Bach. Weiter und weiter hoppelte das kleine Häschen und irgendwann war es mitten im Wald gelandet. Ängstlich schaute es sich um, denn noch nie war es ohne Quatto so weit von zuhause weggewesen.
„Na, da hat sich wohl jemand verlaufen“ hört Mümmelinchen eine Stimme und als sie sich umschaut, steht ein stattlicher Hasenmann vor ihr. „Ja, das hab ich wohl, ich war mit meinem Quatto am Bach und dann waren die Gräser und frischen Blumen so lecker, dass ich immer weiter in den Wald gekommen bin.“ „komm und ruh dich ein bisschen aus, danach bringe ich dich zurück zum Bach. Mein Name ist übrigens Kai. Wer so verdruselt durch die Gegend hoppelt, dass er die Wiese mit dem Wald verwechselt, sollte nicht allein gehen.“ Aus der kurzen Rast wurde fast der ganze Tag. Sie erzählten und erzählten. Ja und wenn der eine mal ruhig war, dann fiel dem anderen wieder eine Geschichte ein. Am späten Nachmittag brachte Kai, Mümmi wieder zurück an den Bach. Quatto hatte sein Häschen schon überall gesucht und als er die beiden so einträchtig nebeneinander daherkommen sah, da bekam er ganz große Angst, sein Hasenmädchen an diesen großen Hasen zu verlieren. Das Beste ist, dachte sich Quatto, wenn ich so tue, als würde ich diese Magie zwischen den Beiden nicht spüren. Vielleicht merkt ja Mümmelinchen gar nicht, dass so die Liebe aussieht.
Immer öfter kam nun auch Kai an den Bach und je öfter er kam, umso größere Schmerzen bekam Mümmi im Herzen. An manchen Tagen war es so schlimm, dass sie nur noch weinte. Sie wusste einfach nicht was mit ihr los war, noch nie ging es ihr so schlecht. Sie war immer ganz gesund gewesen und Herzschmerzen? Nein, die hatte sie noch nie. Quatto versuchte sie aufzumuntern, aber so recht wollte ihm das nicht gelingen, denn in sein Herz war auch ein Schmerz eingezogen, aber im Gegensatz zu Mümmelinchen, wusste er natürlich, woher der Schmerz kam. Es war die Angst, die sich in ihm immer breiter machte. Angst seine Mümmi zu verlieren.
Aber auch Kim blieb nicht von den Schmerzen verschont, seine Sehnsucht wurde immer größer. An manchen Tagen verbot er sich, an den Bach zu gehen. Doch dann lag er den ganzen Tag in seinem Bau und war verzweifelt. Irgendwann gestand er Mümmelinchen die tiefen Gefühle, die er für sie hegte. „Sag mir, sag mir bitte, was wir tun können, ich kann doch Quatto nicht verlassen, er war immer für mich da. Er hat mich vor langer Zeit gerettet, als meine ganze Familie vom Fuchs geholt wurde. Wir sind schon so lange zusammen, eine Ewigkeit und noch mehr.“
Mümmi schwieg und auch Quatto tat so, als wäre alles wie immer. Keiner wagte ein Wort zu sagen. Mümmi´s und Kai´s Herzen wurden immer schwerer und irgendwann waren sie versteinert. Ihre unerfüllte Liebe hatte zuerst ihre Herzen und dann alles zu Stein werden lassen.
Eine junge Frau fand die beiden am Bach und weil sie gar so schön waren, nahm sie die Steinhasen mit nach Hause. Schon immer hatte sie Hasen für ihren Garten gesucht, aber nie hatte irgendeiner ihr Herz berührt. Diese beiden aber, strahlten eine solche Liebe aus, dass sie fast ansteckend war.
Eines Morgens, als die Frau in den Garten ging, sah sie, dass sich ein junges Häschen auf die Füße der beiden Terrakottahasen gelegt hatte. Irgendwie war ihr, als würden die Steinhasen lächeln und sagen:
„Siehst Du, auch wenn unsere Liebe sich nicht erfüllt hat, dieses kleine Häschen hat alle Chancen der Welt die Zukunft zu meistern und die Liebe zu entdecken“.
Zärtlich strich die Frau über die drei Häschen und plötzlich wusste sie, dass ihre Liebe eine Zukunft hat……………………..
© Ute AnneMarie Schuster 9.4.2011