Romane & Erzählungen
Vandiemensland.

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"Vandiemensland."
Veröffentlicht am 31. März 2011, 10 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Vandiemensland.

Vandiemensland.

Beschreibung

Nach einer wahren Geschichte...

Vandiemensland.

Noch drei Minuten. Jack Spencer musste sich beeilen, um nicht zu spät zur Besprechung zu kommen. Wie eigentlich immer, hastete er von Termin zu Termin und hatte den Eindruck, vor lauter Besprechungen keine Zeit mehr für seine eigentlichen Aufgaben zu haben. Nicht nur, dass es aus seiner Sicht häufig vergeudete Zeit war, sich zu Belanglosigkeiten in sinnlosem Geschwätz zu verlieren, vielmehr war ihm das elende Schauspiel aufgeplusterter Wortakrobaten, die mehr Wert auf ihre Etikette, Eitelkeiten und Machterhalt der darwinistischen Hackordnung während der Arbeit legten, zuwider. Manchmal, ja manchmal hatte er die naive Vorstellung, dass man etwas schafft um des Schaffens willen und nicht um seinen persönlichen Vorteil. Er wurde schon früh eines besseren belehrt als er in noch jungen Jahren in die Schranken gewiesen wurde, weil er vor lauter Elan und Ehrgeiz die Machtansprüche gewisser Subjekte übersah. Inzwischen hatte er es geschafft und war nun selbst in wichtiger Funktion tätig, doch immer wieder, wenn er in Besprechungen saß, musste er daran denken und feststellen, wie sehr er es hasste, sich mit dieser Art Individuum herumplagen zu müssen.

 

„Sie kommen zu spät.“ Er erntete arrogante, beinahe hochnäsige Blicke. Es schien, als hätte man einen Narren an ihm gefressen und wartete nur darauf, dass ihm ein Fehler unterlaufen würde. Doch er reagierte nicht auf die provozierenden Äußerungen und nahm seinen Platz in der Runde ein. Schon bald war von Planzahlen, Umsatzkennlinien, Deckungsbeiträgen und Verrätern die Rede. Zu seinem erstaunen schien es, dass eine solche Verräterliste mit Menschen, die dem Unternehmen den Rücken gekehrt hatten, tatsächlich existiert. „Weise Entscheidung“, dachte er seinerzeit. Immerhin wurden immer wieder Teile der Belegschaft systematisch kompromittiert und schikaniert. Insgeheim wünschte Spencer sich, er hätte diesen Schritt ebenfalls schon längst unternommen. Aber wie es so war; man hatte schließlich auch Pflichtbewusstsein und Verantwortungsgefühl.

 

Es dauerte nicht lange und er folgte dem Gespräch nicht mehr, denn es war das Ritual, das jede Woche stattfand. Immer wieder die gleichen Worte, die gleichen Phrasen, die gleichen Anschuldigungen und Nötigungen. Und was kam am Ende dabei heraus? Nichts. So auch an diesem Tage – dachte er.

 

Doch es kam anders. Die Gesamtbetrachtung der Zahlen hielt nicht das, was man sich zu Beginn des Jahres vorgenommen hatte und so lief es darauf hinaus, Entscheidungen zu treffen und Bauernopfer zu erbringen. Er ahnte bereits, worauf es hinauslaufen würde, doch war er sich sicher, dass dieser Krug an ihm vorbei gehen würde, denn immerhin stand sein Bereich als einziger glänzend da. Die Vorgaben waren bereits nach einem halben Jahr mehr als erfüllt und auch hatte er es irgendwie geschafft, mit seinem noch jungen Team für erhebliche Einnahmen zu sorgen. Es konnte sich sehen lassen. Und so war er reinen Gewissens stolz auf das Geleistete.

 

„Sie sind ein regelrechter Parasit!“ Die Worte fielen aus heiterem Himmel und mit lautem Getöse. Jack rang um Fassung. „Bitte?“ Seine Frage war verwundert, zaghaft erstaunt und fassungslos. „Sie haben richtig gehört. Ein Parasit.“ Es dauerte eine Weile, bis er begriff, was soeben passierte. So eine bodenlose Frechheit ist ihm noch nicht untergekommen. Wie konnte man ihm solche Dinge an den Kopf werfen? Schließlich konnten sich seine Ergebnisse sehen lassen und er hatte viel harte Arbeit geleistet, die diesen Erfolg möglich machten. Und außerdem, was sollte diese Wortwahl? Er war außer sich.

 

Es ging hoch her und nach einer Weile gewann er den Eindruck, dass es tatsächlich um das vielbeschriebene Bauernopfer ging. Es war ganz egal, welche Ergebnisse im Hintergrund standen und für sich sprachen. Es weckte Begehrlichkeiten und hätte für manchen gefährlich werden können. Langsam wurde ihm bewusst, welches Spiel hier gespielt wurde. Und so kam es, wie es kommen musste; er wurde in der Runde vorgeführt und nahm ungebremste Unverschämtheiten entgegen, die ihn innerlich kochen ließen. „Sie können es sich aussuchen; entweder Sie stellen ihre Position zur Verfügung oder Sie können gehen.“

 

Die Äußerung schlug ein wie eine Bombe. „Aber... das ist Erpressung“, doch sein Gegenüber lachte nur verachtend. „Hören Sie, das ist immer noch mein Unternehmen. Und hier entscheide ich. Wie gesagt, Sie können sich damit abfinden oder Sie erhalten Ihre Papiere.“ Er war wütend und in Rage. „Das ist eine ausgesprochene Frechheit!“ Jack protestierte, denn es gab nicht einmal eine faktische Grundlage, um eine solche Entscheidung akzeptieren zu müssen. Doch es war zwecklos. Und so stand er auf, nahm seine Unterlagen und verließ schimpfend den Besprechungsraum. „Ach, und ehe ich es vergesse. Ich denke, Sie sind sich bewusst, dass ihr jetziges Gehalt auf einen entsprechend angemessenen Betrag korrigiert wird.“ Er drehte sich um und sah in einen süffisant lächelnden Gesichtsausdruck. Das war zuviel. Die Grenze des Erträglichen war längst überschritten. Mit ernster Mine machte er kehrt, verließ den Raum und warf die Türe lautstark ins Schloss.

 

Enttäuscht und desillusioniert verließ er den Ort des Geschehens. Er wollte ein paar Tage Auszeit nehmen und brauchte einen Tapetenwechsel. Immer wieder gingen ihm die Worte durch den Kopf. Parasit! So eine Beleidigung! Das war gegen seine Regeln und seine Vorstellung von Anstand, Umgang und Ehrbarkeit. So ausgebootet zu werden, das ging einfach nicht. In so einem Umfeld würde er nicht glücklich werden und so entschloss er sich, der Degradierung zuvor zu kommen und bei nächster Gelegenheit zu kündigen. Immerhin wollte er sich auch zukünftig reinen Gewissens im Spiegel ansehen können.

 

Nach einiger Zeit bekam er den langersehnten Gesprächstermin, in dem er seine Kündigung einreichen würde. Äußerlich war die Atmosphäre ruhig und doch war sie zum Zerreisen gespannt. Und so fiel die Begrüßung frostig aus. Er kam schnell zum Punkt und legte das erlösende Schreiben vor. „Ihre Entscheidung ist sehr bedauerlich. Ich nehme an, ich kann Sie nicht mehr zu einer anderen Entscheidung bewegen?“ Er staunte nicht schlecht über die Worte und lehnte dankend ab. Welch’ Heuchelei!

 

Schweigen stand im Raum. Es gab keinen Bedarf, noch ein Wort über die Situation zu verlieren. Die Stimmung war eisig, die gefühlte Temperatur jenseits polarer Vorstellung. Doch er fühlte sich gut, mit sich im Reinen und in gewisser Weise von einer Last befreit. Einige Augenblicke später fanden sich weitere „Vertraute“ ein, um die neue Situation zu besprechen. Es war ein grandioses Schauspiel. Wieder saßen sie da, die aufgeplusterten Wortakrobaten, voller Eitelkeit, ihr ganzes Ansinnen lediglich dem eigenen Machterhalt gewidmet. Traurige, leere Gestalten, die dankend annahmen, was man ihnen zum Fraße vorwarf.

 

„Die Ratte verlässt das Schiff“, klangen die eröffnenden Worte der Besprechung. Es war zwecklos. Es half nichts anderes mehr. Er blickte in die Runde, stand ohne zu zögern auf und ging zur Türe, um den Raum zu verlassen. Noch einmal drehte er sich um, schaute in die Runde der leeren Gestalten und sagte: „Sie meinen wohl... das sinkende Schiff!?“

 

 

Dedicated to Jacky © 2008-2009

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MikDenter

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Dragony Re: Re: Re: Re: Re: -
Zitat: (Original von MikDenter am 03.04.2011 - 21:57 Uhr)
Zitat: (Original von Dragony am 03.04.2011 - 19:04 Uhr)
Zitat: (Original von Dragony am 03.04.2011 - 17:18 Uhr)
Zitat: (Original von MikDenter am 03.04.2011 - 16:55 Uhr)
Zitat: (Original von Dragony am 03.04.2011 - 16:32 Uhr) hab mal ein lesezeichen gesetzt,lg


Setzsetz... ;-)

sorry bin grad etwas sauer drauf, möchte deine bücher genießen :-)
lg :-D

ein schönes beispiel der schlauen und der"schlauen",deren denen es verdient sein sollte und die es einfach in den rachen geschoben bekommen haben.......toll geschrieben :-)


Uih dankschön. :-) Es gibt wirklich Momente, da kann man schon an sich selbst zweifeln.

Liebe Grüße, Micha

auja,du schreist es mir aus der seele :-)
lg
Vor langer Zeit - Antworten
MikDenter Re: Re: Re: Re: -
Zitat: (Original von Dragony am 03.04.2011 - 19:04 Uhr)
Zitat: (Original von Dragony am 03.04.2011 - 17:18 Uhr)
Zitat: (Original von MikDenter am 03.04.2011 - 16:55 Uhr)
Zitat: (Original von Dragony am 03.04.2011 - 16:32 Uhr) hab mal ein lesezeichen gesetzt,lg


Setzsetz... ;-)

sorry bin grad etwas sauer drauf, möchte deine bücher genießen :-)
lg :-D

ein schönes beispiel der schlauen und der"schlauen",deren denen es verdient sein sollte und die es einfach in den rachen geschoben bekommen haben.......toll geschrieben :-)


Uih dankschön. :-) Es gibt wirklich Momente, da kann man schon an sich selbst zweifeln.

Liebe Grüße, Micha
Vor langer Zeit - Antworten
Dragony Re: Re: Re: -
Zitat: (Original von Dragony am 03.04.2011 - 17:18 Uhr)
Zitat: (Original von MikDenter am 03.04.2011 - 16:55 Uhr)
Zitat: (Original von Dragony am 03.04.2011 - 16:32 Uhr) hab mal ein lesezeichen gesetzt,lg


Setzsetz... ;-)

sorry bin grad etwas sauer drauf, möchte deine bücher genießen :-)
lg :-D

ein schönes beispiel der schlauen und der"schlauen",deren denen es verdient sein sollte und die es einfach in den rachen geschoben bekommen haben.......toll geschrieben :-)
Vor langer Zeit - Antworten
Dragony Re: Re: -
Zitat: (Original von MikDenter am 03.04.2011 - 16:55 Uhr)
Zitat: (Original von Dragony am 03.04.2011 - 16:32 Uhr) hab mal ein lesezeichen gesetzt,lg


Setzsetz... ;-)

sorry bin grad etwas sauer drauf, möchte deine bücher genießen :-)
lg :-D
Vor langer Zeit - Antworten
MikDenter Re: -
Zitat: (Original von Dragony am 03.04.2011 - 16:32 Uhr) hab mal ein lesezeichen gesetzt,lg


Setzsetz... ;-)
Vor langer Zeit - Antworten
MikDenter Re: Wenn denn ... -
Zitat: (Original von Gunda am 02.04.2011 - 17:39 Uhr) ... dein Protagonist tatsächlich den Mut zu einem solchen Abgang hatte ...

Irgendwie gänsehautig, wenn man sich in die von dir geschilderte Situation hineindenkt. Das Schlimmste, wenn man sich in einer solchen Lage befände, wäre vermutlich, dass man sich immer wieder nach dem Warum fragen würde - und doch keine Antwort bekläme.

Lieben Gruß
gunda


Das war sehr gänsehäutig.. um nicht zu sagen gruselig. Und in der Tat, man fragt sich allerdings nach dem Warum. Da kommt man leicht an seine Grenzen. Braucht kein Mensch

Liebe Grüße, Micha

ps. Der Protagonist war sehr mutig! :-)
Vor langer Zeit - Antworten
Dragony hab mal ein lesezeichen gesetzt,lg
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Wenn denn ... - ... dein Protagonist tatsächlich den Mut zu einem solchen Abgang hatte ...

Irgendwie gänsehautig, wenn man sich in die von dir geschilderte Situation hineindenkt. Das Schlimmste, wenn man sich in einer solchen Lage befände, wäre vermutlich, dass man sich immer wieder nach dem Warum fragen würde - und doch keine Antwort bekläme.

Lieben Gruß
gunda
Vor langer Zeit - Antworten
MikDenter Re: -
Zitat: (Original von Erika am 01.04.2011 - 01:09 Uhr) Leider passiert so etwas heute ständig!

Ein aktuelles Thema gut verpackt!

Liebe Grüße

Erika


Ja, das ist wirklich keine schöne Sache, wenn man so etwas erleben muss. Wie sagt man so schön: niedere Beweggründe. ;-)

Liebe Grüße, Micha
Vor langer Zeit - Antworten
Erika Leider passiert so etwas heute ständig!

Ein aktuelles Thema gut verpackt!

Liebe Grüße

Erika
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