Einkaufen macht glücklich
Man hängt ja doch an Dingen , die man seit vielen Jahren um sich hat, an meinem Mann, an der warmen Kuscheljacke und an den Möbeln, die wir damals in der Studentenwohnung in unsrem Wohnzimmer entworfen, gesägt, geschliffen, gestrichen und zusammengebaut haben.
Die Türen schlossen nicht richtig und das Holz war sehr rau, weil wir nicht geduldig genug waren um dreimal zu schleifen und zu streichen. Es war Kiefernholz, das im Lauf der Jahrzehnte fast schon eichendunkel geworden war. Bei jedem Umzug bekamen (5 Umzüge) die Helfer die Krise, weil es so krumm und wackelig geworden war. Aber es war Echtholz und Handarbeit, dazu noch die der eigenen Hände.
Komischerweise hatten unsere beiden Töchter zeitweilig einen Freund der Tischler war. Die beiden Herren konnten nicht an sich halten und wir bekamen schon kritische Anmerkungen zu unseren geliebten Möbeln.
Ich deckte die Kanten und krumme Stellen immer mit meinen, dank meines noch nicht komplett amputierten grünen Daumens, wuchernden und gedeihenden Ranken und Hängepflanzen ab. Beim letzten Umzug meinte mein Schwager „Wenn du das mit den Pflanzen hinbekommst, dass es ordentlich aussieht, dann zieh ich den Hut.“
Ich gab mir echt Mühe, aber diesmal wurden die Möbel als Raumteiler aufgestellt und da gab es ein Problem mit der Echtholzrückwand, die aus mindestens 5 Brettern in Baummarktgröße bestand und auch so aussah.
Ganz vergebens war die Mühe nicht, aber als ich dann noch beim Reinigen von Wachs, einen der frisch bezogenen Stühle mit dem Bügeleisen versenkte, begannen wir wieder mal über ein neues Esszimmer zu sprechen.
Man muss dazu sagen, wir tun uns schwer Geld auszugeben, insbesondere mein Mann. Ein Cappuccino auf dem Marktplatz genossen, kostet so viel wie eine ganze Dose, wenn ich ihn zu Hause selbst aufbrühe und Essen gehen, geht gar nicht. Na ja, für ihn ist es ja auch kein großer Unterschied, ob ich schön koche mit Vorspeise und vielen Gängen, den Tisch schön decke und es uns so richtig gut gehen lasse oder ob wir im Lokal essen. Für mich schon, aber das soll ein andermal erzählt werden.
Jedenfalls haben wir ein Problem mit dem Einkaufen. Wenn ich etwas in den Einkaufswagen tue, nimmt er es schon mal raus kontrolliert den Preis und legt das billigere Produkt hinein, egal, ob es der gleiche Geschmack ist oder nicht. Einkaufen macht uns deshalb meist sehr unglücklich, weil wir immer wieder aneinandergeraten. Nun stand vor ca. 7 Jahren die Tatsache an, dass wir ein neues Esszimmer brauchen.
Immer mal wieder konnte ich meinen Mann in ein Möbelhaus schleifen, weil wir z.B. ein Handtuch brauchten, und dann zufällig an der Tischmöbelabteilung vorbeilaufen und die hübschen Schwingstühle anschauen, die ich mir so sehr wünschte.
 -Was machen wir denn dann mit den alten Stühlen? Eigentlich brauchen wir ja nur einen, wir könnten doch einfach alle neu beziehen.- Das war dann das Resultat meiner Bemühungen. Da ich ein arbeitsscheuer Mensch bin und abends nach einem 10 Stunden Büro Tag und meiner Verpflichtungen als Mutter von drei Kindern und dem Garten und der Mutter im Pflegeheim, gern um 21.00 Uhr aufhöre irgendetwas rumzuwühlen, wurde ich dann meistens still. Stühle beziehen gehört nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, zumal das Ergebnis bis auf das letzte Mal, als ich den neuen Bezug mit dem Bügeleisen versenkte, nicht besonders ansehnlich war.
So zog sich der Kauf des Esszimmers bis nach der Geburt des ersten Enkelkindes hin. Eine lange Zeit, aber selbst dann war es noch nicht geschafft. Im Sommer kauft man ja keine Möbel, da muss man draußen am Haus Sachen erledigen und dann kommt der Herbst, da wird dann das Geländer gestrichen und man kann ja Samstags nicht in Möbelhäusern rumrennen, was sowie so nichts bringt, da muss man zum Hornbach und das Auto machen. Ja, so geht dass wenn man Problem beim Geld ausgeben hat.
Ich bin übrigens ein Fan von verkaufsoffenen Sonntagen, habe ich das schon erwähnt?
Da hat mein Mann fast keine Ausreden, außer die Sonne scheint, ich mag also verkaufsoffene regnerische Sonntage, außer es kommt Besuch, ich mag also verkaufsoffene, regnerische, besuchsfreie Sonntage, außer er hat Kopfschmerzen, ich mag ich mag also verkaufsoffene, regnerische, besuchsfreie Sonntage ohne Kopfschmerzen, außer….
Inzwischen waren wir im verflixten siebten Jahr des Versuchs ein neues Esszimmer zu kaufen. Alle verkaufsoffenen Adventssonntage waren verstrichen und Weihnachten vor der Tür. Ich hatte fast aufgegeben, da schimmerten die Tage zwischen den Jahren als Hoffnungsschimmer am Horizont.
Was nun folgte war schwerste Arbeit, drei Tage Möbelhäuser, müde erschöpft und hoffnungslos, nichts passt in unser Esszimmer. Alle Möbel, die es in deutschen und ausländischen Möbelhäusern, on- und offline gab, waren zu teuer, zu eckig, zu rund, hatten vier Beine, waren zu glasig, zu robust, zu schwer, zu lang ….
Aber die Geschichte soll ja ein Happy End haben. Aus lauter Erschöpfung kauften wir bei einem letzten Versuch im neuen Jahr 2011, 26 Jahre nach der Erstellung unserer in der Studentenwohnung in unserem Wohnzimmer entworfen, gesägt, geschliffen, gestrichen und zusammengebauten Möbel, 11 Möbelstücke. Sie waren im Angebot, hatten Glas und Holz, passten zur Küche, die ja an das Esszimmer anschließt, der Tisch hatte nur zwei Beine in der Mitte, die Stühle waren Schwingstühle. Alles perfekt.
Wir wähnten uns drei Monate in Frieden mit uns selbst, in Ruhe und Gelassenheit: Dann wurden wir ungeduldig, das dauerte solange bis die Möbel kamen.
Manchmal freuten wir uns auf die Möbel, sogar mein Mann.
Einmal musste ich einfach anrufen, wie denn der Stand der Dinge sei? In der KW 9 sei dann alles da. Leider hatten wir für KW 10 und KW 11 einen Urlaub geplant und natürlich kam der Anruf dann in KW 9, die Möbel wären in der nächsten Woche komplett. Ich vereinbarte dann den Liefertermin in KW 12, gleich nach dem Urlaub, jetzt war die Ungeduld natürlich schon gigantisch.
Zwei Wochen Städteurlaub in USA mit den Kinder (16 und 23) im Zimmer, Jetlag, und das Treffen mit meiner amerikanischen Gastfamilie im Rahmen der Beisetzung meiner gleichaltrigen Gastschwester trugen nicht dazu bei, dass wir in KW12 erholt zu Hause ankamen. Jetlag, zurück zur Arbeit und da war doch noch was. Meine Älteste stand kurz vor der Psychologieprüfung und einem Umzug und war nach Hause in eine ruhige Umgebung geflohen, damit wir ihr den Kleinen abnehmen könnten um zu lernen.
Irgendetwas an dem Satz stimmt nicht. Ruhige Umgebung vielleicht, den Kleinen abnehmen wenn man 100% arbeitet?
Ruhige Umgebung stimmte insofern, dass wir tagsüber bei der Arbeit waren und abends geplättet, aber nur bis Donnerstag.
Donnerstag, der Tag an dem die Möbel kamen und die Geschichte ihren Anfang nahm und heute eine Woche später ihr Ende findet, Hoffentlich mag mancher denken.
Die Möbel, das Esszimmer, alles geplant hundert Mal vermessen und für gut befunden. Ein Problem war nur, dass es nach den Tagen ohne Esszimmer, wir hatten ja vorsorglich alles ausgeräumt, auf einmal extrem voll wirkte, supervoll, sehr voll gestellt." Kann mir mal jemand das Fege Blech reichen, der gerade in der Küche steht weil man nicht mehr in die Küche kommt."
Die Kinder haben ja Humor, meine große Tochter lachte sich kaputt, von diesem Geld lebt sie ein Jahr, und wir kaufen Möbel, die waren ja im Angebot, die gar nicht in unsere Wohnung passen. Nun ja, ich musste zur Arbeit und ich verließ das sinkende Schiff. Was für eine Ratte. Den ganzen Tag über hatte ich so ein mulmiges Gefühl, was wenn mein Mann nach Hause kommt?
Aber vorher stand ja noch ein Familienkaffee an. Im neuen noch nicht eingebauten, zusammen gestellten Esszimmer.
Die netten Bemerkungen der Kaffeegäste, wie z.B.: ihr stellt das doch noch um, oder? Bis zu: die alten Möbel waren doch noch gut, möchte ich Rahmen der Traumaverdrängung nicht weiter ausführen. Der Abend rückte näher und meine Anspannung stieg, bald würde er nach Hause kommen, bald würde er mit der Wahrheit konfrontiert.
Es wurde schlimmer, als in all den bisherigen Erlebnissen, wenn ich nur eine Blumenvase woanders hingestellt hatte. Einmal hatte er mir mit Scheidung gedroht, wenn ich einen Schwippbogen aufstelle. Ich lieb ihn sehr und er hat eben einen ausgeprägten Ordnungssinn und er scheint in der Entwicklungsstufe stecken geblieben zu sein, in der Kinder sind, wenn sie sich immer am selben Ort verstecken und sich dann freuen wenn man sie wiederfindet.
Er mag es eben wenn alles seinen Platz hat.
An diesem Abend nichts hatte seinen, geschweige denn einen Platz.
Es war sehr still, als er reinkam, kennt jemand den Begriff totenstill? Falls jemand eine Steigerung einfällt würde ich ihn gern benutzen. Eigentlich hätte ich diese Stille genießen sollen, denn was dann kam war nicht besser.
-Du wolltest diese Möbel, die alten waren doch ok, jedenfalls besser als das hier und überhaupt ist alles dein Schuld.-
Ich bat ihn doch erst mal reinzukommen und was zu essen, dann ginge es ihm sicher besser.- Fehler, Fehler, Error.- Denn meine lieben, sonst so supportiven Kinder samt Freundin meines Sohnes, hatten nichts Besseres zu tun, als die Schwingstühle exzessiv zu nutzen und sich wippend und schmatzend und lachend unermüdlich hin und her zu schaukeln.
Aber wenigstens konnte sich so die erste Spannung bei den Kids entladen, vielleicht war das ja deren Intention, aber es half wenig. Ähnlich wie bei einem beginnenden Geysir, war der Ausbruch kaum aufzuhalten. Mein bester Mann von allen, griff aber anstatt zu explodieren zu Whisky und wir verkrochen uns weit zurück in unsere hübschen Schwingstühle. Nur nichts Falsches sagen, aber irgendwie muss man die Spannung ja lösen.
-Also wenn das erst mal eingeräumt ist, ….-
Ich hatte den Auslöser gedrückt und eine Flut von Beschuldigungen und Maßregelungen ergoss sich und der Geysir brach aus, verspritze seinen heißen Strahl und erlosch.
Wir begannen, nachdem der erste dampf abgelassen das Spiel Möbelrücken mit krummen Rücken. Der Herr und Meister saß es eine ganze Weile aus und lies uns zwei Frauen und meinen zum Glück nun stattlichen Sohn die möglichen Varianten auszuprobieren. Die Mathematiker unter meinen Lesern mögen ausrechnen wie viele Variationen es bei anfangs drei, dann als mein Mann eingriff vier Personen, mal 11 Möbelstücken und zum Glück nur zwei Stellwänden und einer virtuellen Raumteilerwand gibt.
Meine Große hatte gleich zu Beginn einen guten Einfall, aber wir gingen taktisch falsch vor, der Bestimmer musste ja am Ende sagen wie es ausgeht.
Irgendwann hatten die Kinder genug von unserem Gezänk und gingen schlafen. Nach ein paar weiteren Whiskys und leisen und weniger leisen Diskussionen, wir wollten das Baby nicht wirklich wecken, stand der Vorschlag meiner Tochter.
Schnell ins Bett und bloß nicht sagen, dass hätten wir vor vier Stunden schon haben können.
Am nächsten Morgen sah es aus wie nach einer Schlacht, überall Kabel und leere Schränke, aber es stand so dass man sich zwischen den drei verbundenen Räumen hin und her bewegen konnte. Der klägliche Rest der Woche und des Wochenendes diente der Bebauung der Rückwand, mit eigenen Händen im Wohnzimmer entworfen, gesägt, geschliffen, gestrichen und zusammengebaut.
Es sieht nun hübsch aus und ich bin stolz, dass die Möbel meine Schuld sind. Ich habe was gelernt:
Â
Ich habe gelernt Einkaufen macht nicht glücklich.
Â
 Irgendwie denke ich aber unser selbstgebautes mit eigenen Händen gesägtes, geschmirgeltes und gestrichenes Bett….