Dies ist eine kleine Fanfiction, die ich zum Playstation 1 Beat 'em up- Spiel "Bloody Roar 2" geschrieben habe. Sie beschreibt die Situation zwischen Yugo und Kenji, nachdem Letzterer umgeben von Flammen in einem zerstörten Labor ohne Erinnerungsvermögen erwachte. Zum Lesen muss man das Spiel nicht zwingend kennen.
- Kenji's POV -
Ich fühle mich, als würde ich schwimmen...
...
Warum ist es so dunkel?
...
Wo bin ich?
Ich spüre festen Boden unter meinen Füßen und die Wärme der lodernden Flammen ... aber ich kann nichts sehen. Ich kann meine Füße nicht spüren, ich weiß nur, dass ich welche haben muss. Kann meine Hände nicht fühlen, obwohl ich mir sicher bin, dass sie da sind. Es ist so dunkel.
Ich fühle mich so allein, kalt, obwohl es überall um mich herum brennt. Ich muss fliehen ... aber ich kann mich nicht bewegen. Ich kann nicht ...
Was mache ich hier eigentlich? Ich weiß es nicht. Ich kann mich nicht erinnern.
Wer bin ich? Ich suche nach mir, versuche eine Antwort zu finden ... aber mein Verstand ist leer, mein Gedächtnis ist weg. Meinen eigenen Namen, ich kann mich nicht einmal daran erinnern ... es ist so eine grundlegende Sache ...
Ich fühle, wie eine ekelerregende Welle der Angst durch meine Sinne fegt, als stünde man am Rande eines tiefen Abgrunds.
Die Hitze wogt um mich herum und ich nehme kaum Kenntnis von der feinen Schweiß-Beschichtung auf meiner Haut. Es ist so heiß. Warum kann ich die Flammen nicht sehen?
"Hey, was tust du hier?"
Eine Stimme? Ich höre eine Stimme ... Jemand spricht zu mir. Wer? Wo? Ich möchte die Stimme finden. Etwas Greifbares rückt in die dumpfe Leere meines Seins.
Meine Visionen beginnen miteinander zu verschmelzen, bilden aus Brackwasser und verworrenem Dunkel helle flammende Farben und einen Schatten direkt vor mir, der sich nähert. Groß ... viel größer als ich. Das erste, was ich sehe ...
"Hey, antworte mir!" Erste Formen schälen sich aus dem Schatten, Bewegungen, ein Mund und die Farbe von leicht gebräunter Haut, mit Spuren von Ruß. Nur langsam verstehe ich, dass es das Gesicht der Person vor mir ist.
Die Person ... Ein Mann ...
Ich blinzele und auf wundersame Weise sehe ich wieder klar, als trüge ich zuvor eine Folienbeschichtung auf meinen Augen, die es nur nötig war weggeblinzelt zu werden. Er ist ...
Er ist groß. Seine braunen Haare bewegen sich rhythmisch im kochend heißen Wind des Feuers. Die Flammen werfen ein helles, warmes, goldenes Licht auf ihn ... es passt zu ihm. Ich ignoriere die Flammen, stehe ganz still da und sehe ihn an. Das erste, an was ich mich erinnere ... ist er. Die goldenen Augen ziehen meine ganze Aufmerksamkeit auf sich. Eine unmenschliche Farbe, ja ... aber sie erschrecken mich nicht. Sie sind einfach ...
"Du bist ein Zoanthrope?" sein Mund bildet die Worte wie in Zeitlupe. Ich sehe ihn schweigend an, ratlos.
'Zoanthrope'? Ich ... habe dieses Wort schon mal gehört ... Ich frage mich, was er meint. Bin ich ...? Erneut blinzele ich und seine Augenbrauen bilden eine Furch der Sorge. Er ist besorgt ... um mich, vielleicht? Ich vermute, er denkt, ich bin ein ...
"Du solltest besser hier raus, solange du kannst!" Seine Augen deuten einen Moment auf die Flammen. Sie spiegeln sich wild in ihnen. Ein Tropfen Schweiß fließt über seine Stirn, über eine leichte Erhebung der Haut und erst jetzt bemerke ich die Narben.
Sie sehen aus wie ein 'X'. Als hätte jemand zwei Schrägstriche in seine unbeflekte Haut geschlagen. Eine Kennzeichnung des Zorns, für den Rest seines Lebens. Wie ... wie schrecklich! Ich gehe einen Schritt vorwärts, versuche es ... was mache ich hier?
Ich hatte nicht bemerkt, dass sich meine Beine wie Wackelpudding anfühlen, nicht richtig mit dem Rest von mir verbunden. Ich schwanke, der weiße Mantel, den ich anscheinend trage, rutscht mir von den Schultern, bevor ich in seine Arme falle. Alles geschieht so langsam ...
Ihm entgeht keine Bewegung und er fängt mich, zieht mich schützend an sich. Ich bin von dem Duft erschüttert ... Der Duft von Flammen an seiner Kleidung, das Gefühl eines harten Brustkorbes und leicht feuchter Haut unterhalb des Stoffes versteckt. Sein Geruch ... Was ist das? Er kann nur wie folgt beschrieben werden ... Leben. Hitze. Er.
Ich hebe meine Arme, gebrechlich und kindlich. Halte mich an seiner Weste fest, suche nach Halt. Ich öffne meinen Mund, unsicher was für ein Geräusch herauskommen wird, nur in der Hoffnung, etwas sagen zu können. Ihn zu fragen ...
"...Haaa..." Ein Keuchen ist alles, was mir entfleucht. Ich klammere mich hilflos mehr an ihn, und spüre, wie er mich auf seine Arme hebt, mich fort trägt aus dem Flammenmeer. Spüre seine Muskeln arbeiten, wie er in ziemlich schnellem Tempo eine große Distanz zwischen uns und diesem schrecklichen, brennenden Ort bringt. Es scheint ihm ein leichtes, mich zu tragen, als er seine Geschwindigkeit erhöht, über ein für mich unsichtbares Hindernis springt und weiterläuft. Ich spüre jede seiner Bewegung und fühle mich, als wäre ich einfach ein Teil von ihm. Als würde ich zu seinem Körper gehören, der uns in Sicherheit bringt. Abseits von Hitze und Schmerz.
Bin ich wirklich so schwach? So leicht und schwach? Ich fühle einen Anflug von Schmerz bei diesen Gedanken, aber ich weiß, ich habe keinen Grund dafür, diesen Schmerz zu fühlen. Ich verdränge dieses kurze Aufblitzen und drücke mein Gesicht in die Beuge seines Halses. Atme diesen Duft ... und versuche erneut meine Lippen zu bewegen. Diesmal langsamer, genauer ...
"...Wer?..."
Er hält inne, hört mir zu. Ich spüre die Hitze des Feuers nicht mehr, wir sind in Sicherheit ... Er muss schnell sein.
Erneut bewege ich vorsichtig die Lippen, angestrengt konzentriert, die Worte richtig auszusprechen ... ich spreche zum ersten Mal.
"Wer ... bin ... ich?"
Stille. Dann spüre ich eine Hand in meinem Haar, die mir beschwichtigend über den Kopf streichelt. Ich beruhige mich, merke erst jetzt, wie sehr ich gezittert hatte.
"Kind... du erinnerst dich nicht an deinen Namen?"
Seine Stimme ist jugendlich und dennoch ... männlich. Ich fühle mich plötzlich in meinem eigenen leichten, schwachen, kindlichen Tonfall enttäuscht.
Ich schüttele den Kopf, bewege ihn gegen seinen Hals. "...Nein..."
Er lässt mich runter, mein ganze Körper spannt sich an. Nein! Lass mich nicht gehen, bitte lass mich nicht los! Sonst vergesse ich wieder alles ... die Flammen, deine Augen ... Dich!
Ich schaue hinauf in den tiefblauen Ozean über mir, sehe die leuchtende, silberne Kugel darin.
... Der Mond ...
Ich lass von ihm los, bevor ich es wirklich realisiere und sehe langsam zu ihm. Das kalte Licht des Mondes vermag das Feuer seiner Augen nicht zu mindern, welches mich mit mehr Wärme erfüllt, als es das Flammenmeer zu schaffen im Stande war ...
"Mein Name ist Yugo." sagt er leise, streichelt mir über den Kopf und beugt sich zu mir, um auf meiner Höhe zu sprechen. Ich fühle mich so klein ... schwach. Im Vergleich ... nur ein Kind für ihn.
"Du ... hast keinen Ort, wo du hingehen kannst?"
Ich schüttele den Kopf. 'Nein.' Er musste es sich bereits denken können, richtig? Er wollte nur fragen ... um das Gegenteil zu hören?
"Dann ..." Er richtet sich auf. Ist plötzlich wieder hoch über mir, doch ich fühle mich nicht bedroht. Nicht von ihm ... niemals von Ihm! Er streckt mir eine Hand entgegen und lächelt sanft. "... Komm mit mir. Du kannst bei mir bleiben."
Ich fühle einen Wellengang in meiner Brust. Was ist das? Ein Herzinfarkt? Ich konzentriere mich auf das Gefühl, prüfe es leise.
Nein ... da sind keine körperlichen Schmerzen ... was dann?
"...Nun?" Er legt den Kopf schief und wartet auf eine Antwort. Sein Ausdruck erinnert mich an einen neugierigen Hund.
Niedlich.
"...Ja." Ich nicke im selben Moment, wie ich es sage, reiche ihm die Hand und nehme sein Angebot an. Ich furche die Augenbrauen, als ich sehe, wie klein meine Hand im Vergleich zu seiner ist. Er ist so viel mehr ein Mann als ich.
Seine Finger umschließen meine und jedes Gefühl der Unzugänglichkeit weicht. Ich bin nicht klein ... Er ist sanft ...
Ja. Ich werde mit dir leben ...
Yugo.
- Yugo's POV -
Ich ziehe den Schlüssel zu meiner Wohnung, entriegele und öffne die Haustür. Ich weiß, es muss seltsam aussehen für die, die unseren Weg kreuzen. Ein, dank all dem Ruß, grauhaarig aussehender junger Mann, der einen kleinen Jungen an der Hand hält und in seine Wohnung mitnimmt.
Ich wohne erst seit wenigen Wochen hier ...
Nun, zumindest der Intendant ist nicht der Typ, den man in Filmen und TV-Shows zu sehen bekommt. Der Typ, der um seine Mieter herumschnüffelt, Fragen stellt und sie argwöhnisch ansieht, als hätten sie kein Leben. Aber er selbst wirkt gebildet durch Spott und sein Herumschnüffeln...
Meine Apartment-Wohnung befindet sich auf einem anderen Niveau!
Der Klang meiner braunen Armeestiefel hallt wie ein Echo über den blassen Holzfußboden durch die ganze Wohnung. Bricht sich an der kargen Ausstattung und den cremefarbenen, leeren Wänden.
Es gibt nur sehr wenig Mobiliar ... Nicht nur, weil ich erst vor kurzem umgezogen bin
Es gibt ein einfaches Sofa, ein Entertainment-System in seiner Position vor der Couch, einen Couchtisch und einen Esstisch mit drei Stühlen, von denen man durch ein großes Panorama-Fenster auf die Stadt blicken kann.
Stirnrunzelnd sehe ich zu meinem jungen Gast ... leider kann ich ihm nichts besseres bieten ...
Ich warte auf seine Reaktion. Erwarte bereits Enttäuschung in seinem Blick sehen zu können, über die weitgehende Leere meiner Wohnung. Unserer Wohnung. Allerdings ...
Seine kupferfarbenen Augen sind geweitet, voller Ehrfurcht. Sein Mund bleibt geschlossen. Er spricht sehr wenig, dass habe ich bemerkt ... Ich glaube nicht, dass er selbst bemerkt, wie nervös er an der Schwelle der Tür steht.
Ich lächle ihn an und hoffe, ihn etwas zu beruhigen. "Es ist okay, es wird nichts angesprungen kommen und dich beißen."
Er schaut mich besorgt an und ich fühle einen schmerzenden Stich. Ich lächle, versuche ... versuche, seine Scheu etwas zu nehmen. Er lächelt, schwach, eine einfache, aufwärts gehende Eigenart seiner Mundwinkel, die so traurig und unpassend erscheint, und macht einen zaghaften Schritt vorwärts. Für einen Augenblick fürchte ich, er würde wieder fallen, aber er bleibt aufrecht.
Anmutig überschreitet er die Schwelle, der weiße Mantel, den er trägt, flattert leicht. Welche Art von Stoff ... ist das? Damn ... nur die geringste Bewegung, und es ...
Er sieht mich durch Flechten von Nachtblauem Haar an und kommt näher. Näher ...
Ich blinzele. Warum ...?
Er wirft seine Arme um mich, ohne Vorwarnung, drückt seinen Körper enger an meinen. Ist ihm kalt? Hat er angst?
Ich sehe nach unten auf seinen Kopf. Ein Schauer überkommt mich, beim Anblick seines blassen Nackens. "Kleiner ...?"
"Was wird mein Name sein?" Ich höre seine sanfte Stimme, dumpf durch den Stoff meines Shirts und der Jacke. Er klingt verloren, unsicher ... als würde soviel von dem Besitz eines Namens abhängen.
Ich blinzele auf ihn herab. "... Du willst, dass ... Ich dir einen Namen gebe?"
Er bewegt seinen Kopf zurück und sieht mich mit leicht gesenkten Augenlidern an. "Ja, wer sonst?"
Ich senke den Blick und spüre, wie mein Gesicht zu brennen anfängt. Ich empfinde es wirklich als Ehre ... und bin plötzlich aufgeregt!
Es ist wie die Benennung eines neuen Haustieres, nur dreimal besser! Ich versuche zu denken, die Möglichkeiten abzuwiegen ...
Familiennamen, das dumme Geschwätz der Mädchen aus der Grundschulzeit, welche sich über Familienplanung Gedanken machten.
Ich habe immer gedacht, wenn ich einen Sohn hätte, würde ich ihm den Namen Kenji geben ... Kenji Ogami.
Es ist wirklich ein Kinderspiel ... wirklich ...
"Ich werde dich Kenji nennen," erkläre ich glücklich, zügele mich im nächsten Moment selbst und sehe zu ihm hinab. "Das heißt, wenn es für dich in Ordnung ist ...?"
Er lächelt leicht und nickt. "Mein Name ist Kenji ..." verkündigt er leise, als würde er die Idee in seinem Innern einbetonieren, damit sie in der Realität verfestigt sein würde. Er spielt mit dem Namen, dem Wort, der Aussprache ... immer wieder. Er ist eigentlich ziemlich niedlich. Wie er jede Silbe, mit vollem Interesse geweiteter Augen, erneut ausspricht. "Ken ... Jee ... Kehn ... Jeee ..."
Ich lächle, streiche durch seine widerspenstigen, blauen Haare. "Jupp!"
Wow ... Ich kann es immer noch nicht glauben ... ein anderes Lebewesen, in meiner Obhut ... in meiner Wohnung ... dem ich einen Namen gegeben habe ...
Er lockert seinen Griff um mich, schaut sich bedächtig um, mit einem solch seltsamen Ausdruck auf seinem jungen, blassen Gesicht. Seine Augen sind weit aufgerissen, als er über die Couch hinweg zu dem Fernseher schaut, zu der Stereoanlage, die sich an den Fernseher schmiegt. Er geht ein paar Schritte durch den Raum, aber nie mehr als zwei Schritte von mir entfernt. Es ist, als würde er fürchten, den Bereich meiner Körperwärme zu verlassen ...
Plötzlich dreht er sich wieder um und drückt sich mir langsam entgegen.
"Ahh, Kenji," Ich mag es, seinen Namen zu nennen, und der berührte Ausdruck in seinen Augen verrät mir, dass er es mag, einen zu besitzen. "Du musst müde sein, hm?"
Er nickt langsam. "Wo ...?"
Ich dachte es mir. "Keine Sorge. Du kannst in meinem Bett schlafen." sanft streichle ich über seinen Kopf, genieße dieses Gefühl von blauer Seide unter meinen Fingerspitzen. "Ich werde auf der Couch schlafen."
Aufgeregt sieht er hoch, bereit zum Protest anzulegen ... aber nein. Ich schüttele den Kopf und wie auf ein Stichwort schließt er die halb geöffneten Lippen. Er weiß ...
Er legt seine Hand in meine, bereit sich führen zu lassen. Neugierig gleitet sein Blick über den Flur ... kneift kurz blinzelnd die Augen zu, als ich die Lampe im Bad anmache.
"...Yugo?"
Er sieht so umwerfend unschuldig und verwirrt aus. Ich kann nicht anders als zu lächeln. "Wir machen dich fertig fürs Bett."
Er blinzelt, sieht hoffnungslos verloren aus. "...fertig?" Er sieht an sich herunter. "...Meine Gestalt ...?"
Ein bitteres Gefühl überschwemmt mich für einen Moment, bevor mir sein verlorenes Gedächtnis wieder einfällt. "Nein, Kenji," Ich deute auf seinen weißen Mantel, "Deine Kleidung."
Seine Augenbrauen heben sich, als würde er eine Epiphanie erreichen. "Aaaaah ..."
Ich lächle und wende mich an meinen Schrank.
Ich müsste noch ein paar neue Boxer haben ... irgendwo. Aha! Triumphierend hebe ich eine schlichte blaue Boxershorts, suche weiter nach einem Hemd. Er ist so jung ... so zart, er braucht eines, um nicht zu frieren ...
Mit gleicher Begeisterung finde ich das einzige Hemd, das ich noch besitze. Werfe dabei einen Blick auf einen Wäscheberg! Vielleicht sollte ich morgen die Wäsche machen ...
"Hier, zieh das an." schlage ich in fröhlichem Ton vor. Drehe mich um ...
Er ist nackt.
Ich spüre die Röte auf meinem Gesicht und wende den Blick so schnell ab, dass ich dabei einen überraschten Ton von mir gebe. DAS war sicherlich nicht das, was ich erwartet hatte zu sehen ...!
Als selbst erst ausgewachsener Junge habe ich zuvor nie jemand jüngeren nackt gesehen. In meiner High School Zeit sah ich nur Gleichaltrige ...
Ich versuche das krankhafte Kribbeln in meinem Bauch zu unterdrücken ... sicherlich nur ein Zeichen der Verlegenheit.
Es ist still. Ich sehe wieder zu ihm, konzentriert ... den Blick nur auf seinem jugendlichen, verwirrten Gesicht gerichtet. "Eh ... Kenji? Was ...?"
Ich werfe kurz einen Blick auf den Boden und sehe nur den weißen Mantel.
... Nur den weißen Mantel ...?
Ich erröte erneut. Er hat die ganze Zeit nur DAS getragen? ... Die ganze Zeit?
Er scheint ziemlich unbeeindruckt davon, schnappt sich die Sachen von meinen Fingern. Macht jedoch keine Anstalten dabei, seine Blöße zu bedecken.
"Was ist los, Yugo?" erkundigt er sich und hebt eine Augenbraue, als sei ich derjenige, der sich abnormal benimmt ... Ich erröte stärker, konzentriere mich, damit meine Augen nicht versehentlich ...
Ich stehe nur stumm da, als er die überdimensionale Boxer anzieht und die Schnur festbindet, damit sie nicht rutscht. Das Hemd ist besser, viel schmeichelhafter für seinen zarten Körper. Er sieht so jung und unschuldig aus. Sein Blick bettelt förmlich danach, umarmt zu werden.
Ich wickle ihn in eine Decke und führe ihn zu meinem Schlafzimmer. Höflich lächelnd beantworte ich jede seiner neugierigen Fragen, während wir an der Küche und dem Balkon vorbeigehen. Ein einziges Familienfoto ruht auf einem kleinen Schrank im Flur ...
Er hört auf zu fragen, als er sich zwischen die Kissen auf meinem Wasserbett kuschelt. Nicht einen einzigen Blick hat er noch für den spärlich eingerichteten Raum übrig ... sofort sind seine Augen geschlossen, seine Bewegungen erschlafft.
Ich kichere leise. Was ein Wasserbett doch schaffen kann. Bleibe noch etwas stehen, leise, um seinen Schlaf nicht zu stören.
Trotzdem lächle ich aufgeregt. Ich habe ihn ins Bett gebracht! Niemals hätte ich gedacht, dass Ich, Yugo der Wolf, jemals jemanden zu Bett bringen würde!
Sein schmaler Körper zeichnet sich unter der warmen Decke ab, die dunklen Wimpern ruhen auf den blassen Wangen.
Der harte Kern in mir erweicht ...
... Er ist mein Kleiner ...
Ich streichle seine Haare, lehne mich etwas nach vorn. Plane jedoch bereits den Rückzug auf meine - nicht so einladende - Sofakissen. Man, Gastfreundschaft kann manchmal eine Schlampe sein ...
"... bitte ..."
Seine ruhige Stimme lässt mich innehalten und zu ihm umdrehen. Seine Augen sind halb geöffnet und er schaut zu mir. Ein süßes Stirnrunzeln huscht über sein Gesicht ...
"Was ist, Kenji?"
Er sieht besorgt aus. "... Würdest du ... heute Nacht bei mir bleiben?"
Ich lächle sanft. "Mach dir keine Sorgen, Kleiner." Ziehe meine Schuhe, die Jacke und Hose aus, wie in einem alltäglichen Ritual. In Shorts und T-Shirt hebe ich die Bettdecke und lege mich zu ihm ins Bett. Ich fühle mich so unglaublich geliebt und gebraucht, als er sich sofort nähert und sich direkt an mich kuschelt, als würde er mich wirklich bei sich brauchen. Ich lächle, spüre ihn an mir und schließe die Augen. Ich glaube, ich habe vorher noch nie so gefühlt ...
Keine Kinder. Keine Freundinnen. Keine Brüder oder Schwestern ...
Wow, das ist wirklich das erste Mal ... das ich gebraucht werde ...
"Ich werde für dich da sein." Ich atme leise, rieche den fremden Geruch seiner Haare. Wie ein echter Wolf speichere ich diesen Duft in meinem Unterbewusstsein.
Meine Familie von Heute an. Mein.
"Ich werde dich beschützen."
~
Silvers of the Moon ~ End
Kenji und Yugo leben mittlerweile ein - einigermaßen - geregeltes Leben zusammen. Yugo ist zu einem professionellen Boxer geworden und Kenji besucht eine örtliche Schule.
Allerdings ... sind es kochende Gefühle unterhalb ihrer äußerlichen Gelassenheit in der Öffentlichkeit; Kenji ist mittlerweile angefüllt mit halbwegs realisierten Erinnerungen und Yugo mit Verwirrung über seine ... seltsamen Gefühle ...
- Kenji's POV -
Ich stochere mit meiner Gabel in meinem Rührei herum. Beobachte, wie die gelbe, kugelige Masse durch das metallische Objekt zerstört wird, die zuvor in ihrem eigenen, cremegelben Pool hockte. Die Masse verteilt sich auf dem fehlerhaften Weiß. Im Schein der Deckenlampe verleiht es dem Anblick einen kränklich fluoreszierenden Schimmer.
Ewww ...
"Kenji,", höre ich Yugo neckisch schellen, als er mit dem Pfannenwender einen Pfannkuchen auf den Teller neben sich legt; dabei ein süßes Lächeln über die Schulter zu mir werfend. "Es ist essbar! Stocher nicht drin herum als sei es ein wissenschaftliches Experiment."
Ich runzele die Stirn und versuche, wie ein junger Hund auszusehen. Vielleicht, wenn ich so ein Gesicht mache, wird er mir erlauben es stehen zu lassen... meistens klappt es. "Ich glaube ja nicht, dass es nicht essbar ist! Es sieht einfach ... " Erneut schaue ich auf den gelblichen Haufen auf meinem Teller, versuche die richtigen Worte zu finden, um es zu beschreiben ... irgendeine Redensart oder Phrase ...
" ... seltsam aus ..."
Yugo schnaubt und kommt mit einem gehäuften Teller Pfannkuchen zum Tisch. "Oh, versuch es wenigstens ..." Er macht nun dieses Welpen-Gesicht ... "... für mich?"
Ich beiße mir auf die Unterlippe. Dieses Gesicht ... ich könnte niemals ablehnen. Er weiß es, selbst nach der kurzen Zeit, die wir nun zusammen leben.
Ich seufze und gabele etwas von dem klebrigen, glänzenden Chaos in meinen Mund. Mein Gesicht verzieht sich bei dem seltsamen, eiigen Geschmack, aber ich kaue weiter. Es wäre unhöflich, Yugos Essen nicht zu essen, nicht wahr? ... Auch wenn es meinen Tod bedeuten sollte ...
Er lächelt mich an, während er die gestapelten Pfannkuchen in dunklen, braunen Sirup ertränkt. Wie ein Mantel aus dunkler Flüssigkeit. "Sag, was denkst du?"
Ich schlucke, alles andere als zufrieden über das glatte, klebrige Gefühl, das meine Kehle hinunter gleitet. Sich wie eine schwere Masse tief in meinen Bauch arbeitet. Ach Gott, es ist so widerlich...! Allerdings ...
Ich zwinge mich zu einem Lächeln. "Ja, es ist nicht so schlimm..." Innerlich muss ich seufzen, ich bin ein schlechter Lügner ...
Er greift über den Tisch und wuschelt durch meine Haare, mit einem warmen Lächeln auf den Lippen.
"Hey, ich zwinge dich schon nicht irgendwas zu essen, was du nicht willst." teilt er mir mit, als würde ich nicht wissen, das er mich niemals zu etwas zwingen würde und das ich dieses ... etwas ... nur herunterwürgte um ihn lächeln zu sehen. Er hievt einen Teil seines Pfannkuchen-Berges auf meinen Teller, zieht gleichzeitig seine Hand aus meinem stahlblauen Haaren.
"Du kannst das haben, oder was immer du möchtest."
Ich lächle und nicke leicht, greife nach einer Banane und dem Krug Orangensaft. Ungeachtet dessen, was von dem deformierten gelben Haufen übrig ist, sieht mein Teller nun viel einladender aus. Während ich einen Schluck trinke und mich danach an den sirupgetränkten Pfannkuchen mache, treibt mein Geist davon.
Es ist mehr als ein Jahr her, als Yugo mich fand. Er erzählte mir später, dass der brennende Ort tatsächlich ein Tylon Labor war, und dass ich aus irgendeinem Grund dort gefangen gehalten wurde ... Ich kann mich nicht erinnern, und vermute, dass es auch eher weitgehend nur eine Annahme von Yugo sei, aber ich glaube ihm. Ich vertraue seinen Worten. Allerdings weiß er nicht mehr über meine Vergangenheit, als das, was er selbst miterlebt hat.
Es ist komisch, sich nicht zu erinnern, aber Yugo sagt, mein Gedächtnis wird zurückkehren, wenn ich nur warte. Ich bin bereit zu warten, hier mit Yugo an meiner Seite.
Hier bin ich sicher.
Warm und geschützt.
Geschützt durch ihn.
Und dennoch ... fühle ich mich nicht ganz wohl.
Ich fühle mich, als hätte ich etwas Schreckliches vergessen. Etwas, dass schlafend in den Tiefen meiner Seele ruht.
Manchmal beginne ich mich zu erinnern. Bekomme ein Gefühl des Déjà-vu's, wenn ich an einem Gebäude vorbeigehe. Oder spüre den Blitz eines halb realisierten Bildes oder einer Erinnerung ...
Wache spät Nachts aus einem Alptraum auf, gebadet in kaltem Schweiß, während Yugo friedlich am anderen Ende des Zimmers weiterschläft.
Ich fange an mich zu erinnern ... aber dann habe ich das Gefühl, dass ich es nicht sollte. Als würde die Erinnerung ein schreckliches Ereignis in Gang setzen ...
Was ist dieses Gefühl der Angst, das mich quält? Ich hasse es ... Es ist wie eine dunkle, grauenhafte Erinnerung, die sich an die Oberfläche meines Geistes kämpft. Und nur von irgendetwas immer wieder nach unten gedrückt wird.
Ich fürchte, dass nur das wundern darüber, die Metallstangen des Käfigs zerbrechen könnte, die den Dämon in mir fernhalten ...
Nein! Ich muss mich nicht erinnern! Ich habe es in mir begraben! Ich weiß nicht, was es ist, aber ich weiß, dass ich mich nicht erinnern sollte!
Jetzt bin ich glücklich. Glücklich mit diesem Leben, welches Yugo und ich uns aufgebaut haben. Ich beobachte ihn, wie er die Cartoons der Zeitung ließt und muss lächeln.
Ich mag diesen Ort. Ich mag ihn. Ich mag das Leben, dass wir zusammen in dieser kleinen Wohnung führen.
Egal was, ich will nichts ändern. Ich möchte dieses Glück aufrecht halten und mit ihm zusammen sein ...
... für immer.
- Yugo's POV -
Die letzten fünfzehn Monate lebte ich mit Kenji zusammen. Ich beobachtete glücklich, wie sein Schweigen sich in Lächeln wandelte und er mit jedem Tag etwas temperamentvoller heranwuchs. Anfangs war er absolut ruhig. Fast wie ein Roboter. Meistens klammerte er sich an mich, stellte Fragen und sah sich neugierig um. Er war so still und scheu ...
Und am Anfang war diese Abhängigkeit einfach nur süß; als hätte ich einen kleinen Bruder.
Dann, als die Zeit verging ... begann ich ...
Ich erinnere mich, ich muss es erkannt haben, als ich ihm das erste Mal zeigte, wie man sich wäscht. Er wusste es nicht - starrte mich an und hob die Arme, als erwarte er, dass sich der Duschkopf von selbst bewegte -, so dass ich ihm helfen musste.
Ich spürte nur die Röte auf meinen Wangen, als ich ihm alles erklärte, seinen Rücken für ihn wusch und ihm klarmachte, dass die Seife nicht in seine Augen gelangen durfte. Es ist eines jener Dinge, von denen man niemals denken würde, sie einem anderen Menschen beibringen zu müssen ...
Zu der Zeit ahnte ich noch nichts. Er kam aus der Dusche heraus; vollständig sauber und wohlriechend, und mir schien diese Erfahrung nicht weiter nahe zu gehen.
Allerdings ...
Es erschien weniger unschuldig, als ich begann von ihm zu träumen. Ich erwachte schweißgebadet, heiß keuchend, nachdem ich spät Nachts auf der Couch eingeschlafen war, während Kenji im Schlafzimmer schlief. Ich hatte einen Traum von Seife auf seiner blassen Haut, die in feinen Bahnen über seinen geschmeidigen Körper floss, küsste seine weichen Lippen, meine Hände glitten über den nassen Körper. Ich wachte auf und fühlte mich ...
Ich konnte es kaum ertragen! Wie konnte ich nur so über den Jungen denken? Er war doch noch ein Kind!
Nachdem die Träume begannen, musste ich mich wirklich darauf konzentrieren, normal zu reagieren, wenn er mich umarmte. Ich konnte die Erinnerung an diese Träume kaum aus meinem Kopf fernhalten, wenn er in meiner Nähe war. Mit jeder Nacht wurde es schwieriger, mit ihm in einem Zimmer zu schlafen. Ich wünschte, ich könnte etwas Geld aufbringen, uns ein größeres Apartment mieten, damit er sein eigenes Schlafzimmer bekommen könnte, aber alles ging für Studiengebühren und Schulmaterialien drauf.
Einerseits will ich ihn in einem eigenen Bett wissen, uns die nötige Distanz geben, andererseits will ich ihn einfach in meinen Armen halten.
Jedes Mal, wenn seine kupfernen Augen zu mir rüber funkeln, wenn er seine langen Finger durch sein bläuliches Haar gleiten lässt ... fühle ich ein aufgewühltes Toben unterhalb der ruhigen Fassade.
Ich ... kann mir nicht helfen.
Da sitzen wir zusammen - wie wir es immer tun -, frühstücken, bevor er zur Schule geht ... und ich kann es nicht ertragen, dass er eine Banane einer Orange vorgezogen hat. Es ist immer das eine oder das andere, jeden Tag ... und immer ist es eine Tortur ...
Hätte er die Orange gewählt, würde mir der Anblick des Saftes, welcher an seinem Kinn herabtropft, zu Schaffen machen ... aber eine Banane! Das ist viel schlimmer, regelrecht provozierend ...
Gott verdammt ... ich hasse meine Phantasie ...
Er scheint in Gedanken versunken zu sein (wie er es so oft ist. Er ist ein so nachdenklicher Junger ... Manchmal sieht man regelrecht, wie so vieles in seinem Kopf vorgeht, dass ich nicht einmal zu hoffen wage, alles verstehen zu können), als er die Banane schält.
Ich beiße mir auf die Lippe, wende den Blick krampfhaft ab und schaufle mir erneut Pfannkuchen in den Mund, als könne ich meine schmutzigen Gedanken in Sirup ertränken.
Meine geistige Mantra startet wieder ...
- Nicht hinsehen. Nicht hinsehen. Nicht hinsehen. -
Ich sehe hin, als er seinen kleinen, hübschen Mund öffnet und die Spitze der Banane mit den Lippen umschließt. Bevor er jedoch zubeißt wende ich schleunigst den Blick ab und spüre das brennende Gefühl auf meinen Wangen ...
Verdammt, verdammt, verdammt ...!
Seine kupfernen Augen schauen abwesend ins Nichts, während er langsam kaut. Ich kann den Blick einfach nicht von seinem blassen Hals abwenden, fühle mich gezwungen, die rhythmische Bewegung zu beobachten, als er schluckt.
... Ich bin so ein Perversling ... so ein schrecklicher Bastard, weil ich ihn anstarre und diese Dinge denke ... Kenji ist meine Familie, mein Ein und Alles ... Warum sollte meine Libido es uns ruinieren?
Plötzlich weiten sich seine Augen und er zuckt herum, schaut verzweifelt auf die Uhr. Erschrocken zucke ich durch seine plötzlichen Bewegungen zusammen, so dass ich selbst fast vom Stuhl falle.
"Oh mein Gott! Ich bin spät dran!" ruft er laut, springt vom Tisch auf und eilt ins Schlafzimmer wie ein Blitz.
Ich bin nur für einen kurzen Moment alleine, bevor er zurück in die Küche gerannt kommt, jetzt in seiner Schuluniform. Wie ein Hahn ohne Kopf flitzt er mit verzweifelt suchenden Augen durch die Küche.
Ich seufze, lächle ihn an. "... Deine Schultasche liegt auf der Couch, Kenji."
Er dreht sich um und wirft die Arme um meinen Hals, küsst mich auf die Wange, direkt neben meinem Ohr. Es ist nur ein kleiner Kuss, doch für einen Mann der schier nach Zuneigung leftzt, erscheint es als so viel mehr ...
"Danke, Yugo!" zwitschert er seine Dankbarkeit, löst sich von meinem Hals und springt regelrecht in seine Sneaker, wirft sich in derselben Bewegung die Tasche um die Schulter.
"Bye! Ich sehe dich nach der Schule ... Viel Spaß beim Boxen!"
Ich sehe nur noch, wie die schwarze Uniform aus der Tür huscht ... er ist weg.
Und, wie ich es mir gedacht hatte, blieben die schändlichen Gedanken nicht ohne Folge.
Gott verdammte Banane ...
- Kenji’s POV -
Verschwitzt vom Training lege ich die Hanteln beiseite und seufze leise, erschöpft.
Von Anfang an hat es mich gestört, dass ich so viel kleiner war wie Yugo. So schwach, zerbrechlich ... mädchenhafter ...
Auch wenn er immer gut zu mir war ... und die Art und Weise, auf die seine Augen glänzten, wenn er in meine sah, mir jegliches Gefühl raubte ... war der Schmerz doch immer da.
So brauchte es nicht lange, bis ich anfing zu trainieren, um stärker zu werden und die Kluft zwischen seiner Männlichkeit und meiner eigenen Schwäche zu verringern
Meine Stimme ist noch immer mädchenhaft, und jedes Mal wenn ich mich darüber bei Yugo beklagte, sagte er: "Nein ist sie nicht. Allein der Klang hat sich sehr verändert!"
Ich runzelte jedes Mal die Stirn und lächelte. Yugo zerzauste, wie immer, meine Haare.
Ich mag es, wenn er das macht ...
Mein Blick schweift zur Uhr, während ich mir den Schweiß von der Stirn wische.
20.05 ... Yugo sollte bald von seinem Boxkampf zurück kommen ...
Trotzdem habe ich noch genügend Zeit, um unter die Dusche zu hüpfen ... wieder nach dem Duft zu riechen, den er scheinbar so mag.
Ich möchte ihm Heute eine Freude machen, doch die meisten Ideen verwarf ich sofort wieder.
Kochen kann ich nicht ... nach einem Versuch hatte ich mich noch nicht wieder hinter den Herd getraut ... damals hatte ich mir sämtliche Fingerkuppen verbrannt, der Anblick sah so lächerlich hilflos aus.
Aufgeräumt hab ich schon und die Wäsche ist auch erledigt ...
Meine blauen Sneaker lächeln mich geradezu an, nachdem ich mich wieder angezogen hatte.
Mit gefasstem Entschluss schlüpfe ich hinein, überprüfe meinen Anblick noch mal im Spiegel und mache mich auf den Weg.
Dann hole ich ihn eben ab ...
Eigentlich soll ich nicht mehr hinaus, sobald es dunkel wird ...
Yugo meint, die Stadt wäre zu gefährlich, aber irgendwie mag ich die Dunkelheit ... fühle mich in ihr sicher. Außerdem scheint der Mond so hell und im vollen Glanz. Wie in jener Nacht damals ...
Das Echo meiner Schritte hallt von den steinernen Wänden wieder, als ich mein Tempo erhöhe und durch die Seitenstraßen eile. Ich will zu ihm ... will ihn lächeln sehen ...
"HAHA!" Ein krankes Lachen schallt von irgendwo her. Sofort bremse ich meine Schritte, sehe mich suchend um ... Eine Gänsehaut läuft mir kalt den Rücken runter ... diese Stimme ...
"Wer ...?"
"So lang ist es her, oder ist es nicht? Ne pas prendre ...!" Französisch? Wieso spricht er plötzlich französisch? Diese Stimme allgemein ... sie ist so schrill und irgendwie ... wahninnig.
"... Zeig dich endlich!"
Eine kurze Stille folgt. Dann plötzlich, ein Poltern und Schaben hinter mir. Reflexartig drehe ich mich um, zucke bei dem Anblick zusammen. Ein Mann hockt auf einer Mauer. Das Mondlicht schimmert ihm unheilvoll in das breit grinsende Gesicht. Grüne Haare ... ein grüner Ziegenbart ... mit den Fingernägeln kratzt der Unheimliche über die rostroten Steine.
Meine Brust zieht sich zusammen. Ich spüre, wie sich die Gitterstäbe in meinem Unterbewusstsein so stark wie nie zuvor unter einem unbekannten Druck zu dehnen beginnen.
"Ich habe so lange nach dir gesucht ... und sieh dich an, du bist anscheinend noch stärker geworden!" Der dürre Kerl mit dem engen Shirt; unter dem sich jeder Muskel abzeichnet, leckt sich süffisant grinsend über die Lippen und sieht mich mit einem Blick an, der mir das Blut in den Adern gefrieren lässt.
"Gesucht ...? Ich ... kenne Sie nicht, Sie müssen sich irren!" Ich versuche mich umzudrehen, den Fremden einfach stehen zu lassen ... aber ich bin starr. Vor Angst?
Nein, es ist keine Angst die ich spüre ... etwas anderes hält mich fest.
"Khihi ...", die Lache dringt mir durch Mark und Bein, "Irren ...? Ich ...? Niemals! Ich weiß, wen ich vor mir habe. Aber scheinbar hast Du es vergessen, mein kleiner Bakuryu."
Bakuryu? Soll das etwa ...
Etwas regt sich in mir ... eine kalte Hand greift nach dem Schloss, welches ich so tief in mir vergraben hatte. Bildfetzen tauchen vor meinen Augen auf. Bilder von Flammen ... Blut ... qualvoll leidende Kinder, noch jünger als ich es war, als Yugo mich zwischen den brennenden Gebäudetrümmern fand.
"Mein Name ist Kenji ... Kenji Ogami! Und wer immer Sie sind, es interessiert mich nicht ...!"
Sein Grinsen verfinstert sich, kaum das ich die Worte ausgesprochen habe. In zuckenden Bewegungen wiegt sein Kopf von links nach rechts. Seine Hand greift in die Hosentasche ... er zieht ein silbernes Etui hervor, öffnet es und schmeißt es achtlos zu Boden.
Die scharfe Nadel der Spritze funkelt im Mondschein ... doch ist sie weniger erschreckend wie der kalte Ausdruck in den Augen des Fremden.
"Scheinbar habe ich damals zu gut gearbeitet, Mon ami." Er verschwindet so schnell, dass ich es kaum realisiere. Suchend sehe ich mich um, vernehme noch das Geräusch, als würden Reptilienleiber aneinander reiben ... dann spüre ich das kalte Metall in meinem Hals, die Spritze ...
Hitze durchflutet mich ... lässt meine Augen blind werden ... oder ist es nur mein Geist, der schwindet ?
Ich kann kaum noch denken ... alles wird dunkel ...
"Du hast schon immer mir gehört, Bakuryu ... Mein kleiner Killer."
Nein! Bitte nicht ...
Yugo ...!
Dein Bild ... es wird schwächer ...
- Yugo's POV -
Die kalte Dusche tut unheimlich gut, besonders nach einem gewonnenen Kampf.
Gut, es war nur ein Traningskampf ... trotzdem habe ich unbestreitbar gewonnen. Wie jedes Mal habe ich diesen Kampf wieder Kenji gewidmet ... wenn ich an ihn denke, schärfen sich alle meine Sinne ... als würde ich nur für ihn noch stärker werden wollen. Auch wenn ich weiß, dass es ihn insgeheim stört.
Ich lächle. Kenji ... Mein Kenji ...
Der heutige Abend, er soll etwas besonderes werden. Wie jeder Freitag.
Der Abend, an dem wir am längsten aufbleiben, weil wir von der vergangenen Woche erzählen, uns einen Film ansehen, bis er neben mir einschläft und ich ihn ins Bett trage ... ich liebe diese Abende!
Es ist wie ein Abend mit dem besten Freund ... und doch so viel mehr.
Erfrischt, die Haare noch nass, schmeiße ich meinen Beutel über die Schulter und verlasse die Halle, genieße den kühlen Abendwind, der mir um die Nase weht.
Selten scheint der Mond so hell und verheißungsvoll wie Heute ... und wie jedes Mal, wenn er voll am Himmel steht, denke ich an den Abend zurück, der mein Leben völlig auf den Kopf stellte. Mittlerweile sind zwei Jahre vergangen ... Kenji ist mittlerweile 17 ... zumindest vermute ich es ... und ich bin vor kurzem 21 geworden.
Ein Geburtstag, den ich wohl niemals vergessen werde. Kenji wollte mich überraschen und das Essen zubereiten ... Es hatte damit geendet, dass ich seine verbrannten Fingerkuppen verarzten durfte. Irgendwie eine schöne, wenn auch aufreibende Aufgabe ...
So hilflos, mit winzigen Tränen in den kupfernen Augen, wie Kenji vor mir saß und mich mit diesen Augen durch seine nachtblauen Haarsträhnen ansah ...
Leise räuspernd verscheuche ich diesen Gedanken, er soll uns nicht den Abend ruinieren ... mich nicht schwach werden lassen ...
Ich entscheide mich dafür, den Weg durch die Seitenstraßen zu nehmen. So sind es nur wenige Minuten nach Hause ... und ich kann es jetzt schon kaum erwarten.
...
Ein Geräusch lässt mich aufhorchen ... es passt nicht in die Stille der Nacht ... wobei eine Stadt wie Tokyo wohl niemals schläft ... doch es ist anders, finster, voller Gefahr ...
Und was ich hinter der nächsten Ecke zu sehen bekomme ist schlimmer als jeder erdenkliche Alptraum. Zunächst bemerke ich nur den glänzenden grünen Leib, den langen Schwanz des überdimensionalen Chamäleons, der euphorisch von einer Seite auf die andere schwingt ... Ein Zoanthrope!
Und in seinen Armen sackt jemand zusammen ...
"Kenji!" Ich schreie auf, sehe wie der verwandelte Mann zu mir herumzuckt und sich in der gleichen Bewegung wieder in einen Menschen zurückwandelt. Trotzdem ist der Anblick nicht weniger grausam ... dieses verzerrte Grinsen ... und Kenji ... den er sich wie einen leblosen Körper über die Schulter wirft ... "Lass ihn sofort los!"
"Tchehehe...", das Lachen klingt noch verzerrter, als es das Grinsen auf seinen Lippen ist, "Schon wieder dieser Name ... Dann hat er ihn wohl von dir."
"Was hat das zu bedeuten? Wer bist Du?"
"Alles was Du wissen musst, Wolf ... ist, dass Bakuryu mir gehört. Also lass die Pfoten von ihm!" Noch einmal lacht er diese undefinierbar kranke Lache, die mir wie ein Fausthieb in den Magen rammt. Dann verschwindet er, getarnt dank seinen animalischen Genen als Chamäleon.
Ich stehe still, kann mich nicht rühren ... und spüre nur diesen unsagbaren Schmerz in mir.
... Kenji ...
Er ... Er ist weg!
Mitgenommen von einem Zoanthrope. Einem Gleichgesinnten ... Auch Kenji gehört zu uns ... das konnte ich von Anfang an spüren, doch kenne ich seine Gestalt nicht.
Und in diesem Moment hoffe ich, dass es nicht so weit kommt ...
Wer sich von uns einmal gewandelt hat ... wer einmal diese Macht gespürt hat ...
Kenji ... Wo immer Du bist ... Egal wie lange es dauert ...
Ich werde nach Dir suchen und Dich finden!
Mein wütendes Heulen schallt durch die nächtlichen Straßen, dennoch bleibt er ungehört, als sich mein Körper beginnt zu verwandeln ...