Beschreibung
Während Menschen denken, Kuscheltiere können nicht fühlen,
fühlen Kuscheltiere, dass Menschen nicht denken können.
Einfach so.
Ich lag mit dem Gesicht nach unten - auf dem eisigen Boden, eine müfflige Socke vor der Nase - während Klein-Marie sich unruhig in ihrem Bett herumwälzte. Es war der Abend ihres fünften Geburtstags, und ich konnte immer noch ihre Aufregung spüren. Wie überdreht sie doch in letzter Zeit gewesen war! Jeden Abend hatte sie mich in ihren Armen gehalten, sorgfältig zugedeckt und liebevoll mit Küsschen versehen, während sie mir leise von ihren möglichen Geburtstagsgeschenken vorschwärmte. Ein neues Barbie-Puppenhaus, am besten eine dreistöckige, stilvoll eingerichtete Villa. Das rosa-farbene Einhorn mit der langen, blonden Mähne, die man so schön frisieren konnte, und das regelmäßig in der Werbung gezeigt wurde. Vielleicht aber würde sie ja auch das dicke Malbuch mit den traumhaften Prinzessinenkleidern geschenkt bekommen, das ihr ihre Freundin Michelle stolz letzten Samstag gezeigt hatte, als sie sich wieder einmal zum Puppenspielen verabredet hatten. Wie schön diese langen Abende doch gewesen waren! Geduldig hatte ich ihr zugehört, bis sie mich ein letztes Mal an ihre Wange gedrückt hatte und ihr Kopf sich schließlich zur Seite neigte, als sie in ihren Träumen versank.
Jetzt lag ich hier nutzlos auf dem kalten Boden - verlassen, vergessen. Als ich vorsichtig den Kopf hob, um zu sehen, ob Klein-Marie schon eingeschlafen war, bemerkte ich den spöttischen Blick des neuen Geburtstagsgeschenks, einer blonden, schlanken, schick gekleideten Barbie, die mich hochmütig von Klein-Maries Nachttisch aus angrinste. Ich, hier am Boden – sie, eine Handbreit von dem schlafenden Kind entfernt. Wieder überfiel mich das schmerzende Gefühl der Einsamkeit und der Nutzlosigkeit. Als ob sie meine Gedanken erahnen konnte, beugte sie sich zu Klein-Marie vor und machte ein schmatzendes Geräusch, das mir wieder einen Stich ins Herz jagte. Doch anstatt ihr einen finsteren oder deprimierten Blick zuzuwerfen, lächelte ich sie bloß freundlich an, woraufhin ihre linke Augenbraue in die Höhe schnellte. Während sie vor Langeweile anfing an ihrem pink-farbenen Rock herumzufummeln, überdachte ich die Zeit, die ich mit Klein-Marie verbracht hatte. Ich war ihr erstes Geburtstagsgeschenk überhaupt, ich war es, der sie beim ersten Tag in die Krabbelgruppe, später in den Kindergarten begeleitet hatte; ich war es, dem sie all ihre Geheimnisse erzählt hatte; ich war es, an dem sie ihre Wut ausgelassen hatte und sich später stundenlang unter Tränen bei mir entschuldigt hatte; mich hatte sie stolz all ihren Freundinnen gezeigt, und jetzt? Jetzt sollte alles vorbei sein?
Als das kleine Mädchen einen kurzen, erschreckten Laut hervorstieß, zuckten wir beide zusammen. Wie sehr wünschte ich mir, sie jetzt in den Arm nehmen zu können und ihre Albträume vertreiben zu können! Ich erkannte an Barbies erschrocktenem Blick ihre Unsicherheit. In diesem Augenblick verstand ich ihr gesamtes Benehmen. Klein-Marie war ihr erstes Kind - sie war mit Gefühlen wie Liebe, Vertrauen und Geborgenheit noch nicht vertraut. In Schaufenstern wurde sie nur nach ihrem Äußeren bewundert, was ihren Eitel erklärte. Jetzt zerbröckelte ihre hochmütige Fassade, ich erkannte einen Funken Liebe in ihrem Blick, der sich immer stärker entfachte, während sie die wieder friedlich schlafende Klein-Marie beobachtete.
„Teddy?“, murmelte das kleine Mädchen im Halbschlaf. Gerührt hob ich den Kopf in ihre Richtung, während Tränen mir in den Augen standen. Hilflos betastete sie das leere Kopfkissen neben ihr. „Teddy?“, ihre kleine Hand streckte sich nach ihrem Nachttisch, bekam Barbie zu fassen und drückte sie an sich. „Meine kleine, liebe Barbie“, murmelte sie gähnend. Barbies schluchzte und legte vorsichtig ihre dünnen Ärmchen um das Mädchen, das sie gelehrt hatte zu lieben.
Und ich? Ich lag mit dem Gesicht auf dem kalten Boden - eine müfflige Socke vor der Nase - und war ... glücklich. Glücklich, dass Klein-Marie, die nun nicht mehr so klein war, mich immer noch lieb hatte und sich in ihren Träumen nach mir sehnte.