Beschreibung
Kann man sich vorstellen wie sie über das Seil tanzt? Ich habe versucht jeden Schritt so zu beschreiben, dass man sie vor seinem inneren Auge balanciern sieht.
Vorsichtig spähte ich nach unten. Die Leute die begeistert zu mir nach oben gafften verschwammen vor meinen Augen zu einer einheitlichen Masse. Nur nicht ablenken lassen.
Der gegenüberliegende Turm war circa fünfzig Schritte entfernt. Ich langte nach unten und zog eine lange Stoffbinde aus meiner provisorisch angenähten Hosentasche. Meine Finger zitterten wie jedes Mal als ich sie mir vorsichtig aber dennoch fest, damit sie nicht verrutschte, um die Augen band.
 Das Seil vor mir verschwand und nur mehr der rötliche Schein des Stofftuches durch das Sonnenlicht blieb übrig. Mein rechter Fuß trat langsam nach vorne. Als ich das dünne Seil ertastete brachte ich mein ganzes Gewicht in die paar Zehen mit denen ich das Seil spürte. Einen Moment hielt ich inne bevor ich mich von dem Fenster in dem ich stand abstieß. Ich hörte die Menge stöhnen, und musste lächeln.
Mein linker Fuß schwebte jetzt wenige Zentimeter über dem Seil. Meine Arme zu beiden Seiten ausgestreckt machte ich vorsichtig den ersten Schritt. Das Seil war gut gespannt. Es schwankte nur wenig und überließ mir die Kontrolle. Ich machte noch zwei Schritte nach vorne bevor ich meine Füße seitlich, Ferse an Ferse stellte. Ein Fehler und ich wäre tot, das war ich mir bewusst, aber ich hatte dieses Kunststück schon so oft vorgeführt, dass ich inzwischen keine angst mehr hatte.
Beim ersten Mal wäre ich beinahe abgestürzt. Ich konnte mich damals noch im letzten Moment mit einem Bein am Seil einhacken und mich wieder nach oben ziehen. Damals schwor ich mir nie mehr auf ein Seil zu klettern. Und ich tat es doch.
Ich war jetzt in der Mitte angelangt. Es war schwer nicht zu sehen wie viel das Seil schon unter meinem Gewicht nachgab. Jetzt kam der schwierigste Teil. Eigentlich unmöglich so schien es als ich gehört hatte was ich tun sollte. Langsam und gleichmäßig kniete ich mich immer tiefer bis ich mich mit den Händen festhalten konnte. Als sich das Seil beruhigt hatte stemmte ich mich hoch und ließ meine Füße vom Seil rutschen. Jetzt saß ich mit den Oberschenkeln zwanzig Meter in der Luft.
Wieder streckte ich meine Arme durch und drückte mich ein Stück nach oben, dann zog ich meine Beine unter mir durch. Eine Weile blieb ich wie ein zusammengefaltetes Stück Papier, bevor ich die Knie beugte und sie weiter nach hinten schob. Ich spürte wie mich mein Gewicht langsam nach unten zog. Im letzen Moment konnte ich mich noch Kerzengerade aufrichte. Meine Beine standen nun senkrecht nach oben. Mein Zopf den ich mir vorher in meine Kleidung gesteckt hatte viel mir nun über die Schulter und kitzelte mich an der Wange. Meine Hände begannen zu zittern was mir ein Zeichen war wieder auf die Füße kommen zu müssen. Ich ließ meinen Unterkörper sanft nach recht fallen, die Hände immer noch fest am Seil. Als ich mit dem großen Zeh das Seil erspürte, und auch mit dem andren Fuß wieder Halt hatte, ließ ich langsam los. Zwar lagen meine Handballen immer noch ruhig, aber der Schwerpunkt war wieder meine unter Hälfte. Ich beugte meine Ellenbogen und stieß mich nach oben ab.
Die letzten paar Schritte waren keine Kunst. Noch bevor ich das Turmfenster erreichte, hörte ich die Leute unter mir Klatschen und mir zujubeln. Und ich hörte auch wie meine Schwestern durch die Menge gingen und nach Geld für meinen Auftritt schrien.