Tipp: Ohne Flash ansehen, dann kann man es einfach besser lesen als in 3-D Buchansicht Prolog und 1. Aufzug eines geplanten Theaterstückes, welches dann doch nicht zur Aufführung kam, da man es für den damaligen Anlass für ungeeignet hielt, was ich selbst jetzt, ein paar Monate später, eingestehe. Nichts desto Trotz hoffe ich auf viele Leser und ebenso viele Kommentare, denn es werden noch 4 weitere Aufzüge folgen. Viel Spaß!
Erzähler tritt in feierlicher Kleidung auf die Bühne
Erzähler: Es waren einmal ein armer Kurzarbeiter und seine, von Sozialhilfe lebende Frau – Hartz V macht’s möglich. Diese hatten 2 Kinder, genannt Hänsel und Gretel. (erregt) Die Namen sind Zufall, wir plagiieren hier kein rechtlich geschütztes Märchen eines berühmten Brüderpaares der Romantik! (kurze Pause) Doch in jene Zeit fiel es, dass die dickliche Königin Angela beim Kuchenbüffet tot zusammenbrach und ihr übler Regierungsgnom Guido und dessen gelben Mitstreiter das Zepter im Märchenland an sich rissen. Lasst mich Euch von allerlei Schrecklichem erzählen, dass sich in dieser schlimmen Zeit ereignete, da der Märchenwald, Mitglied der Europäischen Union, in eine tiefe Krise fiel. (geht ab)
In einem kleinen Zimmer sitzen Vater und Mutter am Tisch über Akten gebeugt
Vater: Oh nein, das ist zu viel! Warum haben die die Mehrwertsteuer jetzt auch auf 33% angehoben?!
Mutter: Jetzt, da die Türkei pleite gegangen ist, muss die EU wieder mal ein Rettungspaket schnüren. Da muss auch der Märchenwald sparen. König Westwave weiß schon was er tut, denke ich zumindest…
Vater: Und selbst wenn er es weiß, wer soll das denn noch bezahlen?!
Mutter: Eltern mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 1700 €, die eine umweltfreundliche Kutsche von Toyota fahren und ihre Ersparnisse in einem Land mit geringem Steuersatz auf Ersparnisse anlegen…
Vater: (sieht seine Frau entsetzt an) Woher hast du das denn, wenn man fragen darf?
Mutter: (erfreut) Stand in der Brigitte!
Vater: (setzt sich hin, studiert die BILD) Egal, ich lese jetzt erst mal eine richtige Zeitung. (kurzes Überfliegen der Schlagzeilen, dann schlägt er die Zeitung erbost auf den Tisch) Hier, so ist es! Die Sozialdemokraten sind an allem schuld! Diese vergammelten Studenten, Hippies und Kommunisten! Wollen unseren, um unsere Wirtschaft und unser Wohl besorgten König stürzen! Reichtum der Wirtschaft bedeutet Reichtum für das Volk, Arbeit muss sich wieder lohnen!
Mutter: (versucht ihn zu beruhigen) Schatz, bitte reg‘ dich nicht so auf, die Kinder sind draußen, die müssen doch nicht alles mitbekommen.
Vater: (besorgt) Du hast recht, aber wegen denen mach ich mir auch so meine Gedanken. Die brauchen ja auch Geld zum Leben. Das wird hart, ich glaube wir müssen uns da mal noch was einfallen lassen…
Hänsel und Gretel, beide Jugendliche, spielen mit Murmeln
Hänsel: Boah, die Murmeln nerven derb! Und ich hab‘ nicht mal n‘ richtiges Handy, nur so ne scheiß Telefonzelle. Da kannste nur SMS mit schreiben und telefonieren. Das neue I-Phone kann Kaffee kochen, wenn ich doch bloß so’n Teil hätte…
Gretel: Brüderchen, sieh es doch endlich ein. Unsere Eltern haben kein Geld, da wirst du dir so etwas nicht leisten können. (lacht) Und wenn ich mir deinen bisherigen Bildungsweg ansehe, dann dürftest du wohl auch später nicht sonderlich mehr haben.
Hänsel: (erbost) Blöde Zicke, hältst dich wohl für was Besseres, nur weil de Abi machst und ‘nen 1,0 Realschulabschluss hast. Nur weil ich grad‘ zum zweiten Mal versuch mein Hauptschulabschluss zu machen, bin ich nich‘ blöder! Ich werd‘ von ‘ner scharfen Chica mit ordentlich Knete geheiratet und dann wirst de in deinem Beamtenjob versauern und nie ‘nen Stecher abbekommen, gedisst!
Gretel: Jetzt mal ehrlich, unsere Eltern haben es nicht leicht, wir sollten sie da unterstützen wo wir nur können, glaubst du nicht auch?
Hänsel: Naja, haste ja recht. Ich denk‘ mir unsre Ellis hamm’s nich‘ leicht mit uns.
Gretel: Schön das du es auch mal einsiehst. Ich gehe jetzt auf mein Zimmer, ich muss für eine Deutschklausur lernen. Vielleicht knacke ich auch mal die magischen 14 Punkte. 15 gibt einem unsere Lehrerin sowieso nicht für einen Aufsatz… (geht ab)
Gretel: Schön das du es auch mal einsiehst. Ich gehe jetzt auf mein Zimmer, ich muss für eine Deutschklausur lernen. Vielleicht knacke ich auch mal die magischen 14 Punkte. 15 gibt einem unsere Lehrerin sowieso nicht für einen Aufsatz… (geht ab)
Die Eltern sitzen am Küchentisch, starren gebannt auf die Uhr
Mutter: Was, wenn er unseren Hilferuf nicht vernommen hat?
Vater: Quatsch, der kommt auch in den Osten, dort wo die Sozis wohnen, also kommt der auch zu uns.
(Tür öffnet sich mit einem Ruck, Peter Zwegat erscheint in der Tür, Kameraleute und Flipchartträger)
Zwegat: Guten Tag, mein Name ist Peter Zwegat, komme aus Berlin, ich habe einen Hilferuf vernommen. Jetzt bin ich hier, was kann ich für sie tun?
Vater: Nun, wir haben ein paar Schulden und wissen nicht, wie wir die abbezahlen sollen.
(Zwegat setzt sich auf Stuhl am Tisch)
Zwegat: Wissen sie denn, wie viele Schulden es sind?
Mutter: Ein paar tausend Euro, nehmen wir an.
Zwegat: Zuerst werde ich mir mal einen Überblick verschaffen. Zeigen sie mir doch bitte die Rechnungen der letzten Jahre.
(Vater überreicht ihm mehrere Aktenordner, Zwegat durchsucht sie, schreibt auf Flipchart)
Zwegat: Also, sie haben 50 € Schulden, wenn man da nicht aufpasst, dann werden das mal schnell 500€ oder 5000€.
Mutter: (schluchzt) Das hätte ich nicht gedacht…
Vater: (monoton) Das ist ja schlimm…
Zwegat: (schreibt) Jahresabos von Bild und Brigitte machen monatlich knapp 65€, Telefonkarten 20€, Telefonate 85€, Strom 90€ und dann 350€ für Nahrungsmittel. Sie haben ja ein Telefon, da brauchen sie kein zusätzliches Geld für Telefonkarten. Sie sparen da schon 20€.
Mutter: Aber dann können uns unsere Kinder ja gar nicht mehr anrufen.
Vater: Schatz, wollen wir doch den Schuldnerberater machen lassen, er ist schließlich Experte, aus dem Fernsehen.
Zwegat: Und bei der Nahrung sehe ich das größte Sparpotenzial. Ist da wirklich alles nötig?
Vater: Ähm, wir haben noch 2 Kinder, die wir auch noch ernähren müssen.
Zwegat: Sie haben 2 Kinder? Und die befinden sich nicht hier? Wollen sie nicht ins Fernsehen, genau wie ich nicht auf meinen Profit aus bin?
Mutter + Vater: Ja.
Zwegat: Dann sollten sie an dieser Stelle rationalisieren. Dann schaffen sie es auch wieder aus den Schulden heraus.
(Alle gehen zum seitlichen Bühnenrand)
Vater: Danke das Sie uns geholfen haben.
Zwegat: Dafür bin ich doch da. Sie werden bald wieder von uns hören.