Kurzgeschichte
Zahnpflege

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"Zahnpflege"
Veröffentlicht am 08. März 2011, 10 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Laßt jedem Individuum, gleich welches Aussehen, welche Interessen, welche Religion und welcher Herkunft die Möglichkeit der freien Entfaltung seines Lebens und gönnt ihm die Suche nach seinem eigenen Glück. Freut euch wenn Menschen fröhlich sind und tröstet sie bei Trauer. Versucht die Gedanken anderer Menschen zu begreifen und behandelt jeden, wie Ihr behandelt werden möchtet. Vielleicht wird die Welt dann besser.
Zahnpflege

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Zahnpflege

 

Nein, ich hatte keine Schmerzen. Doch beim alltäglichen Blick in den Spiegel und dem einhergehenden Entblösen meiner Zahnleisten fiel es mir wieder wie Schuppen von den Augen: Mein letzter Zahnarztbesuch lag schon fast zwei  Jahre zurück. Welch ein Frevel an der pfalzgräflichen Mundhygiene.

 

Schon wollte ich zum Telefon schreiten, um einen Termin zu vereinbaren, als ich in meinem Gang innehielt. Verhieß das Platznehmen auf diesem, einem mittelalterlichen Folterinstrument nicht unähnlichen Behandlungsstuhl nicht auch das Ertragen von Schmerzen?

 

Zwar keine Schmerzen, vergleichbar der Folter in südamerikanischen Gefängnissen, aber auch nicht weit hiervon entfernt. Mit Gänsehaut auf dem Rücken und Schweißausbruch auf der Denkerstirn gedachte ich des letzten Entfernens des Zahnsteines welches ein, zugegeben nur geringes, dennoch spürbares Zwicken verursachte. Wollte ich mir freiwillig diese Bürde auferlegen?

 

Mir wurde schwindlig von dem Gedanken und ich musste mich setzen. Die beiden Hälften meines Großhirnes  befanden sich in Zwietracht: Während die linke Seite mich höchst intensiv an das schmerzhafte Zwicken erinnerte, gebot mir die rechte Seite der Vernunft doch nun endlich den Telefonhörer zu ergreifen.

 

Das Stammhirn traf die Entscheidung: Wenn der Pfalzgraf weiterhin in optischer Hinsicht die Gunst der holden Damenwelt erhaschen wolle, so möge er der rechten Hirnhälfte die Zustimmung erteilen. Kein voller roter Frauenmund ist gewillt maskulinen Lippen voller Bruchsteine, in gelblicher Farbe und übelsten Ausdünstungen nahezukommen.

 

So nahm ich, wenn auch unwillig den Hörer zur Hand und vereinbarte einen Termin in der Zahnarztpraxis meines Vertrauens. Ich erhielt diesen, meiner Ansicht nach viel zu kurzfristig.

 

Der Tag der Qualen war gekommen. Ich hoffte, ich würde vielleicht verschlafen. Aber der Zeitpunkt der Untersuchung lag erst im späten Nachmittag. Dann hoffte ich mein Fahrzeug würde nicht anspringen. Aber hatte ich die Batterie nicht erst kürzlich erneuert? Während der Fahrt zur Praxis erschien mir sogar der leichte Hoffnungsschimmer einer Entführung durch islamistische Terroristen. Aber welcher Gotteskrieger bemächtigt sich schon freiwillig dem Pfalzgrafen?

 

Selten in meinem Leben fuhr ich so langsam und dennoch erreichte ich schweißgebadet mein Ziel.

 

Ich betrat den Ort des kommenden Grauens und wurde aufs höflichste und nahezu unverschämt fröhlich und gutgelaunt begrüßt. Die Damen hatten wohl Furcht meine ängstliche Wenigkeit würde die Praxis doch noch unverrichteter Dinge verlassen.

 

Aus diesem Grund durfte ich wohl auch nicht im Wartezimmer Platz nehmen, sondern man führte mich direkt in die Höhle des Löwen. Wie im Colosseum den Gladiatoren vorgeworfen, nur die Räumlichkeit war geringfügig kleiner. Mit zitternden Knien ließ ich mich auf den Behandlungsstuhl sinken und harrte der Dinge die da kommen sollten.

 

Doch es kamen keine Dinge, eine hübsche junge Frau erschien und lächelte geheimnisvoll. Ähnlich der Mona Lisa, doch die Renaissance kannte noch keine Zahnarzthelferinnen. Diese junge Frau jedoch befleißigte sich dieser Tätigkeit und so wusste ich mich in der Realität zurück.

 

Ich ließ meinen männlich lüsternen Blick über dies sexuell ansprechende Wesen gleiten und vergaß meine Pein und Sorge sofort. Die braunen langen Haare und der dunkle Teint ließen sie südländisch erscheinen. Sofort kam mir der Gedanken an das südamerikanische Gefängnis wieder in den Sinn und ich erblich.

 

Doch sie kam näher und mein geschultes Auge erkannte eine Figur, welche meine argen Gedanken wie durch einen Frühlingshauch hinwegbliesen. Sie stand nun dicht an meiner Seite und bat mich den Mund zu öffnen. In Anbetracht ihrer Grazie und Schönheit hatte ich diesen zwar bereits geöffnet, doch wohl nicht weit genug.

 

Mit einer kleinen Nadel entfernte die junge Sophia Loren nun die Essensreste des mittäglichen Mahles, Gulasch mit Nudeln, aus meinen Zahnlücken und stieß dabei mit ihrem Oberschenkel an meinen herunterbaumelnden Arm. Ein leichter Stich durchfuhr meinen Körper.  Resultierte dieser Stich von der Nadel in meinem Mund oder dieser unbeabsichtigten Berührung? 

 

Ich wusste es nicht mehr, zudem sich nun das Gesicht der dunklen Schönheit dicht über mich beugte. Während sie begann weitere Untersuchungen meiner Mundhöhle anzustellen, vermochte ich den Duft ihrer Haut und ihrer Haare in mich aufzusaugen. Jegliche Pein und jegliches Zwicken ward schnell vergessen.

 

Sie bat mich den Kopf etwas nach rechts zu drehen. Ich tat wie geheißen und durfte nun in ein, zwar züchtig bekleidetes und doch unübersehbar pralles Dekoltee blicken. Währenddessen zwickte sie ungerührt weiter. Doch dies störte mich nun nicht mehr.

 

Als die Reinigung beendet war verließ mich dies göttliche Wesen und die Ärztin selbst betrat den Raum. Befand ich mich hier in einer Zahnarztpraxis oder einer Modellagentur? Auch die Zahnärztin selbst war von Schönheit und Anmut verziert. Ich, der Pfalzgraf jedoch sah mich verzaubert.

 

„Ich habe einige kariöse Stellen gefunden“ eröffnete sie mir lächelnd. Ich lächelte zurück, ohne mir den Worten bewusst zu sein. „Möchten Sie einen neuen Termin?“ Ich lächelte noch immer verzückt und nickte nur dümmlich.  Ich sah die schöne Ärztin bereits an meiner Seite stehen. Ich fühlte bereits ihren Schenkel an meinem Oberarm, roch ihr Haar und ihre Haut und stellte mir ihr Dekoltee vor.

 

Tage vergingen. Der neue Termin kündigte sich an. Ich hatte keine Angst mehr vor Schmerzen. Diese Angst entwich meiner Seele und wurde durch, ich darf zugeben einer Art Vorfreude ersetzt.

 

Ich hoffte ich möge nicht verschlafen, hoffte dass mein Fahrzeug seinen Dienst verrichte und kein Islamist mich entführen möge. Dann raste ich zur Zahnarztpraxis und stürmte durch die Tür. Doch diesmal musste ich mich im Wartezimmer noch etwas gedulden. Nun ja – Vorfreude ist die schönste Freude, sagte ich zu mir selbst, als ich Mona Lisa durch den Gang wandeln sah.

 

Nach wenigen Minuten durfte ich auf dem Behandlungsstuhl Platz nehmen. Diesmal sollte mir nicht jener Fauxpas unterlaufen, welcher mir seinerzeit so peinlich war. So hatte ich zuvor nahezu eine Viertelstunde mit der Munddusche die letzten Überreste meines Frühstücks aus dem letzten Winkel meiner Zahnlücken sorgsam entfernt. Meine Achselhöhlen dufteten nach frischem Deo und die Schuhe waren frisch geputzt. Ich wusste: Damen achteten auf solche Kleinigkeiten.

 

So sehnte ich auf dem Behandlungsstuhl die Behandlung herbei. Dann öffnete sich die Tür und ein Mann kam herein. Groß und furchteinflößend. Mit graumeliertem Bart und einer Stimme, einem Sänger des Blues nicht unähnlich. Sicher der Hausmeister, beruhigte ich mich selbst. Aber seit wann tragen Hausmeister weiße Kittel?

 

„Mein Name ist Dr. Müller“ röhrte mir sein Bariton entgegen. „Dann wollen wir einmal ihre Zähne von Karies befreien“. Ich sank in mich zusammen.

 

„Es kann vielleicht ein wenig wehtun“, meinte er väterlich „aber sie sind ja ein Mann.“

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pfalzgraf
Laßt jedem Individuum, gleich welches Aussehen, welche Interessen, welche Religion und welcher Herkunft die Möglichkeit der freien Entfaltung seines Lebens und gönnt ihm die Suche nach seinem eigenen Glück.
Freut euch wenn Menschen fröhlich sind und tröstet sie bei Trauer. Versucht die Gedanken anderer Menschen zu begreifen und behandelt jeden, wie Ihr behandelt werden möchtet.
Vielleicht wird die Welt dann besser.

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baesta Na so ein Pech aber auch - - so ist es aber meistens. Man macht sich die schönsten Illusionen und dann ? Man wird recht unsanft geweckt.......
Humorvoll geschrieben, klingt aber realistisch.
Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
pfalzgraf Re: Alleine ... - Ich habe während der letzten Monate meinen ersten Roman beendet. Daher die fehlenden Wortmeldungen.
Ab sofort kommen wieder mehr pfalzgräfliche Anekdoten.

Lieben Gruß

Zitat: (Original von Gunda am 08.03.2011 - 19:17 Uhr) ... schon dafür, dass du dich endlich mal wieder zu Wort meldest, Bernd, verdienst du ein paar Sternchen.

Zunächst wollte ich den Pfalzgrafen wegen seiner mangelnden Mundhygiene rügen, aber ich sehe, er hat dazugelernt, und sei es auch nur in der Absicht, die erwartete Ärztin zu beeindrucken ;o))

Lieben Gruß
Gunda

Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Alleine ... - ... schon dafür, dass du dich endlich mal wieder zu Wort meldest, Bernd, verdienst du ein paar Sternchen.

Zunächst wollte ich den Pfalzgrafen wegen seiner mangelnden Mundhygiene rügen, aber ich sehe, er hat dazugelernt, und sei es auch nur in der Absicht, die erwartete Ärztin zu beeindrucken ;o))

Lieben Gruß
Gunda
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