Krimis & Thriller
Irre - Die Angst zu verlieren

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"Irre - Die Angst zu verlieren"
Veröffentlicht am 05. März 2011, 30 Seiten
Kategorie Krimis & Thriller
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Irre - Die Angst zu verlieren

Irre - Die Angst zu verlieren

Beschreibung

Als der ehemalige Polizeikommisar Max Stross erfährt, dass seine Tochter sich umbringen wollte, geht für ihn die Welt unter. Verzweifelt sucht er nach Gründen, und stößt auf dunkle Geheimnisse...

Kapitel 1 - Die Angst

Sonnenlicht schien durch die gekippten Fenster und brachte eine fröstelnde Brise frischer Frühlingsluft mit sich. Ich öffnete meine Augen und fand mich in meinem Schlafzimmer wieder. Zwar konnte ich mich nicht daran erinnern, gestern noch nach Hause gekommen zu sein, aber ich freute mich darüber, dass ich nicht irgendwo in einer dreckigen Seitengasse aufgewacht war. Doch wie war ich heim gekommen? Ich wusste nur noch, dass ich keinen Haustürschlüssel dabei gehabt hatte. Folglich musste mich jemand nach Hause gebracht haben. Aber wer?

„Irene??“, rief ich mit heiserer Stimme.

Keine Antwort. Ich versuchte aufzustehen und sofort schmerzte mein Kopf.

Der gestrige Bowlingabend war anscheinend doch zu lang gewesen.

Ich würgte eine Aspirin herunter und rappelte mich auf. Auf wackeligen Beinen stolperte ich in Richtung Küche, wo mich ein bereits gedeckter Tisch erwartete. Es war also doch jemand im Haus. Ich beschloss zuerst die Toilette anzusteuern, denn meine Blase plagte mich. Da hörte ich die Dusche rauschen.

„Irene?“ Ich hämmerte gegen die Tür. Dann verstummte das Rauschen und ich hörte unsere Duschtür quietschen.

„Jaa?“ Irene zärtliche Stimme war Balsam für meinen Kopf, der inzwischen bestimmt so groß war wie eine Melone.

Die Badetür öffnete sich und heraus geschlendert kam, nur mit einem Handtuch um, Irene. Sie immer noch so aus, wie an dem Tag, an dem wir vor dem Traualtar gestanden hatten. Braune Locken umspielten ein dünnes Gesicht, mit wunderschönen, blauen Augen. Das ganze wurde durch eine kleine Stupsnase und dünne, rote Lippen abgerundet.

„Wie geht es meinem kleinen Säufer?“

„Mein Kopf fühlt sich an, als hätte mich ein Pferd getreten, aber sonst ganz gut. Sag mal, weißt du wie ich heimgekommen bin?“

Irene kicherte.

„Sicher doch. Die Frau von Herbert hat euch gebracht und sie war stinksauer, aber frag mich nicht warum. Aber mach dir doch darüber erst mal keine Sorgen, du blass wie du bist, solltest du erst einmal etwas essen. Komm, ich habe den Tisch schon gedeckt, wie du wahrscheinlich gesehen hast.“

Am Frühstückstisch merkte ich, wie sich auf einmal mein Magen zurück meldete. Ich stürzte über die Brötchen und den Orangensaft her, wie ein hungriger Tiger. Als ich auch das letzte Brötchen verschlungen, entwich mir ein tiefer Rülpser.

„Max! Du Sau!“, fluchte Irene und schon war ihre vorher so gute Stimmung wie verflogen.

„Ich gehe jetzt in die Stadt noch ein paar Einkäufe machen. Bis zum Mittagessen bin ich wieder da, währenddessen kannst du dich ja noch einmal hinlegen.“

„Ja, werde ich tun“, meinte ich nur, worauf Irene ein leises Schnauben von sich ließ.

Kurz bevor sie die Tür hinter sich zuwerfen wollte, klingelte das Telefon.

„Max, gehst du mal ran? Wenn es was Wichtiges ist, gib mir den Hörer, wenn es mein Chef oder überhaupt irgendjemand aus der Firma ist, bin ich nicht da.“

Ich trabte zum Telefon.

„Max, schnell......“, eine keuchende Stimme schrie ins Telefon. War es mein Schwiegersohn ?

„Max, schnell, Zoe, sie …..“ Es war also wirklich Tom.

„Was? Was ist mit ihr? Los Tom, sag, was ist mit ihr passiert?“

„Sie..., sie hat versucht sich umzubringen.“

Ich knallte den Hörer auf, schnappte mir Irene, erklärte ihr mit einem kurzen: „Die Einkaufstour in die Stadt fällt heute aus.“, wie ernst die Lage war und stieg ins Auto. Ich fuhr wie Schumi bei dem wichtigsten Grand-Prix seines Lebens und missachtete alle Ampeln. Die erste Viertelstunde war es totenstill im Auto, obwohl Irene nicht einmal wusste, was los war. Doch dann brach sie das Schweigen: „ Jetzt sag mir doch endlich, was los ist. Ich drehe ja fast durch. Was ist denn so schlimm, dass du so ausrastet.“

„ Zoe“, sagte ich, so kurz angebunden, wie ich es immer in solchen Situationen tat, „sie hat versucht, sich umzubringen.“

Irene wich alle Farbe aus dem Gesicht.

„Nein, erst Julian und jetzt ….. unsere .. Zoe“, stammelte sie, dann fing sie an zu schluchzen.

Meine Gedanken drehte sich von: Warum?, über: Ist sie noch am Leben?, bis hin zu der Frage: War Tom eventuell Schuld? Hatte er sie vielleicht betrogen?

Tief in Gedanken versunken übersah ich, dass ich auf die Gegenfahrbahn geraten war, doch zum Glück weckte mich die Hupe eines entgegenkommenden LKWs. Dann kann auch schon die Straße, in der meine Tochter, wohnt, oder auch vielleicht wohnte. Krankenwagen, Polizei und Notarzt standen vor dem großen Mehrfamilienhaus mit der beigen Fassade und dem schwarzen Dach. Ich zog die Handbremse an, stellte den Motor ab und eilte, dicht gefolgt von Irene, ins Haus. Gerade kamen Sanitäter mit Zoe auf einer Liege aus dem Haus. Ein roter Striemen zog sich über ihren Hals.

„Was ist mit ihr?“, schrie Irene, „wird sie wieder gesund werden?“

Einer der Sanitäter wandte sich zu ihnen um.

„Sie hat schwere Verletzungen am Hals, doch sie wird es überstehen. Ein Glück, dass sie noch rechtzeitig von ihrem Mann gefunden wurde. Ich denke, man sollte sich über ihre gesundheitliche Situation weniger Gedanken machen, als über ihre psychische.“

Obwohl der Mann Recht hatte, entfuhr mir ein barsches: „Halten sie sich da raus.“

Ich lief ins Haus. Tom war gerade damit beschäftigt, seinem kleinen Sohn Paul einen Bären aufzubinden, warum seine Mutter kurz weg war. Ich ging auf Paul zu.

„Hey Paul, wie geht es dir?“

„OOOOOOOOOOOOOOOOPA!“, rief Paul, stürmte auf mich zu und drückte mich.

„ Weißt du Opa, der Papa hat mir gerade gesagt, Mama wäre für eine Zeit nicht da. Ich habe aber nicht verstanden warum.“

„ Also Paul, du weißt doch sicherlich, dass deine Mama richtig gut ist in ihrem Beruf. Und wenn man so gut ist, muss man manchmal wegen dem Job mehrere Tage in andere Länder zu verreisen, entweder um den Leuten dort zu helfen, dass sie genauso gut werden wie man selbst, oder aber, um mit seinem Können einen Kunden oder jemand anderen zu überzeugen.“

Paul verschränkte die Arme vor seiner Brust.

„Dieser blöde Job. Wenn Mama nicht da ist, kann niemand für mich kochen.“

„Doch, das kann ich doch machen“, meinte Tom daraufhin.

„Bei dir schmeckt es aber nicht so gut wie bei Mama“, erwiderte Paul trotzig.

Genau im passenden Moment kam Irene dazu.

„Oma kann doch für dich kochen, oder?“

„Jaaaaaaa“, rief Paul und rannte auf seine Oma zu, „bei Oma schmeckt es auch gut.“

„Wenn du es willst, dann koche ich jetzt für dich, Paul“, sagte Irene.

„Oma, weißt du, ich habe auch ein neues Auto bekommen. Ein Rotes.“

„Echt? Dann zeig doch mal.“

Irene folgte Paul die Treppe hinauf und verschwand im Kinderzimmer.

Dann platzte mir der Kragen.

„Sag mal, hast du noch alle Tassen im Schrank?“, schrie ich Tom an.

„Du kannst einem vierjährigen Jungen, doch nicht erzählen, dass seine Mutter versucht hat sich umzubringen! Der Junge ist dann sein ganzes Leben geistesgestört!“

„Ja, ich weiß, aber ich bin so durcheinander. Es ist, als wäre ich von einer Sahne-Torte auf ein Nagelbett gelegt worden. Jede Bewegung schmerzt im Kopf, alles ist auf einmal wertlos. Warum hat Zoe nur versucht sich umzubringen? Warum?“

„Vielleicht, weil du sie betrogen hast?“, brüllte ich Tom zu.

„Ich? So etwas denkst von mir? Das Bild hast du.....“

„Hört auf!“, schrie Irene, die die Treppe heruntergekommen war.

Für einen Moment war kein Geräusch zu vernehmen.

Irene kam auf mich zu geschritten. Sie holte aus und gab mir einen heftigen Schlag mit der flachen Hand auf die Wange.

„Es bringt nichts, uns zu streiten“, fuhr sie fort, „wir müssen als Familie zusammenhalten. Dennoch sollten wir herausfinden, so traurig das auch sein mag, warum Zoe sich umbringen wollte. Max, du hast doch noch einen Freund bei der Polizei. Der könnte uns doch helfen oder?“

„Ja, könnte er.“

Ich war nicht sonderlich erfreut, dass ich meinen alten Kollegen besuchen sollte, wo mir den Abschied schon so schwer gefallen war. Aber Irene hatte Recht. Adam als angesehener Kommissar vom LKA hatte mehr Erfahrung in Sachen Mord- beziehungsweise Selbstmordmotive als ich.

Dennoch gefiel es mir nicht, dass der Selbstmordversuch von Zoe wie ein Mordfall behandelt wurde.

„Warum behandeln wir die Sache wie einen Mordfall bei der Polizei?“, platzte es aus mir heraus.

„Tun wir doch gar nicht“, erwiderte Tom, „wir suchen ja nicht mit Lupe und Fingerabrücken nach dem Grund, sondern versuchen einfach nur herauszufinden, warum sie sich umbringen wollte . Die von Polizei fragen einen doch dann immer, ob einem die Person sehr gestresst oder sehr ängstlich vorkommt und so´n Zeug.“

„Mein Lieber Tom“, fing ich an, wobei ich immer noch versuchte ruhig zu bleiben, „auch wenn ich nicht im Gebiet Selbstmord spezialisiert war, weiß ich, dass die von der Polizei anders vorgehen. Man geht, sofern kein anderer Grund auf der Hand liegt, immer von den häufigsten Gründen, wie Angst, Depressionen und Ähnliches aus und dann sucht man nach Anhaltspunkten für diese Theorie und dann, mein Lieber Tom, wird die Ermittlung wie ein Mordfall behandelt.“

„Hört auf ihr beiden, ich denke, wir sollten uns Zeit lassen und erst einmal zu uns selbst finden. Hier steht Kuchen. Wer hat Hunger?“

„Nein danke, mir ist der Appetit vergangen“, meinte ich nur und ging, bevor Irene etwas sagen konnte, nach draußen rauchen.

Kapitel 2 - Die Suche

Drei Monate waren nun seit diesem Tag vergangen. Ich hatte immer noch nicht Adam besucht, doch das war auch nicht wichtig. Als Zoe es wieder besser ging, nahm Tom sie mit nach Hause. Zoe lebte ihr Leben so weiter, wie sie es zuvor getan hatte. Sie wusch die Wäsche, kochte und bügelte, doch bei all dem sagte sie kein einziges Wort. Kein einziges Mal. Tom hatte einmal versucht, herauszufinden warum sie sich umbringen wollte, doch dieser Versuch endete damit, dass Zoe in den Keller ging und die Wäsche aus dem Trockner holte.

Da Tom sich Sorgen um seine Frau machte, holte er Psychiaterin, die nach eventuell entstandene geistige Schäden suchen sollte. Doch die Frau fand nichts.

„Vom geistigen Bild ist ihre Frau kerngesund“, meinte sie zu Tom, „jedoch scheint es, als wäre ihr Geist ausgehaucht worden. Ich würde ihnen empfehlen, sie in eine Psychiatrie zu stecken. Dort ist sie am besten aufgehoben. Wer weiß, vielleicht erholt sie sich ja wieder.“

Allein wegen dieser Aussage kam mir die Frau unprofessionell vor. Da wir aber nicht weiter wussten, folgten wir dem Rat der Frau und sahen uns nach einem passenden Erholungsort aus. Wir alle wollten Zoe nicht in eine Zelle stecken, deshalb suchten wir nach etwas exklusivem, an Geld mangelte es ja nicht. Nach langem Hin und Her entschieden wir uns für die Psychiatrie „Sonnental“, in der Zoe als Schwester gearbeitet hatte. Heute war der Tag, an dem sie eingeliefert wurde.

Die ganze Autofahrt war es so still, dass man eine Maus hätte nagen hören können. Als wir anhielten und ich die Tür öffnete, entwich die drückende Stille, da Zoe auf einmal anfing zu schreien: „Nein! Nein, Nein, Nein, überall nur nicht hierhin. Ich will nicht in diese Psychiatrie!“

„Aber Schatz“, beschwichtigte sie Tom, „das ist die beste von allen. Außerdem kennst du dich hier doch aus.“

„Nein, Nein, Nein, Nein,........ NEIIIIIIIIIIN!“

Als ein Angestellter der Psychiatrie Zoe so brüllen hörte, kam er uns mit einer Liege und zwei Kollegen zur Hilfe. Zusammen hievten wir die immer noch schreiende Zoe auf die Liege, dann verpasste ihr Georg, zumindest wies ihn sein Namensschild als dieser aus, eine Betäubung und sagte mit tiefer Stimme: „Es wird alles gut, Zoe, das verspreche ich dir.“

Die Männer brachten Zoe in den Behandlungsraum und wir setzen uns in die Cafeteria.

„Was meint ihr, warum hat Zoe vorhin etwas gesagt?“, fragte ich in die Runde.

„ Na ja“, grunzte Tom mit vollem Mund, „ich denke nicht, dass eine Psychiatrie mit dem Hilton in Paris zu vergleichen ist.“

„Das ist es nicht, was mir Sorgen bereitet“, seufzte ich und nahm ein Schluck von dem brühend heißen Kaffee, „ sie sagte diese und nicht eine oder die Psychiatrie? Meinst du der Job hat sie verrückt gemacht.“

„Glaube ich nicht. Oder eher gesagt hoffe ich es nicht.“, diesmal war es Irene.

„Ich denke auch nicht, dass Zoe durch den Job wirr im Kopf geworden ist. Das hätte ich ja auch gemerkt.“

Beinahe hätte ich den Kaffee vor Lachen ausgespuckt.

„Außerdem, so ein großer Unterschied ist jetzt auch nicht zwischen diese und die“, meinte Tom daraufhin, „Ich denke ihr überbewertet das alles, Zoe wird nach der Therapie bestimmt wieder gesund. Ihr behandelt das wie einen Mordfall.“

Das saß.

„Hüte deine Zunge, junger Mann“, fauchte ich, „Du sprichst über diese Sache, als wäre es dir egal. Zoe ist deine Frau und dich kümmert es gar nicht, was sie vielleicht kümmert. Vielleicht, weil du sie betrogen hast und sie sowieso nicht mehr brauchst?“

Tom knallte den Teller auf den Tisch, stand auf und brüllte durch die ganze Cafeteria: „DAS DENKST DU VON MIR? MEINE FRESSE, ICH BIN SCHON VERLIEBT IN ZOE, SEIT DEM STUDIUM UND ICH HABE IHR VOR DEM TRAUALTAR GESCHWOREN, SIE ZU LIEBEN BIS DER TOD UNS SCHEIDET UND DAS WERDE ICH TUN. ICH WEISS NICHT WIE ES BEI DIR IST, ALTER SACK, ABER ICH HABE MEINE FRAU NOCH NIE BETROGEN UND WERDE DAS AUCH NICHT TUN.“

Er machte eine kurze Pause. So hatte ich Tom noch nie erlebt.

„Ich gehe die Papiere unterschreiben. Ich nehme den Bus nach Hause.“

Damit verließ er die Cafeteria.

Nachdem wieder Stille eingekehrt war und die restlichen Personen, sich wieder umgedreht hatten, sagte Irene zu mir: „Max, besuche doch bitte Adam, er kann uns doch sicher helfen. Okay?“

„Ja“, meinte ich nur mürrisch.

Nachdem ich Irene nach Hause gebracht hatte, fuhr ich zum LKA.

Als Adam mich bemerkte, kam er freudestrahlend auf mich zu.

„Max, alter Freund, was bringt dich hierher?“

„Wahrscheinlich, weißt du es doch schon, so etwas spricht sich doch herum.“

„Sicher doch habe ich das gehört. Echt schlimm, du tust mir leid. Aber ich hatte nicht gedacht, dass du deswegen kommst. Setze dich doch erst einmal.“

„Doch, tue ich. Weißt du was mich viel mehr plagt, als das meine Tochter sich umbringen wollte?“

„Nein.“

„Das ich nicht weiß, warum sie sich umbringen wollte.“

„Ich kann dich verstehen“, seufzte Adam.

„Und dann redet sie fast gar nichts!“

Ich knallte die Faust so hart auf den Tisch, dass dieser wackelte.

„Außer heute Morgen, da hat sie etwas was gesagt.“

„Toll, das ist doch ein Fortschritt“, meinte Adam.

„Na ja, nicht ganz. Wir haben sie heute Morgen in die Psychiatrie eingeliefert und als sie diese gesehen hat, fing sie an zu schreien, sie wolle nicht in diese Psychiatrie und ist völlig durchgedreht. Glaubst du, das hat etwas mit ihrem Selbstmordversuch zu tun?“

„Die Psychiatrie?“

„Ja, weißt du sie hat doch dort gearbeitet.“

„Ah, stimmt. Ja, theoretisch könnte das sein. Leute bringen sich manchmal wegen Druck und anderen beruflichen Sachen um. Aber in einer Psychiatrie gibt es ja keine Hierarchie, oder?“

„Nein eigentlich nicht, stimmt.“

„Aber weißt du warum sie womöglich geschrien haben könnte. Vielleicht ist sie verfeindet mit einer der Angestellten oder so.“

„Ja, aber das ist doch kein Grund sich umzubringen.“

„Nein, aber sie muss doch nicht geschrien haben, weil in dieser Psychiatrie etwas ist, weswegen sie sich umbringen wollte, sondern vielleicht aus einem anderen Grund. Ich denke du hast dieses eine Wort überbewertet.“

„Ja, kann sein. Ich mach mich dann auf den Heimweg. Danke für deine Hilfe, Adam.“

Adam stand auf.

„Es tut mir wirklich leid, aber ich kann dir nicht mehr helfen. Ich denke du solltest aufhören nach einer Erklärung für Sachen zu suchen, für die es keine Erklärung gibt.“

„Danke für deinen Rat.“

 

Als ich die Haustür aufschloss, kam mir der herrliche Duft von leckeren Spaghetti entgegen.

Im Esszimmer erwartete mich ein gedeckter Tisch, an dem Irene saß.

„Oh lecker, Spaghetti. Extra für mich?“

„Nein, ich habe nur gedacht, nach all den Turbulenzen in letzter Zeit, sollten wir uns mal wieder etwas gönnen, denn ich kann mich nicht erinnern, wann wir zuletzt an einem Tisch zusammen zu Abend gegessen haben. Du etwa?“

„Nein, ich auch nicht.“

Ich nahm einen Schluck von dem Rotwein, den Irene mir eingeschenkt hatte.

„Und? Was hat Adam gesagt?“, fragte sie hoffnungsvoll.

„Nichts, was uns hilft. Ich habe ihm von dem Vorfall in der Psychiatrie erzählt und er meinte, dass der Beruf einen manchmal wegen Druck und Machtkampf zum Selbstmord verleiten kann, jedoch nicht in einer Psychiatrie, denn dort gibt es ja keine Hierarchie. Er hatte gemeint, der Grund warum sie geschrien hat, ist nicht unbedingt der Grund des Selbstmordsversuchs.“

Jedes Mal fiel es mir schwer dieses Wort über meine Lippen gleiten zu lassen.

„Wie meinst du das?“

„Zum Beispiel könnte sie geschrien haben, weil sie mit einer der Angestellten verfeindet ist und deshalb nicht in diese Psychiatrie wollte. Er meinte auch, wir hätten dieses eine Wort eventuell überbewertet.“

„Ich hatte schon Befürchtung, dass es dabei endet. Aber du weißt wie es ist, man sucht nach Erklärungen und macht sich Hoffnungen, für die es keine oder nur wenige rationale Gründe gibt. Man geht jeder Spur nach, auch wenn sie noch so schwach ist. Man behandelt es wie einen Mordfall.“

„Hör mir auf damit!“

„Das muss doch nichts Schlechtes sein, Max.“

„Ja, aber ich weiß genau, warum du diese ganzen philosophischen Worte gewählt hast. Auch wenn du nichts gegen Tom hast, kann ich ihn nicht leiden.“

„Aber was hast du gegen ihn.“

„Nichts, außer, dass er ein Fingerspitzengefühl wie ein Elefant hat, sexistisch ist wie kaum ein anderer und man überall hört was er doch in der Vergangenheit so viele Mädchen ausgenutzt und betrogen hat.“

Irene warf ihm einen dieser Vertrau-deiner-Tochter-und-nicht-den-Gerüchten-Blick zu, so wie sie es immer tat bei diesem Thema.

Ich versuchte mich zu rechtfertigen.

„Ja, aber ich habe doch selbst gesehen, dass er jeder X-beliebigen Frau auf die Brüste schaut, sofern sie welche hat. Und auch Gerüchten entstehen nicht aus dem Nichts.“

„Ja, aber Menschen ändern sich. Du hast selbst gesagt, dass das alles in jungen Jahren war. Schenke ihm doch wenigstens ein bisschen Vertrauen. Zoe vertraut ihm, daher sollten wir das auch tun.“

Irene hatte wieder gesiegt. Immer schaffte sie es, dass ich am Ende ihr zustimmte. Ich denke, das ist so etwas wie eine abgeschwächte und sachlichere Form der weiblichen Dominanz.

„Ich bin hundemüde nach diesem Tag. Ich glaube, ich bald geh schlafen“, maulte ich.

Ich räumte meinen Teller ab und verschwand im Schlafzimmer. Nachdem ich mühsam mein Hemd aufgeknöpft hatte, erblickte ich ein Monster im Spiegel. Der durch Hosenbund hochgeschobene Bierbauch bildete dem Schritt ein Dach über dem Kopf. Brusthaare überwucherten meinen Oberkörper, der Rücken hingegen glich eher einem guten englischen Rasen als einem Urwald. Mein Kinn war übersät von kleinen schwarzen Stoppeln die sich seitlich bis zu den Ohren hochzog. Ich musste mich dringend mal wieder rasieren, und zwar überall, denn auch die Achselhaare waren nicht mehr die kleine Pünktchen, die sie mal gewesen waren und ähnelten eher Tierfell. Meine Augen waren unterstrichen von Augenringen, die komischer Weise schon seit ein paar Wochen nicht mehr verschwinden wollten. Über meinen dichten Augenbrauen machte sich bereits eine Stirnglatze bemerkbar, über die Irene immer meinte, sie käme davon, dass ich so oft mit dem Kopf gegen die Wand rennen würde. Als ich bemerkte, dass mein früher so kräftiges, schwarzes Haar nun durch und durch grau, verstand ich, dass ich alt geworden war. Ziemlich alt. Zwar hatte ich noch nicht das sechste Mal einen runden Geburtstag gefeiert, doch ich rollte stetig darauf zu.

Erschöpft und traurig über mich selbst, beschloss ich, ohne mich zu duschen, ins Bett gehen oder besser gesagt zu wälzen.

 

Die ersten drei Wochen nach Zoe´s Einlieferung waren unter gegebenen Umständen einigermaßen normal. Ich machte das, was nach dem gesundheitlich bedingtem Abschied bei der Polizei vom Hobbys zum Nebenberuf geworden war. Reparieren. Ich arbeitete in der Autowerkstatt von Herbert auf 400 Euro-Basis und half ihm, Autos, Motorräder, Roller und teilweise auch Kleingeräte zu reparieren. Daheim tat ich im Prinzip dasselbe: Ich bastelte an meiner Vespa, meinem ganzen Stolz, herum oder ackerte ein bisschen im Garten, wenn ich nicht mit meinen Kumpels kegeln war.

Aber dieser Morgen war anders. Ein lautes Schrillen weckte mich aus dem Tiefschlaf. Die Türklingel.

„Gehst du bitte?“, stöhnte Irene.

Ich stand auf und zog mir eine Hose. Währenddessen läutete die Klingel ein zweites Mal.

Man hatte der da draußen es eilig.

„Welcher Idiot steht um Acht Uhr morgens vor unserer Tür, bitteschön.“

„Tom vielleicht“, meinte ich während ich zur Tür stapfte.

„Vielleicht hat er gute Nachrichten.“

„Egal ob er gute Nachrichten hat oder nicht, wenn er es ist, bring ich ihn um“, fluchte Irene.

Ich öffnete die Tür und blickte dem Postboten entgegen.

Was wollte der denn hier so früh?

„Entschuldigen Sie die frühe Störung, aber ein Kollege ist krank und wir sind unterbesetzt und deshalb muss ich sein Gebiet mitübernehmen“, hechelte er.

„Egal, gib einfach die Post her und verschwinde wieder“, schnauzte ich ihn an.

Der noch recht junge Postbote gab mir die Post und ich knallte ihm die Tür vor der Nase zu.

„Und ist etwas Interessantes dabei?“, fragte Irene die inzwischen ebenfalls aufgestanden war.

„Nö“, meinte ich, während ich mir die Briefe ansah.

„Versicherung, Bank, Werbung, Werbung, ein Prospekt von Lufthansa und....“

Ich stoppte.

„Und …. was?“, wollte Irene wissen.

„Ein Brief von Zoe“, stammelte ich.

„Echt? Los, les vor“, forderte Irene mich auf.

Auf dem rosafarbenen Papier stand mit unordentlicher Handschrift:

 

Hallo papa, hallo mama. Ich liege hier auf meinem bett. Lieber würde ich daheim auf meinem bett liegen aber das geht nicht.

Für euch habe ich immer ein ganz dicken schmatzer parat. Euch gehöre ich an für immer.

Kommt mich mal besuchen. Oder wollt ihr nicht? Mama vor allem. Max, du auch.

Ich erinnere mich immer daran wie ich immer mit dir zusammen Zeitung gelesen habe, Papa, wie zum Beispiel am 28.3.2008 oder 22.6.2006. Das werde ich euch nie vergessen.

In Liebe,

Eure Zoe

 

Ich sank in mir zusammen. Dieser Brief war der Beweis dafür, dass meine Tochter nun endgültig den Verstand verloren hatte. Wir hatten nie zusammen Zeitung gelesen und sie hatte mich auch noch nie Max genannt und überhaupt war dieser Text völlig sinnfrei. Ich verstand nicht, warum sie ihn geschrieben hatte.

Komm schon, Max“, versuchte Irene, die meine Reaktion gesehen hatte, mich zu trösten.

Für Zoe ist diese Behandlung sicherlich auch nicht einfach. Sie ist noch ein wenig durch den Wind. Gib den Pflegern dort mehr Zeit, die wissen wie sie ihr am besten helfen können. Zoe wird bestimmt wieder normal.“

Auf einmal klingelte das Telefon.

Als ich abnahm hörte ich die Stimme von Tom, die Stimme, die ich gerade nicht hören wollte.

Er klang total verzweifelt und man verstand kein Wort.

Tom beruhige dich doch erst einmal!“, schrie ich ins Telefon.

Ich hörte wie das Schnauben an anderen Ende der Leitung verstummte.

So, und jetzt überbringe deine anscheinend so wichtige Nachricht.“

Zoe ist verschwunden.“

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McFlorry

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BellaCPernier Du machst es aber spannend, das freut mich und ich freu mich auf mehr.

LG Catherne
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MagicMarlene ... - Serh spannende Geschichte, die neugierig macht. =)
Kommt sofort in meine Favoritenliste...und dort landen nicht viele. ;) So viele Fragen bleiben offen. Ich möchte unbedingt schnellstmöglich weiterlesen.
Hat wirklich Zoe diesen Brief verfasst? Beinhaltet er vielleicht eine versteckte Botschaft? Was hat es mit Tom auf sich? Und was geschah wirklich in dieser Anstalt???

Ich liebe mysteriöse Kriminalromane und freue mich auf die Fortsetzung. =D

Viele Grüße
~ Maggy XXX
Vor langer Zeit - Antworten
McFlorry Re: -
Zitat: (Original von Honeymoon88 am 22.03.2011 - 10:09 Uhr) also gefällt mir sehr gut und bin schon ganz neugierig, was noch passieren wird...
lg

Danke !
Ich als Autor kann ja sagen: Es wird noch sooooooooo viel herauskommen!
Vor langer Zeit - Antworten
McFlorry Re: -
Zitat: (Original von GiftFrosch am 18.03.2011 - 16:45 Uhr) Lad die Fortsetzungen lieber jedesmal als neue Bücher hoch. Wenn du nur so die Kapitel hinzufügst und ein update machst liest es glaub ich keiner weiter

Ich werd ma sehen wie ich es mache, denn bis jetzt hatte ich das gleiche Gefühl :(
Vor langer Zeit - Antworten
McFlorry Re: Freu -
Zitat: (Original von KalliopeHH am 06.03.2011 - 22:00 Uhr) mich schon aufs Weiterlesen!!

Danke!
Vor langer Zeit - Antworten
McFlorry Re: Super geschrieben! -
Zitat: (Original von Forseti am 05.03.2011 - 22:31 Uhr) Leider kam das Ende so plötzlich. Ich denke ( und hoffe) es wird eine Fortsetzung geben.....
Liebe Grüße Marianne

Ja, wie unten schon geschrieben, wird es eine Fortsetzung geben. Auch das Kapitel ist noch nicht fertig, habe erstmal das bereits geschriebene veröffentlicht.
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