Schinkel und Conti reisen nach Bad Eske und man lernt erstmalig den Gegenspieler beider kennen.
Im Postamt hielten sich um die Mittagszeit nur wenige Menschen auf. Paul ging zu einem der vielen Schalter. Der Schalterbeamte machte einen müden Eindruck. „Guten Tag. Ich möchte einen Eilbrief aufgeben.“ Der Mann musterte den Kunden kurz und beugte sich dann zum Schalter vor. „Wohin soll der geh'n?“ „Nach Bad Eske.“ „Was soll drinstehen?“ „Werden gegen Abend bei Ihnen sein. Nicolas Conti und Paul Schinkel.“ „Das war's? An wen soll der Brief versandt werd'n?“ Paul zeigte auf die erwähnte Adresse im Brief, den er mitgenommen hatte. „Wird heute Nachmittag in Bad Eske sein. Das macht vier Silbertaler.“ Paul legte das Geld in die Geldablage des Schalters. Der Beamte nahm die Münzen und wünschte Paul noch einen angenehmen Tag. Als Paul gegangen war ging der Schalterbeamte in das Hinterzimmer und rief einer schwarz gekleideten Gestalt zu: „Kannst dich in Bewegung setzen! Er hat angebissen!“
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„Wie hieß sie?“, fragte Conti lauter als nötig. „Von Siebenbergen, Herr“ „Wenn sie dich auf einen Bloody Mary eingeladen hätte, dann hätte sie das wahrscheinlich wörtlich genommen!“ „Ja aber, sie wahr doch wehrlos.“ „Wehrlos!?“, rief ein Conti bei dem sein altes, speziistisches Ich argumentierte. „Die war nicht wehrlos. Die hätten auch so die Waffen fallen gelassen, weil es ihnen eine innere Stimme befohlen hätte. Diese innere Stimme hätte sie erzeugt.“ „Sie ist also ein Vampir?“, fragte Schinkel. Conti legte den Kopf in beide Hände. „Es tut mir Leid. Ich weiß nicht was über mich kam. Manchmal übernimmt ein älteres Ich das denken. Ich dachte das würde nicht mehr passieren.“ Nicolas Conti lehnte sich zurück. „Morgen früh geht es erst mal nach Bad Eske. Es wird dir dort gefallen.“
Im Stadthalterpalast schritt Oscar Feder in das Büro von Maasregel. Vor dem großen Eichentisch blieb er stehen. „Herr. Conti hat angebissen.“ „Wunderbar. Etwas anderes hatte ich von Ihm nicht erwartet.“ Feder legte einen
„Es ist ein Schreiben von Fräulein von Siebenbergen, unserer Auslandsberaterin, ist eingetroffen.“ Der Stadthalter sah von seiner Teetasse auf. „Was möchte Sie von uns und warum kann Sie uns das nicht persönlich sagen, ihr Büro liegt im selben Stockwerk!“, ein kleines Beben war in der Stimme von Vincent Maasregel zu vernehmen. „Nichts, Herr. Sie lobt hier einen jungen Gentleman. Sie möchte das du persönlich mit ihm sprichst.“ Vincent Maasregel war überrascht. Normalerweise wünschten die Herrschaften der Stadt immer das etwas wegen einer unwichtige Kleinigkeit unternommen wurde. Dies war unerwartet. Außerdem konnte er sich nicht vorstellen wer es in dieser Stadt sein konnte. „Wie heißt der Junge?“ „Paul Schinkel. Er ist der Lehrling von Conti.“ Der Stadthalter nahm das Schreiben ungläubig entgegen. „Dann hat Conti einen ordentlichen jungen Mann als Assistenten? Vielleicht habe ich Conti falsch eingeschätzt. Nun wichtig ist erst einmal, dass er den Fall angenommen hat. Es läuft wie geplant.“
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Feder verließ stumm das Büro.
Frau Blitzblank stand in der Tür. „Herr Conti, wie lange werden sie wegbleiben?“ „Ich denke höchstens drei Wochen. Länger möchten wir die Gastfreundschaft unserer Auftraggeber nicht strapazieren. Sie müssen nur einmal in der Woche vorbeikommen. Wir melden uns wenn wir zurück sind.“ Conti drehte sich um und legte die Reisetaschen auf den Pferdekarren. Dann stieg auch er auf und der Karren fuhr ruckelnd an. „Macht's gut!“, rief Frau Blitzblank den beiden hinterher. Conti sah auf seine uralte Taschenuhr. Sie war ein Familienerbstück, welches schon durch die Hände von fünf Vorbesitzern gegangen war. 8.00 Uhr. In voraussichtlich vier Stunden waren sie in Bad Eske. „Ich hoffe wir haben alles Wichtige mitgenommen“, sagte Paul. Nicolas sah in die Welt aus neu gebauten Häusern und erkannte in der Ferne bereits das größer werdende Stadttor Richtung Bad Eske. Es hieß das Neue Tor. Man hatte an dieser Seite der Stadt nur einen dünnen Steinwall errichtet. Da
die Stadt in die östliche Richtung weiter anwuchs hatte es keinen Sinn einen massiven Steinwall zu errichten. Der provisorische Steinwall wirkte nicht gerade furchteinflößend, aber er sollte auch niemandem Angst bereiten, denn man wollte eine lebendige Metropole schaffen. In Kasidien lebten zurzeit ungefähr achthundert fünfzigtausend Menschen. Und andere Spezien fügte die ältere Stimme in Contis Kopf hinzu. Sie passierten dieses Stadttor und fuhren weiter, vorbei an Getreidefeldern, Kohlfeldern und Kürbisfeldern. Der Boden war in dieser Region so reich an Nährstoffen, dass jede Kulturpflanze gedeihen konnte. Um eine einseitige Bodenbeanspruchung zu vermeiden pflanzte man diese drei Nutzpflanzen immer abwechselnd an.Paul sah seine Umwelt mit Begeisterung an. Er war auf einem Bauernhof aufgewachsen. Er kannte das hiesige Umland. Es faszinierte ihn seltsamerweise immer wieder neu. Das galt auch für andere Sachen, die für viele einfach nur langweilig waren. Sein
Großvater spekulierte darauf, dass dieses vielseitige Interesse von den Büchern kam. Paul hatte sich ausgiebig mit Sprachen befasst. So hatte er nebenbei Transsibwahnisch gelernt. Eine Sprache, die mit viel „R-Rollen“ und Zischlauten verbunden war. Als er aus Spaß einmal gesagt hatte: „Derrr Kohl ischscht aperrr frrrischsch!“, hatte ihm sein Großvater einen ordentlichen Schlag versetzt. „Hör gefälligst auf in dieser fremdländischen Sprache zu sprechen! Kasidisch ist die einzige Sprache die du zu beherrschen brauchst. Alle Händler sprechen Kasidisch! Du musst nicht die verdorbenen Sprachen dieser ausländischen Teufel können! Mach dich gefälligst wieder an die Arbeit! Immer hat man Ärger mit dir!“, hatte er gesagt. Aus Trotz hatte Paul noch andere Sprachen erlernt. Ein Händler, der aus Bürokratien kam hatte ihm vieles über die Sprachen auf den anderen Kontinenten beigebracht. Conti legte wieder eine intensive Denkpause ein. Er brauchte sie nach dem gestrigen Tag. Die ganze Nacht
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hatte er nicht geschlafen. Alles hatte ihn beschäftigt. Nach Bad Eske zu fahren war für ihn ein Alptraum gewesen. Nun übernahm sein Körper die Kontrolle und ließ ihn in eine weiche Wolke sanfter Träume versinken.
„Herr, Herr! Wacht auf! Wir sind da!“ Conti blinzelte mit den Augen. Die Sonne brannte ihm in den Augen. „Wo sinn wir?“ „Verzeihung, ich habe euch nicht verstanden.“ Conti richtete sich widerstrebend auf. „Ich bitte die Herren auszusteigen. Wir sind in Bad Eske, dem Ort wo sie und ihr Geldbeutel um Einiges leichter werden können“, tönte der Kutscher. Conti stieg ab. Schinkel hatte bereits die Taschen auf den Boden gestellt. Conti ging zum Kutschbock und sah hinauf. Der einäugige Kutscher betrachtete ihn. „Was kostet das?“ Mal sehn, fünf Silbertaler pro Stunde, mal vier sind...zwanzig Silbertaler, der Herr.“ Conti holte den Geldbeutel hervor und gab dem Kutscher widerstrebend das Geld. „Möchtet ihr meine Dienste später noch einmal in Anspruch
nehmen?“, fragte er mit einem gelblichen Grinsen. „Nein, die nächsten Wege unternehmen wir lieber zu Fuß, Herr Profit!“ Profit sah noch einmal zu Conti. „Ihr wisst ja, wo ein Fahrgast ist, ist der Profit nicht weit.“ Mit diesen Worten entfernte sich der Karren und fuhr die saubere Straße herunter. „Das ist also der Ort, an dem man vom Boden essen kann“, resümierte Paul. „Wir sollten erst einmal das Haus unserer Auftraggeberin finden!“ „Es ist dort drüben“, sagte Schinkel und zeigte auf ein wunderschönes Haus direkt am See, jedoch auf der anderen Seite des Sees. „Herr, dort unten gibt es eine Fähre. Ich frage mal wie viel der Fährmann verlangt.“ Paul lief zum Fährmann, sprach mit ihm und kehrte zurück. „Er verlangt fünf Silbertaler für die Ãœberfahrt.“ Conti verschluckte sich fast. „Für denselben Preis kann ich zu Hause zwei Brote, 500g Schinken und 2 Liter Milch kaufen! Da laufe ich lieber!“, sprach er und setzte sich erbost in Bewegung. Paul musste große Schritte machen um mit Conti schritthalten zu können.
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Im westlichen Teil von Kasidien befinden sich die Hauptgebäude vieler Gesellschaften. Auch das der Gesellschaft der Assassinen, Auftragsmörder und Giftmischer. Die Giftmischer befanden sich in derselben Gesellschaft, da keine andere etwas mit ihnen zu tun haben wollte. Und die Auftragsmörder fanden es gut ebenfalls Giftmischer in ihrer nahen Umgebung zu haben. Eine dunkle Gestalt betrat das Zimmer des Obersten Auftragsmörders. „Herr Schnellschnitt, ich bin zurück.“ „Du hast dir Zeit auf dem Rückweg gelassen, Herr Tiefschlag. Ich bin schon nervös geworden. Gib mir bitte das Dokument.“ Tiefschlag legte zusammengerolltes Papier auf den Schreibtisch. „Dies sind nur Kopien. Wo sind die Originale?“ „Noch immer in Bad Eske. Ich fand es zu auffällig die Originale zu entwenden.“ Ignazius Schnellschnitt nickte kurz. „Hast du den Rest des Auftrags erfüllt?“ „Ja, das habe ich.“ „Ich habe hier eine Information dass man bereits mit den Ermittlungen beginnt. Was sagst du
dazu?“ „Nichts. Es ist eine interne Sache. Die Wache wird sich nicht einmischen.“ Schnellschnitt betrachtete den düster gekleideten Tiefschlag. Er ließ etwas Zeit ungesagt verstreichen. Schließlich durchbrach der Oberste Gesellschafter das Schweigen. „Es sind keine Polizisten im herkömmlichen Sinne. Sie sind Privatpersonen, die den Mord klären wollen.“ „Was würdet Ihr sagen, wenn ich sie etwas behindere?“ „Lass sie ruhig herum schnüffeln. Es sind keine Profis. Sie werden den Fall wohl kaum aufklären.“ „Was wäre wenn ich sie für immer zum Schweigen brächte, immerhin sind es nur einfältige Möchtegern Polizisten.“ Schnellschnitt erhob sich erbost. „Ich verbiete dir sie auch nur anzurühren, Herr Tiefschlag. Wenn du den Hals nicht voll genug bekommst, dann musst du den Beruf wechseln. Alleingänger dieser Art kann ich nicht gebrauchen. Hier ist dein Geld.“ Ignazius warf den Geldbeutel schnell zu Tiefschlag. Mit Mühe konnte er das Geschoss fangen. „Ja, Herr“, sagte Tiefschlag mit
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gedämpfter Stimme. Er ging wortlos aus dem Gesellschaftsgebäude und lief in die nächste Kneipe.
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