DAS PLAPPERMAUL
Schon immer hat es mich empfindlich gestört, wenn mir Jemand während des Autofahrens die Ohren vollquasselt. Aus diesem Grunde fahre ich, wenn es mir nur irgendwie möglich ist, am
liebsten alleine. Doch läßt es sich, - leider Gottes – nicht immer vermeiden, eine solche Quasselstrippe als Beifahrer neben sich sitzen zu haben.
Zimmermann ist solch eine Nervensäge. Er weiß um mein Ruhebedürfnis und gibt auch vor, es respektieren zu wollen. -- Er schafft es aber nicht ! Er schafft es nicht, obwohl er sich die allergrößte Mühe gibt. --- --- Behauptet er ...!
Ich bin im Stillen überzeugt, daß er es aus reiner Bosheit macht . -- Jawohl !! -- Ich kann es eben nur schlecht beweisen.
Zimmermann ist raffiniert und es fällt schwer, ihm auf die Schliche zu kommen. Jedesmal,
wenn ich ihn bitte, endlich den Schnabel zu halten, entschuldigt er sich höflich und hält den
Schnabel. -- Für eine Weile. --
Spätestens bei der nächsten komplizierten Verkehrssituation fängt er wieder an, mit einer
Kaskade unüberlegter Worte auf mich einzudreschen. Dies wiederholt sich sooft, beziehungs-
weise geht so lange, bis wir endlich am Ziel angekommen sind. -- Ich schweißgebadet, -
er höchst zufrieden ! Ich könnte ihn ...!
Aber es fehlen mir die Beweise. -- Sei es drum ! -- Ich werde ihn nie wieder mitnehmen !
-- Schließlich ist es mein Wagen ! – Mein eigenes Auto !! Es ist mein Eigentum !!!
Stellen Sie sich das vor : Ich bin nicht Herr meines eigenen Fahrzeuges .... Ich habe den
Wagen aus eigener Tasche und mit eigenen Mitteln bezahlt. Was bildet sich dieser Lümmel
nur ein ?! Ich werde ihn n i e wieder mitnehmen !! Schon hundertmal habe ich das
gesagt -- aber diesmal... - - Er wird sich wundern, er wird sich ... Dieser unrasierte Strolch,
-- dieser kokosnußköpfige ... – Ich werde ihn n i e wieder mitnehmen !! -- Ich kann zufrieden
sein; dem habe ich es gezeigt ...!
Zwei Tage später bin ich unterwegs nach Freiburg. Geschäftlich. Mit m e i n e m Wagen.
Ich sitze am Steuer und ..... neben mir sitzt... , hm, - hrm, .. Zimmermann. – Auch er ist
unterwegs nach Freiburg. Nicht geschäftlich ! In m e i n e m Wagen ! Er begleitet mich nur,
will in Freiburg bummeln gehen, während ich mich mit meinem Verleger treffe. Er hat auf
unsere Freundschaft gepocht , ( Zimmermann, - nicht der Verleger ) – wieder einmal !
Zimmermann redet. Er redet seit unserer Abfahrt: „Herbert’s Schwiegermutter hat gesagt,
-- blubb, blubb, blablabla – blubb ...“
Den Kragenknopf habe ich bereits geöffnet, der Schlips liegt auf dem Rücksitz. Ich
schwitze. Ich drehe an dem Regler der Klimaanlage. - - Zimmermann dreht wieder zurück.
Ich schwitze weiter. Das Autoradio darf ich nicht anstellen. Ich weiß das.- - Ich habe dies
auf früheren Fahrten versucht ! Ich darf das Radio nicht anstellen ! M e i n Radio in
m e i n e m von m i r bezahlten Fahrzeug !! --- Es ist die Höhe !!! – Aber irgendwann.....
- - In der Ferne sehe ich einen schönen, großen, dicken Baum am Rande der Landstraße.
- Das wäre eine Möglichkeit ....! -- Nein ! – Wegen eines solchen ungebildeten Halbaffens –
einen so endgültigen Schritt ? – Nein ! – Der schöne, selbstbezahlte Wagen ....Ich versuche,
meine Gedanken zu sammeln. Dies ist keineswegs einfach. – Der blubbernde Zimmermann an
meiner Seite, der es nunmehr geschafft hat, daß auch dieses Hemd ruiniert ist. – Durchge –
schwitzt ! - Es muß doch Etwas geben.... Es muß doch Etwas geben, womit ich diesen aber-
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gläubischen Idioten ... – Abergläubisch ! -- Das ist es ! – Ich wußte es doch ! Jetzt habe
ich ihn ! Damit werde ich ihn kriegen .... – Ein Geistesblitz, - ..und das in meinem Alter ..!
Hämisch lache ich in mich hinein, beobachte die Strecke und warte auf eine Gelegenheit.
- Sie läßt nicht lange auf sich warten. --- Ich schaue kurz in meinen Rückspiegel und trete
dann unverhofft ( für Zimmermann ) mit aller Macht auf die Bremse ! - Das Blabla bleibt
ihm im Halse stecken...
Aufgeregt schaue ich nach Draußen und fluche wie verrückt – Darauf entgurte ich mich ,
steige aus und schaue seelenruhig unter mein Auto und dann auf die andere Straßenseite.
Ich steige wieder ein: „Alles in Ordnung. Wir haben sie nicht erwischt.“
„... ?? “
„Die Katze.“
„Die Katze ?“
„Ja, die Katze !“ –
„Was für eine Katze,“ will er wissen.
„Eine Katze eben,“ lüge ich weiter drauflos, „vier Beine, ein Schwanz, schwarze Haare,-eben
eine Katze. – Hast du sie nicht gesehen ?“
„Nein; - sagtest du – schwarze Haare ?- War sie ganz schwarz ?“ – Er piepst.
„Vielleicht hatte sie grüne Augen; - beim nächsten Mal werde ich sie fragen.“ Ich habe Ober-
wasser. – Zimmermann richtet sich kerzengerade auf. –
„ Eine schwarze Katze ?! “
Ich gurte mich wieder an und greife nach dem Zündschlüssel.
„Was tust du ?!!“
„Ich fahre weiter. Es ist doch nichts passiert.“
Blitzschnell ist Zimmermann entgurtet und aus dem Wagen.
„Keinen Schritt; keinen Meter,“ stöhnt er , „steig aus !“ Ich tue ihm den Gefallen.
„Von welcher Seite kam die Katze,“ will Zimmermann – kreidebleich – wissen.
„Von rechts; sie kam von rechts und lief nach links davon. – Spielt das eine Rolle ?“
Er antwortet nicht, sondern schaut zum wiederholten Male unter das Auto. „Da ist Nichts,“
versichere ich ihm, „ich muß es ja schließlich wissen...!“
„Wenn wir sie überfahren hätten und sie läge unter dem Wagen.... – Es wäre eine Kata-
strophe !“ „Ja,“ bestätige ich, „das arme Tier hätte sterben können.“
Zimmermann blickt mich entgeistert an. „Du bist ein Ignorant,“ flüstert er, „für u n s wäre
es eine Katastrophe . Eine schwarze Katze...“ --
„Nun,“ werfe ich ein, „es ist ja nichts passiert. laß uns weiterfahren.“
„Was fällt dir ein,“ fährt er auf, „weißt du nicht, was es bedeutet, wenn eine schwarze Katze deinen Weg kreuzt ?“
„Ich bin nicht abergläubisch !“
Genüßlich steige ich wieder in mein Fahrzeug , dessen alleiniger Herr ich nun wieder sein
werde. Zimmermann bleibt an der offenen Türe stehen.
„Was sollen wir tun ?“
Seine Stimme klingt ängstlich.
„Was ich tun werde, kann ich dir ganz genau sagen : Ich werde nach Freiburg fahren und mich dort mit meinem Verleger treffen. – Ganz einfach.“
Ich könnte platzen vor lauter Freude ! Zimmermann blickt in die Richtung, aus der wir
gekommen sind.
„Es muß doch einen anderen Weg nach Freiburg geben... Eine Umgehungsstraße, einen Feldweg..., von hier...nach zurück...?“ Seine Stimme versandet.
„Steig ein !“ Ich werde herrisch. Schließlich fährt er in m e i n e m Auto mit. – Er pocht
auf unsere Freundschaft. – Ich lasse ihn pochen.
„Steig ein !!“
-„Kannst du nicht...? Wir könnten ein kleines Stückchen zurückfahren und dann eine Abzweigung....“
„Es gibt keine ! Oder hast du etwa eine gesehen?!“ Kann er garnicht. – Er hat mich vollgequatscht ! Die ganze Zeit !! – Jetzt zahle ich es ihm heim !!!
„Du kannst natürlich auch zu Fuß die Abzweigung nehmen und nach Freiburg kommen.
Vielleicht hat die Katze ja den gleichen Weg genommen.“
Zimmermann läßt sich auf den Beifahrersitz sinken. Die Füße bleiben draußen.
„Wie weit ist es noch bis Freiburg,“ flüstert er.
„Hundertsechsunddreißig Kilometer,“ lüge ich munter. Er stöhnt. –
„Diese verdammte Katze !“ -Ich versuche, ihn aufzumuntern :
„Vielleicht sind es ja nur noch hundertvierunddreißig. – ( es sind noch lächerliche achtund-
zwanzig Kilometer, haha !) Außerdem kann es ja auch ein Kater gewesen sein !“
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Er staunt.
„Wo ist da ein Unterschied ?“ --
„Ich bitte dich !!“
Zimmermann wird nachdenklich. – „Man müßte sich erkundigen ...Ein schwarzer Kater ...“ Er hat nun die Füße im Wageninneren, doch die Tür ist noch nicht geschlossen.
„Denk darüber nach, während wir unterwegs sind !“ Ich starte den Motor. Zimmermann schließt zögernd die Tür – und wir fahren weiter.
Ich am Steuer meines eigenen, von mir bezahlten Wagens, - und ein schweigender, weil
nachdenklicher und ängstlicher Zimmermann an meiner Seite....
Ich schwitze wieder... Diesmal aus Angst, er könnte mir doch noch auf die Schliche kommen. -- Aber es hat sich gelohnt ! - Ich bin wieder Besitzer meines eigenen Fahrzeuges
und als wir endlich am Ziel ankommen, bin ich zwar durchgeschwitzt wie üblicherweise,
jedoch mein Freund Zimmermann ist bei weitem nicht mehr so glücklich und zufrieden,
wie sonst nach derartigen Fahrten ...!