Beschreibung
Eine weitere Kurzgeschichte von "Saga".
Original: http://www.weg-des-stifts.de/smf/kurzgeschichten/pure-liebe/
Pure Liebe
Langsam und schüchtern streckte sie ihre Hand aus, griff nach seinem T-Shirt- Kragen und zog sein Gesicht zu sich hinab. Ihr Herz klopfte, als wolle es aus ihrer Brust herausspringen, doch einen Rückzieher wagte sie nicht mehr. Der Moment schien sich in Zeitlupe abzuspielen und die Gedanken schossen durch ihren Kopf, wie Pfeile.
„Wie wird er reagieren?“
„Wird er überhaupt reagieren?“
Dann, ganz plötzlich, riss das Gefühl sie aus ihren Gedanken, seine Lippen auf ihren zu spüren. Ruckartig fuhr sie zusammen und ihr Gesicht verzog sich vor Schmerz.
„Gleich wird es vorbei sein… gleich habe ich alles verschenkt.“ Ein Kloß setzte sich in ihrem Hals fest und Tränen traten unmittelbar in ihre Augenwinkel. Doch sie wollte noch nicht, dass dieser Moment zu Ende ging, wollte jede Sekunde, die ihr blieb, auskosten.
Trotzdem siegte irgendwann wieder ihr Kopf und sie löste langsam ihre Lippen von seinen. Durch einen leichten Tränenschleier schaute sie zu ihm auf und suchte in seinen azurblauen Augen irgendetwas. Eine kleine Regung, etwas, das ihr seine Stimmung, seine Gefühle verriet.
„Los, sag was. Mach irgendwas … aber lass mich nicht einfach so stehen!“, flehte sie in Gedanken. Am liebsten hätte sie es ihm ins Gesicht geschrieen, doch wieder einmal, wie so oft in letzter Zeit, schwieg sie.
Schaute nur zu ihm zurück und konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Diese lästigen Biester wollten sich einfach nicht hinunterschlucken lassen. Rinnsalähnlich strömten sie ihr die Wangen hinunter und der Kloß in ihrem Hals verursachte ihr Übelkeit.
„Ich … eh … es tut mir Leid?“, nuschelte er unverständlich und auch seine Augen nahmen einen traurigen Ausdruck an.
„Das mag sein.“, setzte sie an, wollte noch etwas sagen, doch die Worte fehlten ihr. Zögernd löste sie die Hand von seinem Kragen und hätte in einer anderen Situation darüber lachen können, dass sein T-Shirt an besagter Stelle völlig zerknautscht war, so sehr hatte sich ihre Hand hineingekrallt. Aber jetzt war nicht der Zeitpunkt zum Lachen. Hastig strich sie sich eine mokkafarbene Haarsträhne aus ihrem Gesicht, fuhr mit der Zunge über ihre trockenen Lippen und starrte auf seine Füße.
Seine Hand legte sich sanft auf ihre Schulter, doch sie konnte es nicht genießen. Schmerz durchzuckte jede Faser ihres Körpers und noch mehr Tränen traten hervor. Zu wissen, er hatte diese Hand – seine Hand – auf dem Körper einer Anderen gehabt, ließ sie keinen klaren Gedanken mehr fassen.
„Du weißt, ich liebe nur dich.“, murmelte er betreten und hob mit seiner freien Hand ihr Kinn an, damit sie ihn anschaute.
„Dessen bin ich mir nicht sicher. Ich weiß nur eines, du warst und bist mein Leben. Was tut man, wenn das Leben einen verlässt?“ Mit diesen Worten wand sie sich aus seinem Griff und machte ein paar Schritte auf seine Zimmertür zu.
„Sag mir, was ist das hier zwischen uns?“
„Das?“, betrübt wandte sie den Blick noch einmal zurück und wieder schien es, als würde ihr das Herz herausgerissen. Ihn anzusehen, macht sie so unheimlich schwach…
„Das hier … ist ein Abschied.“ Ohne ein weiteres Wort wandte sie sich wieder der Tür zu und ging. Sie hatte zwar die Ursache des Schmerzes verlassen, doch der Schmerz blieb. Er fraß sich so tief in ihr Herz ein, dass sie es sich am liebsten selbst herausgerissen hätte.
Allein blieb er in seinem Zimmer zurück. Er war ihr bis zur Tür gefolgt, doch hatte ihn dann der Mut verlassen. Sie hatte so unheimlich entschlossen ausgesehen, da wäre bestimmt nichts mehr zu retten. Erschöpft seufzend ließ er seinen Rücken gegen das kühle Eichenholz prallen und fuhr sich verwirrt durch sein braunschwarzes Haar. Er konnte nicht begreifen, wie er so etwas Wertvolles hatte gehen lassen können und doch war es nun zu spät, um umzukehren.
Erschöpft seufzend ließ sie ihren Rücken gegen die Raue Wand des Flures prallen, sank daran hinab, spürte die Treppenstufe unter sich und schlang die Arme um die Knie. Sie konnte nicht begreifen, wie sie so etwas Wertvolles hatte gehen lassen können und doch war es nun zu spät, um umzukehren.