Nach langer Verspätung, für die ich mich sehr entschuldigen muss, jetzt endlich das Staffelfinale von Project Albagan hier auf myStories!
Nachdem das Team auf Inistra beinahe auf den Schwindel eines Fuetron-Spions hereingefallen wäre, versuchen die Fuetron mit einem seltsamen Gerät das Team außer Gefecht zu setzen: Ein Gerät welches über Telenose Einfluss auf das Unterbewusstsein eines Menschen ausübt, sorgt dafür, dass sich Zivilisten und Militärs gegenseitig an die Kehle gehen. Über einen Trick gelingt es Jan Ferden und Mary Lu Rosenthal nach Aiwa Sagha zu fliehen und ihre Verbündete Gundal um Hilfe zu bitten. Diese implantiert ein Gerät in den Gehirnen der beiden, welches die Telenosewellen blockt, indem es die Gehirne der beiden miteinander verbindet. Nun können die beiden die Gedanken des jeweils anderen mithören, und mit viel Konzentration sogar den Körper des anderen steuern. So retten die beiden in letzter Sekunde die Stadt – nur um nun die zweite Welle des Fuetron Angriffs zu spüren bekommen: Ein Schiff ist auf dem Weg nach Inistra…
Wie gebannt starrten sie auf die Bildübertragung aus dem Kontrollraum. Eine Art dreidimensionales Radar tauchte den Raum in ein bläuliches Licht. Zwei Punkte waren darauf zu sehen, ein statischer in der Mitte, offensichtlich ihre eigene Position, sowie ein roter, der sich bewegte und mit einer Textmarkierung versehen war.
„Das“, sagte Sgt. Charleston in diesem Moment, „ist, wie wir vermuten ein Raumschiff der Fuetron. Und es befindet sich, wie Sie unschwer erkennen können, auf dem Weg hierher.“
„Wie viel Zeit haben wir, sagten Sie?“ fragte der Captain.
„Im Moment schätzen wir, dass es noch etwa elfeinhalb Stunden sind, aber ich kann Ihnen nicht sagen wie genau diese Angabe ist, Sir.“
„Warum überhaupt dieser Aufwand, können sie ihr Schiff nicht einfach in dieses Universum versetzen?“
„Vermutlich schon,“ schaltete sich Jan ein, „aber ich vermute, dass sie keinen Grund dazu sehen. Sie müssen verstehen, dass unsere Blase sozusagen an ein Universum angeklebt ist, damit es zum Beispiel von dessen Gravitation stabil gehalten wird. Ein Sprung direkt in unsere Blase würde also enorm viel Energie benötigen, wenn man ein Objekt von der Masse eines Raumschiffes versetzen wollte. Sie treten also an der Stelle an der sie sich befinden in das Universum ein, an das wir angehaftet sind und legen den Rest der Strecke mehr oder weniger konventionell zurück. Das spart eine Unmenge an Energie, die sie vermutlich eher in ihre Waffe stecken wollen.“
„Wissen sie denn, dass wir ihren Plan vereitelt haben?“, fragte der Captain.
„Ich denke nicht, dass das eine Rolle spielt, Sir. Es kann genauso gut sein, dass das Telenose-Gerät lediglich ein Ablenkungsmanöver war, damit wir das Schiff möglichst spät bemerken.“
„Im Endeffekt,“ schaltete sich Zoe Williamson ein, „ist auch egal, ob sie es wissen oder nicht, Fakt ist, dass sie mit in etwas mehr als elf Stunden hier sein werden, und zwar höchstwahrscheinlich mit der Absicht unsere Existenz aus dem All zu fegen. Wir sollten also unsere Anstrengungen darauf konzentrieren wie wir uns verteidigen können.“
Der Captain nickte und drehte sich zu ihr und Ray Charleston.
„Sie beiden sind unsere Sicherheitsexperten. Welche Verteidigungsmöglichkeiten stehen uns zur Verfügung?“
„Nun, Sir“ erklärte Charleston und rief auf dem Bildschirm eine Karte der Stadt auf, „wir verfügen über vier schwere Gefechtstürme, dazu diverse kleinere Geschütze, die vor allem zur Abwehr von Fußsoldaten und kleineren Fahr- und Flugzeugen gedacht zu sein scheint. Dazu stehen uns einige Waffen zur Verfügung, die zum Mann-gegen-Mann Kampf entwickelt wurden, und die wir in der Waffenkammer gefunden haben. Obwohl wir noch nicht bei allen vollkommen sicher sind wie sie funktionieren.“
„Dr. Rosenthal, Sie sind unser Experte was die Fuetron betrifft. Denken Sie, dass es reicht?“
Mary Lu zuckte mit den Schultern.
„Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung was uns erwartet. Dieser Punkt auf den Radar könnte genauso gut eine unbemannte Drohne vom Ausmaß meines rechten Fußes sein, wie ein riesige intergalaktische Schlachtkreuzer, bis an die Zähne bewaffnet.“
Der Captain nickte, wenn auch unglücklich.
„Ich verstehe. Wir sollten auf jeden Fall Earth Command informieren, auch wenn es sicherlich schwierig sein dürfte so kurzfristig eine schlagkräftige Verteidigung aufzustellen.“
„In dem Punkt haben wir ein ganz anderes Problem. Zwei, um genau zu sein,“ unterbrach Jan.
„Zum einen können wir nichts herbringen, was größer ist als das Portal, also fallen Panzer, Flugzeuge und die meisten schweren Geschütze weg. Zumal wir diese Sachen gar nicht an die Oberfläche bekämen. Das Zweite ist, dass das Telenose-Gerät bei der Deaktivierung eine Energiewelle abgegeben hat, jedenfalls spricht das Portal nicht mehr auf unsere Befehle an. Ich habe schon eine Idee, woran das liegen könnte, aber keine Ahnung wie lange es dauern wird das zu reparieren.“
„Am besten fangen Sie an, sobald wir hier fertig sind. Gut, also wir können erst einmal nicht mit Verstärkung rechnen. Was passiert mit den Zivilsten auf der Basis, gibt es eine Möglichkeit sie zu schützen?“
Charleston nickte.
„Es gibt einen Bunker für Notfälle, der tief im Gestein liegt und in dem man mehrere Monate ausharren kann.“
„Hoffen wir, dass es dazu nicht kommt.“
Jan erhob sich.
„Mit Verlaub, Sir,“ sagte er, „aber ich denke ich spreche hier für alle die in der Lage sind sich zu verteidigen, dass wir, Zivilisten oder nicht, lieber unser neues Zuhause verteidigen wollen, als wie Schafe darauf zu warten ob die Schlächter uns holen kommen.“
Der Captain lächelte.
„Hört, hört, eine sicherlich ehrenwerte Position. Trotzdem denke ich, dass solche die für den Kampf nicht gerüstet sind trotz allem in Sicherheit gebracht werden sollten. Es besteht kein Sinn darin sich schlachten zu lassen, weil das Ehrgefühl den Verstand übertönt. Dr. Rosenthal, ich möchte, dass Sie die Datenbanken durchforsten auf einen Hinweis was uns erwarten könnte. Dr. Ferden, Sie reparieren das Portal. Dr. Craig, ich möchte, dass sämtliche Generatoren bereit sind Höchstleistungen zu vollbringen. Dr. Carabezzoni, halten Sie ihr Team bereit ebenfalls Höchstleistungen zu vollbringen. Sergeants Charleston und Williamson, wenn ich mich recht entsinne existiert unten auf der Portalebene eine voll funktionsfähige Kommandozentrale, bitte sorgen Sie dafür, dass dort unten alles bereit ist. Ich fürchte, das wir um der Sicherheit willen gezwungen sind die oberen Level zu evakuieren. Doktors Rütli und Lunovitch, übernehmen Sie das. Außerdem sollte im Bunker genügend Verpflegung und Medizin vorhanden sein, nur für den Fall. Es ist jetzt neunzehnhundert-fünfundvierzig Stunden, ich denke nicht, dass wir diese Nacht sonderlich viel Schlaf bekommen werden. Trotzdem müssen wir alles geben, damit diese großartige Stadt nicht in die Hand der Feinde fällt. Ich glaube ich muss niemandem erklären, was das für unser aller Leben bedeuten würde. Deshalb, bitte gehen Sie ihren Aufgaben mit Besonnenheit nach, es ist nicht die Zeit Panik zu bekommen. Wir haben noch fast elf Stunden um uns auf den Angriff vorzubereiten, ich schlage vor wir machen das Beste daraus. Nächste Lagebesprechung ist um dreiundzwanzig-hundert Stunden im Kontrollzentrum unten. Bis dahin, strahlen Sie Ruhe und Besonnenheit aus. Denken Sie daran, als Ressortleiter sind wir alle Leithammel. Wenn wir in Panik ausbrechen, werden es die anderen auch tun. Wenn nicht, besteht zumindest die Chance, dass Sie es nicht tun.“
Heiseres Lachen hier und da.
„Dismissed“, sagte der Captain, und unter Stühlerücken verließen die Anwesenden den Raum. Hedgefield ging hinüber zu seiner Tochter.
„Kann ich dich mal kurz unter vier Augen sprechen?“, fragte er leise. Sie nickte, und die beiden verschwanden in einer Ecke.
„Lass mich raten,“ flüsterte Abby finster, „du willst, dass ich mich im Bunker verstecke.“
„Abby, es ist zu gefährlich.“
„Zu gefährlich, willst du mich verarschen!? Erinnerst du dich vielleicht einmal ganz kurz daran, dass ich dafür gesorgt habe, dass wir alle von diesem verdammten Piratenschiff fliehen konnten? Dad, verdammt noch mal, auch wenn ich ‚nur‘ eine Zivilistin bin, heißt das noch lange nicht, dass ich nicht in der Lage bin diesen Ort zu verteidigen. Das hier ist alles was noch hab, es ist mein Zuhause, dafür wird man doch wohl noch kämpfen dürfen!“
Der Captain seufzte.
„Abby, du bist alles was ich noch hab. Ich habe schlicht Angst um dich. Angst dass dir auch etwas zustoßen könnte! Liza ist tot, und wenn du jetzt auch… Abby bitte versteh meine Angst um dich.“
Abby nickte.
„Ich kann ja verstehen, dass du Angst um mich hast. Ich hab auch Angst, dass dir etwas zustoßen könnte, oder einem der anderen. Diese Leute… sie gehören irgendwie alle zu einer Familie, ich weiß nicht ob dir das schon mal so aufgefallen ist aber es stimmt. Sie sind auch meine Familie, so wie dieser Ort ein Zuhause ist. Und ich kann den Gedanken nicht ausstehen, dass sie alle da draußen sind und etwas verteidigen, das auch mein Zuhause ist, während ich wie ein Feigling da sitze, mit denen, die wirklich nicht kämpfen können. Dass sie geschützt bleiben sollen versteh‘ ich ja, aber ich kann kämpfen verdammt noch mal! Ich habe gelernt wie ich mich und andere schütze, gib mir eine Waffe, und sei es nur ein Stock und ich werde da sein und mitkämpfen. Mit ihnen allen, mit dir. Vater und Tochter und die ganze Familie, Seite an Seite. Nur so können wir gewinnen. Wenn wir alle zusammenstehen. Seite, an Seite.“
Mike Hedgefield zögerte. Lange. Sein Kopf raste im Stillstand der Angst um seine Tochter.
„Es tut mir Leid, Abby. Es ist zu gefährlich. Wir haben keine Ahnung, was hier auf uns zukommt, und manchmal muss man sich eben entscheiden ob man lieber der tote Held ist oder lebendige Feigling.“
„Dann lass mich doch entscheiden!“
Mike starrte seiner Tochter in die Augen. Wut raste in ihren, Trauer schwebte in seinen.
„Du hast nicht gesehen was ich gesehen habe. Du hast sie nicht gesehen, die aufgeschlitzten Leiber, die herausquellenden Innereien, nicht die fehlenden Köpfe, Arme, Beine, und auch nicht die Tränen der Verwandten, der Ehepartner, der Verlobten. Es tut mir Leid Abby, aber ich kann das nicht verantworten. Und ich kann nicht auf dich aufpassen. Und ich könnte es nicht vor mir selbst verantworten, wenn dir etwas zustoßen würde. Kannst du das verstehen?“
Abby atmete einmal tief ein und aus. Dann nickte sie schließlich. Der Captain nahm seine Tochter in den Arm, und verschwand dann eilenden Schrittes um die Waffensysteme in Augenschein zu nehmen. Abby dagegen wartete noch einen Moment, bis er um die Ecke verschwunden war, dann flüsterte sie leise,
„Und ich werde doch kämpfen“
‚Crap‘, fluchte Mary Lu in Gedanken.
‚Was?‘ ertönte Jans Stimme in ihrem Kopf als Antwort. Sie zuckte zusammen.
‚Erschreck mich doch nicht so!‘
‚Hey, du hast deine Gedanken nicht bei dir gehalten! Also, was gibt’s?‘
‚Wenn diese Daten hier stimmen müssen wir mit dem Angriff einer Waffe rechnen, die die Chibigo als den Fluch der Ahnen bezeichnen.‘
‚Fluch der Ahnen? Klingt ziemlich übel.‘
‚Ist es auch. Warte mal hier ist eine… oh Scheiße!‘
Ungläubig starrte Mary Lu auf das Display. Wenn das stimmte, was hier stand…
‚Wir haben ein Problem. Ich versuche dir ein Bild zu übermitteln, das hier in der Datenbank liegt.‘
Sie konzentrierte sich auf das Bild und hörte Jan einen Moment später ein röchelndes Keuchen von sich geben.
‘Ich würde sagen, wir haben ein Problem.‘
Rosenthal wollte etwas sagen, doch in dem Moment kam Abby zur Tür hinein.
‚Ich bin gleich wieder da’, dachte sie und wandte sich Abby zu.
„Hast du gerade mit Jan gesprochen?“, fragte diese interessiert.
„Woran hat man’s gesehen?“
„Der starr-konzentrierte Blick.“ Die beiden lachten, eine kurze Aufheiterung in Anbetracht des Sturms, der auf sie zurollte.
„Hast du schon was rausgefunden?“, fragte Abby, und Rosenthal nickte.
„Leider ja.“
Wortlos zeigte sie Abby das Bild auf dem Display.
Abby öffnete den Mund und ein langgezogenes „Scheiße…“ entrang sich ihrer Kehle. Der Bildschirm zeigte ein Käferartiges Gebilde; ein ovaler Körper, aus dem sechs Beine mit drei Gelenken entsprangen, kleineres, runderes Objekt an einer Seite, dass aussah wie ein Kopf, und über und über besetzt mit Stangen, Teleskopartigen Bauteilen, und ganz und gar offensichtlich eine Maschine. Dann fiel Abbys Blick auf die Maßstabsangabe am rechten oberen Rand der Darstellung. Ihr Unterkiefer klappte herunter.
„Sie nennen es den Fluch der Ahnen,“ erklärte Mary Lu.
„No kidding,“ kommentierte Abby, „das Teil ist so groß wie ein Haus!“
Mary Lu schüttelte den Kopf.
„Diese Größenangabe ist nicht umgerechnet, der Eintrag ist so alt, dass er noch das alte Maßsystem der Chibigo verwendet, welches auf der Höhe eines Türsturzes beruht, frag mich nicht warum. Dementsprechend dürfte es sich hier nicht um eine Gesamthöhe von 26 Metern handeln sondern 26 Tari, das entspricht fast 60 Metern.“
„Crap…“
„Crap indeed. Wenn die Waffen dieses Monsters nur halb so gefährlich sind wie ich vermute, dann haben wir ein verdammt großes Problem.“
Abby nickte.
„Ich glaub das geh ich lieber Dad berichten…“
„Tu das.“
Nachdem das Gespräch mit Mary Lu beendet war, beugte sich Jan wieder über die Öffnung im Kontrollraum. Die Möglichkeit über Gedanken zu kommunizieren war ihm nach wie vor irgendwie fremd, obwohl es natürlich ungemein praktisch war. Irgendwie kam es ihm vor, als könne er per Gedanken telefonieren. Doch, der Gedanke hatte was. Mit einem Seufzen schaute er sich wieder die Struktur der Kontrollen an. Er konnte sich nicht helfen, aber irgendwie sah das ganze ziemlich zusammengeschustert aus. Weite Teile der Steuerung lief über die Verbindung verschiedener Kristalle, was auch Sinn machte, da Kristalle nicht nur eine enorme Haltbarkeit an den Tag legte, sondern auch große Datenmengen lange speichern konnten und schnell übertrugen. Der Teil jedoch, der jetzt vor ihm lag war ein Wirrwarr aus Kabeln und Leitungen, teilweise optisch, teilweise elektrisch, alles durcheinandergebastelt. Jan erinnerte sich daran, wie Mary Lu ihm gesagt hatte, dass die Chibigo weite Teile der Technologie der Fuetron übernommen hatten, ohne sie zwingend in toto zu verstehen. Offenbar war das hier eine dieser Stellen.
Zusammen mit zwei seiner Assistenten verteilte Silvio Carabezzoni Koffeintabletten, verordnete Kopfschmerztabletten und stellte nebenher noch das Notfall-Kit für den Bunker zusammen. Ein Rollwagen von der Größe einer vertikalen Tür stand in der medizinischen Station und wurde nach und nach mit Medikamenten, Pflastern, Verbänden und Equipment beladen, um schließlich von zwei Soldaten zum Zug geschoben zu werden. Zum Glück hatte das Teil einen kleinen Motor, sonst wäre es wohl kaum von der Stelle gekommen. Mit einem traurigen Blick streifte Silvio die Ecken der Station, ein Ort der ihm lieb geworden war und der nun in Gefahr war. Jan hatte Recht: Sie mussten kämpfen, für einen Ort, der ihnen allen lieb und teuer war.
„Dr. Silvio?“ fragte sein Assistent, und weckte ihn aus seinen Tagträumen.
„Si?“
„Alles in Ordnung?“
„Va bene. Alles in Ordnung, nur ein bisschen müde.“
Als Laura Craig ihren Blick durch den Generatorraum streifen ließ, war sie geschockt.
„Das ist alles was wir haben?“, fragte sie entsetzt, als sie die wenigen Energieblöcke sah, die fein säuberlich aufgereiht vor ihr standen.
„Es ist alles was wir haben“, antwortete der Captain schulterzuckend.
„Können wir nicht einfach jemanden zum Holzhacken schicken?“, fragte Abby.
Laura schüttelte den Kopf.
„Erstens,“ erklärt sie, „haben wir dafür nicht die Manpower, und zweitens ist das gar nicht so einfach jetzt im Dunkeln. Mal davon abgesehen, dass die Energieträger der Generatoren am besten hochgradig Proteinhaltig sind, wie ich festgestellt habe.“
„Proteinhaltig?“ fragte der Captain, „Sie meinen im Sinne von Fleisch?“
Laura nickte.
„Zum Beispiel, ja. Fragen sie mich bitte nicht wieso. Mary Lu meinte, dass die Technologie vielfach auch darauf abzielte die Fuetron zu demütigen, aus Rache. Oftmals hat man die Leichen der Gefallenen Fuetron nach dem Kampf hier sprichwörtlich verheizt.“
„Das ist ja ekelhaft!“ entrüstete sich Abby, doch Laura schüttelt den Kopf.
„Stell dir einen Feind vor, der dich und deine Art seit Jahrzehntausenden unterdrückt. Du würdest dich auch rächen wollen.“
Abby sagte nichts, doch auch Laura entging der Blick nicht, den sie für eine Sekunde in Richtung ihres Vaters schoss.
„Meinen Sie, dass die Energie für die Geschütze reicht?“, fragte der Captain besorgt. Laura zuckte mit den Schultern.
„Ich hab keine Ahnung. Es kann sein, dass wir hiermit eine ganze Armee in Grund und Boden schießen können oder dass wir nach einem Schuss aus dem Spiel sind. Wobei ich beides nicht recht glaube, aber ich fürchte wir müssen uns auf unsere eigenen Waffen und die Fußtruppen verlassen.“
Hedgefield ließ einen lästerlichen Fluch ab, entschuldigte sich dann und machte sich auf den Weg nach oben um zu sehen, wie die Evakuierung von statten ging.
Inzwischen saßen sie zu dritt über der offenen Konsole, Jan und Laura in Person, Rosenthal über die Gedankenverbindung, während sie parallel auf zwei Computern und mit Abbys Hilfe versuchte Informationen über den Fluch der Ahnen, sowie diese ominöse Schaltung zu bekommen.
„Das Ding ist das reinste Chaos,“ kommentierte Laura die Mischung aus Kabel, Kristallen und seltsamen Kästchen, die zum Teil eine Art Relay-Schaltung aufwiesen, teilweise wieder Kombinationen mit Kristallen, und zu allem Überfluss waren mehrere der Kabelende einfach ab geschmort und niemand hatte eine Ahnung, welche Enden zusammengehörten.
„Ich geb’s auf,“ stöhnte Laura, nach gut einer Dreiviertelstunde, „ich hab noch jede Menge zu tun oben die Felsplatten wieder vor alle Fenster fahren zu lassen. Sorry, dass ich dir nicht mehr helfen konnte.“ Sie stützte sich auf Jans Schulter ab, stand auf und ging, Jan und Mary Lu alleine lassend.
‚Immer noch nichts?‘, fragte Jan.
‚Nope. Aber sag mal, du bist ja vorhin richtig auf das militärische Ross aufgesprungen beim Captain, dabei dachte ich immer du wärst so pazifistisch…‘ Er hörte Mary Lu in Gedanken auflachen.
‚Ich bin gegen die Militärs, aus persönlichen Gründen, und ich bin dafür Konflikte möglichst friedlich zu lösen. Aber das hier ist kein Konflikt, den man friedlich lösen könnte. Und ich bin durchaus in der Lage mich zu wehren wenn es nötig ist. Und hier ist es nötig.‘
Rosenthal lachte wieder.
‚Fein gesagt. Es klang nur sehr nach Pathos was du da von dir gegeben hast.‘
‚Ich wollte bei dem Typen auch wirken. Man tut was man tun muss.‘
Rosenthal lachte, dann wandte sie sich wieder zu Abby und ihren Nachforschungen.
Langsam senkten sich die schweren Felsprotektoren vor die Fenster. Ein leichtes Vibrieren untermalte das Knirschen und Schleifen der gut einen Meter starken Wandteile. Es beruhigte Lukas ein wenig, dass sie so gut geschützt waren, als er vorsichtshalber einige seiner wertvollsten und wichtigsten Besitztümer in einen Rucksack packte um sie unten in den Bunker zu verfrachten. Noch waren sie auf den Zug angewiesen, obwohl Jan einige Leute aus der Physik abgestellt hatte um weitere solche Transporter zu finden. Sie vermuteten bereits, dass die verbleibenden Türförmigen Konstruktionen allesamt Transporter waren, doch leider fehlten hier die Projektoren – dementsprechend nützte ihnen diese Erkenntnis wenig.
Lukas nahm seinen Rucksack, und es hatte etwas finales, etwas von einem Abschied. Viele der Leute, die in diesen Minuten massenhaft ihre Wohnungen evakuierten, fühlten etwas Ähnliches. Unten im Bunker wurden derweil schon Claims abgesteckt; man hatte Feldbetten und Matratzen ausgelegt, die nun eilig in Besitz genommen wurden. Trotzdem artete die Evakuierung nicht ins Chaos aus. Natürlich gab es hier und da Zwischenfälle, selbst eine Handvoll Prügeleien und Nervenzusammenbrüche, die vielfach durch die Kombination aus Angst und Schlafmangel ausgelöst wurden, traten auf. Trotzdem waren die meisten der Menschen auf Inistra in irgendeiner Weise geschult, trainiert, oder vom Leben vielleicht auch so gezeichnet, dass sie nichts mehr beeindruckte. Die Evakuierung jedenfalls lief erstaunlich reibungslos, und erinnerte eher an einen Massenauszug als an eine Kriegsprophylaktische Maßnahme.
„Nächster.“
Seit zwei Stunden war Ray Charleston nun damit beschäftigt Waffen auszugeben, Magazine zu verteilen und Probleme zu lösen. Auf dem Schießstand den Gang hinunter war eine Kakophonie aus Schüssen zu hören; unter der Aufsicht von Sergeant Williamson durfte jeder genau zwei Schüsse abgeben um die MP-5 zu testen, die ihm anvertraut war. Natürlich hielt sich nicht jeder daran, und Charleston sah schon das Ende ihrer Munitionsvorräte kommen, wenn Ferden nicht endlich das Portal hinkriegen würde.
„Nächster.“
Wieder eine MP-5, zwei Magazine mit Patronen zum Wechseln. Der Stapel neben ihm schwand immer mehr dahin. Er sah es kommen. Es würde nicht reichen.
„Das ist also womit wir rechnen können?“, fragte der Captain und deutete auf eine Darstellung auf dem Bildschirm. Sie befanden sich im Kontrollzentrum im Sublevel, also auf der Ebene der Portalhalle. Das Kontrollzentrum, auch War Room genannt, war ein kleiner Raum von vielleicht fünf mal sieben Metern Grundfläche. An den Wänden befanden sich zahllose Bildschirme mit Computer-Terminals, in der Mitte hing eine Art Mischung aus Kristallleuchter und Periskop von der Decke, eine runde Insel die ebenfalls mit Bildschirmen bestückt war. Der ganze Raum war in ein rötliches Licht getaucht.
Rosenthal nickte.
„Der Fluch der Ahnen,“ erklärte sie, „scheint das Mittel der Wahl der Fuetron zu sein um feindliche Basen anzugreifen. Jedes dieser Teile verfügt über Albagan und Hyperspace Antrieb, und ist mit einer geringen Besatzung ausgestattet. Wir werden uns also mehr Sorgen machen müssen um das Gerät selbst als um eventuelle Bodentruppen.“
„Also sind die ganzen Zivilisten, die wir gerade mit Waffen ausstatten sozusagen überflüssig?“
Rosenthal schüttelte den Kopf.
„Nein, Sir, das denke ich nicht. Diese Daten sind nach allem was wir wissen mehrere Jahrhunderte alt. Es kann sein, dass die Fuetron inzwischen ganz anders vorgehen. Auch wenn ich das nicht glaube.“
„Wieso nicht?“
„Weil die Chibigo immer die einzigen Feinde der Fuetron waren, jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt als sie die Stadt hier verließen, und ich wüsste nicht wieso sich das geändert haben sollte.“
Der Captain zögerte erst, dann nickte er.
„Gut. Bereiten wir uns also auf den Angriff eines gigantischen Käfers vor.“
Er holte sein Funkgerät hervor.
„Sergeant Charleston, hier spricht Captain Hedgefield. Wie sieht‘s da unten aus?”
„Es geht, Sir,“ kam es knisternd aus dem Funkgerät, „wir haben die meisten Leute inzwischen mit Waffen versorgt. Wenn das fertig ist bereiten wir die Gefechtstürme vor.“
„Gut, machen Sie das. Geben Sie Bescheid wenn Sie fertig sind.“
„Verstanden, Ende.“
Konzentriert studierte Sergeant Zoe Williamson die Inneren des Feuercomputers von Turret 02, dem Nordöstlichen Gefechtsturm. Vier Kristalle, diverse Kabel, alles fein säuberlich verpackt in einem robusten Gehäuse. Sah gut aus. Noch zweieinhalb Stunden, und sie würden sehen, ob die Türme auch so funktionieren würden, wie sie sollten. Zoe verschloss die Klappe wieder, dann machte sie sich auf zu Turret 03.
Mit einem Seufzer räumte er als einer der Letzten seine Wohnung ausräumte. Eine antike Uhr, ein Bild seines Großvaters, einige Bücher, sein privater Laptop, alles wanderte in einen großen Rucksack. Draußen auf dem Gang traf er sich mit Mary Lu.
„Sieht gespenstisch aus,“ meinte er.
„Was?“
„Kaum einer ist noch hier oben, die Fenster sind alle verschlossen… das wirkt alles irgendwie gespenstisch auf mich. Auf dich nicht?“
Mary Lu legte den Kopf schief.
„Doch irgendwie schon, jetzt wo du‘s sagst. Eine Geisterstadt, irgendwie.“
„Hoffen wir nur, dass sie nicht bald nur noch von Geistern bewohnt wird.“
Als sie unten angekommen waren, war es halb sechs morgens. Die Vorbereitungen waren getroffen, und nun folgte das Zermürbendste am Krieg: Das Warten auf den Feind.
‚Noch anderthalb Stunden‘ dachte Jan. Auch Abby war inzwischen im unten eingetroffen und wartete mit den anderen Ressortleitern im Konferenzraum. Ihr Vater war mit Zoe und Ray noch auf Inspektionstour, und würde erst gegen viertel nach sechs wieder auftauchen. Jan verabschiedete sich mit Laura Craig zusammen, und die beiden verschwanden in den Portalraum in der Hoffnung noch etwas auszurichten.
Dr. Carabezzoni kontrollierte ein weiteres Mal die Medizinische Versorgung, obwohl sie bereits so gut organisiert war, wie es irgend möglich gewesen wäre.
Mit einem Schritt trat Captain Hedgefield vom Wachturm aus hinab in den Portalraum. Er hatte zwei Soldaten dort oben gelassen, für den Fall dass die Videoverbindung abreißen würde. Im Kontrollraum angekommen, schickte er als erstes seine Tochter in den Bunker. Dann sprach er mit den Anwesenden noch einmal alle Pläne bis ins letzte Detail durch. Als auch das fertig war, war es viertel vor sieben, und der Captain ließ eine Sprechverbindung in alle Räume herstellen.
„Ladies and Gentlemen, this is the Captain. Es ist nun sechshundert-siebenundvierzig Stunden, wir rechnen also jeden Moment mit dem Eintreffen der Fuetron auf Inistra. Lasst mich also, solange noch Zeit dafür ist ein paar Worte sagen. Ich bin vielleicht kein guter Redner, aber ich will es zumindest versuchen. Gandhi sagte einst, was mit Gewalt beginnt kann nur mit Gewalt enden. Nun, wir haben es nicht gewollt, aber es begann mit Gewalt. Die Fuetron haben die Mittel für dieses Duell gewählt, und sie wählten den Kampf. So wie es aussieht, haben sie als Mittel ihre größte Waffe entsandt, eine Kampfmaschine mit dem Namen Fluch der Ahnen. Sie senden eine einzige dieser Kampfmaschinen. Sie wollen sicher sein, dass sie uns vernichten können, deshalb haben sie zuvor versucht uns heimtückisch und hinterhältig kampfunfähig zu machen. Sie haben Zwietracht gesät, in der Hoffnung, dass wir uns gegenseitig ausschalten würden, damit sie es nicht tun müssen. Nun, ich bedaure ihnen mitteilen zu müssen, dass es nicht funktioniert hat. Wir haben uns nicht unterkriegen lassen, wir werden uns nicht ergeben, und werden auch nicht untergehen. Wir werden kämpfen, wir werden zusammenstehen und wir werden siegen, denn wir wissen, dass wir das richtige tun. Wir kämpfen im Namen von Freiheit und Gerechtigkeit, und das, Ladies and Gentlemen, macht uns stark. Es wird ein schwerer Kampf werden, das will ich gar nicht bestreiten. Auch, dass einige von uns das Leben lassen werden im Kampf um diese Freiheit. Doch trotz alldem, seid euch sicher, dass wir aus dieser Nacht siegreich hervorgehen werden.“
Er zögerte einen Moment.
„Meine Tochter hat gestern Abend etwas sehr wahres dazu gesagt. Etwas, dass ich vorher nicht so realisiert habe, aber das auf uns alle zutrifft. Die Zeit, die wir hier verbracht haben hat uns zusammengeschweißt. Wir sind zu einer großen Familie geworden, und dies ist unser Zuhause. Also lasst uns zusammenstehen um dieses Zuhause gemeinsam zu verteidigen. Einer für alle – und alle für einen!“
In diesem Moment ging ein Rumpeln durch den Berg.
„Was war das?“, fragte der Captain nachdem er die Übertragung beendet hatte.
Rosenthal deutete auf den Bildschirm.
„Sie sind da, Sir. Es beginnt…“
Der Captain schnappte sich sein Funkgerät und rief Ferden.
„Wie sieht’s aus mit dem Portal?“
„Immer noch in Arbeit, wieso?“
Rosenthal räuspere sich.
„Sie sind da, Jan.“
„Pünktlich wie die Maurer. Hier sieht‘s aber nach wie vor beschissen aus. Wenn Sie keinen Plan finden wie es hier aussehen sollte, dann glaube ich kaum, dass ich das Teil wieder flott kriege.“
Der Captain überlegte kurz, dann schickte er Rosenthal in den Portalraum. Danach widmete er seine Aufmerksamkeit der Übertragung von den Außenkameras.
Der Fluch der Ahnen war eine riesige Kampfmaschine. Anscheinend war sie überarbeitet worden, nachdem die Chibigo sie in ihre Datenbank übernommen hatten, denn diese Maschine war noch ein Stück gewaltiger: Einem Zylinderförmigen Leib mit gut zehn Metern Durchmesser entsprangen sechs Beine, die zweimal abgewinkelt waren und den Leib des stählernen Biests in gut 70 Metern Höhe hielten. Alleine die Beine hatten einen Durchmesser von über fünf Metern und sahen aus wie die eines Exoskeletts. Der Leib des Biests war geriffelt mit Einschnitten, die zwei Meter tief und einen breit waren, und an einem Ende entsprang ein kurzer Hals an dessen Ende ein Schlangenartiger Kopf saß, mit dreieckiger Grundform – die Steuerzentrale. Unterhalb des Halses ragten zwei Rohre aus dem Leib hervor, jedes spitz zulaufend und mindestens fünf Meter lang, bei einem Durchmesser von einen ganzen Meter. Auch oben auf dem Kopf war eine Waffe montiert, wobei diese sich offenbar auf einer drehbaren Plattform befand, denn diese Kanone drehte sich immer wieder.
Dunst hing über dem Wald, und eine frühmorgendliche Sonne tauchte die Szenerie in ein unwirkliches orange, was den Fluch der Ahnen wie einen metallenen Dämon wirken ließ. Mit einem hydraulischen Summen bewegte sich der Geschützturm auf dem Kopf.
„Sie wissen nicht wo wir sind, oder?“, fragte der Captain leise. Rosenthal schüttelte den Kopf.
„Wahrscheinlich nicht, aber das wird sich bald ändern. Da wir ja Strom verbrauchen können sie mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Energie-Signatur ausmachen, wenn wir ihnen lange genug Zeit lassen.“
Der Captain nickte. Er nahm das Funkgerät.
„Williamson, sind die Gefechtstürme bereit?“
„Bereit und ausgerichtet, Sir.“
„Gut. Charleston, was ist mit den Bodentruppen, alles bereit?“
„Hier Charleston. Wir haben Fünfzehn Raketenwerfer, zehn Boden-Boden Raketen und zwei Bewegliche Artilleriegeschütze in Stellung und auf Ziel. Warten auf Order.“
Hedgefield drehte sich zu Rosenthal.
„Was denken Sie, wo sie am verwundbarsten sind?“
Rosenthal überlegte.
„Vermutlich am Kopf. Möglicherweise lässt sich durch zielen auf die Halsregion der Kopf abtrennen, aber das muss nicht stimmen. Wir sollten aber auf jeden Fall versuchen die Geschütze zu treffen. Ansonsten könnten auch die Beine verwundbar sein.“
Der Captain nicke und nahm sein Funkgerät wieder in die Hand.
„Gut. Alle Einheiten, hier spricht Captain Hedgefield. Turrets, Feuer auf die Kopfregion, Raketen auf Hals und Beine und das Artilleriefeuer auf die Geschütze. Feuer auf mein Kommando. Drei, zwei eins, Fire!“
Ein Vogel zwitscherte draußen. Auf einem Baum sitzend, war er unbeteiligt an dem Geschehen, das sich abzeichnete, als der Wald noch in Stille dalag. Doch mit einem Moment änderte sich das. Auf das Kommando des Captains hin brachen plötzlich Raketen aus dem Dickicht, rasten pfeifend über die Baumwipfel hinweg und schlugen in die Metallverstrebungen des überdimensionierten Käfers ein. Funken sprühten und Feuersbrünste wallten über den metallenen Leib, doch die Verstrebungen hielten. Verstärkt und von einem flachen Energiefeld geschützt, waren sie kaum beeindruckt durch den Angriff. Mit einem hydraulischen Summen hob der Käfer sein linkes Vorderbein an und schickte sich näher an die Position heranzurücken, von der der Beschuss gekommen war. Bäume fielen unter seinem Schritt, platt gewalzt und zerdrückt von den gewaltigen Beinen der Maschine. Auch der Baum, auf dem einen Moment zuvor noch der Vogel gesungen hatte, fiel unter dem Gewicht des Tod speienden Käfers.
Die beiden Kanonen unterhalb des Halses schossen mit Energiestrahlen, die wahllos das Gebirge trafen, während der Käfer wendete. Das Geschütz an der Oberseite des Kopfes hingegen schoss auf die Stelle, von der die Raketen kamen, in einem stakkatoartigen Strom, der immer wieder brennende Wellen über den Leib des Käfers schickte. Zwei der Soldaten waren bereits gefallen, mit großflächigen Verbrennungen auf ihren toten Leibern. Während die Gefechtstürme weiterhin den Kopf beharkten, rannte eine Gruppe Fußsoldaten plötzlich aus dem Dickicht hervor und griff die Raketenwerfer an. Sergeant Charleston, selbst überrascht griff zu seiner MP-5 und schoss. Die Gruppe aus vierzig MP-Soldaten deckte die Fuetron mit einem Kugelhagel ein, der fast die Hälfte der Außerirdischen in den Tod riss, noch bevor sie sie kleine Anhöhe erreicht hatten. Trotzdem kämpften bald nur noch dreißig Schützen gegen fast hundert Fuetron. Charleston griff zum Notfallplan und ließ mehrere Sprengsetze zünden, die am Hang verteilt waren, mit dem Ergebnis, dass sich die Kante innerhalb von Sekunden um einen halben Meter in Richtung Berg verkürzte. Irgendwie gelang es ihnen danach den ersten Sturm aus Fuetron-Soldaten abzuwehren, trotzdem, zeigte sich der Fluch der Ahnen wenig beeindruckt.
Mit nur einem Schuss riss er einen der beiden Turrets in Stücke, ein weiterer zerstörte einen Teil der Galerie im Obergeschoss. Jan, der sich nun wieder im Kontrollzentrum befand ließ seine Finger über die Tastatur fliegen um mehr Energie an den zweiten Gefechtsturm zu leiten. Derweil stürmten bereits die ersten Zivilisten nach draußen, um Charleston Unterstützung zu bieten. Binnen weniger Minuten war die Situation außer Kontrolle geraten. Über die Bildschirme verfolgten sie, wie der Käfer um sich schoss, und dabei das Landschaftsbild nachhaltig veränderte. Schon jetzt war dort, wo er gelandet war eine große Lichtung entstanden, die mit jedem Schritt größer wurde.
Der Berg bebte unter jedem Schritt, den das massige Gerät machte, und unter jedem Schuss, der die Stadt traf. Noch hatten sie die Hauptebene nicht getroffen, doch das könnte sich rasch ändern.
„Ich geh hoch und versuche den Turm wieder zum Laufen zu bringen“, schrie Laura in das allgemeine Chaos hinein und verschwand. Wie von Furien gehetzt spurtete sie zum Zug, fluchte und zeterte, dass er schnelle fahren solle und stürmte zum Aufzug sobald sie auf der Hauptebene angekommen war. Ein Schuss brachte in diesem Moment den Berg zum Erzittern, und für einen Herzschlag fiel der Strom aus. Laura rannte. Die Aufzüge waren auf der anderen Seite, von der Eingangshalle aus gesehen, und als die Mechanikerin dort ankam war sie völlig außer Atem. Oben angekommen verfluchte sie die Chibigo nicht auf der anderen Seite auch einen Aufzug gebaut zu haben, denn der ausgefallene Turm saß fast auf Höhe des Eingangs. Auf ihrem Weg kam sie an einem mannshohen Loch im Gestein vorbei, hineingesprengt in die Galerie. Die Sonne stand inzwischen höher am Himmel, und so war das Licht inzwischen fast weißlich und spiegelte sich auf dem Leib des Käfers. Einen Moment später stand sie vor dem Gefechtsturm und fing an zu arbeiten.
Derweil spritzten Steine, so groß wie Autos durch die Gegend, als weitere Schüsse auf den Gebirgszug regneten. Ein Schuss traf eine versteckte Kommunikationsantenne und schmolz sie in einem Atemzug zu einem rot glühenden Klumpen aus Metall zusammen. Wie Donner erfüllten die Explosionen die Luft, die um die Waffen herum schon zu flirren begann vor Hitze.
Abby wurde fast wahnsinnig. Im Bunker waren die Vibrationen kaum zu spüren, doch der tiefe Bass der Einschläge grollte auch bis zu ihnen. Und irgendwie hatte sie es im Bauch, dass da draußen bei weitem nicht alles so lief wie es sollte. Beim nächsten Einschlag hielt sie es nicht länger aus: Da das Licht im Bunker sowieso gedämpft war huschte sie ungesehen als Schatten ihrer selbst aus ihrem Gefängnis. Leise lief sie den Gang hinab, durch den sekundären Kontrollraum, den Generatorraum und in den Tunnel nach oben. Hier spürte sie die Einschläge wesentlich deutlicher. Am Eingang zur Stadt fand sie eine Kiste mit Waffen, aus der sie sich eine MP-5 und zwei Magazine holte. Sollten diese Scheiß Aliens doch kommen.
Rosenthal durchsuchte weiterhin die Datenbank. Auch wenn um sie herum das reinste Chaos herrschte, hatte sie doch die Hoffnung, dass sie irgendetwas finden würde noch nicht gänzlich aufgegeben. Und plötzlich fand sie etwas. Es war etwa in dem Moment, als sich an der Oberseite des Käfers plötzlich etwas öffnete, und ein kleines Raumschiff in die Höhe stieg, was aber niemandem auffiel im Kontrollzentrum.
„Ich hab was!“, brüllte Rosenthal in dem Moment nämlich in den Raum.
„Was?“ fragte der Captain euphorisch.
„Eine experimentelle Waffe. Wenn es uns gelingt alle vier Turrets mit dem Albagan zu verbinden, dann könnten wir damit eine Waffe bauen, die mit Dimensionslöchern schießt.“
„Dimensionslöcher!?“
„Sinnbildlich. Also im Prinzip öffnet es eine Albagan-Verbindung ohne Ziel. Die Materie wird dematerialisiert aber nicht wieder rematerialisiert. Genial, oder?“
„Denken Sie, Sie bekommen das hin?“
„Theoretisch habe ich hier einen Plan. Aber auch die Chibigo haben das Teil nie ausprobiert. Es könnte also auch einfach nicht möglich sein.“
Der Captain fackelte nicht lange.
„Das muss reichen. Setzen Sie Ferden und Craig in Kenntnis, wir müssen es versuchen.
Abby schlich sich vorsichtig durch den Wald. Als sie auf der Anhöhe ankam, war sie geschockt vom Ausmaß des Kampfes: Überall lagen Leichen, Körperteile, Innereien und war Blut verspritzt.
„Was machst du denn hier, bist du wahnsinnig!?“, brüllte Charleston über das Knattern des Gewehrfeuers hinweg. Die Luft schwirrte von Kugeln und Energiestrahlen, und Abby nahm geduckt hinter einem Stein ihre Position ein. Sie zögerte. Doch als sie sah, wie einer der Zivilisten von einem Strahl gegen den Fels geschleudert wurde, wurde ihr Hass übermächtig und sie schoss wie eine Furie in die Menge der Fuetron. Immerhin war ihre Position günstiger als noch zuvor; durch den Hangrutsch kamen kaum noch Fuetron bis zu ihnen nach oben. Trotzdem war es ein harter Kampf.
Jan saß alleine über den Kabeln und Kristallen, während Mary Lu ihm Anweisungen gab, wie er die Kabel zusammenstecken musste. Zur gleichen Zeit versuchte Laura mit Hängen und Würgen den Turm wieder einsatzbereit zu machen. Zum Glück war der zweite Turm, der das Tal überwachte besser versteckt und geschützt als dieser, sodass der zweite nach wie vor feuern konnte.
Es war als Jan gerade von einem knisternden Lichtbogen geblendet wurde, dass die freudige Nachricht durch die Gänge und Funkkanäle geschrien wurde:
„The shield is collapsing!“
Und in der Tat: Die ersten Raketen zeigten Wirkung. Eine Strebe brach dann noch eine, und das Glas des Cockpits vorne am Kopf zersplitterte. Funken regneten herab, als der Gefechtsturm am Kopf in einem lodernden Feuerball verging.
Dann knickte das erste Bein ein. Durch das Übergewicht auf den anderen Beinen brachen auch hier unter dem Dauerfeuer der Menschen die Verstrebungen. Eine Hydraulikleitung explodierte und versprühte brennende Flüssigkeit, als langsam aber sicher das Ende des Käfers besiegelt war. Mit einem gequälten Aufschrei überbelasteten Materials brachen die Beine, und der massige Leib des Käfers fiel zu Boden. Bäumen fiel um, aus der Erde gerissen durch die Schockwelle des Aufpralls, die selbst in der Kommandozentrale noch spürbar war. Dort wurde gefeiert und sich gegenseitig auf die Schulter geklopft, obwohl die Kämpfe draußen noch in vollem Gange waren. Aber man fühlte sich plötzlich wieder überlegen, plötzlich war man wieder zuversichtlich.
Das war jedenfalls, bis jemand eine seltsame Beobachtung machte.
„Captain?“, fragte ein junger Soldat an einem der Monitore.
„Ja, Lieutenant?“
„Der Computer zeigt eine Anomalie an, aber ich kann damit nichts anfangen.“
„Zeig mal her“ forderte Rosenthal und holte sich das Bild auf ihren Monitor.
„Fuck“, flüsterte sie, als die Grafik auf dem Bildschirm erschien.
„Was ist?“ fragte der Captain, sofort ernst.
„Wenn ich das richtig sehe, haben wir ein gewaltiges Problem.“
„Ich dachte so was hätten wir gerade gelöst?“
Rosenthal schüttelte den Kopf.
„Wenn diese Messungen stimmen, dann haben die Fuetron zu einer letzten verzweifelten Maßnahme gegriffen. Sie haben unseren Mond aus der Bahn geworfen.“
„What!?“
„Sie haben den Mond aus der Bahn geworfen, mit dem Ergebnis, dass er in etwa einer halben Stunde hier ganz in der Nähe einschlagen wird. Bei der Masse und Geschwindigkeit dürfte der Planet bis zum Kern aufreißen und explodieren.“
Plötzlich war es totenstill in der Zentrale. Bis ein Funkspruch die Stille störte. Es war Laura.
„Ich glaub ich hab den Turm wieder flott gemacht. Aber wir brauchen ihn jetzt eh nicht, oder?“
Ruhig erklärte Mary Lu ihr die Situation. Jan, der mithörte, meinte,
„Also wenn dieser Stunt funktioniert bin ich in ein paar Minuten fertig. Hoffen wir nur, dass das noch rechtzeitig ist.“
Rosenthal setzte sich wieder an ihren Computer und rief diverse Programme auf. Als diese wenig später fertig waren mit Rechnen, wurde Rosenthal kreidebleich.
„Nein, nein… das kann doch jetzt nicht… das darf doch nicht….“
„Was?“ unterbrach der Captain.
„Wir haben nicht genug Strom.“
„Bitte?“
„Wir haben nicht genug Strom, selbst wenn ich sämtliche Energie umleite und diese Geothermie Anlage, die eigentlich nur ein bisschen Notstrom produziert auf 300% hochfahre reicht die Energie gerade eben nicht um ein Objekt wie den Mond zu versetzen.“
„Können wir nicht einige von den toten Fuetron nehmen?“
„Keine Chance. So wie es da unten im Moment aussieht würden sie es nicht mal lebend dorthin schaffen.“
„Was ist mit den Proteinreserven aus der Küche?“
„Die haben wir schon verwurstet.“
„Also werden wir sterben.“
Rosenthal nickte.
„Ich gehe“, kam plötzlich Zoes Stimme aus dem Funkgerät.
„Was?“, fragte der Captain.
„Ich gehe. Dr. Rosenthal, bitte errechnen Sie ob die Energie reicht wenn ich mich einsetze.“
„Aber das kann doch nicht ihr Ernst sein!“ begehrte der Captain auf.
„Es ist mein Ernst, Sir. Der Krieg fordert immer Verluste, das wussten wir alle, als wir zum Militär gegangen sind. Und wenn ich mit meinem Leben so viele Leben retten kann, werde ich es tun.“
„Sie sind doch von Sinnen. Außerdem, wenn einer geht, dann bin ich das.“
„Seien Sie nicht albern, Captain. Das können Sie Ihrer Tochter nicht antun. Ich bin soweit ich weiß die Einzige hier, die im Moment schnell genug dorthin kommt, und die keine Verwandten hinterlässt.“
„Sir?“ schaltete sich Rosenthal ein, „Es würde passen, knapp zwar, aber es würde passen.“
„Sind Sie sich wirklich sicher, dass Sie das tun wollen?“
„Ja. Ich bin sicher. Ich komme jetzt herunter, und dann bringen wir es hinter uns.“
Einen Moment später begleiteten der Captain persönlich und Laura, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass der Turm wirklich klappte, und Zoe sich ihrer Sache absolut sicher war, durch den Tunnel in den Generatorraum. Der Captain schüttelte ihre Hand und bedankte sich, für alles, was sie getan hatte, und versprach sich dafür einzusetzen, dass man sie posthum ehren würde.
Laura umarmte sie, innig und traurig, und hinterher hatten beide Tränen in den Augen. Dann trat Zoe in den Konverter, und mit einem finalen Knopfdruck Lauras erstarrte Sergeant Zoe Williamson, United States Air Force, zu einer bernsteinfarbenen Statue. Kein Erschrecken, kein Schmerz zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab.
Im selben Moment fiel Abby zu Boden. Ein Schuss hatte sie gestreift, und ihr den Arm verbrannt. Ein betäubender Schmerz fuhr durch ihren Körper. Auf dem Rücken liegend starrte sie in den Himmel.
Mummy ich komme…, dachte sie, bevor sie in die Bewusstlosigkeit abdriftete.
„Noch zehn Minuten!“ rief Rosenthal durch den Raum und in den Äther, während Jan die letzten Kabel zusammenschloss. Ein Lichtbogen entstand, und eins der Kabel war durch.
„Scheiße!“ schrie er.
„Was?“
„Ich hab in der Eile das Kabel falsch angesteckt und jetzt ist es durch!“
„Fuck!“ brüllte Mary Lu.
„Wie lang ist das Stück?“ fragte Laura.
„Handlang.“
„Nimm irgendwas anderes, einen Metallstab, dicken Draht, was weiß ich. Hauptsache du machst es innerhalb der nächsten…“
„… sieben Minuten!“ ergänzte Mary Lu.
Fieberhaft dachte Jan nach. Dann fiel ihm etwas ein. Da das Kabel nur eine Signalfolge weiterleiten musste, nicht aber die Gesamte Energiemenge, langte er in die Tasche und griff nach seinen Wurfsternen. Schnell verband er zwei davon und lötete die Kabelenden an.
„Noch drei Minuten!“
„Ich hab‘s!“ brüllte er. Dann drückte er auf einen Knopf, der das Panel wieder komplett mit Strom versorgte und nicht nur teilweise. Der Mond wuchs auf eine bedrohliche himmelsfüllende Größe auf den Bildschirmen. Die Soldaten spürten bereits den Wind, der von der durch den Mond verdrängten Luft entstand. Immer noch kamen mehr und mehr Fuetron auf sie zu.
Mary Lu drückte Enter.
Laura legte einen Hebel um, und Zoes Silhouette erglühte in weißem Licht. Funken sprühten aus der offenen Konsole, als Jans Wurfsterne unter Strom gesetzt wurden.
Noch weniger als eine Minute. Der Boden begann zu vibrieren als der Mond immer näher kam. Funken und Lichtbögen erhellten feine Rauchsäulen und tauchten die Portalhalle in zuckende unwirkliche Lichter. Das Kreischen der Überbelasteten Geräte mischte sich mit dem tiefen Brummen des wiederhallenden Berges und den Interferenzen der Funkgeräte. Jans Kopf begann zu schmerzen als ob er gleiche explodieren wollte, als die Elektromagnetischen Wellen den Neurotransmitter störten. Im gleichen Moment sah Rosenthal auf ihren Bildschirm.
Der Countdown läuft.
Ende der Ersten Staffel
Fortsetzung Folgt