Romane & Erzählungen
DAS GESCHENK ( 6 ) - Medicus

Teil 6: Medicus

Länger als zwei Monate ist Berthold schon wieder unterwegs. Es begegnen ihm viele Menschen, die wegen Krankheit Hilfe brauchen würden. Mangels Kenntnissen kann der junge Mann aber nicht helfen. So muss er sich auf tröstenden Zuspruch und Gebet beschränken. Irgendwann beschließt er, sich bei passender Gelegenheit zum Medicus ausbilden zu lassen. Ab diesem Augenblick fühlt er sich am Ziel seiner Suche. Er ist von der kraftvollen Zuversicht erfüllt, für sich seine Berufung gefunden zu haben. Frohen Herzens setzt er seinen Weg fort, beflügelt von seiner Entscheidung. So gelangt er alsbald an die Pforte des Klosters, in dem auch Johannes aufgenommen worden war.

Hier bekommt er auf seine Bitte hin ein Nachtlager und eine Mahlzeit. Nach dem einfachen Mahl begibt er sich in die Klosterkirche zum Gebet. Auf dem Rückweg zu seiner kleinen Kammer begegnet er einem Bruder, der gerade einen Bund frisch geschnittener Kräuter zum Trocknen aufhängen will. Die beiden Männer kommen ins Gespräch und Berthold berichtet von seinem Berufswunsch. Der Bruder beginnt darauf hin zu lachen und erklärt Berthold, dass sie weithin im Land bekannt sind für ihre Heilkräuter und deren Anwendung. Lachend fügt er noch hinzu: „Mein Name ist Theophrast, aber alle nennen mich nur den Kräutertheo. Ich werde den Abt fragen, ob ihr hier bleiben könnt und ich werde euch alle meine Kräutergeheimnisse lehren, sowohl was Anbau und Pflege betrifft als auch das Sammeln von Wildpflanzen und ihre Heilkraft und die verschiedenen Anwendungen. Wenn ihr wollt, werdet mein Schüler. Berthold ist überrascht über dieses Angebot, nimmt es aber gerne an, weil es ihn seinem Traum näher bringt.

Am nächsten Morgen – nach einer vor Aufregung fast schlaflosen Nacht – besprechen sie alles mit dem Abt. Der ist sogleich einverstanden und so bleibt Berthold im Kloster, um alles über die Kräuter und ihre Heilkräfte zu lernen. Das Geschenk des Johannes trägt er immer nahe bei seinem Herzen.

(c) HeiO 12-2010