Anna ist eine gute SchĂŒlerin, das Lernen fĂ€llt ihr leicht. Sie kann schon das ganze ABC und das Rechnen gelingt ihr mĂŒhelos bis zur Zahl 20.
 Eine Sache stimmt sie immer wieder traurig. Sie findet keine Freunde. Die MÀdchen aus dem Dorf wollen zwar mit Anna spielen aber Anna darf nicht. Die Mutter möchte es nicht. Anna soll immer gleich nach der Schule in ihr Zimmer oder sie fÀhrt mit Mutter zum Einkauf in die nÀchste Stadt, welche 10 Kilometer entfernt liegt. Mit dem Bus ist es immer ziemlich schwierig, die vielen Taschen zu tragen.
Der Vater geht ganz frĂŒh aus dem Haus und kommt erst spĂ€t am Abend heim. Er ist ziemlich geschafft und hat keine Zeit fĂŒr Anna. Und am Wochenende braucht er seine Pause, sagt er. Da geht er oft zum FuĂball und in die Kneipe. Oftmals kommt er betrunken nach Hause und dann ist der Streit wieder da, jede Woche.
Anna zieht sich mehr und mehr in ihre kleine Welt zurĂŒck. Manchmal hĂ€lt sie sich auch die Ohren zu, wenn die Eltern zu laut streiten, Dann drĂŒckt sie ihr Gesicht in die Kissen und weint die ganze Nacht.
"Du siehst so mĂŒde aus?", fragt der Vater an einem Sonntag Morgen."Was ist mit dir los, Anna?" Anna schaut ihn nur an und zuckt mit den Schultern. "Ich habe eine Ăberraschung fĂŒr dich, GroĂvater kommt in den Ferien und bleibt 4 Wochen bei uns. Dann kannst du mit ihm viel unternehmen so wie in unserer alten Heimat." Mit groĂen Augen schaut Anna den Vater an und fragt, "unternehmen wir drei auch  was in den Ferien?" "Anna, es tut mir leid, aber ich habe keinen Urlaub bekommen",sagt Vater.
Anna senkt ihren Kopf, damit niemand sieht, das sie weint.
Da passiert es. Voller EnttĂ€uschung wirft sie die TĂŒr hinter sich zu und lĂ€uft weg. Sie kann es nicht verstehen, die ersten groĂen Ferien und keiner hat Zeit. Sie lĂ€uft bis in den Wald hinein und möchte sich nur noch verkriechen. Dann hĂ€lt sie inne, ein Eichhörnchen versucht gerade auf einen Baum zu klettern und Anna denkt, das möchte ich auch können, ganz nach oben, wo mich keiner mehr sieht. Anna setzt sich auf den Waldboden und schaut dem Eichhörnchen zu, bis es nicht mehr zu sehen ist.
Lautes Rufen ist zu hören, welches immer nĂ€her kommt und lauter wird. "Anna, endlich habe ich dich gefunden, ich habe mir groĂe Sorgen gemacht".
Anna steht schweigend auf und geht langsam nach Hause, hinter ihr der Vater.
Zu Hause wartet die Mutter, "geh sofort in dein Zimmer, nur Ărger hat man mit dir." Es kommt kein Nachfragen, ob alles in Ordnung ist oder warum bist du weggelaufen. Anna legt sich auf ihr Bett und schlĂ€ft weinend ein.
Sie schlĂ€ft bis es fast Mittag ist. Irgend ein GerĂ€usch hat sie aus dem Schlaf gerissen, ein Poltern und Klappern. Da ist doch noch eine Stimme, denkt sie. Jetzt hört sie es, der GroĂvater ist da.
Anna bleibt in ihrem Zimmer, sie will keinen sehen. Dann klopft es ganz leise an ihre TĂŒr. "Herein", sagt Anna. "Guten Tag Anna, nun ist es aber Zeit zum Aufstehen." GroĂvater, komm setzt dich zu mir aufs Bett und erzĂ€hle mir ĂŒber die vergangenen Monate." "Hast du Michaela mal gesehen und wie geht es ihr?" "Tut mir leid, mein Kind, seid eurer Abreise habe ich nichts mehr von ihr gehört." "Schade", sagt Anna und steht auf.
Der GroĂvater schaut ihr mit fragendem Blick nach und schĂŒttelt den Kopf. Das Kind gefĂ€llt mir gar nicht, denkt er und geht aus dem Zimmer.
Nach dem gemeinsamen Mittagessen nimmt GroĂvater sein MĂ€dchen, wie er Anna immer nennt, und geht mit ihr in den Wald. "Anna, was ist mit dir, du bist so still, noch stiller wie ich dich in Erinnerung habe?" "Ich weis nicht GroĂvater, sagt Anna. "Aber du wirkst so traurig, schon beinah unglĂŒcklich." Nach einer kleinen Weile platzt es aus Anna heraus. Sie schreit laut. "GroĂvater was soll ich nur tun?" "Sie streiten sich stĂ€ndig, Vater ist jedes Wochenende betrunken und mich, mich vergessen sie alle. GroĂvater ich bin so allein."
GroĂvater ist entsetzt und hockt sich zu Anna auf den Boden. "Anna jetzt bin ich erst einmal da und ich werde mit ihnen reden, so geht das nicht mehr weiter." "Und heute Abend bring ich dich ins Bett und werde dir etwas ganz tolles erzĂ€hlen. Du wirst sehen, wie gut es dir dann geht."
Anna lehnt sich an den GroĂvater, schlieĂt die Augen und fĂ€ngt an zu trĂ€umen. Lange sitzen die beiden so da und genieĂen die Stille, bis es anfĂ€ngt zu dĂ€mmern. "Anna lass uns nach Hause gehen, es wird Zeit, sie machen sich bestimmt schon Sorgen." "Sorgen, die machen sich keine Sorgen, die sind doch froh, wenn ich nicht da bin." "Aber Anna, wie redest du denn?" "Na so ist es doch, die wollen mich doch gar nicht, ich mache doch nur Ărger, sagt Mutter." "Komm mein MĂ€dchen, lass uns gehen."
Zu Hause angekommen, steht das Abendessen schon auf dem Tisch. Schweigend verlĂ€uft das Essen, schweigend das AbrĂ€umen und schweigend geht Anna zu Bett. Der GroĂvater folgt ihr, setzt sich zu ihr und fĂ€ngt an zu erzĂ€hlen.
"Lieber Gott kannst alles geben
gib auch was ich bitte nun,
schĂŒtze diese Nacht mein Leben
und lass mich sanft und sicher ruhn.
Und war der Tag dann schön und gut,
so ist auch gut die Nacht.
und alles schlÀft und alles ruht,
nur Gottes Auge wacht."
"GroĂvater, das ist aber schön. Woher kennst du das Gedicht?" "Das ist kein Gedicht, Anna, das ist ein Gebet an Gott." "Ein Gebet, und wer ist Gott", fragt Anna mit groĂen Augen. "Gott ist jemand, den du nicht sehen kannst, den du aber spĂŒrst und von dem du weist, das er immer ganz nah bei dir ist. erklĂ€rt GroĂvater. "Und am Sonntag gehen wir beide in die Kirche. Da wohnt Gott." "In die Kirche?" "Ist es das groĂe Haus mit dem groĂen Eisentor", fragt Anna. "Ja mein MĂ€dchen, das ist es. Und du wirst sehen, nach der Kirche, geht es dir besser."
Anna lĂ€cheld den GroĂvater zufrieden an und fragt sich: ist das vielleicht ein neuer Traum?