Es war für Anna ein neuer Traum. Ein Traum, der sie sehr beschäftigte. So viele Fragen taten sich auf, über Gott über die Gebete. Aber keiner konnte ihr darauf antworten, denn Großvater war schon lange abgereist. Er fehlte ihr sehr. Sie vermisste sein Wissen, seine Ideen, seine Fröhlichkeit. Großvater hatte ihr versprochen, das sie in den nächsten Ferien zu ihm kommen darf. Und vielleicht sehe ich dann endlich Michaela wieder, denkt sie.
Lange war der Schulalltag wieder eingekehrt. Sie kam gut in der Schule mit und freute sich jeden Tag auf ihre Mitschüler. Anna hatte eine Freundin gefunden. Mit ihr durfte sie jetzt auch nach der Schule spielen. Heike wohnte im selben Ort, nur zwei Häuser weiter. Überwältigt war Mutter nicht von dieser Freundschaft, denn die Eltern waren nur einfache Arbeiter, wie Mutter immer sagte. Aber Anna störte das nicht. Heike war eine tolle Freundin. Sie hatte so viele Ideen und sie zeigte ihr alle Ecken des Dorfes, die viele Leute nicht kannten. Jeder Nachmittag wurde so zu einem Abenteuer für Anna.
Einmal hatten sich Anna und Heike vom Dorf entfernt. Über die Wiesen kamen sie plötzlich ins Nachbardorf. Die Wanderung war so überwältigend, was sie da alles entdeckt haben, das sie gar nicht bemerkten, wie die Zeit verging. Sie begriffen nur, das es langsam dunkel wurde und sie mussten ja noch nach Hause. "Heike das gibt für mich riesen Ärger", sagte Anna. "So schlimm wird es bestimmt nicht, ich komme mit zu deinen Eltern und erkläre ihnen alles", versuchte Heike Anna zu beruhigen. Doch Anna wurde immer stiller, sie hatte richtig Angst, nach Hause zu gehen.
Als Anna mit Heike den Hausflur betritt, riss die Mutter die Tür auf und schrie, "mach das du in dein Zimmer kommst, ich will dich heut nicht mehr sehen, und du Heike verschwinde. Du sorgst in unserer Familie ständig für Unfrieden, wage dich nicht noch einmal hier her." Heike stand wie versteinert und Anna starrte aus ihrem Fenster, hinaus in die Dunkelheit. "Wäre ich doch einfach ganz weggeblieben."
In dieser Nacht konnte Anna nicht einschlafen. Sie lag die ganze Zeit wach und fragte sich immer und immer wieder," was soll ich hier, Mutter mag mich nicht. Keiner mag mich. Großvater wieso bist du jetzt nicht hier"?
Da fiel es Anna ein. In zwei Wochen sind Ferien. Da darf ich zu Großvater, denkt sie. Doch sie hält inne. "Ob sie mich fahren lassen, nachdem was passiert ist"?
Am nächsten Morgen bekam Anna die Antwort. "Anna, du fährst in den Ferien nicht zu Großvater, ich verbiete dir es, weil du gestern zu spät nach Hause gekommen bist. Du wirst auch nicht mehr mit dieser Heike spielen, da kommst du noch vom Wege ab. Die Ferien bleibst du schön zu Hause. Du wirst dich schon beschäftigen." Dann ging Mutter in die Küche und ließ Anna zurück wie ein Häufchen Elend. Anna sank auf die Knie, faltete ihre Hände und sagte ganz leise:
"Lieber Gott,
ich wünsche mir, Großvater wäre jetzt hier."
Mutter trat aus der Küche heraus, "lass den Quatsch Anna, hilf mir lieber. "Das ist kein Quatsch, das ist ein Gebet und Großvater hat gesagt, ich soll beten wenn es mir schlecht geht." "So. hat er das gesagt, noch einen Grund mehr, nicht hin zu fahren, geh jetzt in dein Zimmer, ich habe zu tun."
Anna ging und verließ den ganzen Tag nicht mehr ihr Zimmer.
 Da sie jetzt schon schreiben konnte, kam ihr die Idee, einen Brief an Großvater zu schreiben. Sie erzählte über Heike, über das Gebet, über ihre ganzen Sorgen. Am Ende des Briefes zeichnete sie ein Kreuz und schrieb darunter: "Gott hat mir zugeschaut."
Zwei Tage später nutzte sie die Gelegenheit beim Einkauf, um den Brief in den Briefkasten zu werfen. Jeden Tag wartete sie auf Post, rannte immer zuerst zum Briefkasten. Aber Großvater schrieb nicht. Anna konnte sich das nicht erklären. "Ist der Brief vielleicht nicht angekommen"? Anna wurde immer trauriger, ganze zwei Wochen ist es her. Die Ferien haben angefangen und von Großvater kein Wort. Er mag mich bestimmt auch nicht mehr, denkt sie, als es gerade klingelt. "Was machst du denn hier?" Mutters Stimme klingt verärgert. Wer mag das sein, das Mutter so wütend ist, fragt sich Anna. Anna öffnet einen Spalt ihre Tür. Sie traut ihren Augen nicht und rennt los. "Großvater holst du mich jetzt ab?" Noch eh Großvater antworten konnte, viel ihm die Mutter ins Wort. "Nein, das kommt nicht in frage, bei dir lernt Anna gar nichts, außer sich herum zu treiben."
Inzwischen war Vater auch zu Hause. Sie unterhielten sich alle drei bis spät in die Nacht hinein, bis die Stimmen lauter wurden. Sie stritten sich. Anna hörte wie Vater sagte, "Anna fährt morgen mit Großvater bis die Schule wieder anfängt." Dann flog eine Tür ins Schloss. Am anderen Morgen war Vater nicht da. Doch zwei gepackte Koffer standen im Flur. Mutter reichte Anna eine Rucksack und sagte mit starrem Blick "mach doch was du willst Anna."
Anna verstand nicht, was die Mutter damit sagen wollte. Großvater nahm die Koffer, "komm Anna, wir müssen los."
Schweigend stieg Anna ins Taxi ein, schaute zum Fenster, zur Tür. Doch niemand verabschiedete sich von ihr. "Sei nicht traurig Anna, sie werden bald anrufen, du wirst sehen."
Nach endlosen Stunden Zugfahrt hielt der Zug endlich am Hauptbahnhof. "Großvater das Mädchen da, das ist doch Michaela mit ihrer Mutter." Aufgeregt springt Anna auf, das Rufen von Großvater hört sie gar nicht.
"Michaela, hier bin ich." Die beiden Mädchen fallen sich vor Freude weinend in den Arm und können ihr Glück kaum fassen. "Dein Großvater hat mir gesagt, das er dich für ein paar Wochen nach "Hause" holt und weist du noch, drei Jahre ist es jetzt her." Anna lächelt und sagt,"...wir sehen uns wieder".
Anna geht ein Stück zur Seite, faltet ihre Hände und sagt, "danke lieber Gott."
Michaela nimmt Anna bei der Hand." Anna, die nächsten Wochen gehören nur uns."