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fenstergeräusche. - Quadriga

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"fenstergeräusche. - Quadriga"
Veröffentlicht am 30. Januar 2011, 14 Seiten
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fenstergeräusche. - Quadriga

fenstergeräusche. - Quadriga

Das Tor zum Westen

Heute schreibe ich meine Gedanken einmal nicht von meinem geliebten Fenster sinnierend, sondern von einem Fenster ganz anderer Art: dem antiimperialistischen Schutzwall; auch Berliner Mauer genannt. Ich erinnere mich noch ganz genau, wie ich damals in der letzten Klasse der Schullaufbahn war und wir in diesem denkwürdigen deutschen Herbst nahezu jeden Tag nach der Schule als erstes den Fernseher einschalteten, um die neuesten Entwicklungen aus dem damals noch bestehendem Land mit dem angeblich real existierenden Sozialismus anzuschauen. Das war, mit Verlaub, sehr nervenaufreibend, denn niemand konnte wirklich ahnen, dass sich alles zum Guten wenden würde und ein unrühmliches Stück deutscher Geschichte endgültig der Vergangenheit angehören sollte. Ohne falsche Bescheidenheit möchte ich sagen, es war ein Segen, dass die alten Herren aus Erichs Lampenladen nahezu genötigt wurden, Volkes Willen mit Freiheit auszustatten. Wobei das Wörtchen „ausstatten“ eher ungeeignet erscheint, da sich Volkes Willen eigentlich auto-ausgestattet hat. Sei’s drum, das Ergebnis ist bekannt.

 

Mit den Ereignissen waren auch jene steinernen Zeugnisse Vergangenheit, die so viele unschuldige Menschen mit dem Leben bezahlen ließen. Gott sei Dank ist dieser Spuk vorbei. Ich erinnere mich, wie ich als Junge einmal vor der großen, grauen Betonwand stand und mich schieres Unbehagen beim Anblick der todbringenden Mauer packte und mir die Welt „drüben“ nur unwirklich, bedrohlich und wenig einladend erschien. Alle paar Meter Wachtürme, offene Hundezwinger mit „scharfen“ Tieren, Grenzer mit angeschlagenen Maschinengewehren, Minen und Selbstschussanlagen. Und das alles nur, um den kapitalistischen Klassenfeind fern von der eigenen, fluchtbereiten Bevölkerung zu halten. Ein absurder Gedanke, der sich förmlich aufdrängte. Wie erlösend waren da die Worte des damaligen Bundesaußenministers auf dem Balkon der Prager Botschaft, die von der uneingeschränkte Ausreise der armen Teufel in die Bundesrepublik sprachen. Ich muss gestehen, damals wie heute kommen mir bei den Filmbeiträgen der damaligen Zeit stets Tränen, wenn hunderte Menschen das Glück der Freiheit in einem so ausweglosen Moment geschenkt bekommen und ihre Freude einfach herausschreien.

 

Und während mir die Gedanken kreuz und quer durch den Kopf schossen, stand ich wieder da, nicht an meinem geliebten Fenster, sondern an dieser unrühmlichen Mauer. Es war Sonntag und ich hatte den ersten Ausflug in diesem noch jungen Jahr gemacht und beschloss, mich kulturellen Dingen zu widmen. Und so las ich von einem Freilandmuseum an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze, an dem die alten Grenzanlagen als Museum getarnt dem interessierten Geschichtsbesucher offen standen. Es erscheint wahrhaftig absurd, dass es Fälle gab, in denen die Mauer mitten durch ein fünfzig Einwohner zählendes Dorf errichtet wurde – mit allen militärischen Einrichtungen, die zum antifaschistischen Schutzwall selbstredend dazu gehören – versteht sich. Und wieder standen da die bekannten Wachtürme, der Todesstreifen, die Hundehütten, der Palisadenweg, Panzersperren. Erschreckend.

 

Doch etwas war es an diesem Tag anders als damals. Das Bauwerk auf das ich schaute, hatte seinen Schrecken verloren. Weniger wegen der Tatsache, dass die Teilung des Landes seit nunmehr zwanzig Jahren nicht mehr existiert und die Dorfbewohner sich tatsächlich wieder zusammenfinden konnten. Nein, es war der mentale Schrecken, der von diesem Relikt aus Stacheldraht und Beton ausging. Er war weg. Lediglich ein jämmerliches Antlitz einer Mauer, die mehr nach dem Zaun eines Schrottplatzes aussah, als dem unüberwindbaren Schutzwall, der die Welt über Jahrzehnte hinweg in Atem hielt und die Demarkationslinie für den Schauplatz des dritten Weltkrieges darstellte. Dieses ganze Areal wirkte wie eine Farce und ich war froh, als ich mich wieder auf den Heimweg machen konnte, denn an diesem Ort wollte ich nicht bleiben.

 

Ich hatte meinen Wagen auf der Ostseite der Zonengrenze geparkt und musste schmunzeln, als ich nach dem kleinen Fußweg auf dem Parkplatz angekommen war und das schwarze, amerikanische Automobil mit den Unmengen an Pferdestärken sah, dass ich mir vor kurzem hatte zugelegt. Wenn die Genossen gewusst hätten, dass der Klassenfeind mit seinen kapitalistischen Statussymbolen sozusagen im Vorgarten des Arbeiter- und Bauernparadieses parkten, wären sie vermutlich „not amused“ gewesen, dachte ich. Welch Ironie! Breit grinsend stieg ich in die Karosse, startete den V8 und fuhr über die Zonengrenze gen Westen. Dieses Mal ohne Visum und ohne sich rechtfertigen zu müssen, ein West-Kind zu sein. Aber dafür als Bürger eines freien Landes. Es war ein Tag gelebter Geschichte.

Fernsehen wider Willen

Es war schon später und ich saß wochenendgenießenderweise an meinem Fenster schaute in den kalten Wintertag. Es war bitterkalt und mich fröstelte es. Es war Zeit, dass der Frühling beginnt, denn diese Kälte ging mir dieser Tage ganz gewaltig gegen den Strich. Ich fühlte mich ausgelaugt, in gewisser Hinsicht unwohl in meiner Haut und wünschte mir nichts lieber, als endlich wieder Plusgrade. Und während ich lamentierte und in Selbstmitleid zerfloss, ließ ich meine Gedanken abschweifen und wunderte ich mich, über die Qualität des deutschen Fernsehprogramms, das ich kurz zuvor eingeschaltet hatte. Anscheinend waren die Programmgestalter gewisser Sender ebenfalls überdrüssig der kalten Jahreszeit, denn besagter qualitativer Status Quo ließ, mit Verlaub, zu wünschen übrig. Recht genervt schaltete ich zwischen den Sendern hin und her und gab auf. Ich verstand die Welt nicht mehr, dass man für ein solches Verdummungsprogramm auch noch vierteljährliche Beiträge zahlen sollte. Zur Ehrenrettung des deutschen Fernsehens sollte man hinzufügen, dass ich für gewöhnlich das öffentlich-rechtliche Programm vor dem privaten Angebot bevorzugte. Leider war ich an diesem Tage ausgerechnet über jenes private Angebot gestolpert. Nichtsdestotrotz kam ich nicht umher, einige Eindrücke zu notieren...

 

Der Wetterbericht im deutschen Fernsehen wird bei manchen Sendern durch Sponsoring von Wirtschaftsunternehmen unterstützt; in diesem Fall von einer deutschen Fluggesellschaft. Ad absurdum wird die Sache geführt, wenn die Moderatorin im sehr kurzen Flugbegleiterinnen-Dress der betreffenden Fluggesellschaft unbeholfen umhertippelt und versucht mit Begriffen aus der Flugwelt das Wetter zu erklären: „Das Wetter an unserer Destination Köln wird morgen sonnig. Wenn Sie allerdings nach Hamburg departuren (welch Neologismus!), können Niederschlagsturbulenzen auftreten...“

 

Der homosexuelle Außenminister der Bundesrepublik empfängt die Heiligen Drei Könige am traditionellen Dreikönigstreffen seiner Partei. Das war aber nicht im Sinne des Erfinders, dass die drei Gesandten aus dem Morgenland einen „Homo“ Homo Sapiens beschenken sollten. Man stelle sich die Auswirkungen auf das Abendland vor. Überhaupt scheint das ehrenvolle Außenamt in letzter Zeit zu verkommen... kurz zuvor war es noch von Steinewerfern und Hausbesetzern eingenommen.

 

Freakshow an der Deutschen Börse: Der Designerprototyp eines Bankers in der Midlife Crises berichtet begleitet von heftig zuckenden Auf- und Abwärtsbewegungen seiner Hand über den Kurzverlauf der Wall Street, fasst sich dabei immer wieder hektisch an seine in dickes Schwarz gefasste Markenbrille und faselt etwas von „Big Mama“. Was wollte dieser Mensch wohl zur allgemeinen Berichterstattung beitragen?

 

Proletarier aller Welt vereinigt euch! So lautet verdeckt der Slogan einer politischen Nachfolgeorganisation, die einst Mauern auf deutschem Boden errichten ließ. Seltsam anmutend erscheint es da, dass dem Vorstand dieser Organisation ehemalige RAF-Terroristen beiwohnen und Vorstellungen kursieren, dass ein Staatssicherheitsdienst in der Bundesrepublik eine gute Einrichtung sei. Ganz zu schweigen von marxschen und engelsschen Gesinnungen, die alles gleich macht und manch einen sogar gleicher als gleich und daher mit gewissen Privilegien ausstattet. Mann, was bin ich froh, mich vom Gleichen differenzieren zu können!

 

Estefania! Sarafina! Calantha! Sylvana! (...) rief’s die Treppe hinauf, als eine, sagen wir einmal politisch korrekt, Mutter aus „bescheidenen Verhältnissen“ ihre Kinder zusammen zu trommeln schien. Fassungslos schaute ich in den Flimmerkasten und bekam den Mund nicht mehr zu. Ich staunte Bauklötze. „So“ kann man seine Kinder nennen? Sylvana? Wie eine Rebsorte, aus denen man in Franken Schaumwein herstellt? Das erschien mir wenig prickelnd, eher ekelnd. Und ich sah das arme Kind schon bei diversen kommunalen Ämtern, um nach entgeltlicher Unterstützung zu fragen. An dieser Stelle sei mir ein einziges Mal Polemik erlaubt: Ich mag mich täuschen, aber da scheint die Hartz-IV-Karriere wohl vorprogrammiert.

 

Kinder, deren Traum von der großen Karriere brutal zerschmettert wird. Moderatoren, die sich einen Spaß daraus machen, Jugendliche öffentlich zu diffamieren. Kids, die sich „sexy“ anbiedernd präsentieren und doch nicht merken, dass sie schamlos ausgenutzt, emotional flachgelegt werden und nach einem eventuell möglichen One-Hit-Wonder vor einem psychischen Scherbenhaufen stehen, wenn die harte Realität zuschlägt. Man beachte allein die Reihenfolge der Aussagen nach dem Vorsingen (Neudeutsch: Casting)... „Du bist sehr hübsch.“ „Aufgrund deiner körperlichen Gegebenheiten, ist an dieser Stelle Schluss (Klartext: du kannst zwar singen, aber du bist einfach zu fett).“ Und zu guter letzt nach allen anderen Argumenten: „Lass uns auf deinen Gesang zu sprechen kommen.“ (...) Diese Reihenfolge war wirklich bemerkenswert und mein Musikerherz weinte bittere Tränen, wie die wirklichen Talente verheizt und der schöne Schein als Allheilmittel von einem selbsternannten Heiland der Musikszene propagiert wurde. Ich schämte mich abgrundtief als semiprofessioneller Musiker für eine solche Schande unserer Zunft, denn wirkliche Musikalität hat eben nichts mit „Stars und Sternchen“ zu tun, sondern ist viel harte Arbeit mit Tonleitern, Quintenzirkeln und anderen dorischen, harmonischen und melodischen Dingen, deren Talente behutsam ausgebildet werden wollen – dann klappt’s auch mit den wohltemperierten Tonhöhen.

 

Ich glaube, ich hätte an diesem Tage ewig weiter schreiben und die seltsamen Dinge dokumentieren können, die mir beim „Zappen“ widerfuhren, doch ich lasse es lieber. Ich würde sonst in die Gefahr kommen, am Menschen an und für sich zu zweifeln. Und so zog ich es vor, mich in mein Fenster zu setzen und naiv-glückselig in die Ferne zu schauen. Nur vergaß ich, den Fernseher auszuschalten und fiel beinahe aus dem Fensterrahmen, als meine Ohren nach der Tagesschau von einem Winterfest der Volksmusik belästigt wurden, das von einem gewissen Herrn Silbereisen veranstaltet wurde. Frohsinn nach Regie-Angaben. Spontan wünschte ich mir Zensur! ;-)

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UteSchuster Re: Re: bei aller Nachdenklichkeit, wäre ich doch bald mit dir aus dem Fenster gefallen -
Zitat: (Original von MikDenter am 30.01.2011 - 19:57 Uhr)
Zitat: (Original von UteSchuster am 30.01.2011 - 19:49 Uhr) was kann einen Samstag mehr krönen, als das Fest der Volksmusik ;-)

Ich frage mich immer, ob dieser Kelch an mir vorübergeht oder ob ich ihn mir doch irgendwann mal an die Lippen setze ;-)

Nein sicher nicht ;-))

Liebste Grüße

Ute


Hello Ute,

sei froh, dass der Kelch an dir vorüber gegangen ist. Das hält man ja im Kopf nicht aus. ;-)))

Liebe Grüße, Micha



du hast es doch auch überlebt ;-)
Vor langer Zeit - Antworten
MikDenter Re: bei aller Nachdenklichkeit, wäre ich doch bald mit dir aus dem Fenster gefallen -
Zitat: (Original von UteSchuster am 30.01.2011 - 19:49 Uhr) was kann einen Samstag mehr krönen, als das Fest der Volksmusik ;-)

Ich frage mich immer, ob dieser Kelch an mir vorübergeht oder ob ich ihn mir doch irgendwann mal an die Lippen setze ;-)

Nein sicher nicht ;-))

Liebste Grüße

Ute


Hello Ute,

sei froh, dass der Kelch an dir vorüber gegangen ist. Das hält man ja im Kopf nicht aus. ;-)))

Liebe Grüße, Micha

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UteSchuster bei aller Nachdenklichkeit, wäre ich doch bald mit dir aus dem Fenster gefallen - was kann einen Samstag mehr krönen, als das Fest der Volksmusik ;-)

Ich frage mich immer, ob dieser Kelch an mir vorübergeht oder ob ich ihn mir doch irgendwann mal an die Lippen setze ;-)

Nein sicher nicht ;-))

Liebste Grüße

Ute
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MikDenter Re: -
Zitat: (Original von Mediocre am 30.01.2011 - 17:31 Uhr) Ich habe nur drübergelesene, scheint von guter Qualität zu sein. Angelika


Hallo Angelika,
vielen Dank für das Kompliment. Die Fenstergeräusche sind zwar nicht unbedingt literarisch wertvoll, aber schreiben halt diverse Gedankengänge beisammen, die eben am Fenster mit mir durchgehen. ;-)
Viele Grüße, Micha
Vor langer Zeit - Antworten
Mediocre Ich habe nur drübergelesene, scheint von guter Qualität zu sein. Angelika
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