Kurzgeschichte
Our Time Is Running (Out)

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"Our Time Is Running (Out)"
Veröffentlicht am 20. Januar 2011, 6 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Ich bin ein Honigkuchenpferd, Honigkuchendachs, Honigkuchen, oder einfach nur Ich. http://www.rdedition.com/ http://honigkuchendachs.wordpress.com/
Our Time Is Running (Out)

Our Time Is Running (Out)

Als ich neulich so über die Straße ging und meine Kopfhörer aufsetzte, merkte ich plötzlich, wie von rechts ein Auto auf mich zuraste. Erste Reaktion: Stehen bleiben. Natürlich. Dann schoss blitzartig ein Gedanke durch meinen Kopf: Was, wenn mein ipod den Unfall übersteht und Leute meine peinlichen Justin Bieber Lieder darauf entdecken? Würden sie sich lustig machen?

Als konnte der Fahrer Gedanken lesen, bremste er vor mir ab. Diese Schmach wollte er mir anscheinend ersparen. Ich ging beruhigt weiter, als ich meine Straßenbahn an mir vorbeifahren sah. Ich rannte ihr blindlings hinterher, mitten auf der Straße, was anscheinend den Anstoß für ein Hupkonzert gab. Autofahrer, also wirklich. Als ich mich dann keuchend in den Sitz fallen ließ, spielte mein ipod gerade „Time Is Running Out“ von Muse. Tja, manchmal ist das Leben wie im Film!

Auf dem Weg zur Universität ging ich an vielen interessanten Läden vorbei. Sonst schenkte ich sowas kaum Beachtung, aber ich war diesmal auf der Suche nach einer Taschenlampe. Interessant, sobald man Ausschau nach etwas hält, realisiert man erst richtig seine Umgebung. Und dass es immer dann keine Elektronikläden gibt, wenn man eines braucht. Sonst sind die Straßen überschwemmt mit mehr oder weniger obskuren Ramschläden, in denen du von Plastikenten bis zum Dampfgarer alles bekommen kannst. Bei meinem Spaziergang sah ich eine dicke Frau, die wie paralysiert in eine Süßwarenauslage starrte. Würde sie dem Drang nachgeben? War sie vielleicht gerade auf Diät und testete sich selbst? Würde sie vielleicht in mir ein vorzügliches, kalorienreduziertes Mahl sehen? Ich beschleunigte meine Schritte. Das war kein angemessener Augenblick um ins Gras zu beißen. Man würde man die Durchfalltabletten in meiner Plastiktasche finden. Was würden die Leute nur von mir denken?! Und wenn sie weitersuchen würden, käme dann noch das feuchte Toilettenpapier und ein rosa Schwein als Eieruhr zum Vorschein. Heute ist kein guter Tag zum Sterben. Und ich sollte unbedingt meine Tasche ausmisten.

Wenn ich meine Wohnung verlasse, überlege ich mir jedesmal, welche Persönlichkeit ich heute auslebe. Manchmal bin ich das schüchterne Mädchen, dem jedes Wort schrecklich peinlich ist. Manchmal bin ich die verletzte Liebhaberin, die nur schwer ihre Tränen zurückhalten kann. Meine Lieblingspersönlichkeit ist die arrogante Diva: Sie rempelt Leute an, ohne sich zu entschuldigen und trägt ihre Nase ganz weit oben. Übertriebene Gestik und Mimik zählt zu ihren Erkenntnismalen. Aber sollte ich mal darauf vergessen zu spielen, bin ich dann doch nur ich. Das hippe Indie Mädchen, mit den schicken Kopfhörern, meist mit einem Lächeln auf den Lippen. Oder die abgefuckte Goa-Braut, mit den Baggypants und der tätowierten Grinsekatze. Oder die schicke Bobo Göre, mit den Röhrenjeans und hochhackigen Schuhen. Mäntel ausschließlich bei Zara erstattet.

Suchs dir aus.

Neulich hatte ich einen grandiosen Einfall für einen Roman, basierend auf dem Motiv des Don Quijote: Ein Mädchen, das zu viele literaturwissenschaftliche Texte liest und dadurch verrückt wird. Allerdings ist mir dann eingefallen, dass ich das ja bereits mache. Als ich dann so herumphilosophierte, was denn „verrückt“ nun eigentlich bedeutet, wurde mir klar, dass wir es alle sind. „ver-rückt“, im Sinne einer Weiterentwicklung, einer Abweichung von dem, was wir selbst als „normal“ diagnostiziert haben. Da all diese Begriffe aus unseren eigenen, selbstauferlegten Konventionen entstammen, ist die Bedeutungsvielfalt also unendlich.

Such dir eine aus.

 

 

 

 

 

 

 

I wanted freedom
Bound and restricted
I tried to give you up
But I'm addicted

 

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Honigkuchenpfe
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Honigkuchenpfe Re: - das hat mir den sonntag definitiv angenehm gemacht!
vielen lieben dank für die netten worte!

liebste grüße
chrisi
Vor langer Zeit - Antworten
Honigkuchenpfe Re: Re: Re: Hihi, wann immer ich... - Und ich hab einen Riecher dafür, wie ich genau das gegenteil davon mache :-P
Ich finde, wir sollten zusammenarbeiten. Du bringst die Fäden, ich die Nadel!
Ja ne Zigarette im Mundwinkel wäre grenzgenial! Ich kann dir mal eine borgen. Nur fürs Foto. Natürlich.
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Re: Re: Hihi, wann immer ich... -
Zitat: (Original von Honigkuchenpfe am 20.01.2011 - 23:36 Uhr) Du bist mir vielleicht einer! Rat mal, wie ich die Geschichte eigentlich nennen wollte und wo sie enden sollte :-P
Aber weil das eben so ersichtlich und logisch wäre, eben nicht.
EIgentlich ist die Geschichte auch Teil einer größeren, aber was solls, ich werfs gern in kleinen Happen in die See.
Viel Spaß beim Fädensuchen und ich freu mich übers Geschmunzle ;-)

Liebste Grüße
Madame, die dazu neigt, sehr lässig ihre Zigarette wegzuschnippen

Ach, guck an, ich hab eben einen Riecher dafür, wie so'n Text aufgezogen sein sollte, jepp. :-) Und so 'ne Zigarette würde sich bei mir im Mundwinkel auch gut machen, hab ich mir mal überlegt. Allerdings find ich das Rauchen dazu so blöde. Na ja, man kann nicht alles haben.
Vor langer Zeit - Antworten
Honigkuchenpfe Re: Hihi, wann immer ich... - Du bist mir vielleicht einer! Rat mal, wie ich die Geschichte eigentlich nennen wollte und wo sie enden sollte :-P
Aber weil das eben so ersichtlich und logisch wäre, eben nicht.
EIgentlich ist die Geschichte auch Teil einer größeren, aber was solls, ich werfs gern in kleinen Happen in die See.
Viel Spaß beim Fädensuchen und ich freu mich übers Geschmunzle ;-)

Liebste Grüße
Madame, die dazu neigt, sehr lässig ihre Zigarette wegzuschnippen
Vor langer Zeit - Antworten
PhanThomas Hihi, wann immer ich... - ... versuche, bei dir den roten Faden zu finden, krieg ich eins auf die Mütze. :-D Manchmal hab ich das Gefühl, ich hätte ihn, aber dann ziehst du ihn mir wieder weg. So auch hier. Ich hätte die Geschichte an der Stelle enden lassen wollen, an der dein Erzähler meint, dass er bzw. sie mal die Tasche ausmisten sollte. Und dann hätt die Geschichte »Kein guter Tag zum Sterben« heißen sollen. Andererseits macht die Skurrilität (Hach, mein Wort!), dass es danach doch noch irgendwie weitergeht, dich ja auch aus. Also ich hab doch eben sehr schmunzeln müssen, Frau Grinsekatze. ;-)

Liebste Grüße
Thomas
Vor langer Zeit - Antworten
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