Kurzgeschichte
Die Katze

Die Katze

Vor meinem Fenster schläft die Sonne.
Sie hat sich zwischen den Sturmwolken eingerollt wie eine Katze; nur ihre spitzen Ohren ragen über den Rand ihres graublauen Nests. Lindenzweige streichen ihr sanft durchs regennasse Fell und sie schnurrt leise. Sie denkt gar nicht daran aufzuwachen und durchs Himmelsgewölbe zu wandern. Sie hat keine Lust, mit ihren samtigen Pfoten die Welt aus dem Winterschlaf zu rütteln, sie möchte nicht den Schnee von den Dächern schlürfen und hübsch aussehen, damit alle sich über sie freuen können. Sie will noch schlafen, nur noch fünf Minuten… bis die Schreie der wiederkehrenden Zugvögel sie wecken. Dann wird die Sonnenkatze aus den wattigen Kissen aufstehen und sich strecken und recken, sich das golden schimmernde Fell putzen und ihrer Arbeit nachgehen, für die sie niemand bezahlt. Scheinen und leuchten, Pflanzen zum wachsen und Menschen zum Lachen bringen, Wasser verdunsten lassen, die Zeit anzeigen… sie hat so viele Aufgaben.
Sie seufzt, dass sich die Zweige in dem Hauch biegen und dreht sich noch einmal im Wolkenbett um. Ich frage mich, was sie wohl träumt, während ich Vogelfutter auf mein Fensterbrett streue. Vielleicht von Eis und Frost und vom kalten Nordwind, den sie nie in ihrem Fell spüren wird...