Kurzgeschichte
Und der Himmel ist rot

Ich sitze auf dem Sofa, still, regungslos. Meinen Blick richte ich konzentriert auf den Nagel in der Wand. Das Bild, das dort hing, ist Vergangenheit, genau wie sie. Ich konzentriere mich weiter auf die Wand, nur um nicht zur Seite schauen zu müssen, wo sie liegt.

Warum  musste er sie mit in unsere Wohnung bringen? Er hätte sich doch denken können, wie ich reagiere. Klar, sie konnte nichts dafür. Und obwohl ich erleichtert bin, dass sie tot ist, tut es mir leid. Es hätte nicht so kommen müssen. Ich wollte ihr junges Leben nicht beenden, aber in der Situation konnte ich nicht anders. Es war bestenfalls Totschlag, so im Affekt. Klar, ich könnte mir einreden, dass es Notwehr war, aber ich war ja nicht wirklich in Gefahr. Eigentlich hatte er Schuld. Er wusste doch, wie ich auf ihre Anwesenheit reagieren würde.

Ich gehe die Szene noch mal durch, möchte begreifen, wie es so weit kommen konnte.

Ich kam nach Hause. Mein Mann war schon da. Er saß auf der Erde und strich ihr zärtlich über den Rücken. Ich blieb im Türrahmen stehen, völlig geschockt. Diese langen schwarzen Haare. Und diese Beine. Wie kann man so lange Beine haben? Er grinste mich an. Plötzlich kam sie auf mich zu, langsam, ganz langsam. Sie wirkte bedrohlich. Ihr Blick, ihre Augen – wie sie mich anstarrten. Wenn sie bloß nicht so gucken würde. Weiter schritt sie auf mich zu. Ich wich einen Schritt zurück, aber sie ließ sich nicht beirren. Sie ging immer weiter, zwar langsam, aber stetig. Ich wollte schreien, doch ich brachte keinen Ton hervor.

Plötzlich erwachte ich aus meiner Körperstarre. Ich ging einen Schritt nach vorne. Zum Glück hatte ich noch meine dicken Stiefel an. Ich hob den Fuß – und trat auf sie. Nun lag sie da, platt. Komischerweise hat sie kaum Blut verloren. Selbst der Himmel zeigt mehr rot als sie.

Irgendwie tat es mir leid, aber er wusste, dass ich Angst vor Spinnen habe. Hatte ich schon immer.

Mein Mann war stinksauer und verließ die Wohnung. Ich sitze immer noch auf dem Sofa und richte endlich den Blick zur Seite. Sie liegt noch da. Eigentlich sieht sie gar nicht mehr so bedrohlich aus. Endlich stehe ich auf, hole Schaufel und Kehrblech, entferne die Spinne und werfe sie in den Mülleimer. Erst zwei Stunden später geht die Tür auf und mein Mann kommt zurück.