Ja, ich hab es erlebt. Ich spürte die Qualen der Liebe mit jeder Faser meines Herzens.
Es war tiefe und einmalige Liebe. Sie war ein Engel und ein Wort von ihr hätte genügt, ja ich gestehe, ich war bereit es zu tun, den Boden abzulecken auf dem sie ging. Ich war ihr verfallen und kurz davor, so wie viele andere, gut konditionierte Ehemänner auch, zum Zigarettenautomat zu gehen um dann für immer in der dunklen Nacht zu verschwinden. Zum Glück wusste sie nicht wie weit ich gehen würde. Sie fand andere Mittel mir ihre Liebe zu zeigen.
Ich war angenehm überrascht, als mir meine phantasievolle Geliebte wie beiläufig den harmlos klingenden Satz ins Ohr flüsterte: „Schatz, wir (unauffällig-abschätzender Blick von oben nach unten und wieder zurück) müssen für dich mal wieder ein paar neue Hemden und Sweatshirts kaufen!“
„Was für eine gute Seele sie doch ist“ ging mir im ersten Moment durch den Kopf. Der Gedanke, dass sie nur mein Bestes will, erzeugte ein beruhigendes Hochgefühl. Obwohl, einen kurzen Moment dachte ich: „Ob sie mich vielleicht unattraktiv findet?“
Aber die Zweifel waren schnell weggeblasen, denn ich war verliebt und arglos. Mental berührt und auch höchst motiviert, schloss ich aus dem Satz, dass jetzt der Prozess der heimlichen Legalisierung unseres illegalen Verhältnisses beginnen soll.
„Liebling, wenn du meinst, wann ist dein Mann wieder auf Geschäftsreise? Dann können wir ja mal einen Einkaufsbummel machen“ war meine neutral, aber doch beschwingt formulierte Einverständniserklärung.
„Schatz, du bist der Allerbeste!“ War der freudig umhalsfallende Ausruf, ohne dass ich die ganze Tragweite des Satzes begriff. Immerhin muss man ja wie bei sportlichen Wettkämpfen aktuelle Vergleichsmöglichkeiten haben, um das Prädikat „der Allerbeste“ verleihen zu können. Aber darüber machte ich mir in meiner Arglosigkeit keine Gedanken. Frohgemut ging ich, zusätzlich überzeugt von einem tiefen und treuherzigen Blick aus den ehrlichen, blitzblaugrauen Augen, auf den selbstlosen Vorschlag ein. Intuitiv war mir in meiner emotionalen Vorfreude bewusst, dass Geiz in so einer Situation ziemlich ungeil wäre. Ich war ohne nachzudenken bereit, nicht nur in mich und mein ästhetisches Labsal, sondern auch in meine hingebungsvolle Geliebte zu investieren.
Obwohl, für einen kurzen Moment dachte ich an die Prioritäten. Die mir zugewiesene Rolle des heimlichen Lustspenders beinhaltete zwar allerlei Freuden, aber nicht die Wartungs- und Unterhaltsinvestitionen. Nüchtern betrachtet war es die Aufgabe ihres Ehegatten für Nahrung und Kleidung zu sorgen. Aber in der Liebe gibt es keine Ordnung und darum sah ich es als eine Art erster Bewährungsprobe meiner bedingungslosen Hingabe und meiner Potenz, der finanziellen.
Liebe empörte und sittenstrenge Leserin, verehrter wissender und erfahrener Leser, Ihre Vermutung ist richtig. Der Autor war zum fraglichen Zeitpunkt etwas älter, und Petra war, wie sie vielleicht schon vermutet haben, sehr viel jünger und sich ihres schmückenden Wertes intui- und manipulativ bewusst. Aber Sie müssen sich nicht um mich sorgen. Ich war und bin nicht so ein verliebter Trottel, der sich in einem letzten Anfall von zweitem Frühling von einer flittchenhaften Liebschaft irreleiten lässt. Und verkleiden wie ein Pfingstochse ließ ich mich schon gar nicht. Noch hatte ich alle meine ästhetischen und finanziellen Sinne zusammen, dachte ich.
Wenn Frauen einkaufen, soll es ja wie man allgemein hört, für Männer eine Qual sein. Ich behaupte, die Qualen befallen ausschließlich verheiratete Männer. Das hat seinen Grund. Man kennt die Ausgabegewohnheiten der Angetrauten und der Einkaufsvorgang ist eine mehr oder weniger lästige Pflicht zur Vorratsergänzung unter Berücksichtigung des verfügbaren und meist zu geringen Kapitals. Verheiratete Männer im mittleren Alter, die vom Ehe-Alltag abgestumpft dahinvegetieren, und die mit Umsicht und Bedacht eine leidenschaftliche Affäre kultivieren, verhalten sich vollkommen anders. Sie verfallen in eine Art hedonistisch-waghalsiges Sorglosigkeitssyndrom. Man kann dieses Verhalten auch mit dem berühmten „Spiel mit dem Feuer“ bezeichnen. Das Spiel mit dem Feuer beginnt dann, wenn die optisch attraktive Affäre über eine gewisse Zeit, so etwa ein halbes Jahr, nicht aufgeflogen ist. Man(n) wird mutiger und hat gelernt, mit dem Sprengstoff und den Gefahren einer jederzeit möglichen Explosion umzugehen. Außerdem spielt der männliche Geltungstrieb unter Berücksichtigung quälender Augenleiden unter Berücksichtigung des grauen Ehealltags eine besondere Rolle. Solche Konstellationen sind dann besonders brisant, wenn die Affäre im Vergleich zu der legalen Verbindung, und entgegen der sonstigen Gewohnheiten nach Unauffällig-Neutralem sehr vorzeigbar ist. Es ist wie mit den Autos. Zur Fahrt ins Büro, oder um die Kinder von der Schule abzuholen nimmt man die Familienkutsche. Praktisch, robust, unauffällig und preisgünstig. Den sündteuren Sportwagen lässt man besser in der Garage, weil es einfach obszön wäre, sich damit bei Tageslicht zu zeigen. Andrerseits, wer hat schon mit einem Traktor viel Spaß. Einige Landwirte in abgelegenen Gegenden und Naturfreaks, die einsam im Regen die Furchen ziehen vielleicht. Aber die richtige, die männliche Freude kommt nur auf, wenn man an schönen Sonnentagen voller Stolz zeigen kann, dass man so eine Höllenmaschine besitzt und mit den sich entwickelnden Kräften umgehen kann. Oder anders ausgedrückt: Nur richtige Männer bringen den Mut auf so etwas zu reiten.
Bei mir traf das alles zu, denn Petra war zum damaligen Zeitpunkt äußerst vorzeigbar und das Einkaufserlebnis versprach das Vergnügen demonstrativen Konsums. Ich war bereit, und dafür schäme ich mich auch heute noch, einem zwingenden Bedürfnis nachzugeben und eine egoistische Botschaft auszusenden: „Ihr Ehekrüppel, seht euch meine Beute an, ich bin der Größte, ich kann sie mir leisten.“
Mehr wollte ich nicht. Petra verstand meine Sehnsüchte. Mit einem gütigen Lächeln dachte sie: „Ich werde ihn Mittagessen nennen.“
Freuen Sie sich jetzt mit mir auf einen Einkaufsbummel der besonderen Art.
Shoppen ist für Frauen situationsbedingt ein zwiespältiges Erlebnis. Der weibliche Teil eines Ehepaars achtet auf das familiäre Geld. Mann und Frau halten es zusammen, jedenfalls im Allgemeinen. Zwei shoppende Freundinnen verhalten sich wieder anders, mehr bummelig suchend, um dann ein verträumtes Vor- und Nachmittägchen ohne größere Geldausgaben im Cafe zu beenden. Einzelne Männer gehen los und erwerben das, was zu erwerben beabsichtigt war. Aber eine ausgeführte Affäre erkennt intuitiv die Gunst der schwachen Stunde. Es geht darum, und das scheint ein weiblicher Urinstinkt zu sein, der legitimen Verbindung unter Aufbietung aller bekannten und unbekannten psychologischen Tricks, den verfügbaren Anteil zu entreißen und damit die Lebensgrundlage zu entziehen. Affären in männlicher mäßig- bis gutsituierter Begleitung verwandeln sich in Sekundenbruchteilen in reißende Werwölfinnen, die skrupellos die männliche Geberhand zerfleischen, wenn die Kreditkarten nicht schnell genug gezückt werden. Das wusste ich nicht, denn ich war verliebt und darum übergab ich meiner angebeteten Petra vertrauensvoll die strategische Teamleitung und sie bestimmte die Einkaufsstätten nach einem uralten, und ich vermute genetisch bedingten Code.
Vorzugsweise und ganz zufällig werden solche ausgesucht, die vom Sortiment erlesen und daraus resultierend teuer, und eine größere Auswahl hochmodischer Kleidungsstücke für Mann und Frau gleichermaßen vorrätig haben. Außerdem bei jungen Frauen total angesagt sind. Ich bekam den Part des Investors zugewiesen und vergaß vor lauter Freude den Rat eines bekannten Industriellen „Investoren sind dumm und frech, sie wollen ihr Geld wieder sehen und sie wollen etwas dafür haben.“
Das Humankapital, in diesem Fall der Autor und seine überaus vorzeigbare Begleitung, betreten Arm in Arm eine dieser durchgestylten Einkaufsstätten. Leise Musik empfängt uns, die Besucher, und mich trifft der erste Satz vollkommen unvorbereitet: „Schatz guck mal da, die find ich toll!“
Wie befohlen gucke ich.
Petra steuert (mit dem souverän wirkenden Autor als noch benötigtes, aber eigentlich lästiges Anhängsel im Schlepptau) zuerst einmal, vermutlich um mich in Sicherheit zu wiegen und gegen meinen inneren Drang nach Wohlfeilem, zielstrebig auf die chromblitzenden Regale mit den hochmodischen Sweatshirts zu.
„Oh Schatz, das sieht geil aus.“ Dann nach einer kurzen, nachdenklichen Pause: „Die stehen dir bestimmt gut.“
Es ist die emotional erregt klingende Stimme, die mich willenlos macht, weil an anderes denken lässt. Einen kurzen Moment sehe ich vor meinem geistigen Auge einen jungen Wuschelhund, der das erste Mal in seinem Leben auf einer Wiese herumtollt und den man irgendwie niedlich findet. Am Anfang lässt man noch alles durchgehen. Oft merkt man, leider viel zu spät, welche Fehler man im Unterricht gemacht hat. Sie erraten es, aber klar doch? Jede Nachlässigkeit in der Erziehung und in der Liebe verkehrt die Kräfte ins Gegenteil.
Es werden für mich unmündiges Opfer, einige (bitte beachten Sie die Mehrzahl) Shirts ausgesucht, die niemand (und ich schon gar nicht) mit wachem Verstand anziehen würde, denn ich bin keine Neunzehn mehr.
Und jetzt kommt die hinterlistige Falle, vor der ich Sie, liebe männliche und darum unerfahrene Leser eindringlich warnen möchte. Falls Sie jemals in eine ähnlich gefährliche Situation geraten sollten, achten Sie wie beim Schach auf den ersten Spielzug. Wenn Sie dabei unachtsam sind und nicht mitdenken, ist alles verloren. Sie müssen in jeder Sekunde das Spiel aktiv führen und dürfen sich niemals in die Defensive drängen lassen. Auch wenn Ihre Augen etwas anderes sehen.
Diesen Rat kannte ich damals noch nicht, und die strategische Okkupation der viel jüngeren Dame beginnt mit dem Satz:
„Schatz, die sind super, ich zieh die mal für dich an, damit du siehst, wie die aussehen.“
Welcher Mann könnte schon widerstehen, wenn der zweite Satz mit einem unschuldigen Augenaufschlag (Sie erinnern sich an die blitzblaugrauen Augen), und einer leicht vibrierenden, etwas abgesenkt, betont lockenden Stimme gesprochen wird: „Schahaatz, komm doch mit in die Umkleidekabine, dann musst du nicht draußen allein rum stehen.“
„So viel Mitgefühl muss echte Liebe sein“ dachte ich.
Als aufgeklärter und phantasiebegabter, männlicher Leser erraten Sie bestimmt, was jetzt folgt. Es gehört zum Standardtraumrepertoire jedes gestandenen und auf ehelicher Sparflamme halbgar gekochten Mannes. Auch ich ging in die Falle.
In der engen Umkleidemöglichkeit findet folgendes statt: Zuerst wird langsam die Bluse aufgeknöpft und danach ausgezogen. Dazu muss natürlich auch die Jeans aufgeknöpft werden. Danach bückt sich meine wunderschöne Pretty-Woman.
Verehrte schockierte Leserin, geschätzter Leser, ich weiß, die katholische Kirche und Kaufhäuser sehen „a tergo“ nicht so gern. Aber was sollte ich, der verliebt-ahnungslose Begleiter machen, angesichts solcher Rundungen. Und dann dachte ich an die alte Handwerkeregel: „Tue das Gute mit der Hand und mit dem Mund“ oder so.
„Schaaatz, guck mal.“ Meine Brille ist zwar wegen der bedrückenden Enge etwas verschoben und beschlagen. Aber ich gucke, wie sie es mir sagt.
Die Shirts für mich stehen ihr wirklich gut. Es war eine Situation, in der man erste Schwächen überspielen und Entscheidungen treffen muss.
Das Ergebnis dieser Einkaufsejakulation, die, wie Sie sich sicher erinnern für den Besten unter Vielen und nur zu meinem Besten war, kann man nur mit allgemeinen Wohltaten beschreiben. Es ist der aussichtslose Kampf zwischen meinen kleinen Genüssen und dem unerwartet großen Limit meiner Kreditkarten.
Sie meinen, ich hätte mich falsch verhalten? Soll ich über mein Verhalten nachdenken? Mich über meine Liebe beschweren? Das kann niemand von mir verlangen.
Ein weiterer, ich nehme an, typisch männlicher Traum, ging in Erfüllung. Ich kam nicht nur in den Genuss eines kurzen Handyquickies in Verbindung mit einem schnellen Blow-Job. Ich durfte mich sogar, matt wie ich mich nun mal fühlte, mit fünf (oder mehr, ich weiß es nicht mehr so genau) großvolumigen Einkaufstüten (ungefährlich) und einigen kleineren (gefährlich weil teurer Inhalt) abschleppen.
Über den Inhalt der Einkaufstüten machte ich mir noch keine Gedanken. Als Mann muss man einfach mal hin und wieder etwas wagen. Aber nach meiner Erinnerung waren sie mit Folgendem befüllt: Zwei Sweatshirts und zwei Jeans für mich. In den restlichen vier Tüten waren dann noch einige Kleinigkeiten für die Süße, da ich ja nicht als knauseriger, alter Egoist dastehen wollte.
Wenn Ihnen, verehrter und sparsamer Haushaltsvorstand, meine Geschichte jetzt schon als nicht zu steigernde Folter erscheint, dann muss ich Sie leider enttäuschen. Es gibt immer noch Steigerungen, auf die kein normaler (männlicher) Mensch mit wachem Verstand jemals kommen kann.
Auf dem Umweg (beladen mit den Einkaufstüten) durch die Damenwäscheabteilung lauern weitere Gefahren.
Unsensible Männer und miederschlüpfertragende Allerweltsfrauen können das nicht beurteilen. Aber für sensitive Männer bedeutet die Ansammlung von luftigem Nichts eine ernste, finanzielle Gefahr. Die Gefahr wird noch verstärkt, wenn der Geliebte seiner Geliebten alle Details seiner freudlosen Ehe erzählt hat. Frauen, die sich in Affären befinden, haben einen vergrößerten Speicherchip für Benachteiligungen jeder Art und suchen früher oder später den Ausgleich.
„Guck mal Schatz, da gibtÂ’s die gleichen Seidenstrümpfe, die deine Frau auch immer anhat!“ Und schon schnappt die Falle zu. Ein unüberlegt gesprochener Satz vor vielen Monaten. Ein kleines Klagen in schwachen Stunden über die Verschwendungssucht meiner Ehefrau. Nichts ist vergessen. Jeder unbedachte Satz wird zur Herausforderung und zur Ermahnung an die finanzielle Gleichstellung meiner Frauen. Ältere und in den vielfältigen, zwischenmenschlichen Konstellationen erfahrene Dessous-Verkäuferinnen kennen dieses Phänomen und halten nur zu diesem Zweck vom Besten das Teuerste bereit. Ich hing in der Dessous-Abteilung fest, zu der Mann ja ein erregend-beklemmendes Verhältnis hat. Welcher echte Mann kann schon dem sehnlichsten Wunsch nach einem aufregend-hauchdünnen Korsett, englisch, handgearbeitet und büstenhebend mit allen Zutaten widerstehen, wenn es doch ganz selbstlos einem guten Zweck, der ästhetischen Freude des Investors dienen soll.
Und jetzt endlich, an diesem geheiligten Ort, zwischen duftigen Körbchen, winzigen Strings und hauchzarten Kleinigkeiten habe ich endlich das Prinzip der Liebe verstanden. Liebe ist der Zwang des Nützlichkeitsprinzips unter Berücksichtigung der Gewichtung. Oder anders ausgedrückt: Männer müssen früher oder später bluten, sonst bockt das Weib.
Ich weiß, was Ihnen jetzt durch den Kopf geht, aber es ist nicht so wie Sie denken. Der Autor gehört keinesfalls zu der willensschwachen Sorte Mann. Im Gegenteil, mir wurde oft bestätigt, dass ich die Hinterlist selbst harmlos erscheinender Situationen schnell durchschaue und die natürlichen Hürden eines schweren Lebens mit Bravour meistere. Aber wie ich aus verlässlichen Quellen und durch die intimen Geständnisse vieler betroffener, und fast immer finanziell ruinierter Männer erfahren habe, sind solche heimtückische Situationen alltäglich. Die meisten Frauen kennen die Beziehung des männlichen Willens zur Sinnlichkeit, die in solchen Situationen anschwillt und größer ist, als die zum virilen Verstand. Und sie nutzen diese kleine Schwäche brutal und schamlos aus. Darum möchte ich Ihnen den Schluss der Geschichte nicht vorenthalten.
Wie Sie vielleicht noch wissen, waren ich und meine wunderschöne Geliebte zum damaligen Zeitpunkt noch anderweitig verheiratet. Zum besseren Verständnis, jeder von uns mit einem anderen Partner. Aus diesem Grund wurden die erbeuteten Schätze in einem diskreten Hotelzimmer anprobiert. Die vier (nicht wie ich irrtümlich annahm zwei) sündteuren Sweatshirts standen ihr eindeutig besser, als mir. Mit den zwei Jeans hatte ich mich auch ganz klar verkauft. Vermutlich lag es an unserem kurzen Aufenthalt an der Sushi-mit-Prosecco-Bar. Sie waren während des Transports kleiner und darum für mich zu eng geworden.
Natürlich versprach Sie mir, dass Sie mich in Zukunft von solchem Einkaufsstress verschont und mir die Mühe des Umtauschs abnimmt (oder sich das investierte Geld auszahlen lässt). Den Rest der Einkaufsbeute bekam ich nie zu sehen, denn er verschwand zusammen mit den sündteuren Dessous und den Seidenstrümpfen im Schrank.
Sie wundern sich? Es gibt eine einfache Erklärung. Petra war eine praktisch veranlagte Frau. Sie traf eine sorgfältige, von Nützlichkeitserwägungen geprägte Entscheidung. Ich kannte meine Petra ja ohne Verpackung. Es ergibt doch keinen Sinn, einen in und auswendig bekannten Inhalt wieder einzupacken, damit man ihn wieder auspackt. Niemand würde so etwas tun. Außerdem leidet ja die Verpackung darunter, und wer weiß, wann man sie später noch mal brauchen kann (nicht Petra, die Verpackung).
Meine Petra hatte in solchen Situationen eine sehr praktische Einstellung. Ich vermute, manche Frauen werden in jungen Jahren von den Großmüttern über Verpackungstechniken aufgeklärt. Ich erinnere mich noch an meine Großmutter mütterlicherseits. Die hatte auch immer, sparsam wie die Kriegsgeneration nun mal ist, die bunten Verpackungspapiere von den Weihnachts- und Geburtstagsgeschenken und die bunten Schleifen fein säuberlich wieder zusammengefaltet und für besondere Gelegenheiten verwahrt.
Mich tröstet auch heute noch der Gedanke, dass meine Investitionen nicht umsonst waren. Aber der Nutzen von mir Ungezählter entstand nicht aus meiner Blindheit. Es war volkswirtschaftliche Nächstenliebe, denn meine Nachfolger konnten davon profitieren. Aber vermutlich ging es denen genau so, und wir konnten mit unserer Liebe einen wichtigen Beitrag für das Bruttosozialprodukt in Deutschland leisten.
Eventuell möchten Sie, der vielleicht noch jahrelang seine Investitionen abbezahlt, von mir einen geeigneten Rat für ähnliche Situationen? Es ist nicht so wichtig, was „Liebe“ wirklich „ist“. Entscheidend ist das Wissen, dass mit zunehmender Dauer einer Verbindung, der Wert der Liebe vom „Nutzen“ abhängt. Mit voranschreitender Zeit muss man investieren können oder verzichten. Ich bereue nichts, ich habe daraus gelernt und angenehme Erinnerungen an eine große Liebe. Liebe die mir geholfen hat, diesen Text zu schreiben und um Sie vor Schaden zu bewahren.
© Copyright 2007 by Raoul Yannik www.raoulyannik.de