Fantasy & Horror
Schatten der Ewigkeit

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"Schatten der Ewigkeit"
Veröffentlicht am 02. Januar 2011, 76 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich bin 15 und komme aus dem Kreis von Köln. Allgemein bin ich ein sehr lustiger Mensch und kann über vieles Lachen. In meiner Freizeit unternehme ich gern etwas mit Freunden, bin aber auch froh, wenn ich mal meine Ruhe habe. Zu meinen Hobbys zählt natürlich auch das Schreiben. Ich schreibe selbst eigene Geschichten, eine ist fertig, und zwei sind in Arbeit. Nebenbei schreibe ich auch hin und wieder Gedichte, als Abwechslung zu den sonst so ...
Schatten der Ewigkeit

Schatten der Ewigkeit

Beschreibung

Diese Geschichte erzählt das leben der unsterblichen Riley. Bisher lebte sie ahnungslos und zurück gezogen in der Welt der Menschen. Erst als sie wieder eine Schule besucht, findet sie den Kontakt zu Kevin, Ben, Esme und Kelly. Diese zuerst harmlos erscheinende Freundschaft stößt sie mitten in die Welt der Dämonen, wo ein Machtkampf zwischen zwei Familien, die Liebe zu einem Dämon und etliche andere Probleme auf sie warten...

Prolog

Prolog

 

Niedergeschmettert falle ich zu Boden. Normalerweise würde ich jetzt weinen, aber die Tränen sind mir mit der Zeit ausgegangen. Wimmernd und wild zitternd krümme ich mich auf der Erde, weil mich, wie jeden Morgen, die Erkenntnis trifft, dass ich dem Elend, das ich mal als mein Leben bezeichne, nicht entkommen kann. Ich bin dazu verdammt, ein qualvolles, elendes, niemals enden wollendes Leben zu führen. Und trotz der langen Bedenkzeit ist mir nichts in den Sinn gekommen, was ich der Welt getan habe. Alles was mir dazu einfällt: Es gibt mich. Mein Leben ist schon seit fast fünfzig Jahren dazu entschlossen, mich in meinem sechzehn jährigen Körper zu erhalten, nur um mich zu quälen und mich büßen zu lassen, was ich getan habe. In meinen Augen bin ich schon immer mehr Schein als Sein gewesen. Ich hatte mal alles, was ich mir wünschen konnte. Damals war ich auf einer der besten High-Schools in der gesamten Gegend von Austin, hatte Freunde ohne Ende, Noten, die kein Schein trüben konnte und ein rundum organisiertes und perfektes Leben als Cheerleader. Am ersten Tag nach den Sommerferien, die in das Abschlussjahr führten, habe ich das alles vernichtet. Der Tag hatte mit Sonne begonnen und ging in einem unerklärlichen Streit mit meinem Bruder über. Ich weiß nicht mehr was es war, worüber wir uns gestritten haben, das habe ich verdrängt, genau wie alles andere, was an diesem Tag passiert ist, aber ab da war mein Leben eindeutig im Sprung zu einer niemals endenden Schlucht. Unser Wortgefecht war hart und wir haben uns angeschrien, dann hat er mich gepackt und geschüttelt, ich habe mich gewehrt und geschrien, nach ihm getreten, doch meine Eltern waren auf einem wichtigen Meeting ihrer Firma und sonst war keiner dort, außer unserer kleinen American Shepperd Hündin Moon, die ich vor dem Krach unter die Couch geschleppt und versteckt hatte. Mit allem was ich hatte, wollte ich mich aus seinem gewaltsamen Griff lösen und plötzlich ist er bleich wie ein Stück Kreide geworden. Der Boden hatte zu beben begonnen, draußen ging ein unvorhersehbar starker Sturm los und Corbin ließ mich los. Schwer keuchend ist er zurück gewichen und gefallen. Ich war so außer mir, dass trotz dieser Symptome meine Wut nicht verebben wollte und er begann zu schreien. Sein Rücken bog sich durch und er sackte flach auf dem Boden zusammen und blieb ohne jede Regung liegen. Corbin war kerngesund und deshalb konnte ich mir nicht erklären was los war. Bis ich aus dem Fenster schaute. Das Beben und der Regen waren verschwunden und ich konnte förmlich spüren, was passiert war. Ich habe meinen Bruder getötet. Gerade als ich vor ihm stand, kamen Mom und Dad durch die Tür und meine Mutter begann zu schreien, während sie auf Corbin zustürmte. Ich wollte in diesem Moment einfach nur weg und bin an meinem Vater, der immer noch in der geöffneten Tür stand, vorbei gestürmt und saß Stunden lang am Strand. Als ich dann so weit war, mich meinen Eltern zu stellen, wollten sie nichts hören. Immer wieder versuchte ich sie anzusprechen, doch sie ließen mich nie auch nur ein Wort beenden. Sie nahmen einen Flug nach Asien, weil angeblich eine ihrer Firmen dort Probleme machte. Doch ich wusste es besser, weil sie Corbin einäschern ließen und sie Urne an dem Tag ihrer Abfuhr verschwunden war. Nie haben sie mir verziehen. Als sie dann zurück kommen wollten, etwa drei Wochen später, stürzte ihr Flugzeug ab und sie verunglückten mitten auf dem Ozean. Es gab keine Überlebenden. Die Polizei hatte mir diese Botschaft persönlich überbracht und wollte mich mitnehmen, um mich einer Pflegefamilie zu übergeben, weil ich noch nicht volljährig war. Doch als ich packen sollte, habe ich mir das nötigste in einem Rucksack zusammen gerauft, mein Handy, den Laptop und meine Geldbörde mitsamt der Platin Kreditkarte, die mein Dad mir etwa zwei oder drei Wochen vor dem Beginn dieses Elends gegeben hatte, und ein paar Klamotten in einen Rucksack und meinen alten Seesack gepackt und damit aus dem Fenster gesprungen. Von dort an war ich auf mich allein gestellt und verließ die Gegend mit einer Maschine und ließ mich in Panama City nieder, selbst wenn ich bis dahin noch oft trimmen und Taxis anhalten musste. Jetzt führe ich ein einsames Leben in meinem kleinen Bungalow. Seit meiner Zeit in Panama, war mein Leben nie wieder das, was es mal war. Und ich lebe hier in Zurückhaltung, weil es mir immer wieder davor graut, wieder einen Menschen seelisch zu brechen.

Kapitel 1 - ewiger Albtraum

1.Kapitel – ewiger Albtraum

 

Was passiert mit einem, wenn man so weit ist, dass das eigene Leben nur noch eine Last ist, es aber keinen Weg gibt, es zu beenden? Ich schleppe mich träge ins Bad und klatsche mir eine Hand voll eiskaltes Wasser ins Gesicht. Mit beiden Händen stütze ich mich auf dem Waschbeckenrand und schaue in den Spiegel. Niemand würde vermuten, dass ich jemandem etwas tun würde. Meine Haare gehen mir etwa bis zur Mitte meines Rückens, sie sind golden und glatt. Jetzt sind sie zerzaust, aber das legt sich meistens wieder, weil ich mein Aussehen nicht ändern kann. Meine Augen haben einen schokoladenen Ton und meine Lippen sind blass rosa. Ich verfluche dieses Aussehen, auf das ich einst so stolz war. Ich wende mich vom Spiegel ab und schaue aus dem Fenster. Draußen geht die Sonne auf und es laufen schon einige die Straßen entlang. Ich gehe kurz zum Briefkasten, was auch schon fast der einzige Kontakt ist, den ich mit der Außenwelt habe. Plötzlich ertönen zwei schnelle Pfiffe hintereinander und meine Nackenhaare stellen sich auf. Bleib ruhig, Riley, besänftige ich mich in Gedanken. „Hey Süße. Bist du neu hier?“, ruft einer aus der Gruppe von Jugendlichen, die ich eben schon gesehen habe, als ich aus dem Fenster geschaut habe. „Nein, ich wohne schon länger hier, falls es dich interessiert.“, erwidere ich kurz. „Auf welche Schule gehst du? Für mich siehst du nämlich noch nicht wie ein Abgänger aus.“ Seine Neugierde beginnt mich zu nerven, aber ich zwinge mich ruhig zu bleiben. „Ich gehe hier nicht zur Schule. Und ein Abgänger bin ich auch nicht.“ Sie schmunzeln über diese Aussage. Eigentlich würde ich mich nach nichts mehr sehnen, als nach einem ganz normalen Leben als Schüler, mit Freunden und Lehrern und nicht mit der Angst im Nacken, dass jeden Moment wegen mir jemand tot umfällt. Ohne ein weiteres Wort gehe ich zurück in mein Haus.

„Hey!“, ruft man mir hinterher. Ich drehe mich halb um und schaue den Kerl an, der ganz vorne weg steht und mittlerweile auf meine Straßenseite gekommen ist. „Wenn du heute Nachmittag noch nichts vorhast, dann kannst du ja mal bei uns vorbei schauen. Wir sind nachmittags auf dem Parkplatz vor unserer High-School.“ Ich schließe die Tür hinter mir.

 

Wofür lebe ich eigentlich noch?

 

Warum hat man mir das angetan?

 

Weshalb muss gerade ich mit solchen Fähigkeiten belastet werden?

 

Mir rinnt eine Träne über die Wange. Das Angebot der Jungen spukt mir durch den Kopf. Doch wenn ich mich gerade dazu entscheiden will, einfach zu leben, sehe ich Corbin vor mir liegen. Ich spüre seine verkrampften Hände um meine Arme und dann nur noch die Kälte, die den Raum fast gefrieren lassen könnte. Ich schlüpfe nach einer Dusche in weite und bequeme Shorts und ein T-Shirt. Gedankenverloren wage ich mich nach draußen und setze mich an den Strand, der keine fünf Minuten von meinem Haus entfernt ist. Ich ziehe mir die Schuhe aus und wate einen kurzen Weg durch das Wasser, bis ich unter einem kleinen Steg durchhusche und mich in eine versteckte Höhle, die darunter liegt, setze. Dort gibt es einen kleinen Strand. Ich lasse kleine Wirbelstürme entstehen und das Wasser dunstet. Es bildet einen Strudel, wenn ich das so will und senkt oder hebt sich, wenn ich nur daran denke. Plötzlich höre ich Schritte und zucke zusammen. Sofort ist das Wasser wieder in seine natürliche Bewegung verfallen. Ich scheine einige Stunden hier gesessen und mit den Gezeiten gespielt zu haben, denn der Typ, der jetzt in einem Neopren Anzug in die Höhle tritt, gehörte zu der Gruppe Jugendliche von heute morgen. „Oh, ich wusste nicht, dass noch mehr diesen Ort kennen.“, sagt er mit einem schiefen Grinsen. „Du bist doch, das Mädchen von heute Morgen.“, stellt er anschließend fest. Ich erhebe mich ungeschickt. „Und ich bin auch direkt wieder weg.“ Als ich an ihm vorbei gehen will, packt er mich am Arm. Ich keuche, denn es spielen sich wie von allein die Bilder mit Corbin ab und der Griff des Jungen, ähnelt sehr dem von Corbin. Ich ziehe meine Schulter weg und muss mich erst wieder von diesen Bildern und Gefühlen erholen. „Geht es dir gut?“ Er will mir eine Hand um die Schultern legen, aber ich weiche aus. „Ja, es geht schon.“ Ich wate zurück an Land und bereue es schon, mich aus meinen schützenden vier Wänden gewagt zu haben. Doch zurück will ich auch nicht. Dann versinke ich wieder in den Gedanken von damals und das wäre nur ein neuer Anflug von Selbsthass. Völlig geistesabwesend schlendere ich die den Strand entlang. Dieser Junge folgt mir nicht und das ist auch besser so. Doch der Typ aus der Höhle scheint sich nicht lange darin aufgehalten zu haben, denn er steht jetzt auf seinem Surfbrett und schwimmt auf gewaltige Wellen zu. Die ersten beiden packt er locker, aber die dritte ist anscheinend eine Nummer zu groß für ihn und er fällt. Sein Brett schiffelt langsam zurück ans Ufer, doch von ihm ist keine Spur. Eigentlich sollte ich mich aus sowas raus halten, aber es klingeln die Alarmglocken. In mir tobt der Konflikt, ob ich ihm helfen, oder einfach weiter gehen und nie wieder an ihn denken soll. Vielleicht habe ich meine Lebensfreude größten Teils verloren, aber mein Gewissen ist immer noch aktiv. Ich leite die Ströme des Wassers schneller und zielstrebiger an Land. Zuckend schaue ich hin und her, bis ein Junge im Neopren Anzug angeschwemmt wird. Er atmet nicht. Schnell ziehe ich ihn an Land, trotz meiner Berührungsängste. In einem gleichmäßigen Rhythmus drücke ich ihm meine Hände auf den Brustkorb, bis er anfängt zu würgen und zu husten. Ich halte seinen Kopf hoch und dabei greift er mir ruckartig auf den Oberschenkel. Ich ziehe alle Hände zurück, weiche von ihm und presse mir die Handflächen gegen den Kopf, als die Bilder wieder zu erscheinen drohen. „Nein, nein!“, brülle ich und falle auf die Knie. Schon zum zweiten Mal heute sehe ich Corbins lebloses Gesicht vor mir. Und das ist alles deine Schuld. , flüstert eine dunkle Stimme in meinem Kopf. Ich bettele leise darum, dass das aufhören mag, aber es bringt nichts. Der Junge scheint sich so weit erholt zu haben, denn ich spüre auf einmal eine Hand auf meinem Rücken. „Fass mich nicht an.“, keuche ich. Er zieht die Hand zurück. „Soll ich jemanden rufen?“ Ich schüttele den Kopf. Mit dem Blick auf den Boden gerichtet, sehe ich, wie die Sandkörner zittern. Ich vergrabe die Hände im Sand und atme tief. Meine Gefühle kommen wieder in Ordnung und die Bilder verblassen, bis sie verschwunden sind. „Besser?“, fragt der Junge erneut und krächzt von der Wirkung des Salzwassers in seinen Lungen. Ich nicke, stehe auf und gehe weg. „Ich wollte mich bedanken.“, ruft er mir hinterher. Ich vernehme schnelle Schritte und laufe fast gegen ihn. „Keine Ursache.“, knurre ich.

„Keine Ursache? Du hast mir das Leben gerettet. Wie kann ich das wieder gut machen?“ Mein Kopf beginnt bei dem Blick seiner vor Dank sprühenden Augen zu brummen.

„Ich will nicht, dass du irgendwas wieder gut machst. Geh einfach weg und lass mich gehen, bitte.“, flüstere ich und schaue erneut auf. Er geht zu Seite, scheint noch eine Frage auf der Zunge liegen zu haben, doch die lasse ich ihn nicht aussprechen. Zu schnell bin ich außer Reichweite und auf dem Weg nach Hause. Erschöpft und nervlich am Ende lasse ich mich auf die Couch fallen. Die Bilder haben mir gezeigt, warum ich bisher nichts mit der Menschheit zu tun haben wollte und es in Zukunft auf besser wieder sein lassen sollte. Dieser Gedanke hüllt mich in meinen üblichen Kokon aus Sorglosigkeit und Ruhe, der mich schließlich einschlafen lässt.

Kapitel 2 - ein normales Leben?

2.Kapitel - ein normales Leben?

 

Ich wache mit schmerzendem Kopf auf, als es klingelt und jemand gegen die Türe klopft. Meine Haare haben wieder ihre alltägliche Perfektion zurück und ich gehe resigniert zur Tür. Der Spion wird zugehalten und ich öffne die Türe. Der Kerl, der, der mich vor seiner Gruppe gestern Morgen angesprochen hat, steht mit ein paar anderen vor meiner Tür. Er grinst breit, als ich aufschaue. „Wo warst du gestern?“ Ich seufze.

„Am Strand.“

„Süße, warum gehst du eigentlich nicht zur Schule? Haben wir etwa einen schicken Privatlehrer?“ Von seinen ewig währenden fragen genervt schüttel ich den Kopf und mache es nicht noch komplizierter, indem ich ihn zurück weise. „Ich gehe nicht zur Schule.“

„Deine Alten lassen dich einfach so zu Hause.“, sagt er neidisch.

„Nein…ich… Ich werde mich einschreiben.“, sage ich um ihn los zu werden. „Aber nicht heute.“ Damit knalle ich ihm die Tür vor der Nase zu. Ich werde die Sachen von gestern los und werfe mir ein luftiges Kleid über die Schultern, weil heute eine Teufelshitze herrscht.

Warum sollte ich kein normales Leben führen dürfen?

Weshalb kann ich nicht zur Schule gehen wie jeder andere auch?

Die Antwort kann ich mir selbst geben. Ich weiß alles in uns auswendig, niemand dürfte mich berühren und wenn einer ein wenig fester zupackt, dann bekomme ich wieder diese Visionen, presse mir die Hände an den Kopf und beginne höchst warscheinlich wieder zu schreien oder zu wimmern. Ich wäre wieder der Freak schlechthin. Aber ich könnte es versuchen. Da ich an nichts gebunden bin, kann ich kommen und gehen wann ich will. Ich ersetze das Kleid durch angemessene Jeans und ein T-Shirt und folge den Schülern. Doch ich kann sie nicht auffinden und so weit ich weiß, ist die nächste High-School etwas weiter entfernt, sodass ich meinen noch fast unbenutzten Mini aus der Garage hole und damit zur Schule fahre. Unbemerkt parke ich in den hinteren Ecken des Parkplatzes und schleiche mich dezent in das Sekretariat. Dort hole ich mich die nötigen Papiere, die ich eine Ecke weiter ausfülle und erfinde mir dazu einfach ein paar Eltern mitsamt deren Unterschrift. Dann kommt noch ein Zettel mit allen Formalitäten und Notfallnummern, wo ich einfach meine Handynummer angebe. Eine halbe Stunde später gebe ich das wieder ab. Lächelnd nimmt mir die Frau hinter dem Tisch den Zettel ab und schaut durch, ob alles ausgefüllt wurde. Dann schaut sie wieder auf. „Willst du direkt heute deiner neuen Klasse zugewiesen werden?“ Ich verneine. „Okay, dann beginnt für dich morgen dein erster Schultag an unserer Schule. Bei mir holst du dir dann auch deinen Stundenplan, nötige Bücher und einen Schlüssel für deinen Spint. Alles weitere klären wir morgen.“ Ich verlasse das Schulgelände und schaue in den Rückspiegel. Das was ich sehe, lässt mich ruckartig auf die Bremse treten. Ein Lächeln malt sich auf meinen Lippen ab. Das ist etwas, das es schon seit Ewigkeiten nicht mehr in meinem Leben gegeben hat. Den Mini lasse ich in der Auffahrt stehen und lasse den Tag an mir vorbei streichen. Ich lege mir bereits meine Sachen zurecht, suche mir eine geräumige Tasche aus meinen Sachen heraus und gehe schlafen. In mir regen sich Dinge, die ich als verloren vermutet habe. Freude, Aufregung, Neugierde. Doch darein mischt sich die normale Dosis von Angst, Zurückhaltung und Abscheu. Die Dinge, die seit Jahren mein Leben besudeln. Angst vor Berührungen, Zurückhaltung vor der Menschheit, Abscheu vor mir selbst.

Am nächsten Morgen packe ich meine sieben Sachen zusammen und stoppe, als ich die Hand auf den Türgriff meins Wagens lege. Ob es wirklich eine gute Idee war? Was, wenn es das nur wieder schlimmer macht oder wieder jemand wegen mir leidet? Mit einem Kopfschütteln versuche ich diese Zweifel abzuschütteln. Ich drehe den Zündschlüssel wenige Momente später und fahre zur Schule. All das erinnert mich an meine Schule in Austin. Auf dem Weg zum Sekretariat werden mir einige neugierige Blicke zugeworfen und manche schmunzeln über mich. Das fängt ja schon gut an. Im Sekretariat stellt sich mir die Frau als Miss Baker vor. Mein Tag beginnt mit einer Stunde Geschichte bei meinem zukünftigen Vertrauenslehrer Mr. Evans. Sie führt mich zum Raum und übergibt mich dort an ihn. „Hallo Riley, ich bin Mr. Evans. Willkommen an unserer Schule.“ Ich gehe voran und er Lehrer schließt hinter mir die Tür. Als ich mich umsehe, erkenne ich einige Gesichter und eins ganz besonders, wieder. Es herrscht noch Unruhe und niemand ist dort wo er hin gehört, bis Mr. Evans sich der Klasse zuwendet, alle an ihre Plätze huschen und Stille herrscht. Der Mann scheint einiges drauf zu haben. „Klasse, das ist Riley Carter. Sie ist neu an unserer Schule und ich hoffe sie wird sich wohlfühlen. Und da hilft jeder bei!“, sagt er mit gehörigem Nachdruck. Ich setze mich in eine der hintersten Reihen, nachdem man mir das nötige Arbeitsmaterial zugewiesen hat. Im Moment scheint die Klasse die französische Revolution zu wiederholen, denn eigentlich müssten sie schon viel weiter sein. „Kann mir irgendjemand sagen, wann die französische Revolution stattgefunden hat?“ Die Antwort liegt mir auf der Zunge, aber ich lasse den anderen den Vortritt, da ich nicht direkt als Streber und oder Freak abgestempelt werden will. Niemand meldet sich und es ist kein Wort zu hören. „Niemand? Riley?“ Ich seufze und tue so als würde ich überlegen. „1789 bis… 1799.“, antworte ich. Mr. Evans scheint zufrieden. „Gut, das ist richtig.“ Manche werfen mir Blicke zu und ich habe den Verdacht, dass sie das noch garnicht durchgenommen haben. Warscheinlich eine Verschiebung im Lehrplan. Als die Stunde beendet ist folgt Mathe, doch erstmal wenden sich einige an mich und ich fühle mich bedrängt. Doch eigentlich ist es nur die Gruppe von Jugendlichen, die die letzten beiden Tage vor meinem Haus vorbei gegangen ist. „Hast du dich auch kurzer Hand mal eingeschrieben?“ Ich nicke, weil ich nichts darauf zu erwidern weiß. Alle Blicke lasten auf mir und selbst die außen stehenden schauen neugierig zu uns rüber. „Ich habe ganz vergessen mich vorzustellen. Ich bin Kevin und das sind Ben, Kelly und Esme.“ Der Junge, den ich aus dem Meer gefischt und dem ich das Leben gerettet habe, Ben, schaut mich schon die ganze Zeit fasziniert an. Wenn er nicht bald damit aufhört, dann winke ich. Doch ich will positiv bleiben und versuchen, so normal wie möglich zu sein, deshalb tue ich nichts, was mich wieder als unnormal abstempeln könnte. Doch meine Entschlossenheit kommt in Wanken, als ich plötzlich eine Hand auf meinem Rücken spüre. Scharf ziehe ich Luft ein und versuche mich zu konzentrieren, damit es nicht wieder in einem Anfall endet. „Falls du irgendwas brauchst, dann frag einfach.“ Als nichts mehr zu wirken scheint, schließe ich die Augen und atme tief ein uns aus. „Geht es dir gut?“, fragt Ben leise. Ich nicke, als Kevin endlich seine Hand von meinem Rücken genommen hat. Als nächstes steht Mathe an und der Lehrer betritt den Raum. Kevin verschwindet mit Kelly und Emse und erste jetzt bemerke ich, dass Ben genau vor mir sitzt. Nachdem ich mich dem Lehrer vorgestellt habe, lässt er mich in Frieden und ich verarbeite die Berührung von Kevin. Seit der Sache mit Corbin können mich nur noch Kinder anfassen, bei Leuten in meinem Alter oder noch älter bekomme ich direkt wieder diese Bilder in den Kopf und wirke verstört. Der Tag vergeht langsam und Kevin drängt mir seine Hilfe auf. Er begleitet mich zum Spint, bringt mich zu meinen Kursen und holt mich dort auch wieder ab. Vor der Mittagspause habe ich Chemie. Da machen wir ein Experiment, mit verschiedenen Gemischen und meine Partnerin hätte uns um ein Haar in die Luft gejagt. Seit dem mische ich allein. Es klingelt zum Ende der Stunde und ich setze die Schutzbrille ab. „Buh!“, überrascht mich Kevin von hinten und berührt mich ruckartig an den Hüften. Vor Schreck platzt das Glas mit den Chemikalien und sie nehmen ihren freien Lauf. Damit die Lehrerin nichts merkt, lasse ich die Flüssigkeiten in das integrierte Abflussbecken laufen und kehre die Scherben in den Müll. Verhalten greife ich nach meinen Büchern und gehe an Kevin vorbei, der mich fragend ansieht. Auf dem Flur hält er mich auf, indem er mich am Arm festhält. Es ist die Stelle. „Fass mich nicht an!“, presse ich hervor.

„Was war das gerade?“ Ich zucke gekünstelt mit den Schultern. „Das Glas ist geplatzt.“

„Es ist nicht einfach geplatzt. Dazu gab es garkeinen Grund. Was ist wirklich passiert?“ Angewidert betrachte ich seine Hand auf meinem Arm. „Lass mich los.“

„Dann erklär mir was war und renn nicht immer weg. Wo willst du überhaupt hin?“ Er spricht es zwar nicht aus, aber ich sehe seinen Augen an, dass er mich für ein wenig durchgeknallt hält, und das nach weniger als einem Tag. Ich kann es ihm unmöglich erklären. „Ich will zu meinem Wagen.“ Seine Augen funkeln. „Du hast ein Auto?“, fragt er in freudiger Erwartung. Ich nicke. „Wegen… gesundheitlichen Gründen musste ich ein Jahr wiederholen.“ Er lässt mich los, was mich ein wenig entspannen lässt. Wenig später stehen ich, Kevin, Ben und die beiden Mädchen an meinem Wagen. Es folgen noch drei Stunden, dann ist der Schultag beendet und alle Schüler strömen aus den Gebäuden. „Also, Riley, wir sehen uns morgen. Ich muss noch mit zu den beiden Mädels, für den Test in Literatur morgen.“, sagt er schlecht gelaunt. Ben bleibt allein bei mir stehen. Dann will auch er sich verabschieden. „Wo wohnst du überhaupt?“ Es stellt sich raus, dass er nur zwei Straßen von mir entfernt wohnt. „Ich kann dich mitnehmen, wenn du willst.“ Lächelnd nimmt er das Angebot an und steigt in meinen Wagen.

„Kevin kann wirklich aufdringlich sein.“, sagt er zusammenhanglos. Wenige Sekunden später kann ich ihm folgen. „Ja, durchaus.“

„So sind auch Kelly und Esme bei uns gelandet. Sie waren neu und Kevin hat seine fürsorgliche Seite ausgegraben.“ Diese Aussage erzeugt ein leises Kichern meinerseits. Solche Gefühle sind schon lange verschollenes Land für mich. Freude, Ruhe, Zufriedenheit. Wir stehen vor seinem Haus und er geht rein. Dabei winkt er mit und ich mache ihm das Angebot, dass ich ihm auch zur Schule mitnehmen könnte. Dankend nimmt er das Angebot an. Recht zufrieden für meine Verhältnisse fahre ich nach Hause. In nicht mal einer Viertelstunde habe ich die gesamten Hausaufgaben fertig, ohne auch nur einmal in ein Buch geguckt zu haben. Mein Lernstoff ist noch aufgefrischt vom letzten Versuch, eine ganz normale Schülerin zu sein, oder zumindest so zu tun als wäre ich eine. Nur die Aktion mit Kevin im Chemieraum war nicht geplant gewesen. Und das rückt mich immer und immer näher an meinem Freak-Titel heran. Weil zu Hause alles aufgeräumt ist und auch sämtliche andere Dinge erledigt sind, staut sich Langeweile auf. Mir fällt Kevins Angebot ein: Wenn du heute Nachmittag noch nichts vorhast, dann kannst du ja mal bei uns vorbei schauen. Wir sind nachmittags auf dem Parkplatz vor unserer High-School.

Das hat er zwar nicht heute gesagt, aber der letzte Satz gilt so meiner Meinung nach für jeden Nachmittag. Ich warte noch einige Zeit lang, weil Kevin ja mit Esme und Kelly für Literatur lernen wollte und fahre dann zum Parkplatz. Die drei sitzen vorne auf den Parkbänken und scheinen sich gegenseitig abzufragen. Von Ben ist keine Spur. An dem Parkplatz, wo tagsüber die Lehrer parken, halte ich und steige aus.

„Riley.“, stellt Kevin überrascht fest, steht auf und will mich zu Begrüßung umarmen, doch ich weiche ihm aus. „Hey, Leute.“ Anscheinend habe ich Kevin damit etwas gegen den Kopf gestoßen, denn er wirkt leicht irritiert, so als würde ihm jeder freudig in die Arme springen wollen. Ich hingegen versuche das immer wenn es geht zu vermeiden. „Wie läuft es mit Literatur?“ Kevin schaut gefrustet. „Das geht mal garnicht. Dieses Fach ist einfach die Härte. Ich verstehe nichts! Und während der Stunde bin ich immer halb am Pennen.“ Ich mache eine unbeholfene Miene. „Vielleicht ein Grund, warum du das nicht verstehst. Wo ist denn dein Problem?“ Er blockt ab. „Das verstehst du sowieso nicht.“ Kaum zu glauben, dass die Leute einen für so dämlich halten, wenn man neu ist. „Zeig mal her.“

„Aber du bist doch-“, will er ansetzen, doch ich unterbreche ihn, als ich seine Fehler bemerke.

„Hier liegt dein Problem.“, sage ich und zeige auf eine seiner Stellen in dem gelernten, wo am meisten Fehler drin sind. „Das stimmt nicht.“ Fassungslos nimmt er mir das Blatt weg und gibt es Esme. „Hat sie Recht?“ Sie guckt kurz drüber und nickt dann. „Das ist wirklich falsch.“

„Warst du ein Streber an deiner alten Schule?“, fragt er geschockt. „Du bist neu und weißt alles. In Geschichte, dieses Thema hatten wir noch garnicht und du kannst es. Literatur, das Fach hast du noch nicht mal belegt und weißt trotzdem was damit anzufangen. Irgendwas ist nicht so ganz normal an dir.“, stellt er fest, wenn auch aus den falschen Gründen. Ich lasse die Schultern hängen. „Hey, das war noch nicht so gemeint.“ Seine Stimme ist viel weicher und netter und er will mir wieder mal eine Hand auf die Schulter legen. Ich weiche zurück. „Ist okay, ich verkrafte viel.“ Damit wende ich mich zum Gehen und steige in meinen Wagen.

Was habe ich mir eigentlich dabei gedacht normal sein zu wollen? Als ob das unter meinen Umständen möglich wäre! Aber so gutgläubig wie ich bin, musste ich es mal wieder versuchen, nur um dann noch schlechter dran zu sein. Ein kleines Mauerblümchen, mit Berührungsängsten und einer psychisch gestörten Art. Noch dazu könnte ich ohne weiteres einen immensen Schaden anrichten, ohne groß was dafür zu tun. Tränen rinnen mir über die Wangen. Da ist sie wieder, die alt bekannte Verzweiflung und Enttäuschung. Alles was ich wollte, war eine kurze Zeit, in der ich nicht wieder der Freak des Tages bin. Ben kommt gerade aus dem Haus und schaut mir fragend hinterher. Zu Hause gehe ich einfach nur rein und schließe die Türe hinter mir. Draußen beginnt es zu regnen. „So ein Scheiß!“, knurre ich und in nächste Nähe schlägt ein Blitz in der Nähe meines Hauses ein. Bei dem Gedanken an Kevins Gesichtsausdruck von eben beginne ich wild zu schluchzen. Was bringt mir ein ewig verdammtes Leben, in meinem sechzehn jährigen Körper, wenn ich doch nicht wirklich leben kann? Wenn jeder, der mich nur halbwegs kennen lernt, mich als einen verstörten Freak abschiebt? Nur damit ich wieder außen vor bleibe und allein irgendwo rumsitze? Das kann nicht alles sein. Ich lege mir eine Decke um die Schultern und setze mich zusammengekauert auf die Couch. Dann klopft es an der Tür. „Riley!“, ruft Ben. „Mach die Türe auf. Hier regnet es wie ein Strömen.“ Lustlos erhebe ich mich und gehe zur Türe. „Ben, was machst du hier?“

„Ich… darf ich erstmal rein kommen?“ Trotz der Tatsache, dass ich jetzt wirklich niemanden gebrauchen kann, will ich ihn nicht in meinem Regen stehen lassen. Erleichtert betritt er mein Haus und schaut sich um. „Sind deine Eltern nicht da?“

„Nein, die sind auf Geschäftsreise.“, erwidere ich trüb und pflanze mich wieder auf die Couch. Er lässt den Blick kurz schweifen und ich reiche ihm ein Handtuch, weil er meinen ganzen Boden volltropft. „Warum ich eigentlich hier bin. Eben bist du hier mit einem Affenzahn die Straße hochgerast und es sah aus als würdest du… weinen.“, sagt er unbeholfen. Ich lächele ihn schwach an. „Danke, dass du dir Sorgen um mich machst, aber leider kannst du mir nicht helfen. Das kann niemand…“

„Worum geht es denn?“, fragt er, als er sich auf die andere Seite der Couch setzt. Jetzt wollen sie mir auf einmal helfen.

„Ben, du verstehst das nicht. Das kann niemand. Lass es einfach bleiben.“ Er will mir eine Hand aufs Bein legen, aber ich rutsche weg. Verwirrt schaut er mich an. „Warum zuckst du immer zusammen, wenn man dich berühren will?“

„Lass es einfach sein.“, wiederhole ich leise. Er versucht es nochmals, aber ich kann es nicht zulassen. Alles Mögliche könnte passieren. Stumm sitzt er da und starrt mich an, bis er wortlos geht.

Habe ich ihn jetzt auch vergrault?

Hätte ich es ihm erzählen sollen?

Mein Vertrauen ihm schenken, obwohl ich ihn nur so kurz kenne?

Nein!

Ich presse mir die Hände gegen den Kopf, weil ich diese Selbstzweifel und Fragen nicht mehr ertrage. In völliger Stille lasse ich meine Gedanken zur Ruhe kommen. Anscheinend bin ich so in Trance geraten, dass ich völlig entspannt bin, denn jetzt bin ich bereits eingeschlafen.

Kapitel 3 - Tapetenwechsel

3.Kapitel - Tapetenwechsel

 

Am nächsten Morgen komme ich erst zur zweiten Stunde, weil ich verschlafen habe. Keiner meiner zuerst so anhänglichen Freunde schaut mich an, außer Ben. In seiner Art erinnert er mich an einen treuen Golden Retriever. Du kannst in anschreien, ihn weg schieben oder ignorieren, aber irgendwann wirst du weich und dann kommt er zurück zu einem. „Entschuldigen Sie, Mr. Evans, ich habe verschlafen.“, flüstere ich ihm leise zu. Mit einer Geste zeigt er mir, dass ich mich hinsetzen soll. Heute habe ich eine Röhrenjeans, Sneakers und einen weiten Kapuzen Pulli an, aber ich sehe nicht so schlimm aus, dass man es meiden müsste, mich anzusehen. Kevin holt mich auch nicht von meinen Kursen ab. In der Mittagspause sind alle vier nicht aufzufinden und ich setze mich allein an einen außen liegenden Tisch. Der Appetit ist mir vergangen. Anscheinend war die Aktion gestern das I-Tüpfelchen auf der ganzen Sache. Selbst Ben ist nicht da. Ich hole mein Handy raus und schreibe Kevin eine SMS. Am ersten Tag hat er mir kurz vor der Pause seine Nummer gegeben.

Hey, Kevin, ich bin‘s Riley.

Wo seid ihr? Du hast heute noch kein Wort mit mir gewechselt… Was ist los?

Ich warte, aber es kommt keine Antwort. Ich habe es schon aufgegeben, da vibriert das Handy auf der Tischplatte.

Vergiss es.

Fassungslos schaue ich auf das Display. Was soll das heißen?

Was meinst du?

Wieder herrscht Stille.

Kann gerade nicht.

Er will mich los werden. Mein Essen schiebe ich angeekelt weg. „Da kann ich auch nach Hause gehen.“, murmele ich vor mich hin. Schneller als gedacht sitze ich mit Sack und Pack in meinem Wagen. Hinter mir rennt jemand auf den Schulhof, aber das interessiert mich nicht. Ob Lehrer oder einer meiner angeblichen Freunde, sie können mir alle gestohlen bleiben. Ich reiße mich zusammen, weil ich kein Erdbeben oder einen plötzlichen Hagel oder gar Blitzhagel erzeugen will. Am Strand, weit entfernt von der Schule, sodass mir kaum jemand folgen könnte, halte ich und lehne mich vorne gegen meine Motorhaube. Mein Blick geht auf das rauschende Meer hinaus, wie es tobt und rast, weil sich ein Sturm anbahnt, der nebenbei erwähnt nicht von mir kommt. Ich beschleunige das Ganze nur ein wenig und es prasselt Regen herab. Langsam gehe ich in Richtung Meer. Die Wellen sind jetzt außer Rand und Band, nehmen enorme Größen an und brechen kurz vor dem Ufer wieder. Sie erinnern mich ein wenig an meinen Lebensstil. Ich fange klein an, arbeite mich vor, verfehle mein Ziel nur knapp und bin danach wieder am Boden zerstört.

„Warum ich?“, flüstere ich. Dann werde ich immer lauter, bis ich das Meer gefrustet anschreie und meine Wut heraus brülle, was die Wellen von mir weg schwanken lässt. Immer wieder habe ich einen freien Flick auf die vordere Sandbank. Aus allerlei Gründen verfalle ich in einen Heulkrampf. Schluchzend, kreischend und völlig außer mir, schaue ich auf das Meer hinaus. Der Sturm ist noch nicht mal richtig angekommen, aber es könnte heftig werden. Massig schwarze Wolken kommen auf mich zu. Bis auf die Haut bin ich vom Regen getränkt und falle in den Sand.

Wieder bin ich enttäuscht worden.

Wieder verletzt.

Erneut gedemütigt.

Wieder ein Stück mehr zerbrochen.

Würde mein Leben wieder einmal gern beenden. Aber es geht nicht. Anscheinend soll mein Leid kein Ende haben. Jedes Mal, wenn ich mir den ersehnten Frieden mit dem Tod bescheren wollte, konnte ich nicht mehr. Meine Pulsadern kann ich nicht aufschneiden, weil der Gedanke mich schon stutzen lässt und in der Praxis kann ich mich dann einfach nicht bewegen. Nicht aus Angst, sondern, weil ein höheres etwas oder irgendwas sonst, mich davon abhält. Dasselbe ist es mir mit allen anderen möglichen Methoden passiert.

„Ich will einfach nur sterben…“, wispere ich. „ Aber man lässt mich nicht!“, brülle ich wieder unter Tränen. Bei der folgenden Berührung bricht für mich ein weiterer Teil meiner kleinen Welt zusammen. Genau dort, wo damals seine Hände saßen, packen mich jetzt zwei andere. Erschrocken rücke ich weg. Und erzeuge wieder stärkeren Regen. Zwischen den Tropfen kann ich eine Gestalt ausmachen, die von Wassertropfen getroffen wird, was mir einen groben Umriss malt. Es ist zwar nur Ben, aber die Tatsache, dass er mir jetzt begegnet, lässt mich nicht klar denken können, damit ich ihm nichts tue. „Geh weg!“

„Riley, du brauchst Hilfe.“, versucht er mir leise klar zu machen. Anscheinend hat er das mit dem Sterben eben mitbekommen. Ich schüttele hektisch den Kopf. „Nein, und selbst wenn, auf diesem Welt kann mir keiner helfen. Niemand auch nur ein wenig.“ Zitternd vor Kälte, aber auch vor Anspannung und Kraftlosigkeit, raffe ich mich auf.

„Ich bringe dich nach Hause.“

„Geh!“, knurre ich. Doch in meiner Verfassung dürfe das nicht wirklich überzeugend sein. Der Regen wird jetzt schon unangenehm und nimmt mir die klare Sicht. Ich weiß nicht was passiert ist, aber in mir tobte etwas, dass sich Luft machen musste, und dieses Etwas hat diese Welle erscheinen lassen. Mehrere Meter hoch und das in der Nähe zum Ufer, sackte sie über Ben zusammen. Kein Laut ist außer dem Regen noch zu hören. Glücklicher-weise scheint keiner etwas von diesem Spektakel mitbekommen zu haben. Ben liegt am Boden. Anscheinend ist er bewusstlos, aber er atmet noch regelmäßig. Aber wenigens habe ich ihn nicht umgebracht. Wie kriege ich ihn jetzt hier weg? Eigentlich sollte ich jetzt meinen inneren Schweinehund besiegen und ihn ins Trockene bringen, aber das ist leichter zu sagen, als anzuwenden. Mit so wenig Körperkontakt wie möglich, hebe ich ihn in mein Auto und platziere ihn für den kurzen Weg im Kofferraum. Zu sich kann ich ihn nicht bringen, weil seine Eltern da sein dürften und wenn ich ihren Jungen nass, bewusstlos und ziemlich mitgenommen nach Hause bringe… Die würden mir was erzählen! Nein, die Möglichkeit ist schon mal ausgeschlossen. Leider gibt es nur zwei. Und das übrig gebliebene ist in meinen Augen noch schlimmer als das Erste: Ihn zu mir bringen. 

4.Kapitel

Wohin mit meinem Leben? Das frage ich mich fast jeden Morgen. Ich habe mir trockene Sachen angezogen und halte einen heißen Tee in den Händen. Selbst wenn ich wirklich hochgradig unkontrollierbar bin, arbeitet mein Gewissen noch immer in Hochtouren. Deshalb habe ich Ben das nasse Shirt ausgezogen, seine Hosen mit Winden und Wärme getrocknet und ihn in eine Decke gehüllt. Seine Bewusstlosigkeit ist vergangen, denn jetzt schläft er seelenruhig. Ich hocke auf einem der vier Barhocker meiner Küchentheke und schaue ihn eine Zeit lang an. Ich beneide ihn. Irgendwann wird er mal ein Leben führen, mit Frau, Haus, Job und Kindern. Zusammen werden sie alt und sterben in Frieden, nach einem erfüllten Leben. Der normale Ablauf. Und ich, ich weiß einfach nicht was wird. Nachdem ich ihn anscheinend fast mit der Welle umgebracht habe, lasse ich ihn schlafen. Spät abends schreibt seine Mutter ihm eine SMS wo er ist, darauf antworte ich, dass er diese Nacht auswärts bei einem Freund übernachtet. Sie wünscht ihm viel Spaß und damit ist die Sache gegessen. Ich pflanze mich in meinen Sessel und schlafe über das Warten ein. Nachts beginnt Ben auf einmal zu husten, was mich erschrocken auffahren lässt. Er ist mittlerweile wach und hustet sich die Seele aus dem Leib. Das scheint das restliche Wasser oder die Wirkung des Salzes zu sein. Ich hole ihm ein Glas Wasser, was er in einem Zug trinkt. Verwirrt schaut er sich um. „Was mache ich hier?“

„Du wurdest von einer Welle erfasst und so wie du aussahst konnte ich dich nicht nach Hause bringen.“ Er scheint mir folgen zu können und trotzdem wirkt er nicht entspannt. Eben habe ich ihn schreiend abgewiesen, aber das ist meiner Meinung nach nicht der Grund. „Das von eben meinte ich ernst.“ Jetzt kann ich dem nicht folgen und erwidere nichts. „Das du Hilfe brauchst.“, ergänzt er und ich verenge die Augen zu Schlitzen. „Ich weiß nicht was es ist, aber du bist komisch, schon seit wir dich das erste Mal gesehen haben.“ Er hat doch gar keine Ahnung! Bildet sich ein, alles zu wissen, dabei kennt er nicht mal einen Bruchteil der Geschichte. „Du weiß nichts.“

„Das ist es.“, sagt er langsam und stellt das Glas weg. „Ich weiß nichts. Aber andere können dir helfen, ganz normal zu sein.“

Entsetzt klappt mir der Mund auf. „Willst du mir damit sagen, dass ich unnormal bin?“ Diese Frage sollte eigentlich nicht so hart klingen, weil ich weiß, dass ich das, was er jetzt ausspricht, jeden morgen in meinem Kopf habe, wenn ich in die Spiegel schaue. Aus Anstand antwortet er nicht. Es sind zwei Sachen, sich selbst als unnormal anzusehen, oder so genannt zu werden.

„Wie viel Uhr ist es?“, fragt er mich nach einiger Zeit in der Stille war.

„Es dürfte so gegen eins sein… Also ein Uhr nachts.“

„Meine Eltern-“, versucht er aufgeregt anzufangen und greift an seine Hosentasche, dort wo sein Handy war, bis ich es mir genommen habe. Jetzt entdeckt er es auf dem Tisch.

„Sie haben dir geschrieben, wo du bist, aber ich wollte dich nicht wecken, deshalb habe ich geantwortet, dass du auswärts schläfst.“ Er nickt. „Was ist eigentlich passiert? Ich weiß, dass ich dich wutentbrannt wegfahren gesehen habe, dann habe ich noch Schultag zu Ende gemacht und bin dann mit meinem Bike zu dir gefahren. Da war keiner und da habe ich es am Strand versucht, weil ich vermutet habe, dass du da recht oft bist, auch wegen der Sache mit der Höhle. Dann hat es noch so ätzend stark angefangen zu regnen, aber ich bin weiter. Dein Wagen stand an der Straße und du hast nass und weinend im Sand gehockt. Dann warst du ganz komisch und voll hysterisch und wolltest, dass ich gehe, dann ist alles weg.“, listet er nachdenklich auf. Dann schaut er fragend. „Du wurdest von einer Welle erfasst.“ Die rein zufällig von mir kam, füge ich in Gedanken hinzu. Er kriegt eine für ihn angepasste Erklärung, die jedoch nicht ganz der Wahrheit entspricht. Ich denke die Wahrheit ist ein wenig zu hart für ihn.

„Danke, das du mich mal wieder gerettet hast.“, betont er. Die Sache mit der Höhle und das er die Welle nicht gepackt hat.

„Kein Problem.“ Ich hasse es wenn Leute in meiner Schuld stehen. „Soll ich gehen?“, fragt er, als ich länger den Tisch oder andere Sachen angesehen habe, um seinen Blick zu meiden.

„Also, deine Eltern denken, du schläfst auswärts. Von mir aus kannst du machen was du willst. Du kannst auch hier bleiben.“ Er nickt. „Dann bleibe ich noch etwas.“

„Geh den Gang entlang hinten links ist das Bad, ich habe das Zimmer rechts. Das Gästezimmer ist hier direkt vorne an, die Türe hier drüben und hier im Wohnzimmer und der anliegenden Küche dürftest du alles finden. Frag einfach wenn du was brauchst. Ich gehe jetzt schlafen. Gute Nacht.“, verabschiede ich mich. Schnell habe ich bequeme Sachen zum Schlafen an und höre, wie Ben über den Laminat Boden geht. Eine Tür schließt sich und er scheint ins Gästezimmer gegangen zu sein. Ich schmiege mich tiefer in mein Kissen und ziehe mir die Decke bis ins Gesicht. Schnell bin ich im Schlaf versunken.

Als nächstes finde ich mich in einem Raum wieder, den ich besser kenne als der Architekt des Hauses. Mein Zimmer in Austin. Nervös schaue ich mich um. Was tue ich hier? Ich gehe in den Flur und die Treppen hinunter. Niemand außer mir scheint hier zu sein. Alles ist so, wie ich es verlassen habe. Jetzt befinde ich mich in dem großen Wohnzimmer, mit der riesigen schwarzen Couch, dem Kamin, der massigen Schrankwand meiner Mutter, die sich so für Bücher begeistern konnte, der Arbeitsnische meines Vaters und dem im selben Raum angelegten Essbereich. Mein Sessel ist dort, in der Ecke steht das Körbchen von Moon, doch sie ist nirgends zu sehen. All das wirkt völlig realistisch. Ich vernehme ein Winseln. Als ich mich umdrehe liegt Moon im Türrahmen und schaut gespannt zu mir rüber. „Moon!“, jauchze ich erfreut und schwanzwedelnd kommt sie auf mich zu. Ich kraule sie intensiv und irgendwann legt sie sich entspannt in ihr Körbchen. Während dessen setze ich mich auf die Couch und schaue mich erneut um. Alles wie ich es verlassen habe. „RILEY!“, brüllt jemand von oben und ich schrecke mit dem Kopf in Richtung Flur. Corbin kommt die Treppe runter. Seinem Blick nach zu urteilen muss ich aussehen, als wäre mir ein Geist begegnet. „Du bist echt noch abgedrehter als sonst schon. Wo ist mein MP3-Player?“ Noch völlig gefesselt davon, dass mein Bruder vor mir steht, dauert es einen Moment, bis ich antworten kann. „Ich weiß es nicht.“

„Du hast ihn dir zum Joggen ausgeliehen, weil dein Akku leer war. Seit dem habe ich ihn nicht gehabt. Wo ist er?“

„Woher soll ich das wissen, ich habe ihn auf deinen Tisch gelegt, als du auf dieser Party warst.“ Er wirkt noch wütender.

„Die Party! Genau. Wovon eigentlich niemand etwas wissen sollte, erstrecht nicht Mom und Dad. Warum musst du denen immer aller erzählen?“ Aufgebracht stehe ich auf. „Das tue ich doch garnicht, aber als du so lang weg warst und nicht auf ihre Anrufe reagiert hast, haben sie sich Sorgen gemacht und du kannst dir garnicht vorstellen wie. Dann haben sie mich gefragt ob ich etwas wüsste und ich konnte sie nicht weiter im Unklaren lassen! Da habe ich es ihnen erzählt.“, fahre ich ihn an.

„Ja, aber den Ort hättest du für dich behalten sollen! Mom hat mich geholt, weißt du eigentlich wie beschissen peinlich das war, wenn dich deine Mutter von einer Party holt, wenn du von lauter gutaussehenden Mädchen umgeben bist?“, brüllt er.

„Das ist nicht mein Problem! Wenn du dich nicht an die Zeiten hältst, dann ist das deine Sache. Und die Mädels, tja, die wollen ja dann auch nichts mehr von dir. Etwas mehr Zeit um dich wieder hochzuziehen, damit du es ins nächste Schuljahr schaffst. Letztens bist du nur knapp durch die Nachprüfung gerutscht.“, erinnere ich ihn. Er beginnt zu toben. „Kümmere dich um deinen eigenen Scheiß. Schule ist echt das letzte was mir liegt!“

„Ja, aber ich bin dann wieder die Dumme, zu der du angekrochen kommst, wenn Mom und oder Dad dir nicht mehr helfen wollen, weil du es einfach nicht raffst, das dein ganzes Leben irgendwann für den Müll ist.“ Er packt mich an den Oberarmen und geschockt fällt mir etwas ein. Ich träume den Tag, an dem das alles angefangen hat.

„Corbin, hey, das war nicht so gemeint.“, versuche ich ihn zu beschwichtigen.

„Ach ja, das fällt dir aber früh ein. Außerdem, ich bekomme mein Leben hin. Aber nicht jedem fällt das alles so zu wie dir. Du raffst alles und kannst alles.“ Er schüttelt mich und ich beginne zu zittern. Ich fühle mich angegriffen, will mich wehren, aber ich weiß wie das endet.

„Lass mich los!“, brülle ich ihn an. Er macht keine Anstalten dazu und beginnt mich weiter zu rütteln. Ich darf es nicht so enden lassen, wie damals, aber meine Kräfte schwinden, schneller als ich gedacht habe. „Es tut mir leid.“, ist alles, was ich unter dem spontanen Fluss von Tränen sagen kann, als alles aus dem Ruder läuft. Es beginnt zu stürmen, in unser Haus schlägt er Blitz ein. Corbin schaut sich um und atmet krampfhaft. Mit aller Kraft versuche ich das zu stoppen, doch meine Beine knicken vor Kraftlosigkeit weg. „Nein!“, kreische ich, als Corbin zurück taumelt. Sein Gesicht ist schmerzverzerrt, er hält sich die Brust und dann fällt er. „Nein!“, kreische ich erneut lauter und mir bricht die Stimme weg. Er bewegt sich nicht mehr. Auf allen vieren nähere ich mich und sehe sein von Schmerz gezeichnetes Gesicht. Ich hebe ihn hoch und umschlinge ihn. „Es tut mir so leid. Corbin…“, piepse ich unter Tränen. Außer mir verfalle ich in einen lautstarken Anfall von Tränen und Schuld. Immer noch umschlinge ich meinen jetzt leblosen Bruder. „Corbin.“ In mir reißt etwas. Ich habe meinen Bruder getötet wispert es in meinem Kopf. Diesen Satz werde ich nie wieder vergessen können. Diese Bilder. Erneut alles durchgemacht. Wieder ist alles im Chaos geendet. Stundenlang sitze ich da und halt Corbin in meinen Armen, bis meine Eltern wieder kommen. Ich kenne die Szene, schließe die Augen und schalte auf Durchzug. Sie nehmen mir Corbin weg. Dann die Frage was passiert ist. Ich antworte nicht.

Ich habe ihn wieder umgebracht.

Ich habe wieder meine Eltern verloren.

Werde wieder allein gelassen.

Wieder ist etwas in mir gebrochen.

Ich kralle meine Hände in meine Haare. Ich muss aufwachen. Mehr ertrage ich nicht. Das hier ist ein Thema in meinem Leben, das ich loswerden will, einfach nur vergessen. Vergessen. Ruhig, still und in Frieden alles von diesem Tag vergessen. Ich muss aufwachen…

Keuchend fahre ich in meinem Bett auf. Mein Atem ist schwer und ich bin schweißgebadet. Ben scheine ich nicht geweckt zu haben, denn ich kann keine Schritte hören und er ist auch nicht in meinem Zimmer. Leise gehe ich ins Badezimmer und wasche mir mein Gesicht mit kaltem Wasser. Am liebsten würde ich jetzt duschen, aber das würde Ben aufwecken und dann würde er mich wieder fragen was los ist, ich müsste mir wieder ein paar Märchen ausdenken und darauf habe ich keine Lust. Unsanft sinke ich auf den Boden und lehne mich gegen den kalten Rand der Badewanne. Ich versinke wieder im Schlaf, obwohl ich es geschafft habe, mich mindestens drei Stunden dagegen zu sträuben. Meine Wahrnehmung tritt erst wieder in Kraft, als ich eine Erschütterung wahrnehme. Ich befinde mich nicht mehr auf dem kalten Badezimmerboden, sondern werde getragen. Ein Schauer überläuft mich, bei den Stellen, wo Körperkontakt herrscht. Doch mit ist kalt und so rolle ich mich zusammen und lasse die Berührung zu. Meine Sinne sind taub und so empfinde ich nicht den Impuls, die Berührung zu meiden. Ich werde wieder hingelegt, aber der Untergrund ist nicht die Matratze meines Bettes, sondern die Oberfläche der Couch. Ben gibt mir eine Decke und ich döse weiter vor mich hin. Irgendwann geht die Sonne auf und ich erwache aus meiner Trance. Ben lehnt gegen meine Küchentheke und hält eine dampfende Tasse in der Hand. Dem Duft nach zu urteilen dürfte das Kaffee sein. Er schaut aus dem Fenster und lässt sich die ersten warmen Strahlen aufs Gesicht scheinen. Ich hebe den Kopf. „Morgen.“ Er zuckt zusammen und verschüttet fast den Kaffee, doch ich weiß es zu verhindern. „Ja, Ehm, morgen. Ich habe mir Kaffee gemacht, willst du auch einen?“

„Nein, danke. Hast du mich hier hin gebracht?“, hake ich nach, nachdem ich mich tiefer in die jetzt schon zwei Decken geschmiegt habe. Er nickt. „Als ich aufgestanden bin, habe ich dich im Badzimmer gefunden und du warst leicht am zittern. Da habe ich dich rüber gebracht.“ Er fragt nicht warum ich da gelegen habe. Anscheinend merkt er, dass ich ihm nur ungern Sachen über mich erzähle.

„Willst du zur Schule?“ Er schaut stirnrunzelnd. „Ich könnte dich fahren.“

„Das hört sich so an, als würdest du hier bleiben.“, sagt er zweifelnd. Ich nicke. „Im Moment läuft es nicht so gut und da will ich ehrlich gesagt lieber hier bleiben.“ Er stellt seine Tasse weg und schaut ernst. „Du bist gerade mal für kurze Zeit an unserer Schule und willst schon blau machen. Du gehst auch.“ Ich mache einen müden Gesichtsausdruck. „Ben… Ich kann wirklich nicht.“

„Klar kannst du. Ich ziehe mich jetzt um, vorausgesetzt die Sachen in meinem Rucksack sind langsam wieder trocken, und dann gehen wir beide zur Schule.“ Wiederwillig lasse ich mich überreden, mit dem Plan, mich nach irgendeiner Stunde unbemerkt weg zu schleichen. In neuen Sachen und mit meiner Tasche steigen wir in meinen Wagen und halten noch kurz bei Ben. Seine Eltern sind um die Zeit schon aus dem Haus, sodass er unbemerkt ein und ausgehen kann. An der Schule angekommen, sehe ich Kevin mit Esme und Kelly an der Bank lehnen. Schlitzäugig schauen sie zu Ben und mir hinüber. Ben kommt auf sie zu, während ich noch so tue, als würde ich in meiner Tasche sortieren und zum Verzögern das Handschuhfach öffne. „Was hast du denn mit ihr zu tun?“, fragt Kevin zweifelnd, was ich nur verstehen kann, weil ich auf einem der gebäudenahen Parkplätze geparkt habe. Ben verteidigt mich tapfer, unterliegt dann aber. Ich gehe mit meiner Tasche an ihnen vorbei und bekomme zweifelnde Blicke zugeworfen. Ich senke den Kopf und gehe weiter in die Flure. Kevins Blick war der, der mich am meisten hat frösteln lassen. Es war nichts als hemmungslose Ablehnung und der Befehl dahin zu gehen, wo ich hergekommen bin. Da war nichts mehr von dem netten und hilfsbereiten Kevin, der letzten Tage, sondern ein unbekanntes Funkeln. Meine erste Stunde ist eine Freistunde, die wir aber leider hier in der Schule verbringen müssen. Hinter mir höre ich schnelle Geräusche von Schuhen. „Riley!“, ruft Ben mir hinterher. „Warum kann er mich nicht einfach in Ruhe lassen?!“, flüstere ich fast lautlos.

„Was ist mit Kevin los?“ Ben winkt ab. „Der hat nur gerade alle Hände voll mit Problemen zu Hause. Deshalb ist er ein wenig verstimmt. Nimm es nicht persönlich.“

Was hast du denn mit ihr zu tun klang aber ziemlich persönlich.“ Sein Gesichtsausdruck wirkt überrascht. Unbeholfen versucht er sich raus zu reden. „Oh, das hast du mitbekommen. Ja, er ist im Moment etwas komisch, und das ist die Wahrheit.“ Nickend lasse ich seine Worte zwischen uns stehen. Er führt mich zu dem Raum, in dem wir die Freistunde verbringen werden. Auch er hat eine Freistunde. Sein Blick verrät etwas, das mich an dem ruhigen Abgang der nächsten Stunde zweifeln lässt.

6.Kapitel

Ich schlafe ungewöhnlich lang, denn als ich auf die Uhr neben meinem Bett gucke haben wir schon an die halb eins, mittags. Cleo kommt kurz nach mir gucken und dann klingelt mein Handy. 
„Hallo?“, frage ich leicht verschlafen.
„Ich sagte doch das war ernst gemeint.“, kommt es von der anderen Seite. Mein Hirn braucht einen Moment um zu realisieren wer jetzt dran ist. Dann klatsche ich mir die Hand gegen die Stirn. 
„Ben.“
„Wen hast du erwartet?“ Er tut gerade so als hätte ich gar keine anderen Freunde außer ihm!
„Du hast doch jetzt-“
„Schule? Ich weiß. Aber gerade ist Pause und mir ist langweilig. Kevin, halt die Klappe. Was machst du so?“
„Nichts Besonderes. Gerade aufgestanden, naja eher wach als aufgestanden. Was gibt Kevin wieder von sich?“ Ich höre ein genervtes Schnauben auf der anderen Seite. „Nichts was er unbedingt hätte loswerden müssen! Ignorier ihn einfach.“ Kevin scheint irgendwas gemacht zu haben, ob jetzt finster gucken, ihm den Mittelfinger zeigen oder ähnliches, denn Ben fängt an laut zu lachen. Cleo kommt nochmal in den Raum und fragt mich wer dran ist. Ben, forme ich mit den Lippen. Sie hebt unwissend die Hände und zuckt die Schultern. „Später.“
„Ist deine Freundin gerade da?“
„Ja.“
„Sie soll dich ja auf Trab halten. Wenn du wieder so eingekehrt zurück kommst und sie meine Arbeit zu Nichte gemacht hat, müsste ich mal ein ernstes Wort mit ihr reden.“, sagt er streng. Ich lache laut. 
,;Was ist los?“, fragt Cleo verwirrt. 
„Erklär ich dir später.“
„Gib sie mir, ich werde es ihr selbst sagen, du machst es nämlich so oder so nicht.“
„Vergiss es.“ Wir reden noch lang, Cleo ist gegangen, weil sie nichts von alledem verstanden hat und Ben scheint wieder Unterricht zu haben, denn ich höre plötzlich Mr. Evans Stimme.
„Ben! Mach du deinen Stoff weiter. Ich lege jetzt auf.“
„Vergiss es, du kommst hier nicht drum herum.“, flüstert er leise. Mr. Evans nimmt Ben überraschend dran und ich sage ihm die Antwort, weil er die Frage gar nicht mitbekommen hat. 
„Da hast du nochmal Glück gehabt, Ben.“, höre ich den Lehrer leise sagen. 
„Danke. Das ist nochmal gerade so gut gegangen.“
„Ben… Ich lege jetzt auf. Du kannst mich ja später nochmal anrufen. Außerdem, warum kann man das Headset nicht sehen?“
„Lass das mal meine Sorge sein.“ Die Verbindung wird unterbrochen. Gut gelaunt gehe ich nach unten.
„Wer ist denn Ben?“, fragt Cleo neugierig, als ich die Küche betrete und lehnt sich gegen die Theke. 
„Er ist aus meiner Klasse.“ Ihr geht ein Licht auf. „Aso, du gehst ja wieder zur Schule. Warum eigentlich? Du weißt doch alles. Ich könnte dir irgendeine x-beliebige Frage stellen und du würdest sie mir beantworten.“ Ich setze mich an den Tisch und nehme mir ein paar Trauben. Meinen Magen kann mittlerweile nichts mehr erschüttern. „Ich will einfach mal wieder ein wenig Normalität in mein Leben bringen. Ich altere nicht, ich sterbe nicht, ich werde nie krank. Jegliche Menschen in meinem Umfeld überlebe ich… Da will ich hin und wieder einfach mal versuchen gewöhnlich und normal zu wirken. Das ist eigentlich der einzige Grund, warum ich hin und wieder zur Schule gehe.“ Sie lächelt mich warm an. „Du machst das schon. Also, was sollen wir unternehmen? Shopping, faulenzen, Party….“ Ich lache schnaubend. Sie muss sich wirklich noch an meine Lebensweise gewöhnen. Zwar will ich etwas ändern, aber das ist nicht gerade einfach in meinem Fall. „Cleo… Party?“ Sie schaut verständnislos und scheint dann aber langsam zu begreifen was ich meine. „Achso, die Berührungsängste. Daran hatte ich jetzt nicht gedacht. Ist das immer noch nicht besser?“, fragt sie mitleidig. Ich verneine. Ich bringe ihr ein paar Beispiele, aber damit ich uns beiden nicht die Laune versaue halte ich einfach meinen Mund. Sie fragt noch lange und eindringlich nach den vergangenen Monaten, in denen wir wegen ihrem Job nicht so viel mit einander zu tun gehabt haben. Mein Leben ist nicht gerade spektakulär, deshalb gibt es da nichts Berauschendes zu berichten. Das einzige was sie fesselt ist der Teil in dem ich ihr von meiner neuen Schule erzähle. Dauernd löchert sie mich mit Fragen über Kevin und hauptsächlich Ben. Genau den scheint sie besonders interessant zu finden. Leider bekommt sie nicht viel zu hören.

„Und weiter?“, hakt sie nach. Ich zucke die Schultern. „Was?“
„Ja… das kann doch nicht alles sein. Da geht doch mehr…“, murmelt sie vor sich hin. Ich seufze erschöpft und enttäuscht. „Cleo, ich kann es nicht. Ich kann nicht mit Ben, mit niemandem, zusammen kommen. In ein paar Jahren wäre ich immer noch in der Verfassung einer sechzehn jährigen. Das würde auffallen und ich müsste mich von dem jenigen trennen. Und wenn nicht, wenn ich mich anvertraue, dann überlebe ich diesen Menschen. Frag mich nicht warum, ich weiß nicht warum ich nicht altere, aber ich könnte schwören, dass alles an dem Tag mit Corbin angefangen hat, dann als ich meine Kräfte entdeckt habe.“
„Hast du schon mal wen gefragt der vielleicht ein wenig mehr Ahnung hat als wir? Einen Professor oder so? Immerhin soll es auch ein Mädchen geben, das den Körper eines Kleinkindes hat und schon mindestens sechzehn ist.“
„Cleo, das würde das Altern erklären, aber noch lang nicht alles.“ Der Tee beginnt zu dampfen, siedet aus der Tasse, fällt als Schnee und fließt zurück in die Tasse. 
„Das vielleicht nicht, aber wir hätten einen Anhaltspunkt.“
„Das habe ich schon lang aufgegeben, ob du es glaubst oder nicht, ich wollte mal einen Arzt aufsuchen, aber der würde mir Blut abnehmen, oder eine Zellprobe haben wollen. Die Ergebnisse könnten sonst wie sein und ich lange im nächsten Forschungslabor. Ehe ich lebe wir eine Laborratte und auf alles Mögliche getestet werde, mache ich lieber das hier durch, als ein Leben im Labor.“ 
Niemand von uns sagt mehr etwas. Ich habe schon oft daran gedacht mich mal untersuchen zu lassen, aber es dann auch direkt wieder verworfen, als mir eine kleine Ratte im Labor vor meinem geistigen Auge erschienen ist. Mir kommt ein Gedanke in den Sinn, den ich beim Anblick des Ortsschildes von Austin gefasst habe. Ich wollte abschalten. Frei von allem und einfach mal entspannen ohne irgendwelche Befürchtungen. Dazu sollte ich vielleicht mal übergehen.
„Cleo, willst du heute Abend feiern gehen?“
„Aber du-“
„Ich bin egal, willst du?“ Sie nickt. „Eine Menge Alkohol und selbst die Party ist mein Freund.“ Sie scheint nicht überzeugt, aber ich kann sie überreden. Den Tag verbringen wir entspannt mit einer Shopping tour durch die Stadt. Ich brauche noch etwas Passendes für heute Abend und das mit allem drum und dran, wobei Cleo mich berät. Für sie springt auch ein schönes Kleid raus. Es ist silbern bis grau, nicht besonders lang, aber bedeckt immer noch einen drei viertel Teil ihres Oberschenkels. Dazu gibt es hohe Schuhe, die ihr Aussehen nochmal zunehmend unterstreichen. Cloe ist etwas kleiner als ich, hat lange braune Haare, blass grüne Augen und volle Lippen. Von der Statur her ist sie eher zierlich, aber kann sich trotzdem nicht beschweren. Ich ende in einem kleinen, klassisch schwarzen Kleid, mit flatterndem Saum und einigen Eigenheiten. Es ist trägerlos und ab der Brustlinie trägt es übereinander liegende Falten. Aufgrund der Tatsache, dass ich schon etwas größer bin, trage ich flache Balerinas auf das Kleid. Mit Tüten bepackt fahren wir wieder nach Hause und wappnen uns auf den Abend. Die häusliche Bar wird von mir geplündert. „Riley, du bringst dich noch um. Das waren jetzt zwei Flaschen Vodga.“
„Glaub mir, ich habe es schon so oft versucht, das hier bringt mich auch nicht um. Da gab es schon schlimmeres. Ich will außerdem nur meine Sinne und mein Gespür lahm legen. Geistig kann ich mich nicht wegdröhnen.“

Wir fahren in die Innenstadt und dort lotst Cleo mich in einen guten Club, in den sie auch öfter zu gehen scheint. Dem Türsteher ist sie zumindest bekannt, was uns schnell und ohne weiteres in den Club bringt. Sofort dröhnt lauter Bass auf einen ein, aber ich bin gefühlstaub. Der Alkohol blendet meine Empfindungen aus, selbst wenn es schon etwas viel war. Die Musik ist echt nicht gut, aber darum geht es hier ja nicht. Nur laut, viel Bass und geremixed ohne Ende. Cleo führt mich zu der Bar am Rande der Menschenmenge und wir setzen uns auf die Barhocker. „Eko!“, ruft Cleo und der Barkeeper dreht sich zu ihr. „Cleo, auch mal wieder hier. Was willst du?“ Sie grübelt einen Moment und schaut an der Wand entlang, wo Tonnen von Flaschen, hochprozentiges und auch nur leicht angehauchte Sorten, stehen. Sie nennt ihm ihre Mischung und schon schüttelt der seinen Shaker mit der gewünschten Mixtur.
„Und was ist mit dir?“ Über meine Jahre bin ich schon in den Genuss von etlichen Drinks gekommen, aber mein Favorit bleibt. „Ich nehme einen Tingling Feelings.“ Dieder Drink beinhaltet Wodka, Ginger-Ale eine saure Note mit etwas Zitronensaft und viel Eis. Hoch alkoholisch ist das nicht, aber das reicht nach der vorherigen Vorrunde schon. Auf der Tanzfläche lasse ich allem freien Lauf und spüre nichts dabei, wenn mich jemand berührt. Überall streifen mich Arme, Hände kommen in meine Nähe, etliche Körper berühren mich und ich will nicht zurückweichen. Ein zufriedenes Lächeln kommt auf meine Lippen und ich lasse mich von der Musik leiten. Cleo grinst und nach einer Weile kann ich sie in der Menge nicht mehr aus machen. Ein Typ hat sich an meine Fersen geheftet und sucht drängend meine Nähe. Etwas später sind wir von der Tanzfläche verschwunden und in einer etwas abgelegene Ecke. Er will mich stürmisch Küssen, aber ich entziehe mich seiner Nähe. „Stell dich doch nicht so an.“, raunt er.
„Vergiss es.“ 
„Was bist du denn für eine?“
„Eine, die ihren Stolz noch hat und vielleicht noch ein wenig Würde dazu.“, entgegne ich gelassen. Er macht eine finstere Miene und ich gehe zurück in die Menge. Auf meinem Weg sehe ich in der Ecke etwas, das mich schockt. „Kevin?“, flüstere ich überrascht. Seine Augen verengen sich und er verschwindet aus meinem Blickfeld. Schnell gehe ich dort hin, wo ich ihn gesehen habe und etwas entfernt sehe ich ihn stehen, auffallend aufgrund seiner dicken Pitbull Jacke, die er auch in der Schule öfter an hatte. An der Schulter drehe ich ihn zu mir um. „Kennen wir uns?“, fragt mich ein Typ, der nicht im geringsten wie Kevin aussieht. „Ehm, nein. Habe ich verwechselt.“ Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Leide ich zu meinem Glück jetzt auch noch unter Verfolgungswahn? Ich könnte schwören, das ich Kevin gerade gesehen habe… Um wieder klar im Kopf zu werden schüttele ich ihn kurz und stürze mich wieder ins Geschehen. Cleo sehe ich nirgends, aber im Moment beschäftigt mich ganz anderes. Die letzten Momente gehen mir nicht aus dem Kopf. Das war Kevin. Aber der Typ war es eindeutig nicht. Das klingt wirklich geisteskrank. Den weiteren Abend über sehe ich mein Kevin Phantom nicht mehr. Wahrscheinlich war es nur Einbildung. Cleo sehe ich jedoch auch nicht mehr. Einige Männer haben sich nach dem ziemlich direkten Typ noch gewagt, es so weit zu bringen, aber wirklich gebracht hat es ihnen nichts. Als ich mich, es müsste schon gegen zwei Uhr nachts sein, langsam auf den nach Hause Weg begeben will, finde ich sie mit einem nicht gerade sanften Duft von Alkohol bei einer lachenden Gruppe. Sie lallt ordentlich und ich buchsiere sie in meinen Wagen. „Warum hast du das gemacht?“, fragt sie mich verkorkst und scheint noch nicht zu wissen oben sie lachen soll, oder sich übergeben muss. Hoffen wir auf das erste. Sie ist völlig neben der Spur und kann kaum gerade aus gehen. Anscheinend war es mehr als einer über den Durst. In ihrem Haus setze ich sie unter die Dusche, nachdem ich ihr alles weg genommen habe, was Schaden nehmen könnte. Kalt prasselt ihr das Wasser auf den Kopf und sie quiekt erschrocken.
„Riley!“, piepst sie. Als sie aufstehen will, drücke ich sie wieder unter den Strahl. Ihre Zähne schlottern und sie bibbert. Nach etwa zwei Minuten bekomme ich Mitleid und stoppe das Wasser. Ich helfe ihr aufzustehen und sie zittert stark. „Dafür… könnte ich… dich hassen.“, sagt sie mir klappernden Zähnen.
„Du würdest mir sowieso wieder verzeihen.“, sage ich mit einem leichten Lächeln, weil ich sie kenne und weiß, dass sie einfach nicht dazu geschaffen ist, nachtragend zu sein. Ich verlasse den Raum und sie duscht nochmal heiß. Wirklich auf der Höhe ist sie noch nicht, aber wenigens nicht mehr völlig dicht. In trockene und neue Sachen gehüllt, kommt sie ins Wohnzimmer, wo ich während dessen ein kleines Feuer entfacht habe. Auf menschliche Weise. Um meine Füße schmiegen sich Hunde und Cara liegt wie gewohnt neben mir, eng angeschmiegt. Sie scheint eingeschlafen zu sein. „Du scheinst ja wirklich anziehend zu sein.“, scherzt Cleo und zeigt auf meine Füße. „Sie sind zumindest begeistert von dir.“ Tatsächlich ist mir während der letzten Jahre aufgefallen, dass Tiere aus unerklärlichen Gründen öfter meine Nähe suchen. Nur eine weitere unentdeckte Seite, meines ja sonst so normalen Lebens.
„Was ist los?“ Ich hebe den Blick und sie schaut besorgt. 
„Nichts…“
„Ach, erzähl mir nichts. Wir wissen beide, dass weder du noch ich das glaube.“ 
„Ich habe mich nur gerade daran erinnert, dass ich nicht normal bin.“ 
„Riley.“, seufzt sie. Schon Milliarden Male habe ich dieses Thema angesprochen und jedes Mal wollte sie mich aufheitern. Ihr gehen die Sprüche zur Aufmunterung aus. Ich schrecke auf, als ein schriller Ton erklingt und mein Handy auf dem Wohnzimmertisch vibriert. Mein Zucken hat die Hunde zu meinen Füßen aufgeschreckt und Cara hat erschrocken gebellt. „Was ist jetzt?“, fragt Cleo verständnislos. Schulterzuckend nehme ich mir mein Handy und schaue aus den Bildschirm. Eine SMS von Ben. 
Hast du Zeit?
Ehm, ja im Moment schon, warum?
Wenige Sekunden später klingelt mein Handy erneut und ein Fenster geht auf. Bens sehnsüchtig angekündigter Videoanruf. Ich nehme an. 
„Hey.“, begrüßt mich Ben, dessen Gesicht ich nun sehen kann. Ich grinse entspannt und zufrieden. Bens Anblick ist weniger der Grund, als das er ein Stück Heimat mir sich bringt. Ben lebt ihn Panama, dort gehen wir zur Schule und dort wohnen wir. Zu Hause. Ein anderes zu Hause als hier in Austin. Cleo stupst mich mit dem Ellbogen an und schaut viel sagend. Ich werfe ihr einen finsteren Blick zu. „Deine Freundin?“
„Ja, Cleo.“ Er nickt. „Du machst wirklich ernst.“, stelle ich fest. Er lacht laut. „Klar, was hast du anderes erwartet?“ Ein unterdrücktes Würgen dringt zu mir durch, das weder aus meiner Gegend, noch von Ben stammt. „Was war das?“ Er macht eine weg werfende Geste und er wirkt plötzlich ziemlich genervt. „Ignorier das. War nur Kevin.“ Kevins Namen betont er tief und grollend. Erst jetzt bemerke ich, das er sich bewegt. „Wo bist du?“ 
„Wir sind nur was unterwegs. Es ist nichts los und wir sind was draußen.“
„Im Wald?“, frage ich zweifelnd und runzele die Stirn. 
„Im Wald.“ Er schaut sein Display prüfend an. „Wie siehst du eigentlich aus? Gibt es was zu feiern oder steigt bei euch gleich noch irgendwo eine Part?“ Cleo schnaubt. „Wir waren bis eben weg, Ben. Aber für Heute ist mal gut.“ Er schaut überrascht. „Cleo?“, fragt er. Sie beugt sich zu mir rüber und erscheint im Bild. „Du hast sie ernsthaft mit auf eine Party geschleift?“
„Ja, selbst wenn dazu einige Flaschen Vorarbeit nötig waren.“, sagt sie lachend. Ben schaut verwirrt. Die beiden unterhalten sich noch lang genug, mittlerweile hat Cleo mein Handy und sie verstehen sich sehr gut.
„Tut mir ja Leid, Leute, aber ihr versteht euch viel zu gut. Meine beste Freundin und mein Stalker in einem Video Gespräch ist schon fast zu viel des Guten.
,,Stalker?“, fragt Ben gekünstelt entsetzt, als ich mein Handy wieder in den Händen halte. 
„Ja, ein nett umschreibendes Wort dafür, wie sehr ich dir am Herzen liege.“ Er lacht laut. Cleo geht irgendwann von Party und dem Gebräu des Typen erschöpft ins Bett, ich behalte Ben noch was bei mir. Als das Thema Kevin zu sprechen kommt, dämmert mir etwas. „Ben, wenn wir Pech haben, leide ich auch noch unter Verfolgungswahn.“
„Warum das?“
„Als ich und Cleo feiern waren, da hätte ich schwören können, dass ich Kevin gesehen habe. Dann ist er verschwunden und der Typ stand ein paar Meter weiter. Als ich ihn dann umgedreht habe, war es aber nur irgendwer, der ihm etwas ähnlich sah und dieselbe Jacke trug.“ 
„Kevin?“, fragt er ungläubig. Sein Blick geht finster in die Richtung seiner linken Seite, wo ich Kevin mal vermute. „Also er war eigentlich die ganze Zeit hier.“, versichert mit Ben, aber irgendwas scheint in ins Grübeln gebracht zu haben. Ich gähne herzhaft und sinke tiefer in die Couchecke. Ben ist schon seit längerer Zeit zu Hause und sitzt auf seinem Bett. „Müde?“ Ich nicke. „Ich könnte auch morgen nochmal anrufen. Du brauchst die Nacht jetzt nicht durch zu machen.“ Er überlegt zwei Sekunden und hat seinen Entschluss gefasst. „Riley, du bist völlig fertig. Wir legen jetzt auf und schlafen.“, schlägt er vor. 
„Oke.“, sage ich unter einem weiteren Gähnen. Er lächelt freundlich. „Naja, ich melde mich dann morgen nochmal. Schlaf gut und träum was Schönes.“ Trotz meiner Müdigkeit ringe ich mir ein Grinsen ab. „Danke, du auch.“ Er legt auf und ich bezweifle, dass ich es wach bis in mein Zimmer schaffe. Spontan lasse ich mich zur Seite fallen und beschließe auf der Couch zu bleiben. Von der linken Seite ziehe ich mir die Fleecedecke mit und liege recht bequem. Ich merke wie der Alkohol sich abbaut und wie ich meine Augen endgültig nicht mehr auf halten kann. Sie fallen völlig zu und wie auf unsichtbaren Stromstärken werde ich in den Schlaf gesogen.

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Hörbuch

Über den Autor

Samira
Ich bin 15 und komme aus dem Kreis von Köln. Allgemein bin ich ein sehr lustiger Mensch und kann über vieles Lachen. In meiner Freizeit unternehme ich gern etwas mit Freunden, bin aber auch froh, wenn ich mal meine Ruhe habe. Zu meinen Hobbys zählt natürlich auch das Schreiben. Ich schreibe selbst eigene Geschichten, eine ist fertig, und zwei sind in Arbeit. Nebenbei schreibe ich auch hin und wieder Gedichte, als Abwechslung zu den sonst so langen Texten eines vollständigen Buches. Meine zweite Leidenschaft ist das Tanzen & die Musik.

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Samira Danke neunzehn :)
Es macht mir nichts aus, wenn du einige Kritikpunkte ansprichst.
Immerhin weiß ich, dass in diesem Portal einige User sind, die durchaus Ahnung vom Schreiben haben, denn gerade deshalb bin ich hier.
Damit man mich bewertet.

Bisher habe ich meine Geschichten immer im Präteritum geschrieben, doch diese Geschichte beruht auf einem Traum, den ich hatte und den ich dann festgehalten habe. Zu dem Zeitpunkt habe ich ein Buch gelesen, das ebenfalls im Präsenz verfasst war und ich fühlte mich näher am Geschehen, als wenn man es in der Vergangenheit berichtet. Einen Versuch war es wert, aber ich denke die nächste Idee würde ich wieder im Präteritum umsetzen.

Mit der Zielgruppe könntest du Recht haben, doch ich versuche mich näher am neutralen Bereich zu halten. Der Anfang, der hier bereits rein gestellt wurde, ist noch ein sehr emotionaler Abschnitt der Geschichte, zu Mitte hin bessert sich Rileys Verfassung, weshalb es da nicht so ein Gefühlschaos gibt.
Vor langer Zeit - Antworten
Samira Danke für euer Lob.
& ich hoffe ihr würdet auch weiter so darüber denken.

Würdet ihr weitere Kapitel lesen?
Vor langer Zeit - Antworten
UteSchuster liebe Samira, - gefällt mir sehr was du da schreibst.
Ich schreibt dir noch eine PN...

Liebe Grüße Ute
Vor langer Zeit - Antworten
MysticRose Schon der Titel ist sehr faszinierend. - Hier gibt's absolut nichts zu merken, weder am Plot, Figurenkonstellation, Sprache oder sonst etwas.
Daumen hoch!
Vor langer Zeit - Antworten
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