Romane & Erzählungen
DAS GEBET - Das Treffen (1)

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Teil 1: Das Treffen

Karl Frankenthaler, Inhaber einer alteingesessenen Buchdruckerei, ist mittlerweile 70 Jahre alt. Er denkt schon länger darüber nach, seine Firma an seinen jungen Neffen Thomas zu übergeben. Der aber will unbedingt Theologie studieren, um Priester zu werden. Nach einigen schlaflosen Nächten hat sich der älter werdende Onkel durchgerungen. Er ruft seinen Neffen an und bestellt ihn zu sich. Es wird ein schöner Männernachmittag daheim beim Onkel in dem gemütlichen Herrenzimmer. Sie sitzen in bequemen alten Lederclubsesseln, es gibt Kaffee und Kuchen, der Onkel genießt eine seiner seltenen Havanna-Zigarren und schließlich muss seine Haushälterin noch eine Flasche uralten Rotwein aus dem Hause Rothschild servieren.

Die beiden Männer haben den Nachmittag genutzt, um über Gott und die Welt, über Reisen, Bildung, Abenteuer zu sprechen. Ganz langsam steuert der Onkel auf sein Gesprächsziel zu. Er erforscht zunächst noch einmal, wie groß das Interesse des Neffen an der Firma ist. Doch der ist so fasziniert vom Priesterberuf, dass er nur davon schwärmt. Der Onkel setzt noch einen drauf und hat im besten Restaurant der kleinen Stadt einen etwas abseits stehenden Tisch bestellt, an dem man sich in Ruhe unterhalten kann. Dorthin lädt er den Neffen jetzt ein, nachdem die Flasche Rotwein geleert ist.

Die beiden Herren sitzen, sehr zur Verwunderung des Restaurantbesitzers - eines guten Freundes des Karl  Frankenthaler – allein an ihrem Tisch. Das auserlesene Menü hat hervorragend geschmeckt und beim Dessert lässt der Onkel endlich seinen Knallbonbon platzen und sagt: „Lieber Thomas, ich bin bereit, dir dein Studium zu finanzieren, wenn du zuvor auf Weltreise gehst.“  Dieses großzügige Geschenk will sich der junge Mann nicht entgehen lassen und willigt mit folgenden Worten ein: „Lieber Onkel, eher morgen als übermorgen will ich diese Reise antreten. Ich danke dir schon im Voraus für dieses großzügige Geschenk. Und wie ich dich kenne, hast du auch schon alles perfekt organisiert, so dass ich nur noch Koffer packen muss.“ Beide brechen in herzhaftes Gelächter aus, umarmen sich und nach einer ausgiebigen Verabschiedung brechen sie nach  Hause auf, nicht ohne sich für den nächsten Vormittag wieder zu verabreden.

©Hei-O 12-2010