Ich gebe es zu, ich habe eine Schwäche für schöne Frauen. Was für Superman das Kryptonit ist, für Batman die Fledermaus, das ist für mich die Damenwelt. Da bin ich ein bisschen wie Lemmy Kilmister, was an und für sich kein Problem wäre, da Lemmy ähnlich beschissen aussieht wie ich und trotzdem all die hübschen Mädels abbekommt, gäbe es nicht das kleine aber feine Detail, dass ich nicht bei bei Motörhead spiele. Pech gehabt. Und so beruht meine Schwäche nur selten auf Gegenseitigkeit, ein fürchterlicher Fluch! Im letzten Leben muss ich gnadenloser Diktator einer kommunistischen Bananenrepublik gewesen sein, anders lässt sich nicht erklären, weshalb ich dermaßen verzweifelt und erfolglos nach einer Partnerin suchte, dass ich mich selbst am Silvesterabend lieber auf ein Blind Date einließ, statt mir im Kreis meiner mitalternden Freunde den Kopf zuzuschütten und lallend dem neuen Jahr zuzuprosten.
Ihr Name war Brigitte. Wie die Zeitschrift, und das hätte mir vielleicht eine Warnung sein sollen. Brigitte. Nicht Bridget, diese Schokolade-zum-Frühstück-Frau, sondern einfach nur Brigitte. Ich hatte sie auf einer Online-Singlebörse begutachtet, wie man ein neues Paar Sportschuhe beäugt oder eine modische Markenjeans, oder, um ehrlich zu sein, wie ein Stück Fleisch, und sie anschließend nur angeschrieben, weil sie, nun ja, gut aussah: Mitte zwanzig, langes blondes Haar, volle Lippen, große blaue Augen, dunkel geschminkt - wie aus dem Ottokatalog für Blind Dates, die so ganz blind somit ja nicht waren. Zuvor hatte ich viele Profile durchgeklickt wie Massenware. Hängen geblieben war ich an jenem Tag nur auf Brigittes Profil. Bei ihr, da konnte man nun wirklich nichts falsch machen, dachte ich. Eine, mit der man sich zumindest gern blicken ließ.
Ich umgarnte sie, so charmant ich konnte; das ganze Programm: Neckerei, eine Prise Freundlichkeit, hier und da ein Witz, von dem ich nie wusste, ob sie ihn nun verstanden hatte oder nicht. Irgendwie war es schon armselig mit diesen Singlebörsen: Zuerst war die Klickerei eine einzige Fließbandarbeit, und dann war der Rest auch nichts anderes. Immerhin kam ich hier auch ohne Brad-Pitt-Gedächtnisvisage mit den hübschen Frauen ins Gespräch.
»Ein Treffen am Silvesterabend?«, schrieb ich schließlich, nachdem Brigitte tatsächlich gemeint hatte, mich sehen zu wollen, und den entsprechenden Vorschlag gemacht hatte. »Geht‘s nicht auch irgendwie kurz nach Neujahr?« Die Panik vor dem Tanz auf mehreren Hochzeiten hatte ich geschickt in meine Frage verpackt, denn eigentlich war ich schon mit ein paar Freunden zu Schnaps und Nostalgiegesprächen darüber, dass früher alles, aber auch wirklich alles besser war, verabredet.
»Ja, schon, aber da hab ich eben noch nichts vor«, meinte Brigitte. Grandioses Argument, toll! Was hätte ich darauf auch antworten sollen?
»Okay, wann und wo?«, hakte ich nach. Ich meine, große blaue Augen!
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Wir landeten schließlich tatsächlich am 31. Dezember gegen 20 Uhr im Casablanca, einem hübschen Café bei mir um die Ecke, in dem ich mir schon das eine oder andere meist kräftig missglückte Date um die Ohren geschlagen hatte. Musik und Ambiente waren, soweit ich das mit meinen prähistorischen dreißig Lenzen einschätzen konnte, State of the Art, und man kam sich hier immer jünger vor, als man eigentlich war. Ich zumindest.
»Und sonst so?«, fragte ich Brigitte. Nicht gerade die Frage der Fragen, kein John Wayne, aber ich hasste peinliche Stille. Und selbige hatte sich, sofort nachdem wir uns zur Begrüßung flüchtig umarmt hatten, eklig und klebrig wie Schmieröl über uns gelegt. Kein Wunder, hatte ich mich doch mit einem heißen Fünfsternegericht verabredet und bekam nun aufgewärmtes Fertigfutter aus der Mikrowelle vorgesetzt. Und das am Silvesterabend!
Kurzum, entweder war Brigitte eine ziemliche Mogelpackung, zumindest, was ihr Profilfoto anbelangte, oder sie hatte wie von Zauberhand über Nacht einen burschikosen Kurzhaarschnitt und einen Satz Gesichtsfalten verpasst bekommen. Ganz davon abgesehen, dass ihre Lippen nur dadurch so voll wirkten, dass sie den Lippenstift in geschätzten zehn Lagen und weit über den Rand der Lippen hinaus auftrug. Wenn sie damit erreichen wollte, dass man dauernd auf ihren roten Mund starrte, der vermutlich im Dunkeln leuchtete, hatte sie ihr Ziel erreicht, denn so hatte sie frappierende Ähnlichkeit mit dem Joker aus den Batman-Comics. Wenigstens hatte sie kein grünes Haar. Blond war sie allerdings auch nicht mehr, sondern eindeutlich ziemlich brünett! Insgesamt wirkte sie, als wäre sie eben erst aus einem langjährigen Kreuzzug im Namen der Emanzipation zurückgekehrt. Siegreich, vermutlich. Immerhin, die blauen Augen hatte sie nicht auch noch über Nacht verloren.
»Och ja, alles gut. Schön, dass du zugesagt hast. Hätte ja auch sein können, dass du was mit Freunden machen willst, oder so«, sagte Brigitte und zwinkerte mir zu. Hatte ich wohl auch solche Krähenfüße, dachte ich nicht ganz zusammenhanglos. Ob es wohl möglich war, über das Fenster in der Herrentoilette ins Freie zu gelangen?
»Äh, was?« Ich schüttelte den Kopf. Oh ja, sie hatte mir eine Frage gestellt. »Ach so, mit Freunden? Quatsch, die sind doch meist schon verheiratet und so. Mit Ende zwanzig, Anfang dreißig lässt man Silvester auch schon mal ruhiger angehen«, log ich.
»Dann ist ja gut. Ich hatte schon ein schlechtes Gewissen«, sagte sie und verzog ihren zugekleisterten Schmollmund zu einem breiten Grinsen. Ein schlechtes Gewissen wäre durchaus angemessen, dachte ich. Für Frauen mit solchen Schummelprofilfotos sollte man den dritten Kreis der Hölle reservieren, hätte ich am liebsten gesagt.
»Ach, musst du nicht«, sagte ich stattdessen und zwang mir ein Lächeln ab, für das ich vermutlich deutlich mehr Gesichtsmuskeln benötigte als sonst. Kurz darauf stand glücklicherweise der Kellner auch schon an unserem Tisch. Ein etwas steif geratener Zeitgenosse, der sein schwarzes Haar mit einem Zentner Pomade nach hinten gestriegelt hatte und damit irgendwie aussah wie ein menschgewordener Penis.
»Möchten Sie schon bestellen?«, fragte er mit nasaler Stimme. Nein, eigentlich möchte ich gern wissen, wo der Knopf S wie »Schleudersitz« ist, dachte ich.
»Ja, für mich bitte einen Gin Tonic und für sie...«, ich sah zu Brigitte, die erst mich und dann den Penis neben uns anglotzte wie ein Bus.
»Einen doppelten Whisky«, ergänzte sie überraschenderweise wie aus der Kanone geschossen. Oha, entweder machten Emanzipationskreuzzüge verdammt durstig, oder da hatte jemand tatsächlich noch was vor.
»Was hättest du denn heute gemacht, wenn ich nicht gewesen wäre«, fragte Brigitte, nachdem der Penis von dannen gedackelt war, die Tatsache, dass sie gerade den Auftakt zu einem fulminanten Jahresendbesäufnis gegeben hatte, elegant ignorierend.
»Ich hätte mich mit meinem Goldfisch unterhalten«, versuchte ich, die Stimmung zumindest schon mal ein klein wenig zu lockern, darauf hoffend, den Abend so angenehm wie möglich, aber auch so schnell wie möglich über die Bühne zu kriegen.
»Du hast Fische?« Brigitte machte Augen, als hätte ich soeben gestanden, dass mir der Playboy gehört.
»Nur einen. Bert. Und der ist imaginär.« Der Witz war schlecht, das wusste ich. Entweder würde sie der Höflichkeit halber lachen, mich aber unglaublich uncool finden und so schnell wie möglich nach Hause wollen - in dem Fall schaffte ich es vielleicht noch auf die Silvesterparty meiner Freunde, oder sie würde mich tatsächlich lustig finden - unwahrscheinlich, doch in diesem Fall wäre ich definitiv angeschissen.
»Ima-was?« Ich seufzte lautlos. Damit hatte ich nicht gerechnet. Trotzdem angschissen. Das konnte ja heiter werden.
Bis der Penis mit unseren Drinks wiederkam, übten Brigitte und ich uns weiterhin in allerlei Smalltalk, der etwa so unterhaltsam ausfiel wie ein Begräbnis im Platzregen. Alles, bloß nicht flirten, war inzwischen meine Devise, denn würde sie mich am Ende des Abends wiedersehen wollen, würde ich das neue Jahr mit einem beherzten Sturz von irgendeiner Autobahnbrücke einleiten. Bis ich endlich an meinem Gin Tonic nippen konnte, war ich gezwungen, von einem verbalen Eiertanz in den nächsten überzugehen. Die Zeit verging dabei, als säße ich bei meinem Zahnarzt mitten in der Wurzelbehandlung. Zwischenzeitlich dachte ich, dass ich den Abend vermutlich lieber in einer eisernen Jungfrau verbracht hätte als mit Brigitte. Im letzten Leben musste ich wirklich ein schlimmer, ja ein wirklich ganz und gar böser, böser Mensch gewesen sein.
»Und du bist also ein Konsultant. Was konsultierst du denn so?«, fragte sie mich über ihren Whisky hinweg und kicherte kokett.
»Ich bin Consultant«, sagte ich bierernst und beschloss, meinen Singlebörsen-Account so bald wie möglich zu kündigen. »Das ist ein englisches Wort. Englisch. Man muss es englisch aussprechen.«
»Aha, englisch, na gut. Und was macht man da nun?«
»Das- das ist schwer zu erklären. Ich mach was mit Computern. Beratende Tätigkeit.« Mit der Antwort gaben sich die meisten Menschen zufrieden, so auch Brigitte, die stumm nickte, die monströsen Lippen gespitzt und das Gesicht zu einer angestrengten Miene verzogen. Wortlos hob sie ihr Glas und atmete den Whisky in einem Zug ein. Vor Erstaunen wären meine Augen fast aus ihren Höhlen und ins Gin-Glas gepurzelt.
»Noch einen bitte!«, rief sie dem Penis zu, der sich sogleich hinter die Bar begab und eifrig für Nachschub sorgte. Bitte mit einem Schuss Arsen, dachte ich und fand mich sogleich doch etwas zu gemein.
»Du hebst wohl gern mal einen, was?«, merkte ich an und fand, dass ich zumindest in meinem Tonfall einigermaßen dezent geklungen hatte, schließlich saß ich hier offenbar mit einer Nachfahrin von Johnny Walker am Tisch.
»Nee, nur heute«, sagte Brigitte und grinste mich an, als hätte man den Zucker nach ihr benannt.
»Oh. Willst du das alte Jahr nur im Alkohol ertränken oder dir das neue auch gleich schöntrinken?«
»Ach, ist doch Silvester. Ich dachte, wir gehen nachher zu dir, und du legst mich flach«, antwortete sie und klang dabei auch noch, als als hätte sie mir gerade schlicht und einfach erzählt, dass der Supermarkt um die Ecke neuerdings eine größere Käsetheke habe.
»B-bitte was?«, fragte ich entgeistert. Ich konnte mich doch nur verhört haben. Es war ja nicht so, als hätte ich bis zu diesem Zeitpunkt nie eine Frau im Bett gehabt, doch normalerweise musste ich immer eine gehörige Portion Arbeit und eine viel gehörigere Portion Geld investieren, bis ich auch nur in die Nähe eines nächtlichen Stelldicheins kam. Brigitte hatte mir quasi das ganze Buffet angeboten, bevor überhaupt nur klar war, dass ich auf der Gästeliste stand!
»Ja, was denn? Ist doch nichts dabei.« Ich wusste nichts mehr zu sagen. Irgendwer musste meinen Mund mit Styroporkügelchen gefüllt haben. Zwischenzeitlich war der Penis herbeigetrottet, hatte den Whisky gebracht und das leere Glas abgeräumt. »Sind doch alt genug«, meinte Brigitte und hob das neue Glas. Eine Frau, ein Satz, und schon war auch dieses geleert.
Während Brigitte sich den Mut literweise ansoff, dachte ich, dass es vielleicht so verkehrt gar nicht wäre, fünfe gerade sein zu lassen. Diese Frau war zwar irgendwie nicht der erwartete Hauptgewinn, aber ich hatte schließlich seit Monaten keinen Sex mehr gehabt, und wenn man ihr den grotesk rot gemalten Mund aus dem Gesicht wischte oder meißelte, würde sie vermutlich schon ganz anders aussehen. Abgesehen davon, dass man, wenn man es mal schaffte, seinen Blick von ihrem grell strahlenden Sprechorgan zu lösen, feststellte, dass sie gar keine schlechte Figur hatte. Ihre Brüste ergaben geschätzt eine gute Hand voll, würden nach dem Öffnen des BHs vermutlich auch noch nicht zum Sturz in die Tiefe ansetzen, und ihre Hüften waren mehr Apfel als überreife Wassermelone. Und mit einer flotten Nummer ins neue Jahr zu hüpfen, war allemal besser, als im Casablanca bei stumpfsinnigen Gesprächen zu verwesen und sich darüber zu ärgern, nicht doch mit den Freunden einen heben gegangen zu sein. Ganz zu schweigen davon, dass ich selbigen von der ganzen Geschichte erzählen konnte. Dollarzeichen waren es zwar nicht, die in diesem Moment in meinen Augen aufleuchteten, dafür jedoch eine Menge Prestige und die Vorfreude auf einen hart erarbeiteten aber wohl verdienten und hoffentlich grandiosen Orgasmus!
»Ich hätte dann gern auch einen Whisky. Einen doppelten bitte!«, rief ich dem Penis zu, der sich sogleich sputete, mich zu versorgen. Der Abend schien Fahrt aufzunehmen!
Einige Drinks später waren wir betrunken genug um zu gehen. Ich zahlte die astronomisch hohe Rechnung, fragte dabei den Penis wutschnaubend, ob sie das Bernsteinzimmer eingeschmolzen und in Whiskyflaschen abgefüllt hätten oder wie sie sonst auf solche Preise kämen, und verließ dann mit Brigitte, Arm in Arm, wankend das Lokal.
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Keine zehn Minuten später betraten wir meine Wohnung. Ich gab mich betont locker, wollte nichts übereilen. Gut Ding will Weile haben, das galt auch für schwitzigen Sex mit Brigitte, mochte sie auch noch so willig und noch viel betrunkener sein.
»So, da wären wir«, sagte ich und knipste das Licht an. Brigitte sah sich mit ihrem glasigen Blick kurz in meinem Flur um, warf dann auch schon ihre Schuhe in die Ecke und ließ ihren Mantel zu Boden fallen. Über selbigen wäre sie beinahe gestürzt, schaffte es aber gerade noch, halbwegs aufrecht mit der Wand zu kollidieren und alles mit einer akkuraten Drehung um die eigene Achse in eine laszive Tanzeinlage zu verwandeln, die durchaus gewollt aussehen sollte, jedoch absolut nicht gekonnt war.
»Ich will jetzt sofort Bert guten Tag sagen«, lallte sie mir zu.
»Brigitte, der ist doch imaginär, hab ich gesagt.«
»Ist mir egal, was der hat. Wo ist der olle Fisch?«
Ich beschloss, dass ich für solche Unterhaltungen noch nicht betrunken genug war. »Magst du noch ein Glas Wein?«, fragte ich also. Ein wenig mehr Alkohol würde entweder dazu führen, dass mir egal wurde, was Brigitte sagte, oder sie würde aufhören zu reden. Recht war mir beides.
»Hast du keinen Schnaps da?«, bekam ich stattdessen zur Antwort.
»Hm, nee. Nur Wein und noch ein paar Flaschen Bier.«
Brigitte kicherte. »Dann will ich bitte ein Glas Sex«, säuselte sie und wankte auf mich zu wie ein einbeiniger Seemann bei Wellengang.
»Du meinst ein Glas Sekt? Sekt hab ich...«
»Nein, Sex! S und E und X und noch irgendwas, glaub ich. Und zwar sofort, Mister«, herrschte sie mich an und fing auch schon an, mir das Hemd aufzuknöpfen. Okay, sie wollte es, sie sollte es kriegen. Da würde ich ganz und gar Gönner sein.
Einige akrobatische Entkleidungseinlagen später lagen wir nur noch in Unterwäsche auf meinem Bett, befummelten einander und küssten uns, während wir schnauften wie asthmakranke Kriegselefanten. Brigitte schmeckte nach Whisky, doch das war egal, denn falls sie schlecht küsste, konnte ich mir immerhin vorstellen, ich hinge an der Flasche. Doch sie küsste nicht schlecht - im Gegenteil! Diese Frau, so versoffen sie auch sein mochte, küsste, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan, und wenn ich bedachte, wie wenig ein Gespräch mit ihr hergab, konnte das sogar stimmen. Sie verschlang mich, ohne mich vollzusabbern, die hohe Kunst des Küssens, wie ich befand, und hätte ich noch zwei Hände übrig gehabt, um ihr zu applaudieren, ich hätte es getan. Währenddessen spürte ich, dass ich nicht nur heiße Ohren bekam und mein Blut inzwischen mit Kohlensäure angereichert war, sondern sich auch in meiner Hose bereits jemand von den Toten zurückmeldete.
»Nimm mich!«, hauchte Brigitte mir ins Ohr. Donnerwetter, in Sachen Sex war sie ähnlich schnell wie in Sachen Whisky. In diesem Moment wähnte ich mich auf dem Höhepunkt meines glücklich verlaufenen Abends. Mit dem erhobenen Speer der Leidenschaft würde ich in diesen Krieg ziehen und ihre Lust niederringen. Ich war ein Warlord, ich ein Gott, ich war Mister Sex! Und ich hatte eine verdammte Packung Kondome griffbereit im Nachtkästchen! Mir dieser Tatsache bewusst, wollte ich ganz und gar nichts anbrennen lassen und öffnete Brigittes BH. Bingo, da saß alles, wo es sollte! Meine Finger wurden vor Erregung taub, doch nicht taub genug, um mich meiner Aufgabe zu stellen. Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss. Ich rutschte an ihre Seite und begann, ihr den Slip auszuziehen. Während ich nun Brigittes Brüste küsste und mit den Händen sanft über die glatte Innenseite ihrer weichen Schenkel fuhr, hörte ich, dass sie leise stöhnte. Wenn ich ansonsten auch dafür war, dass sie den Rand hielt, nun sollte sie ruhig laut werden!
Meine Hand wanderte aufwärts und erreichte schließlich, was sie erreichen und was ich doch so gar nicht wissen wollte. Entweder trug Brigitte einen Flokati im Schritt mit sich herum, oder sie glaubte, Rasierer wären ausschließlich für Männerbärte gedacht. Sie augenblicklich ins Bad zum Tuning ihres Genitalbereichs zu schicken, konnte ich mir aber gerade noch so verkneifen. Ich war ohnehin ziemlich angetrunken, und so beschloss ich, dass ich wohl damit leben können würde, im tropischen Regenwald zu wildern. Wenn ich meinen Freunden von meinem Fang berichtete, würde ich das Detail einfach aussparen. Meiner Erregung tat der Wildwuchs, dem teuren Gesöff aus dem Casablanca sei Dank, keinen Abbruch, und so bahnte sich meine Hand ihren Weg durch das dichte Unterholz, bis ich...
»Was ist denn das?«, entfuhr es mir. Sofort fuhr ich hoch.
»Ach so, ja. Hatte ich wohl ganz vergessen zu erwähnen«, sagte Brigitte und kicherte. »Ich hab meine Tage. Ist doch nicht schlimm, oder? Ich geh schnell den Tampon entfernen.«
Zack, schon war sie aufgesprungen und auf dem Weg ins Badezimmer. Ich spürte, dass meine Erektion schneller dahinging als die 6. Armee. Ende, Finito! Hätte mein Penis sprechen können, er hätte mir vermutlich sein aufrichtiges Beileid bekundet, bevor er zusammenschrumpfte wie Alice im Wunderland und sich resigniert hängen ließ. Damit, später Schamhaare vom Bettlaken sammeln zu müssen, hätte ich, Whisky macht‘s möglich, kein großes Problem gehabt, aber wollte ich auch, dass mein Gemächt später wie ein benutztes Fleischermesser und mein Bett wie ein Schlachthaus aussah? Sicher nicht. Für einen Augenblick oder zwei hätte ich vor Enttäuschung gern geweint, doch dann beschloss ich, dass ein Bier mich eventuell therapieren würde.
Während Brigitte im Badezimmer zugange war und Dinge tat, von denen ich vielleicht, nein, ganz sicher, nichts wissen wollte, warf ich meinen Morgenmantel über und schlurfte mit hängenden Schultern in die Küche. Ich öffnete den Kühlschrank, nahm mir ein kühles Blondes heraus, wenigstens heute Abend die bessere Wahl, wie ich befand, und ließ mich, erschöpft ob der nicht verrichteten Arbeit, auf die Couch sinken. Ich warf einen kurzen Blick zur Uhr. Es war noch etwas mehr als eine halbe Stunde bis Mitternacht. Ich würde Brigitte einfach sagen, dass ich das nicht könne, dass ich keiner von denen sei, mit denen man so eben mal in die Kiste hüpfen könne. Ich würde sie in ein Taxi verfrachten, ihr sagen, dass ich sie anriefe, und vielleicht würde ich so doch noch mit meinen Freunden anstoßen können. Denen würde ich wiederum erzählen, ich sei beim Vorglühen eingeschlafen. Am Montag würde ich mir außerdem eine neue Handynummer zulegen. Das klang durchdacht, nach einem akzeptablen Plan, zumindest solange, bis sich Brigitte aus dem Badezimmer meldete.
»Ich glaub, ich muss kotzen«, rief sie herüber. Klar, wie konnte es auch anders sein? Falls es einen Gott gab, würde er sich gerade mit Popcorn in den Fernsehsessel gehockt haben, um sich köstlich über mich zu amüsieren. Brigittes Würgelaute ließen nicht lange auf sich warten, das plätschernde Geräusch erst recht nicht. Ich spurtete ins Bad und sah Brigitte auf meinem Badezimmerteppich liegen. Das Gesicht hatte sie sanft auf ein Kissen aus Erbrochenem gebettet, das bis zur Tür nach einem Unfall in einer Whiskydestillerie stank. Ich würde am Montag nicht nur eine neue Handynummer, sondern auch einen neuen Badezimmerteppich beschaffen müssen, so viel war klar.
Und so viel auch zu meinem Plan, was den Rest des Abends betraf. Meine wertvolle Zeit verbrachte ich nun damit, Brigitte das Haar aus der verschwitzten Stirn zu streichen und ihr gut zuzureden wie einem einsamen Wellensittich auf seiner Stange, während sie meiner Toilettenschüssel die Aufwartung machte. Irgendwann hörte ich die Nachbarn: »Zehn, neun, acht...« Raketen stiegen laut jaulend in den Himmel und explodierten, Menschen jubelten auf den Straßen. Ich jubelte nicht. Überhaupt konnte ich all das nur hören, sehen musste ich schließlich andere Dinge.
Brigitte schaute mich an und lächelte erschöpft. Ihre Augen waren glasig vor Anstrengung, und jetzt tat sie mir tatsächlich leid. Schließlich war sie gerade sehr viel schlechter dran als ich. Und so bemühte ich mich, ebenso zu lächeln, so genervt ich auch immer noch von ihr war. »Frohes neues Jahr«, sagte ich also.
»Frohes neues...«, begann Brigitte, kotzte mir auf den Morgenmantel, und zeigte mir damit, was sie vom Jahreswechsel hielt. Von dem Gestank musste ich augenblicklich selbst würgen. Nein, ich war doch schlechter dran, und das verdammte Jahr hatte gerade erst begonnen. Ich war so traurig, ich konnte nicht einmal mehr seufzen. Wenn die Fahnenstange ein Ende hat, in diesem Augenblick hatte ich sie erreicht. Ich entschied, den Abend meinen Freunden gegenüber totzuschweigen, und fürs nächste Leben beschloss ich, wieder bösartiger Diktator irgendeiner kommunistischen Bananenrepublik zu werden. Verdient hatte ich es mir definitiv!