ULMI
Vor langer, langer Zeit hatten die Menschen noch Kontakt zu Zwergen, Gnomen, Elfen, zu Feen oder anderen Naturgeistern. Sie achteten und halfen einander.
Heute meinen die Leute, das alles wären nur Märchen, denn sie haben verlernt, an das Wunderbare und Geheimnisvolle zu glauben.
Dabei gibt es diese wundersamen Wesen immer noch - und auch Menschen, denen es gegönnt ist, sie kennen zu lernen.
Es geschieht selten - das gebe ich zu - aber es passiert ja doch!
So erfuhr ich aus zuverlässiger Quelle von den merkwürdigen Erlebnissen einer Familie im Weinviertel.....
Diese Familie - eine Frau, ein Mann und ein kleiner Hund - lebte vor gar nicht langer Zeit in Zistersdorf, einer ruhigen, etwas abgelegenen Stadt im nördlichen Niederösterreich.
Ihr Häuschen stand am Stadtrand. Gleich dahinter breiteten sich schöne Getreidefelder aus.
Eines Tages bellte Bipo - so hieß das Hündchen - ganz aufgeregt und rannte suchend durch den Garten. Unter dem Tannenbaum entdeckte der Hund ein winzig kleines Männchen, das vor Angst und Aufregung zitterte.
Herr Hötti kam herangelaufen, hob das kleine Etwas auf und fragte erstaunt: “Ja, was ist denn das? Wer bist denn du?”
“Muki,” so nannte er seine Frau, “schau´, was Bipo hier gefunden hat!”
Hötti Oma nahm das bebende Bündel behutsam in ihre Hände und streichelte es sanft. “Brauchst keine Angst zu haben,” beruhigte sie das kleine Männchen, “wir tun dir nichts zuleide. Auch Bipo nicht. - Aber sag´, wer bist du denn wirklich?”
Langsam, ganz langsam wurde der kleine Kerl ruhiger, und endlich sprudelte es aus ihm heraus: “Ich bin Ulmi, ein Wichtelmännchen. Mit meinen Eltern und Geschwistern wohne ich in einer Erdhöhle auf einem großen Sonnenblumenfeld.
Meine Mama sagt immer, dass ich so schlimm, so neugierig und sooo vergesslich wäre........”
Da hielt das Kerlchen inne und sah bekümmert um sich.
“Weißt du,” fuhr es zögernd fort, “normalerweise können wir uns unsichtbar machen. Und wenn Gefahr droht, zaubern wir uns einfach weg......... Die meisten Menschen nehmen uns sowieso nicht wahr. Nur ein paar Tagträumer und Kinder mit viel Phantasie können uns erkennen..........
Mama hat schon recht. Ich bin wirklich sehr vergesslich, denn in meiner Aufregung fällt mir mein Zaubersprüchlein nicht mehr ein.... Und nun könnt ihr mich sehen! Oh weh! Oh weh!”
“Das ist ja gut so,” lachten die Höttis, “wie hätten wir dich sonst kennen gelernt?”
Nachdenklich betrachtete Oma das zauberhafte Wesen.
“Wir möchten gerne deine Freunde sein,” schlug sie vor, “komm´ uns besuchen, sooft du willst!
Übrigens, bei uns hat es heute Kirschenkuchen gegeben. Möchtest du vielleicht ein Stückchen davon kosten und ein Becherchen Milch dazu trinken?”
Das ließ sich Ulmi nicht zweimal sagen.
“Da werden meine Brüder und Freunde aber staunen!” rief er und hüpfte vergnügt umher.
Frau Hötti schlurfte in die Gartenhütte und holte aus der Spielzeugkiste das Puppengeschirr. Sie legte ein Stückchen Kuchen auf ein Tellerchen, füllte einen Schluck Milch - mehr war es nicht - in ein Becherchen und servierte es dem kleinen Gast.
Mit der Zeit wurde es zur Gewohnheit, dass Ulmi von jeder Mahlzeit der alten Leute ein paar Bissen bekam. Oma stellte ein Puppentellerchen mit einigen Leckerbissen auf das Fensterbrett im Garten.
Bei einem späteren Kontrollgang war alles leergeputzt. “Das hat ihm wieder geschmeckt!” freute sich Frau Hötti.
Gesehen allerdings haben die beiden Ulmi nicht mehr.
Nur hin und wieder blitzte hinter einem Baum oder einer Blume sein grünes Jopperl oder seine blaue Hose hervor, manchmal auch sein roter Haarschopf.
Trotzdem wussten Oma und Opa Hötti, dass sich das kleine Männchen fast immer in ihrer Nähe aufhielt.
Vor allem merkten sie es, wenn sie auf den Imbiss für Ulmi vergaßen.
Da wurde das Wichtelmännchen beinahe boshaft und spielte den zwei Alten allerlei Streiche.....
Fortsetzung folgt