Die Drohungen
Â
Es ist schon dunkel und trotzdem ist Tina noch draußen, sie mag nicht nach Hause gehen. Es ist zuviel passiert. Tina kann mit keinem drüber reden aus Angst vor Herrmann. Er hat gedroht, sie hat Angst, totale Angst, mit jemandem drüber zu reden. Sie überlegt die ganze Zeit, was sie machen soll. Soll sie über die Drohungen reden? Soll sie es für sich behalten? Sie weiß es nicht. Sie hat doch jemanden auf dem Gewissen, wenn sie nicht darüber spricht… Diese Ratlosigkeit macht Tina verrückt.
Sie traut sich zwar nicht den Weg nach Hause zu gehen, doch sie muss, draußen wird es zu kalt. Sie zittert am ganzen Körper, kalte Schauer laufen ihr über den Rücken wegen der sie umgebenden Kälte und auch vor Angst, weil sie nicht weiß, was auf sie zukommt, wenn sie Herrmann wieder unter die Augen tritt. Geht es denn wieder alles von vorne los? Wieder diese Texte, Beleidigungen, Drohungen, Demütigungen??? Sie weiß es nicht…
Tina möchte sich aber auch vor Herrmann nicht so aufgewühlt zeigen. Sie will, dass Herrmann denkt, sie lässt sich von solchen Drohungen nicht einschüchtern. Sie lässt sich nicht beeinflussen.
Mit solchen Gedanken macht sie sie auf den Weg nach Hause. Während sie langsam den kleinen schmalen Weg entlang ging, hat sie sich immer wieder mit dem Gedanken bestärkt, dass sie stark sein will und sich nicht einschüchtern lässt. Tina wusste, sie war alt genug mit ihren 21 Jahren, dass sie selbst entscheiden konnte, mit wem sie zusammen kommt und mit wem sie es lässt.
Langsam näherte sie sich dem Haus, wo Herrmann mit seiner Frau Charlotte wohnt. Je näher sie dem Haus kam, umso größer wurde die Angst in Ihr… Diese Angst lähmte sie und ihre Gedanken. Alles drehte sich nur noch um die Drohungen, was ist, wenn er es wahr macht? Ist sie denn daran schuld? Tina hatte eiskalte Finger, sie hatte Kopfschmerzen, in ihren Schläfen spürte sie, wie das Blut durch die Adern floss. Am liebsten würde sie sich in Ihr Auto setzen und weit weg fahren, soweit bis der Treibstoff leer ist, einfach weg. So weit, dass sie keiner findet, nur verschwinden.
Nur die junge Frau wusste genau, dass sie es nicht macht, doch diese Gedanken kamen trotzdem und sie ließ sie auch zu, weil sie etwas beruhigend auf sie wirkten. Sie konnte sich so etwas ablenken.
Doch es waren nur Gedanken und Tina wusste, dass es wenig bringen würde. Der Tank in ihrem Auto war fast leer, sie würde also nicht weit kommen und sie hatte kein Geld, um den Tank zu füllen, also müsste sie wohl oder übel bei Herrmann und Charlotte bleiben.
Durch die Gedanken abgelenkt, bemerkte sie gar nicht, dass sie schon vor der Haustür angekommen ist.
Sie überlegte noch einmal kurz, bestärkte sich mit dem Gedanke, stark zu sein und wollte denn gleich in die virtuelle Welt verschwinden. In der Wohnung angekommen, bemerkte sie, dass Herrmann und seine Frau im Wohnzimmer waren, sie hatten es gar nicht mitbekommen, dass Tina die Wohnung betrat. Schnell legte sie ihre dicke weiße Jacke ab. Den roten Schal, der sie draußen ein bisschen vor Kälte geschützt hatte, behielt sie am Hals. Sie hatte ihn oft am Hals, es ist ein Andenken an Ihre Oma. Sie hat ihr diesen Schal mal geschenkt und Tina hat immer das Gefühl, Ihre Oma bei sich zu haben, wenn sie diesen Schal trägt.
Mit dem Schal am Hals setzte Tina sich nun an den PC. Sie wollte gleich Jennifer alles schreiben, was sie bedrückt. Jennifer war für Tina wie eine Vertrauensperson. Ihr konnte sie alles schreiben. Mit diesen Gedanken und dem Trost, den ganzen Druck loszuwerden, wählte Sie sich ins Internet ein und nach kurzer Zeit war die junge Frau auf der Seite eingeloggt, wo sie ja nun so viele Menschen kennengelernt hatte… Viele von diesen Leuten wussten, wie Tina drauf war. Sie kannten Ihre Gedanken und Gefühle. Ein paar Leute sind Ihr schon richtig ans Herz gewachsen.
Steffi, Johannes und Julia und auch andere hat Tina auf der Seite kennengelernt. Sie sind allesamt sehr nett. Fast jeden Abend schreibt sie mit ihnen.
Jennifer ist auch auf dieser Seite angemeldet.
Â
An diesem Abend möchte Tina nur noch schreiben. Sich ablenken von dem ganzen Stress mit Herrmann. Seine Frau Charlotte hält sich bei dem Streit immer zurück. Eine ganze Zeit hatte Tina auf Ihre Unterstützung gehofft, doch diese Hoffnung ist versiegt.
Nun Saß die junge Frau wie gebannt vor dem Rechner und wartete darauf, dass sich ein paar „ihrer“ Leute einloggen damit sie sich den Streit vom Körper schreiben kann. Jennifer war zwar online, doch Tina war sich nicht sicher, ob sie ihr wirklich schreiben sollte. Immerhin ging es ja um sie. Doch Tina war sich im Klaren darüber, dass sie es Jennifer schreiben muss. Sie wusste zwar, wenn Herrmann und seine Frau mitbekommen, dass sie mit Jennifer schreibt, würde es wieder Ärger geben, nur sie wollte sich ja auch nicht beeinflussen lassen. Tina machte sich Gedanken, wie sie am besten ein Gespräch über so etwas anfangen sollte, sie musste es Ihr sagen, komme was wolle… Sie schrieb einfach was sie gerade gedacht hat und nach ein paar Nachrichten stellte sich heraus, dass Jennifer es völlig falsch verstanden hat. Tina hatte Ihr doch nur geschrieben, dass sie nicht mehr so einen großen Kontakt wollte, zu dem Hauptproblem ist Tina ja noch gar nicht ganz durchgedrungen… Sie musste es Jennifer doch erklären, was los ist, doch egal, was sie gemacht hat, es kam keinerlei Reaktion von der Frau am anderen Ende der Leitung…
Tina wusste nicht, was sie machen sollte… Hatte sie jetzt auch noch Jennifer verloren? Jennifer war ihr doch so wichtig, was soll sie denn jetzt machen, um es ihr zu erklären, warum sie nicht mehr so den großen Kontakt haben wollte beziehungsweise konnte. Tina wusste nicht, was sie noch machen sollte, sie konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Jennifer hat sich nicht mehr gemeldet und Tina wusste nicht, was sie nun machen sollte, sie war total überfordert… Um das Problem, was sie da anscheinend anbahnte, noch größer werden zu lassen, betrat in dem Moment auch noch Herrmann den Raum. Er brauchte nur auf den PC schauen, hat dort den Namen von Jennifer gelesen und ist ausgeflippt… Wieder hat er diese Äußerungen über die Drohungen von sich gegeben…. Tina wusste nicht mehr, was sie machen sollte, sie hat sich nur noch die dicke Weiße Jacke geschnappt und ist denn aus der Tür gerannt. Draußen vor der Tür konnte sie sich nicht mehr zurückhalten, die Tränen liefen so ihre Wangen herunter… Sie konnte nicht mehr so weiter alles über sich ergehen lassen… Sie musste etwas ändern, nur wie??? Alleine schaffte sie es nicht. Was sollte sie nur machen? Sie war total ratlos mit ihrer derzeitigen Situation…
Nachdem sie sich wieder etwas beruhigt hatte, merkte sie, dass sie den Schlüssel vergessen hatte und somit nicht in die Wohnung kam, sie wusste genau, egal, wie doll sie klingeln würde, Herrmann und seine Frau würden sie nicht in die Wohnung lassen… Zum Glück hatte Tina ihr Handy mitgenommen. Mit zitternder Hand suchte sie sich aus dem Telefonbuch die Nummer Ihrer Freundin Beatrice raus, die in der Nähe wohnte… Sie hoffte nur, dass Beatrice trotz der späten Uhrzeit noch an ihr Telefon geht. Sie müsse ja am nächsten Morgen früh aus dem Haus wegen Ihrer Arbeit. Doch Tina hatte dieses Mal Glück und Beatrice hat den Hörer abgenommen. Kurz erzählte Tina ihrer Freundin was passiert sei und Beatrice hat ihr denn angeboten, die Nacht bei Ihr zu verbringen. Beatrice wollte sie abholen, doch Tina wollte den Weg lieber zu Fuß laufen, so war sie ein bisschen alleine und konnte überlegen, was sie machen sollte. Nach einer geschätzten Stunde kam Tina mit tränenüberströmtem Gesicht bei ihrer Freundin an.  Die bat sie erstmal rein und hat Ihr einen warmen Tee gegeben. Das tat gut, denn Tina war total durchgefroren. Danach haben sich die beiden in Decken gekuschelt und aufs Bett gesetzt. Tina fing wieder an zu weinen und alles ist aus Ihr rausgeplatzt. Sie hat sich alles von der Seele geredet. Beatrice verstand sie, denn sie wusste, wie Charlotte und Herrmann sein konnten, all zu oft hatte sie es miterlebt.
Kurz nach Mitternacht sind die beiden Freundinnen denn schlafen gegangen. Eine Zeit lang lag Tina noch wach im Bett, doch dann ist sie in einen dem Tod ähnlichen Schlaf gefallen. Doch schon kurze Zeit später fand sie sich auf dem Hof bei Herrmann und Charlotte wieder.
Â
Sie war gefesselt, mit den Händen überm Kopf. Herrmann stand vor Ihr mit einer Waffe. Er hat auf sie auf Tina gerichtet… Und er hat abgedrückt, so oft, dass Tina beim 10. Schuss aufgehört hat, zu zählen. Alle Schüsse gingen in Arme und Beine doch keiner war in den Rumpf. Tina hat kaum Schmerz verspürt, sie ist nur immer zusammengezuckt, wenn eine neue Kugel in Ihren Körper geschossen wurde. Sie hat Herrmann ins Gesicht geschaut und es schien so, als wenn er sich gefreut hat, denn es war ein leichtes Lächeln bei ihm auf dem Gesicht zu erkennen…
Tina hat ihn angeschrien, warum er das macht. Denn ist sie wach geworden. Sie wusste nicht was los war, sie lag da im Bett, neben sich ihre Freundin Beatrice, die Bettdecke auf dem Boden… Sollte sie ihre Freundin wecken und ihr alles erzählen? Sie musste ja in ein paar Stunden aufstehen, um zur Arbeit zu kommen, sie konnte sie doch nicht schon wieder aus dem Schlaf holen. Tina hat sich gefühlt, als wenn Sie noch nicht eine Sekunde geschlafen hat. Sie war total gerädert und müde. Was war das für ein Traum? Hatte sie schon so eine große Angst vor den Drohungen? Sie wollte nicht daran denken und konzentrierte sich auf den Atem ihrer Freundin, der ruhig und regelmäßig war. Tina hat versucht, genauso ruhig zu atmen, ihr kam es erst verrückt vor, aber es hatte eine beruhigende Wirkung. Einige Zeit später ist sie wieder eingeschlafen. Doch ein paar Momente später fand sie sich im Garten von Herrmann wieder… Ihre Beine waren von Schusslöchern übersät und um die Schusslöcher herum war alles taub. Sie hatte keine Schmerzen, es war nur ein sehr unangenehmes Taubheitsgefühl. Schleppenden Schrittes wollte Tina in die Wohnung gehen, um zu sagen, was passiert ist. Als sie in der Wohnung angekommen ist, bemerkte sie, dass Herrmann nicht in der Wohnung war. Sie setzte sich zu Charlotte und erzählte Ihr, dass Herrmann auf sie geschossen hat. Doch Charlotte hat es nicht geglaubt. Tina hatte zwar die Wunden in den Gliedmaßen, doch das war wohl nicht glaubwürdig genug. Sie ist denn an Röntgenbilder gelangt, wie sie dazu gekommen war, und wo die herkamen, das wusste sie nicht, aber die Kugeln waren darauf zu sehen. Sie wollte es Charlotte zeigen, doch die hat nicht auf Tina reagiert. Es kam zum Streitgespräch und während dessen ist Tina wieder aufgewacht. Sie hatte kalten Schweiß auf der Stirn. Ihr Herz raste. Dieser Traum war schlimm, Tina hatte es noch nie, dass sie nachdem sie wach geworden ist, einen Traum weitergeträumt hat. Sie muss es wirklich geschrien haben, denn Beatrice war auch wach… Tina hat sich bei ihr entschuldigt doch Beatrice hat es nicht großartig gestört, so geweckt zu werden. Ihr Wecker sollte sowieso ein paar Minuten später gehen. Tina wusste nicht mehr was sie sagen sollte… Was war das für ein Traum? Herrmann schießt auf sie, nur warum? Sie wusste nicht, was sie noch denken sollte. Sie musste bald von Beatrice wieder gehen, weil die zur Arbeit musste, nur wo sollte sie hingehen? Wieder zu Herrmann und seiner Charlotte? Das würde sie nicht aushalten.
Sie hat Beatrice denn gefragt ob sie eine Möglichkeit sieht, doch die sah es als klare Möglichkeit, dass Tina den Tag über sich bei Beatrice aufhalten konnte… Das tat Tina gut, so wusste sie wenigstens, dass eine zu Ihr hält. Sie wollte einfach liegen bleiben und überlegen, wie sie so was träumen konnte… Waren es die Drohungen, die sie so was träumen lassen? Waren es die ganzen Streitereien, die so einen Traum hervorrufen? Sie wusste es nicht. Während sie ihr innerstes durchsuchte nach dem Auslöser, machte sich Beatrice fertig für die Arbeit. Beatrice fragte Tina nur noch, ob sie sie alleine lassen kann, doch die in Gedanken versunkene Tina bejahte es nur kurz. Daraufhin erntete sie einen komischen Blick von ihrer Freundin, die sich denn aber doch mit einer Umarmung von ihr verabschiedete. Tina ist im Bett einfach liegen geblieben, die verrücktesten Gedanken kamen und gingen wieder. Nach ein paar Stunden wilden Ãœberlegungen und kreisenden Gedanken bekam sie durst, sodass sie denn doch aufstehen musste um sich ein Glas Wasser zu holen. Schleifenden Schrittes ging sie also in die Küche, um sich ein Glas zu holen und ein bisschen was zu trinken. Sie wollte nur noch ins Bett, hat denn also nur schnell ein paar schlucke Wasser zu sich genommen und wollte die Küche denn wieder verlassen. Doch ihr wurde auf einmal schwindelig. Alles hat sich gedreht, sie ging schneller, um sich wieder hinlegen zu können. Doch beinahe hätte sie das Gleichgewicht verloren, wäre da nicht die Garderobe an der Wand gewesen, wo sie sich an einer Jacke festgehalten hat. Durch das stolpern hat Tina ein bisschen Wasser ins Gesicht bekommen. Das war sehr passend, da sie so wieder Herr über sich selbst wurde. Nur während dem halben Sturz ist etwas aus ihrer Jacke gefallen, es war zu hören. Sie schaute nach und es waren die Tabletten, die sie immer bei sich trug… Sie hob das Gefäß auf und stellte sich langsam wieder gerade hin, die Gedanken ganz bei den Tabletten. Warum sind die aus der Tasche gefallen? Sie nahm sie mit zum Bett, stellte sie dort auf den Nachtschrank. Soll sie die kleinen Tabletten schlucken? So würde Herrmann mit den Drohungen aufhören, weil es denn keinen Anlass mehr dafür gab. Sollte sie sich aufgeben? Ist das nicht feige? Einfach so vor Problemen flüchten? Sollte sie die anderen alleine lassen? Sie wurde doch auch alleine gelassen.
Sie setzte sich aufs Bett, das Glas Wasser in der linken Hand, die Tabletten in der rechten Hand. Ihre Gedanken kreisten nur im die Tabletten…