Romane & Erzählungen
Tot, aber gerettet - Kapitel 1

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"Tot, aber gerettet - Kapitel 1"
Veröffentlicht am 14. Dezember 2010, 24 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Tot, aber gerettet - Kapitel 1

Tot, aber gerettet - Kapitel 1

Beschreibung

Kritik gebraucht! Ich habe schon lange an einer Idee gearbeitet, und nun endlich habe ich einen Anfang gemacht. Die Erde hat sich grundlegend geändert. Keine Gemeinschaft und kein Zusammenhalt und Freundschaft zwischen den einzelnen Personen besteht. Die Menschen versorgen sich selbstständig, so dass sie kaum voneinander abhängig sind. Sie neigen zur Gewalttätigkeit und ihr Hass richtet sich vor allem gegen Menschen, die noch an die Liebe glauben und selber lieben. Es gibt eine kleine Gruppe von Menschen, die abgeschottet von dem Rest der Welt friedlich miteinander leben können, sich aber ihrer Minderheit und ihrer Gefahr bewusst sind. Solche Gemeinschaften, wie sie es führen, werden nicht gebilligt.

Die Nacht, die sonst so still und tot ist, war in jener Nacht sehr unruhig. Ihr Wind war aufbrausend und hob den Schnee Meter in Lüfte, wo er lebendig umher tanzte, im Reigen. Keine der kleinen Punkte war allein, die Schneeflocken flogen alle nach ihrem Willen und schienen doch dabei einen eingeübten Tanz auszuführen, den sie zweifellos beherrschten. Es war die Art eines Windes, der den Menschen die Trauer aus dem Leibe pustet und ein Lächeln auf die blassesten Gesichter zaubert. Doch wenn man auf die Erde starrte so sah man keine Menschen. Man sah leere Hüllen, Körper, umherlaufen und auf den Tod warten. Sie wollten nicht leben, aber tief im Inneren wollten sie nicht sterben. Selbst diese gefühlslosen Menschen hatten Angst, Angst vor der Angst, Angst vor Ungewissheit, Angst vor dem Tod.
So ereignete sich in dieser Nacht, die sie alle nur gleichgültig warnahmen, ein Geschehen das sehr ungewöhnlich war für diese Zeit der Kälte und des Hasses.


Ich ging rasch eine enge Straße entlang, geschützt vor dem eisigen Wind und dem blendenden Schnee. Es war sehr kalt, aber nicht kälter, als man es hier erwarten könnte. Ich hatte, was ich brauchte. Es war das übliche gewesen, das auf meiner „Einkaufsliste“ geschrieben stand. Ich stahl nicht gerne, nicht einmal von diesen Menschen, die nichts waren als eine Hülle. Doch ich musste, für die Guten, für das Wohl der letzten Menschen, die noch wussten wie man lebt. Ich begegnete kaum jemand und nur einer Ratte, die schnell in das nächste Loch verschwand. Weder sie noch alle anderen Lebenden schauten mir in die Augen, und ich wollte auch nicht den Hass, die Trauer, die Wut in ihnen sehen. Ich selbst hielt ebenfalls den Kopf gesengt, denn ich durfte nicht auffallen. Leute wie mich sieht man hier nicht gerne und man ging nicht sehr zahm mit Leuten um, die einem nicht nur gleichgültig sondern auch verhasst waren. Das Sträßchen mündete auf einen kleinen Marktplatz, der schon lange nicht mehr als solcher gedient hatte. Ich mochte es nie ihn zu überqueren, denn er war von Wohnhäusern gesäumt. Die Blicke ihrer Bewohner schienen auf mir zu kleben, zumindest fühlte es sich so an.
Ich ging schnell, aber nicht schneller als die anderen. Ich seufzte erleichtert als ich das andere Ende des Platzes erreichte und in eine andere kleine Straße einbog, die zu einer weiteren führte. Nun musste ich nur noch das Ende dieser Straße erreichen und ein paar Kilometern einem Weg folgen, den niemand noch benutzte. Er führt tief in einen dichtbewachsenen Wald hinein. Mitten in diesem Wald auf einer mittelgroßen Lichtung würde ein kleines Flugzeug stehen, nicht mehr Platz für höchstens zwei plus ein wenig Stauraum für die gestohlenen Sachen. Doch er wurde praktisch nie voll ausgenutzt, denn eigentlich brauchten wir nicht viel. Wir machten alles selber, was wir brauchten. Und es gab nur wirklich wenig, was man hier im Dorf bekommen könnte, was wir nicht selber machen könnten. Als ich auf dem Weg lief und ich endlich in den Wald hereintrat, war ich erleichtert. Alles ist problemlos gelaufen. Mir waren die stummen Blicke der Bäume so viel lieber als die, der Menschen im Dorf. Ich ging zügig wegen der Kälte und summte ein Lied vor mich hin. Es war mein eigenes, das ich nach so vielen Monaten, in denen ich hierher kam, selbst erfunden und gemerkt hatte. Wenn mich die Leute im Dorf hören würden! Ich wäre schneller tot, als dass ich noch den Refrain hätte summen können. Ich hatte den letzten Ton gesungen, ein wenig in der Tonlage verrutscht, wie mir kurz darauf auffiel. Doch ich vergaß es schnell, denn es bewegte sich etwas raschelnd nur zehn Meter vor mir. Ich sah noch eine menschengroße Gestalt zwischen den Bäumen und Büschen davon huschen. Vielleicht hatte ich es mit nur eingebildet! Vielleicht war es bloß ein Tier! Doch ich konnte mich selbst nicht belügen, es war ein Mensch gewesen, das war sicher.


Oh nein, war mein erster Gedanke. In all den Jahren, in denen ich hierhergekommen bin, bin ich noch nie einem Menschen begegnet. Noch viel angsteinflößender war, dass dieser Mensch gesummt hatte. Ich war verängstigter als ich es gewesen wäre bei einem Mann, der grimmig mit gesunkenem Kopf und einer Axt in der Hand den Weg entlang gestapft wäre. Doch diese Art von Mensch war mir unbekannt. Und das unbekannte fand ich noch viel schrecklicher als die schlimmste und hässlichste Art von Menschen, die ich sehr gut kannte und mit der ich schon sehr lange lebte. Ich konnte keinen Menschen einschätzen, der nicht so in sich gekehrt, so arrogant, brutal und gleichgültig war, wie alle anderen es waren, wie ich es selber war. Wie ich sein musste. Ich wusste nicht recht, was ich denken und fühlen sollte. Denn außer der Angst war da noch Abneigung und auch ein Funken Anziehung. Was von diesem Menschen ausging war verwirrend. Es passte nicht hier her. Nicht in diesem Wald, nicht in diese Welt!
Meine Neugier und wahrscheinlich auch mein Wahn sagten mir, ich sollte mich zeigen, herausfinden wer es war, vielleicht hatte ich diese Person schon einmal im Dorf unten gesehen! Doch mein Überlebensinstinkt, den ich in meisten Fällen traute, zwang mich zum wegrennen, zum verstecken und zum Schweigen. Und ich war ganz froh es getan zu haben, denn ich sah, wie der Wanderer stoppte und argwöhnisch den Wald absuchte. Nach mir. Doch die Dunkelheit und auch die Sträucher versteckten mich und ich war Teil der Nacht, die mir schon lange ein guter Freund war. Der Mensch schien sehr verunsichert, was er nun tun sollte. Er blickte sich immer noch hektisch um, als würde etwas oder ich jeden Moment hervorspringen und ihn erdrosseln wollen. Doch es war still, denn ich konnte sehr still sein. Ich sah nur die Umrisse der Person. Soweit ich es beurteilen konnte war sie männlich, doch dafür bewegte sie sich ungemein geschmeidig, sehr still. Ich hatte ihn, diesen Mann, nur durch sein Summen gehört. Vorsichtig und lautlos ging er wenige Schritte vor. Als sich auch dann nichts regte, schien er Mut zu fassen und ging weiter, diesmal ohne Summen, diesmal höchst wachsam und auch ein wenig schneller. Meine Neugier war sehr störrisch, als er aus meinem Blickfeld verschwand. Und als ich es für sicher hielt schlich ich genauso lautlos einer Spur neben dem Weg entlang, und folgte dem Unbekannten.
Meine Neugier war auch wirklich gerissen, ich wollte das gar nicht! Ich hatte den Tod noch länger warten lassen wollen. Doch nun ging ich schon und ich war nicht mehr zu stoppen. Ich hielt den Mann für äußerst dumm den einzigen Weg hier zu verfolgen, wo er doch jemanden gesehen hatte, vor dem er eindeutig Angst hatte. Und überhaupt, dachte ich, warum sollte jemand aus dem Dorf noch weiter in den Wald hineingehen? Was wollte dieser Mann? Doch noch viel spannender war doch die Frage: Was wollte ich überhaupt so tief im Wald, wie ich es noch nie gewesen bin?


Ich keuchte leicht. Die plötzliche Angst und das schnellere Laufen brachten mich außer Atem. Hatte sich da gerade etwas bewegt? Blitzschnell drehte ich mich um meine Achse und schaute angestrengt in die Dunkelheit. Ich sah nichts, rein gar nichts und im Stillen verfluchte ich die Nacht, die mir sonst immer ein vertrauenswürdiger Schützer gewesen ist. Sie hatte mich zum ersten Mal im Stich gelassen. Ich sah nichts und mir blieb nichts weiter als schneller zu laufen zu dem Ort, an dem ein kleines metallenes Ding stand, mit dem ich in die Lüfte heben und nach Hause zu meinen Liebsten zurückkehren konnte. Ich würde mir nächstes Mal, sollte es ein solches noch geben, ein anderes Versteck für mein Flugzeug suchen müssen, denn hier fühlte ich mich nicht mehr sicher und ich war es auch nicht mehr. Vielleicht war es töricht gewesen, überhaupt zu glauben, dass es jemals sicher gewesen war.
Wieder hörte ich ein Rascheln. Schnell ging ich meine Verteidigung im Kopf durch. Ich hatte ein Messer, mehr nicht. Sollte dieses Etwas, von dem ich hoffte, dass es kein Mensch war, ein Gewehr haben, dann hatte ich wohl kaum eine Chance, außer die Nacht würde mir einen letzten Dienst erweisen und mir helfen, unsichtbar zu sein. Doch sollte diese Person nur mit einem Messer ausgestattet sein, wie ich, was das mindeste war, was ich zu erwarten hatte, dann waren meine Chancen größer, wenn auch nur unwesentlich. Ich war nicht sehr geschickt, doch vielleicht konnte ich nicht mehr von der anderen Person erwarten. Vielleicht waren wir nur zwei Menschen, gefüllt von Lebensangst. Doch dann schüttelte ich den Kopf. Ich vergaß so schnell wie unmenschlich die Menschen heutzutage waren. Immer wieder versuchte ich mir einzureden, dass sie ein Funken von Liebe, von Einfühlsamkeit, ja, von Menschlichkeit zeigen würden. Ich war eben an andere Menschen gewohnt bei mir zu Hause, dem einzigen Ort auf dieser Welt, an dem ich mich sicher und wohl fühlen konnte. Zu diesem Ort versuchte ich jetzt so schnell wie möglich zu gelangen.
Immer wieder drehte ich mich um, einmal meinte ich etwas direkt neben mir rascheln zu hören. Jedes Mal blieb ich stehen, um dann von einem Adrenalinrausch angetrieben, schneller als zuvor zu laufen, immer dem kleinen unebenen Waldweg entlang. Ich wurde unvorsichtiger, zweimal stolperte ich beinahe, ich hatte nur noch im letzten Moment mein Gleichgewicht halten können. Ich war mir bald so sicher, dass ich verfolgt wurde, dass ich mich nicht um meine lauten Schritte, die mir schon fast polternd in der Stille vorkamen, scherte und auch nicht das rasselnde Geräusch meines Atems versuchte zu dämpfen. Vor jeder Kurve glaubte ich gleich die Lichtung zu sehen und jedes Mal wurde ich enttäuscht. Die Straße schien mir unendlich und bald begann ich mich zu sorgen, ob der Weg sich vielleicht an einer Stelle geteilt hatte und ich einer falschen Verzweigung gefolgt bin. Doch die vielen Male, die ich schon diesen Weg entlang gelaufen bin, ist mir noch nie eine solche Wegverzweigung aufgefallen. Mit jedem Schritt schien es mir, als würde alle meine Kraft entweichen und meine Wärme. Ich fühlte mich so kalt, wie die gefrorene Luft selber, obwohl die Bäume sehr gut vor dem Wind und dem Schnee schützten.
Plötzlich stockte mir der Atem. Obwohl ich so oft enttäuscht wurde, als ich das kleine Flugzeug erwartet hatte, war ich jetzt überrascht, als ich es tatsächlich sah. Ein Gefühl der Wärme und Vertrautheit breitete sich in meiner Brust aus und ich verlangsamte unwillig meine Schritte, denn ich war nun völlig kraftlos. Mein Kopf hämmerte als würde er explodieren wollen und meiner Lunge kostete es größte Anstrengungen genug Sauerstoff aufzunehmen. So hörte ich meinen Verfolger nicht mehr und es war mir auch egal, denn der Anblick dieses kleinen Blechteils wiegte mich in Sicherheit. Zitternd riss ich die Tür auf und stieg in das Flugzeug ein. Der laute Knall, als ich die Tür schloss, hatte wohl jeden im Umkreis von hundert Metern auf mich und mein seltenes Gefährt aufmerksam gemacht, doch es war mir egal. Ich startete den Motor und die Lichter leuchteten auf. Ich sah den vertrauten Anblick von Bäumen und Büschen. Als ich mich gerade beruhigt hatte, bewegte sich etwas. Ganz eindeutig und ich hatte es mir nicht eingebildet. Meine Sinne waren noch geschärft, mein Herz hämmerte immer noch zu schnell. Es war ein Mensch gewesen und wenn ich mich nicht getäuscht hatte, hatte ich ein Bündel schwarzes Haar gesehen und ein erhitztes angsterfülltes Gesicht.


Ich ärgerte mich sehr. Nun war ich doch tatsächlich außer mir vor Erschöpfung, weil ich jemanden nachgerannt bin, der mich womöglich töten konnte und wollen würde, wenn er mich sehen könnte. Und da stand ich nun und sah wie diese Person in etwas hineinstieg, das ich noch nie gesehen hatte, aber ich glaubte von einer Beschreibung her zu wissen, was es war. Es war ein Fluggerät mit dem man in fliegen konnte. Früher haben die Menschen es oft benutzt, aber jetzt kannte man so etwas gar nicht mehr, so ein Flugzeug. Vor Erstaunen, denn ich hätte so etwas hier mitten im Wald niemals erwartet, blieb ich mitten auf dem Weg stehen und merkte erst, als die unnatürlich grellen Lichtern dieses Teils angingen, dass ich in größter Gefahr war gesehen zu werden. Doch ich war flink und sprang aus dem Lichtkegel hinter einem Baum. Ich glaubte, dass er mich nicht gesehen hatte. Ich lugte hinter dem Baum hervor und sah durch das Fensterglas in die beleuchtete Kabine. Der Mann saß darin und ich erkannte, dass er viel jünger war, als ich es gedacht hatte. Er war gerade zwanzig. Vielleicht ein bisschen älter, vielleicht auch jünger. Ihn kannte ich nicht, und ich hatte ihn auch noch nie gesehen. Offensichtlich war ich nicht ganz unentdeckt geblieben, denn er starrte auf den Baum der neben dem stand, hinter dem ich mich versteckt hielt. Der Motor des Gefährts machte einen unheimlichen Lärm, aber ich bemerkte erst wie laut er gewesen war, als der Mann den Motor wieder ausstellte und es vollkommen still war. Ich fluchte. Von wegen, ich war flink gewesen!


Als ich einen Grund suchte, der gegen das Abfliegen des Flugzeugs sprach, fand ich auch einen. Wie sich die Leute im Dorf verhalten würden, wenn sie mitbekamen, dass es Leute gab, die heimlich ein und aus gingen und dann hinterher mit einem seltenen Flugzeug davonflogen? Leute, die anders waren als sie. Wir hätten keine Chance mehr in das Dorf zu kommen und wieder lebend davonzugehen. Und da es das einzige Stadtähnliche Gebiet weit und breit war, mussten wir unentdeckt bleiben. Ich wusste nicht warum ich tatsächlich den Motor ausschaltete, denn was würde ich nun machen? Ich wurde gesehen und ich wollte aber nicht töten. Was brachte es mir nun, da ich in meinem Flugzeug hockte und in die Dunkelheit starrte? Ich hatte nicht mit einem Mädchen gerechnet. Die Lichter des Flugzeugs gingen aus, also kramte ich in Kisten nach einer Taschenlampe. Ich öffnete die Tür und zitterte unwillkürlich, denn es war kälter, als ich es in Erinnerung gehabt hatte. Dann zückte ich mein Messer während ich auf dem hellen Kegel meiner Taschenlampe lief, direkt auf die Baumgruppe zu, zwischen der ich sie vermutete. Es ist nicht so, dass ich eine Frau für ungefährlicher halte, sagte ich mir, als ich mich fragte warum ich das tat, was ich in dem Moment tat. Doch im nächsten Moment wusste ich, dass ich doch dieses Mädchen für ungefährlicher hielt, was natürlich äußerst töricht war.


Wenn ich in dem Moment weggerannt wäre, dann hätte ich mich sofort verraten. Also blieb ich genau dort stehen, hinter einem dicken Stamm. Doch versäumte ich eine kleine Bewegung nicht. Ich zückte mein Messer. Es war alles was ich bei mir trug, außer einem wertlosen Stück Papier. Ich meinte mein Herz und mein Atem so laut zu hören, dass ich mich fragte, warum ich noch nicht tot war. Ich merkte wie er immer näher kam, das Licht seiner Lampe beleuchtete schon den Stamm neben mir. Schnell presste ich die Hand auf meinen Mund, denn mein Atem war verräterisch laut. Die Schritte des Suchenden kamen mir, der Gesuchten, viel zu laut und viel zu nah vor. Wenn er mich gleich sehen würde, dann würde ich schneller sein müssen, schneller töten können müssen. Doch ich bezweifelte ob ich konnte. Nachdem ich mein Leben unter Menschen gelebt hatte, die ungemein brutal waren, war allein der Zweifel daran, dass ich töten konnte, sehr überraschend. Vielleicht, dachte ich mir, sollte meine Weste lieber unbeschmutzt bleiben. Vielleicht ist der eigene Tod das wert. Doch wie jeder andere Mensch auch hatte ich so etwas wie Überlebensinstinkt. Und der würde kämpfen, mich zum kämpfen zwingen. Was war das bloß für ein Mensch, der mich zwang über meinen Tod zu denken? Mich sogar den Gedanken haben, mich töten zu lassen nur damit ich nicht töten musste. Ich hätte das Geschick zu töten und ich hätte die Kraft, doch glaubte ich nicht den Mut zu haben, nein, ich war feige. Nun galt es mir zu entscheiden ob ich der Mörder oder das Opfer sein wollte. In jede Rolle schien ich nicht ganz hineinzupassen.

Ich hätte sie gesehen, wenn sie sich bewegt hätte. Doch alles schien unbewegt. Hinter jedem Baum schaute ich nach dem erhitzten Gesicht, das ich eben kurz erblickt hatte. Ich rechnete damit, dass sie jeden Moment hervorspringen würde und schneller tötete. Was sollte ich tun, wenn ich sie sah und was würde mich erwarten, wenn ich sie fand? Ein Messer? Ein Gewehr? Zwei davon? Mein Herz schlug rasend schneller, als ich eine schnelle Bewegung sah. Hinter diesem Baum hatte ich noch nicht nachgeschaut. Ganz langsam, wie in zeitlupe, ging ich darauf zu. Nur zögernd traute ich mich die Taschenlampe auf die Gestalt zu richten. Da eine metallische Klinge das Licht reflektierte, wusste ich: Sie war nicht unbewaffnet. Daher blieb ich stehen und sah in ein Gesicht, das Angst zeigte und Unsicherheit, in ihren Augen tobte ein Kampf. Doch trotzdem wirkte sie stolz, fast arrogant. Ihr Messer war auf mich gerichtet. Der Arm der es hielt zitterte unmerklich. Es sollte mich bedrohen, doch offenbar war sie nicht entschlossen mich anzugreifen. Und so griff auch ich nicht an, denn ich hatte kein Blut sehen wollen. Wir standen uns gegenüber, zwei Meter voneinander entfernt und keiner von uns schien recht zu wissen was er wollte und was er nun tun sollte. Ich merkte welchen Streich mir die Finsternis gespielt hatte, doch im Licht der Taschenlampe sah ich, dass ihr Haar kein schwarz sonder ein Mahagonibraun war. Es war ziemlich wirr und das passte zu ihrem Gesichtsausdruck. Ihre Hand, die das Messer hielt, war schmutzig und an manchen Stellen waren Wunden, als wäre die Haut dort aufgerissen. Auch das Gesicht war nicht unversehrt. An ihrer Wange klebte ein bisschen frisches Blut. Offensichtlich hatte sie sich an der Rinde des Baumstammes aufgekratzt. Die Knochen ihrer Wange waren hoch, ihre Augen groß, vielleicht vor Angst, und es schimmerte etwas undefinierbares in ihnen, das mir paradox zu dem Messer schien, dass nun beinahe meine Jacke berührte, da ich auf das Mädchen zu ging.

Ich stolperte einen kleinen Schritt zurück, denn der Mann vor mir ging auf mich zu. Er hielt sein Messer nicht mehr direkt auf mich zeigend, aber er hatte es auch nicht ganz abgewandt und mir entging nicht die grässliche Art, wie er mich anschaute. Als wäre ich ein Alien. Dabei war ER doch derjenige, der den normalen Leuten nicht glich. Das einzige, was mich an sie erinnerte, war das Messer in seiner Hand. Ich schrak zurück und entfernte mich rückwärtsgehend noch einem Meter von dem Verrückten. Es gab ein stumpfen Laut als das Messer aus seinen Händen glitt und auf den laubbedeckten Boden fiel. Jetzt gab es nicht die Wahl zwischen Mörder und Opfer, nun war es Mörder oder keiner. Damit war ich nicht zwangsläufig das Opfer. Das würde ich nun sowieso nicht sein, denn ich hatte noch mein Messer. Ich war überrascht, als ich sah, dass er überhaupt nicht erschrocken aussah, darüber, dass er nun unbewaffnet war. Plötzlich wurde mir klar, dass er das Messer absichtlich hatte fallen lassen. Es macht in meinem Kopf keinen Sinn, aber so schien es zu sein. Als er weiter auf mich zu kam, rührte ich mich nicht. Ich wollte es, aber meine Verwirrtheit lähmte mich. Er streckte seinen Arm aus und einen überaus kurzen Moment lang schwebte sie über den Griff meines Messers, dass ich krampfhaft umklammert hielt.

Dann schloss ich meine Hand um ihre. Ich hatte ihr das Messer abnehmen wollen. Nicht, weil ich mich schützen wollte, sondern weil mir klar war, dass es nicht ihre Absicht war mich zu töten. Ich hatte ihr gezeigt, dass es nicht meine Absicht war sie zu töten. Doch sobald ich sie berührt hatte riss sie ihre Hand mit einer großen Wucht weg, mir ihr Messer, dass auf meiner Handfläche eine Wunde zurückließ. Ich war überrascht über die plötzliche Wärme auf meiner Handfläche und sie war eher schmerzvoll als der Schnitt an sich. Gebannt schaute sie auf das Blut, so dass sie vergaß sich an ihrem Messer fest zu krallen, als ich es ihr mit meiner heilen Hand entwendete. Geschockt schaute sie mir in die Augen. Ihre Faust traf mich mitten im Magen und ihr Messer fiel aus meiner Hand einige Meter entfernt zu Boden, als ich auf meinem Rücken landete. Ich blickte hoch in ihr Gesicht, das nun erfreut und auch verängstigt zu gleich aus sah. Sie hätte wegrennen können, doch sie tat es nicht. Weiterhin quoll Blut aus meiner Hand. Auch sie schien das bemerkt zu haben, denn sie griff mit einer Hand unter ihren Mantel und nach ein paar Sekunden und einem reißenden Geräusch, zog sie einen Stoffstreifen hervor. Ihre Angst schien ein wenig zu entweichen, da ich jetzt ganz hilflos blutend am Boden lag und ich merkte, dass ihre Züge eher sanft waren, als arrogant, wie ich sie zuvor still genannt hatte. Zögernd kniete sie sich neben meinem ausgestreckten Arm. Es war sehr schmerzhaft, als sie den Stoff mit unerwarteter Kraft um meine Hand schnürte. Doch ich ließ es mir nicht anmerken.

Er sah aus als würde er jeden Moment vor Schmerz losschreien, als ich den Stoff meines Hemdes um seine Hand band. Ich zog noch ein bisschen fester, denn er hatte es verdient, nachdem er mein Messer wegnehmen wollte und es dann auch getan hatte. Offensichtlich hatte er mich nicht töten wollen. Und jetzt würde er es auch nicht können. Ich schnappte mir sein Messer, denn meines lag zu weit entfernt. Ich merkte, wie ich meine Angst und meinen Respekt vor ihm verlor.


©TatsWriting 2010

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