Beschreibung
Nach langer Zeit ist es endlich soweit! Es ist Marcos Märchenerzählezeit.
Der unbesiegbare Rittersmann
Einst lebte ein edler Rittersmann, der sich stets als sehr mutig erwies und jegliche Herausforderung annahm. In den Erzählungen des Volkes galt er ganz und gar als unbesiegbar. Schon viele Abenteuer und Prüfungen hatte er bestanden und seine Fähigkeiten oftmals unter Beweis gestellt. Nachdem er nun schon des Adels als würdig gesprochen worden war und er große Reichtümer und Ansehen sein Eigen nennen konnte, entschied er sich nach immer größeren Herausforderungen zu suchen, die seinen Fähigkeiten gerecht werden konnten. Er wanderte quer durch das ganze Land, über eisige Berggipfel und dunkle Wälder. Auf seinem Weg stellte er sich vielen furchterregenden Gegnern. Das Wort “Angst” kannte er jedoch nicht, denn er war ja ganz und gar unbesiegbar.
Eines Tages nun fand er an einem Wegesrand einen Wegweiser. Dieser besagte: “Hier entlang geht es zu deiner größten Herausforderung”. Wohl wären die meisten Menschen misstrauisch geworden, doch nicht so unser Held. Seiner selbst sicher drang er von seiner Abenteuerlust beflügelt voran. Nach einem langen Fußmarsch kam er schließlich an einen Höhleneingang. Ein neuer Wegweiser zeigte direkt hinein. Auf ihm stand: “Tritt nur ein, wenn du würdig bist und wenn du dich traust!”. Selbstverständlich ging er beiden Aufforderungen unverzüglich und selbstsicher nach.
Zuerst schien die Höhle lediglich ein dunkles Loch zu sein. Doch schon bald traf er auf ein weiteres Schild. Es wurde von einer brennenden Fackel beleuchtet. Auf diesem schon sehr alt aussehenden Schild war eine Karte verzeichnet. Von ihr erfuhr er, dass die Höhle aus einem einzigen Gang bestand, der drei Räume zu kreuzen schien, die mit verschiedenen Symbolen markiert worden waren. Ein jeder hätte sicherlich versucht ihre Bedeutung zu ergründen, jedoch nicht der Held dieser Geschichte, denn er hielt sich so wie so ganz und gar für unbesiegbar. Auch dem sehr klein eingravierten Satz: “Bleib nicht stehen und erreiche einfach das Ziel” beachtete er gar nicht.
Schon kurze Zeit später fand er sich in dem Ersten, der besagten drei Räume wieder. In dem Raum wurde er bereits erwartet, von einem großen Monster. Ausgestattet mit mehreren Köpfen, scharfen Zähnen und einem Gebrüll, dass einem das Trommelfell hätte platzen lassen können, stellte es sich ihm entgegen und stand unmittelbar neben dem Durchgang zum nächsten Raum. Unser Held zog sein Schwert und streckte das Untier mit einem routinierten Schlag nieder. Kaum dass es seinen letzten Atemzug verlauten lies, fragte sich unser Held: “Das war’s schon?”. Er steckte sein Schwert wieder weg und zog enttäuscht weiter, in die Richtung des nächsten Raumes. Noch immer hegte er die Hoffnung hier eine Prüfung zu finden, die Seiner würdig war.
Er betrat den nächsten Raum und blickte sich erwartungsvoll um. Doch anstatt eines furchterregenden Gegners sah er nur eine Tafel vor sich. Wie auch das Monster stand sie zwar unmittelbar neben dem Durchgang zum nächsten Raum aber versperrte ihn nicht. Auf der Tafel stand geschrieben: “Oh du tapferer Mensch hast dich als stark und mutig erwiesen. Doch kannst du auch finden des Rätsels Lösung? Ich bin gerade in dir, jetzt nicht mehr. Du siehst mich zwar, kannst mich aber nicht erkennen. Ich kann dein Gesicht liebevoll umstreichen oder deinem gesamten Körper umreißen. Was bin ich?” Mit entschlossener Stimme stieß er das Wort: “Luft” hervor. Doch nichts geschah. Er entschloss sich, ein Messer zu ziehen und das Wort in eine Ecke des Steines ein zu ritzen, damit völlig klar wäre, dass er des Rätsels Lösung gefunden hatte. Danach ging er unbeirrt weiter und gelangte schließlich in den letzten Raum.
In diesem wartete abermals ein Monster. Doch war es diesmal ganz klein und sah ungefährlich aus. Für ihn war klar, dass er jedes Monster besiegen konnte und bei diesem war er sich besonders sicher. Ohne groß nach zu denken, zog er sein Schwert und hieb in Richtung des Wesens. Die Klinge durch glitt es in der Mitte, doch zu seiner Verwunderung reagierte es gar nicht. Er zog sein Schwert zurück, doch das Monster war unversehrt und sah ihn fragend an. Das konnte er sich nicht erklären, also versuchte er es noch ein mal und noch ein mal und noch einmal. Jedoch geschah wieder nichts. Unbeirrt versuchte er es jetzt mit allen ihm bekannten Techniken zu erlegen. Er versuchte es mit Feuer, mit einer Keule, mit Pfeil und Bogen, ja er versuchte in seiner Verzweiflung sogar es zu Tode zu erschrecken aber nichts funktionierte. Es schien einfach unverwundbar zu sein, wie eine Art hässlicher aber doch irgendwie niedlicher Geist. Nun schlug und trat er auf das mittlerweile gelangweilt aussehende Monster schon Stunden lang erfolglos ein. Sein Stolz verbot es ihm, einfach durch den wenige Schritte entfernten Ausgang zu treten. Er MUSSTE dieses Monster einfach besiegen! Irgendwann öffnete das fremdartige Wesen seinen kleinen schon fast niedlich anmutenden Mund und sagte: “Ich bin deine größte Herausforderung!”. Plötzlich verstand er den Sinn dieser Prüfung. Seine größte Angst war es nie gewesen, gegen ein riesiges Monster zu kämpfen oder ein Rätsel nicht lösen zu können, sondern eine Herausforderung einfach nicht annehmen zu dürfen. Mit knirschenden Zähnen lies er das eigentümliche Wesen hinter sich und verließ die Höhle. Niemals zuvor musste er sich selbst erniedrigen, indem er einfach aufgab und einer Konfrontation auswich. Diese Herausforderung war wahrlich die größte, der er sich jemals stellen musste.