Ich höre immer noch die Tür hinter mir zu schlagen und fast im gleichen Augenblick saß er neben mir und startete den Wagen. Außerdem bin ich nicht gerade ein Leichtgewicht, dabei hat er mich aufgehoben und zusammengefaltet wie eine Puppe. Überdies was wollte dieser Unhold noch mit mir reden, sein Verhalten von gestern Abend sprach Bände.
Es wurde verdammt kalt, das hat er sich ja gut ausgedacht, mich in diese Einöde zu bringen. Du hast die Wahl, von wegen Wahl. Mir blieb nichts anderes übrig als auszusteigen. Mit steifgefrorenen Gliedern krabbelte ich aus dem Auto und sah mich um.
Erst auf dem zweiten Blick sah ich die Hütte. Das heißt, es sah so aus, das da eine war. Zu sehen war nur ein eine Holztür der Rest war zugewachsen. Die Tür sah aus als hätte sie auch schon bessere Tage gesehen. Na ja vielleicht war darin wenigstens ein Ofen.
Die Klinke herunterdrückend stemmte ich mich dagegen. Doch unglaublicherweise ließ sie sich sehr leicht öffnen und mir verschlug es die Sprache. Vor mir erstreckte sich ein großer Raum und nicht nur das, er wirkte als hieße er mich willkommen.
Selten habe ich solch ein Gefühl empfunden. Jeder der eine eigene Wohnung hat macht es sich so gemütlich das er sich darin wohlfühlt. Aber dieser Raum hieß einen Fröhlich Willkommen. Ob es der riesige Kamin, das Sofa; hätte nicht mal in meiner Wohnung Platz gehabt, die Essecke oder auch die Küche. Alles rief herzlich willkommen. Er strahlte eine Wärme aus, die keineswegs vom prasselnden Kamin herkam.
Raphael stand links von mir, an einer Treppe, seine Jacke in der Hand. Liebenswürdig sagte er, „Willkommen in meiner Hütte, komm zieh dich aus.“ Ich zuckte zusammen, „Deine Jacke!“ schmunzelte er.
Er nahm mir meine Jacke ab und legte sie zu seiner an der Treppe. „Nun stell dich nicht so an, geh hinein und wärme dich auf, ich hole dir etwas Heißes zu trinken.“ Raphael stand ganz nah hinter mir, sein Atem strich leicht über meinen Nacken. In seiner Nähe vermochte ich nicht klar zu denken. Sofort wurde mir wieder heiß, kleine Flammen züngelten an meinen Leib empor.
Das war gar nicht gut. Ich stellte mir auf einmal vor wie es wäre in seinen Armen zu liegen, wie die langen kräftigen Finger über meinen Leib streichelten.
„Geh schon, du brauchst auch keine Angst haben, dass ich deine Bereitwilligkeit ausnutzen werde.“ Gab er mir sehr ernst zu verstehen. Was sollte denn das schon wieder? Konnte dieser Ganove etwa Gedanken lesen?
Aber, wer so aussah, erwartete wahrscheinlich diese Reaktion – hier bin ich ein Bild von einem Mann! Reih dich in der Schlange hinten an. – Kein Wunder, so wie er da zur Küche ging. Lange Beine, knackiger Po und was für ein Kreuz! Ein Traummann! Und ich konzentrierte mich lieber auf den Kamin. Gab mir einen Ruck und stellte mich in seine Nähe, meine Hände ausstreckend, genoss ich die Wärme des Feuers.
Leise lachend kam Raphael mit einem Tablett zu mir. Mitfühlend schaute er von mir zum Kamin und wieder zurück. Achselzuckend setzte er sich im Schneidersitz auf den Teppich und stellte das Tablett ab.
Dann klopfte er einladend neben sich. Ich ließ mich ihm gegenüber nieder. Da mir eine gewisse Distanz sicherer erschien, was er mit einem schiefen Grinsen quittierte. Das brachte mein Herz zu einigen unkontrollierten Sprüngen. Galant füllte er die Tassen mit Kaffee, goss bei mir Milch ein und ließ den Zucker langsam einrieseln.
„Woher weißt du, wie ich meinen Kaffee trinke?“ argwöhnte ich, war mein Verfolgungswahn doch nicht nur eingebildet.
„Gestern in der Pizzeria hast du Kaffee getrunken!“ Trotz seiner Versicherung zweifelte ich. Soweit meine Erinnerung reichte, saß nur ein Paar in der Pizzeria.
Nahm aber die Tasse entgegen. Vor allen Dingen achtete ich darauf Raphael nicht in die Augen zu sehen, sondern schaute auf seinen Mund. Was wiederum in mir den Gedanken erweckte, wie es wäre ihn zu küssen. Reiß dich zusammen ermahnte ich mich.
„Was willst du also mit mir bereden?“ fragte ich deshalb schroff.
Das amüsierte Grinsen verschwand, „ich weiß nicht, wie ich anfangen soll …“ die Worte kamen zögernd, „versuche einfach, ah nein …“
„Wir können das ganz einfach regeln.“ Geschäftsmäßig richtete ich mich auf. „Du erklärst meiner Freundin deine Lügen. Sowie dein obskures Verhalten und damit sind wir dann quitt. Ich habe dich angerempelt, du hattest deine Rache!“
„Rache? Du meinst ich hätte aus Rache …“ total begriffsstutzig starrte er mich an. Mein Gesichtsausdruck musste ihn wohl davon überzeugt haben, dass ich es auch so meinte.
Mit einer Geschmeidigkeit, die ich nur bewundern konnte, sprang er auf. Ein Wolf in einem Käfig schön anzusehen, trotzdem extrem gefährlich.
Durchmaß er den Raum, als wolle er nach draußen stürmen. Ich unterließ es, ihm anzuraten, eine Jacke mitzunehmen. Abrupt drehte er sich um und mit einer Geschwindigkeit, die ich nicht erfassen konnte, war er bei mir.
Zog mich hoch, umfasste meine Hüfte und hob mich auf seine Augenhöhe empor. Seltsamerweise hatte ich keine Angst. Mein Selbsterhaltungstrieb schien sich verabschiedet zu haben. Wütend starrten wir uns an. Er schloss die Augen, atmete tief durch und ließ langsam die Luft entweichen. Leise sehr leise und mit kontrollierter Stimme.
„Also gut, jetzt hast du mir deinen Standpunkt klar gemacht. Zum zweiten Mal! Du musst mich wirklich für einen Irren halten, aber das bin ich nicht!“
Ja dachte ich, wer anders als ein Verrückter benahm sich so.
„Claire höre mir gut zu, ich bin nicht verrückt! Jetzt hörst du mir zu und du wirst mir die Zeit zugestehen, die ich brauche, ohne deine hirnrissigen Kommentare! War das deutlich genug.“
Er schlug die Augen auf und wartete, während mir bewusst wurde, dass er mich in seinen Bann zog. Raphael erwartete eine Antwort. Nickend fügte ich mich. „Gut!“ zögernd um Fassung ringend, sagte er „Setz dich!“
„Ähm, ich kann nicht …“ und sah an uns herunter.
Raphael hielt mich immer noch, ich hatte mich an seiner Schulter gekrallt meine Beine baumelten gut zwanzig Zentimeter über den Boden.
„Selten hat es ein Mensch es geschafft, mich so wütend … wie du es gerade getan hast …“ bebend um Beherrschung ringend, fixierte er mich.
Widersprüchliche Gefühle spiegelten sich in seiner Mimik. Fasziniert beobachtete ich sein Gesicht jede neue Regung, die blitzartig wechselte, sog ich auf. Atemlos verfolgte ich den Sturm, ohne dass er mir bewusst wurde, näherte ich mich ihm.
Meine Arme lagen um seinen Hals, unsere Gesichter waren sich so nah, dass ich seinen Atem spürte. Ich spürte mein Herz im Hals schlagen. Jäh veränderte sich der Ausdruck in Raphaels Gesicht, reserviert kalt, wendete Raphael seinen Blick ab. Ließ mich herunter und wandte sich dem Kamin zu.
Wie aus einer Trance erwachend, versuchte ich mich wieder zu finden. Dieser Mann brachte es tatsächlich fertig mein seelisches Gleichgewicht, zu zerstören. Für einen kurzen Augenblick wollte ich von ihm umarmt werden. Mehr gestand ich mir mit brennenden Wangen nicht ein.
Vom Kamin hörte ich das Holz knistern, das Feuer war so stark das es in den Raum leckte. Raphael schichtete unnötig Holz nach, er betrachtete die Flammen.
„Wenn du dich jetzt bitte setzen würdest.“ Kam es angestrengt herüber.
Froh, dass mir noch die Zeit blieb, in meine normale Gesichtsfarbe zu wechseln, nahm ich auf dem gemütlichen Sofa Platz. Ein kurzer Blick von Raphael um sich zu überzeugen, ob ich seiner Aufforderung nachgekommen war.