politischer Kommentar
Aus dem deutschen Sommerloch stieg dieses Jahr viel Rauch auf. Ein Sachbuchautor, wie er sich selbst sieht, landetet einen Saisonbestseller. Viel Öl wurde auf heiße Eisen der Gegenwart und der Vergangenheit geschüttet. Die Tektonik der Parteienlandschaft geriet großräumig in Bewegung. Die Lehre vom Aufbau der Politik in ihrer Struktur beginnt tiefe Spalten und Verwerfungen zu erfahren. Es wird ignoriert, Meinungen wurden unterdrückt. Man(n) und Frau wollten nichts davon hören. Die Politik hört nicht mehr zu. So denken zumindest einige.
Doch der Rauch zog weiter. Aus dem Streit wurde eine Debatte. Aus Debatten Programm. Nun geht es in der und um die Wählergunst um: Integration, Einwanderung, Zuwanderung, Leitbildkultur(en). Die Wirkungsdifferenz aus den vermeintlich so unterschiedlichen Lagern wird deutlich. Heiße Eisen werden nun wieder geschmiedet. Und sie werden öffentlich geschmiedet: In Interviews, politischen Stellungnahmen, wagen Äußerungen, im endlich auch im Bundestag.
Aber auch global: Die Deutsche Welle ergießt es in die Weltenmeere. Auf Deutsch, auf Spanisch für Lateinamerika. Auf Englisch in den asiatischen Raum. Auf Arabisch als Postulat der Aufklärung: Seht her: hic salta!
Für gewöhnlich kommt nach der ganzen moralischen, sentimentalen und vor allem emotionalen Aufregung des politischen Kindheits- und Eltern-Ichs wieder Ruhe in das Wasserglas der Berliner Republik. Das erwachsene Ich der politisch, wie gesellschaftlich strapazierten Verantwortlichen besinnt sich auf seine ureigenen Tugenden. Es wird Bestand aufgenommen. Es wird analysiert. Programme und Strategien werden ent- und verworfen. Selbst der Blick auf die nahen und fernen Nachbarn ist erlaubt. Auch die Kritik an diesen. Es geht um Deutschland. Es geht um die Bundesrepublik Deutschland. Ein Ausdruck der in jüngster Vergangenheit seltener Gebraucht wurde. Man fragt sich, wo es hin geht mit der sozialen Marktwirtschaft, mit Zuwanderung - oder Nicht- Zuwanderung. Mit der Rente. Mit Harz IV. Mit der Bildung. Mit unserem einzig verbleibendem Rohstoff: der Innovation. Mit dem Fachkräftemangel - der Schuld und Sühne sein könnte.
Der politisch (und hoffentlich auch persönlich) interessierte Betrachter wird hin- und her gerissen von den unterschiedlichen Ansatzpunkten und Meinungen. Beeindruckt durch gleichermaßen kaum (er-)fassbaren Prozent- und anderen Zahlenspielen. Verängstigt durch Prognosen. Verselbstständigt durch die (ver-)öffentliche Meinung. Schwer sich da drin wieder zu finden. Seine Partei zu erkennen. Wer gehört eigentlich noch dazu? Parteiausschlussverfahren eines langjährigen SPD Mitglieds, welcher ein Buch veröffentlicht hat, dass im Übrigen einem anderen Buch um die Jahrtausendwende „Scheitert Deutschland?“ inhaltlich erstaunlich nahesteht, jedoch aus einem andern politischem Lager stammt. Damals gab es nicht so viel Geschrei. Es wurde aber auch von einem Professor für Zeitgeschichte in feiner Feder verfasst - und keinem Politiker und Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank. Der eine war zu früh und der andere zu spät für eine große Koalition, die einzige politische Kraft, die die wirklich grundlegende Reformen und Probleme erfolgreich angreifen kann - wie einmal Helmut Schmidt sagte.
Wie dem auch sei. Gott sei dank gibt es viele Farben aus denen man den Malkasten des Bundestages und Bundesrates durch Wahl selbst mit zusammenstellen kann. Bei einigen Themen scheint man sich jedoch über die Diagnose des kränkelnden Patienten einig. Gestritten wird jedoch weiterhin über die Symptome und dessen Behandlung. Lassen Sie mich nun auf meine eigentliches Anliegen dieses Artikels kommen. Sie sehen leicht verwickelt man sich auch in die so zahlreichen Kontroversen der letzten Wochen und verliert schnell den Faden. So scheint es mir zumindest. Einig scheint man sie zumindest zu sein, dass es einen Fachkräftemangel in Deutschland aktuell und vor allem in der Zukunft geben wird. Händeringend wird nach Auswegen aus, und nach den Gründen für diesen Mangel gesucht.
Schuld haben könnte die Finanzpolitik, die Familienpolitik, die verpasste Integrationspolitik. Die staatliche Bildungspolitik. Die private Bildungspolitik - zu Hause - noch ungemein schwieriger, da muss man ja selbst aktiv werden. Man brauche qualitativ wie qualitativ geregelte Zuwanderung, oder halt: „erst mal sehn was der Spiegel dazu sagt - die sagen wir haben möglicherweise keinen Fachkräftemangel“. Traurig, das Politik nun auf den Journalismus warten soll. Ver-öffentliche Meinung. Geht es nicht auch mit „Kindern statt Indern“, wie auf überdimensionierten Plakaten vor gar nicht allzu langer Zeit suggeriert wurde?
Soweit ich es mir selbst zurecht gelegt habe, sehe ich da mittel- und langfristig nur eine Neuorientierung der Bildungs- und Familienpolitik sich aus der aktuellen Debatte heraus kristallisieren.Zuwanderung über ein wie auch immer genau ausgefeiltes Raster von gewollten Kriterien.Schwer dies bei einem Anwerbungsstopp und der aktuellen „Zuwanderungs“-Gesetzgebung und deren Umsetzung ausreichende Anreize auch im europäischen Rahmen zu setzen. Konkret: Was sage ich dem Kunden am Telefon einer Auslandsvertretung, wenn er mir berichtet, dass er auf der Deutschen Welle die aktuelle Debate um den Fachkräftemangel mit großem Interesse verfolgt habe und mich nun fragt ob er gleich ein Arbeitsvisum haben kann?
Zur Zeit bleibt nur das reaktionäre Wesen der Beschäftigungsverordung zu erläutern oder ihn zu fragen ob er denn bisher auch 5-stellig in Euro pro Monat verdient um einschlüpfen zu können? Oder gar einen Arbeitsvertrag i.H.V. mindestens 66.000€ vorlegen kann dem die Zentrale Arbeitsvermittlung in großzügiger Weise bescheinigt hat, dass leider kein(e) Deutsche(r) Arbeitnehmer(in) dafür zur Verfügung stand? - Ein schwieriges Gelände, welches ich gerne und mit Hoffnung den Spezialisten der betreffenden Ministerien überlasse.
Was bleibt denn noch? „Kinder statt Inder?“ Wie man leider an den tatsächlichen quantitativen Resultaten der „greencard“ ablesen kann, ist die wohl keine Lösung (mehr). Die sitzen eben nicht mehr auf ihren so viel zitierten
„gepackten Koffern“ sondern sind längst in den Sprachraum letzteren Anglizismus angekommen. Was bleibt also noch?
Wer bleibt also noch (über), um unseren Hunger an notwendigen Fachkräften kurzfristig und vor allem nachhaltig, falls Sie mir diese strapazierte Vokabel erlauben, zu stillen?
Nun, auf einen Aspekt bin ich in der Betrachtung der aktuellen Politik noch nicht gestoßen. Vielleicht habe ich es auch verpasst. Was ist mit all den Deutschen, im Ausland?
Die brauchen keine Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung.Keine Zustimmung einer Ausländerbehörde. Keine Zustimmung einer Arbeitsvermittlung. In dem „Amtsbezirk“ dieser Auslandsvertretung haben wir ca. 10.000 Deutsche, wenn auch mehrheitlich Doppelstaater.
Und möglicherweise noch eine latentes Einbürgerungspotential von weiteren 20.000 Deutschstämmigen, wenn wir ihnen bei der Beschaffung der Unterlagen behilflich sein könnten. Insgesamt auf diesem Kontinent eine möglicherweise sechsstellige Zahlen von Inhabern von Deutschen Reisepässen. Viele dieser Deutschen haben Ihre Deutscheneigenschaft über 2-4 Generation und über die letzten 70 Jahre verteilt erhalten. In überwiegendem Anteil durch Flucht und Vertreibung durch unsere nationalsozialistische Vergangenheit. Diese Familien sind meist nach wie vor überaus erfolgreich, intelligent und bildungsnah, wie unser Sachbuch-Auto hier einschieben könnte. Sie bewahren Bildung und Erziehung. Die Kinder besuchen die Deutschen Schulen, Studieren in Deutschland, Europa oder Übersee, sprechen oft auch in fortlaufenden Generationen Deutsch oder sind zumindest entsprechen initiiert. Sie sind engagiert in Handel, Kultur und der Bewahrung von Traditionen und Erziehung. Sie alle könnten mit ihrer Deutscheigenschaft ihren eigen Beitrag zu ihrem Leben und auch in Deutschland leisten. Selbst wenn sie (noch) nicht ausreichend Deutsch sprechen können.
Da bricht schon gleich der Einwand der Sprachbarriere über mich herein: „Die würden doch alle nach Spanien gehen.“
Nein, dass würden und das tun sie nicht, denn ähnlich der Zuwanderungsgesetzgebeung, - oder soll ich doch den alten Begriff des AusländerGesetz in zutreffender Weise verwenden ? - verhält es sich mit der europäischen Freizügigkeit: Man braucht einen Arbeitsplatz im Voraus. Da steht der Bewerber vor ähnlichen Problemen. Ich rede an dieser Stelle nicht von hoch qualifizierten Bewerbern/oder mit abgeschlossenenem Hochschulstudium in den MINT-Fächern. Die brauchen keine Hilfe. Sie sind geistig und geographisch mobil genug, ihren eigenen Weg zu finden. Die haben wir schon verloren.
Die kümmern sich auch selbst erfolgreich um eine qualifizierte Anstellung im aktuellen gesetzlichen Rahmen, wenn es den Deutschland als Zielland sein soll. Ich möchte hier anregen aktiv auf die Fachkräfte mit Berufsabschlüssen zu zugehen, die möglicherweise in ihrer lateinamerikanischen Heimat persönlich keine momentane Zukunft sehen, aber über einen Deutschen Reisepass verfügen.
Sicherlich lässt sich (per Weisung ...) durch die Auslandsvertretungen mit relativ hohem deutschen Bevölkerungsanteil vor Ort in Zusammenarbeit mit den deutschen Kompetenzen feststellen welche Berufsabschlüsse des Gastlands in das deutsche System einigermaßen passen könnten. Und welche dieser Qualifizierung aktuell und genau wo gesucht werden. Nach einer solchen Analyse ließe sich eine entsprechende Strategie der Arbeitsvermittlung aktiv(er) entwerfen und betreiben.
Spontan denke ich an verlinkte Datensätze der deutschen Firmen, Tageszeitungen und Arbeitsämtern oder Vermittlungen auf den Homepages der Auslandsvertretungen - die dann aber gefiltert auf das Anforderungsprofil abgestimmt sind. Konkret könnten auf einer Seite die (anerkannten) Berufsabschlüsse des Gastlandes stehen und einladen sich bei den auf der weiterführenden Seite dargestellten ebenso konkreten Arbeitsangeboten zu bewerben. Gerne auch mit Hinweisen zu Bewerbung und Verfahren, welches allgemein oder speziell in dem jeweiligen Fall üblich sind. Meiner Meinung nach ist einfach ein wenig mehr aktives Handeln im Sinne Deutschlands von Nöten. Warten und Hoffen klappt nicht.
Carina Hallo bartelsontour, ein großes Kompliment für deinen Artikel der gut geschrieben ist und das du so ein wirklich Heißes Eisen anfasst. Aber du hast recht es wird seitens der Regierung zu wenig getan. Das Thema ist wirklich sehr umfangreich, doch vielleicht ist das der Startschuss für eine Diskussionsrunde. Gruß Carina |