Da war ich nun wieder, in meiner mollig warmen 2,5 Zimmer Wohnung, mit Gepäck und guten Ratschlägen. Auspacken, als Erstes, das ist einfacher. Als an meine Mutter und ihre fast schon verzweifelten Versuche, mich unter die Haube zu bringen, nachzudenken.
Zwei Wochen, über Weihnachten, bei meinen Eltern. Mom wollte mich unbedingt überreden wieder nach Hause, zukommen. Dabei bin ich doch geflüchtet, ans andere Ende der Staaten. Meine Wenigkeit hier in Saint Paul, Minnesota und meine Eltern in Louisiana, weit weg.
Davon gelaufen vor diesem normalen Leben, das sie für mich anstrebte. Sie verstand es einfach nicht, dass ich mich wohlfühlte, so wie es ist. Mit einem guten Job, in einer Bücherei. Denn ich liebte Bücher. Jedes Buch, das mir in die Hände fiel, musste auch gelesen werden. Dort war ich, in meinem Element.
Aber meine Mutter wollte ein anderes Leben für mich. Sie war der Ansicht, ein Ehemann, ein oder zwei Kinder, vielleicht noch ein Halbtagsjob wäre das Beste, was man sich wünschen kann. Nach der Wiedersehensfreude begann es dann, zuerst vorsichtig, ob ich denn schon nette Leute – das heißt Männer - in dem Jahr kennengelernt habe. Du hast doch gesagt, dass du oft Verabredungen hast, sie spielte natürlich auf meine Kollegin und mittlerweile Freundin an - Sue, emsig, wie sie war, versuchte Sue mich ständig zu verkuppeln – war denn niemand dabei der dich interessierte?
Wie gesagt, zuerst vorsichtig, aber im Lauf der zweiten Woche wurde sie immer drängender „Claire Garret du wirst 25 Jahre! Einmal musst du dich für einen Mann entscheiden, du kannst nicht dein ganzes Leben, mit deinen Büchern verbringen.“
Da war es also, die alt bekannten Worte. Ich weiß nicht, wie oft der Versuch fehlschlug, es meiner Mutter begreiflich zu machen. Für mich bestand keineswegs das Verlangen nach einer Beziehung, an erster Stelle. Das war schon immer so, weder in meiner Highschool Zeit, noch später im College. Während meine Freundinnen sich immer wieder frisch verliebten und neue Flammen sammelten, konnte ich mich mit ihren Freunden und Abgelegten stundenlang unterhalten. Es war nicht einer dabei, der mir Herzklopfen bereitete und genauso sahen es die Jungs – du bist ein echt netter Kumpel. Ich vermisste und vermisse dieses ganze Beziehungsdrama nicht, doch Mom war da nun mal anderer Ansicht. Deshalb bin ich geflohen und habe mir ein Leben aufgebaut mit meinen Büchern, meiner Arbeit.
Kopfschüttelnd die Gedanken an meine Mom verbannend, nahm ich das Telefon, um Molly die stellvertretende Leiterin, anzurufen. Kaum erwartend übermorgen wieder arbeiten, zu können.
„Hallo Molly ich bin´s …“
„Oh, Claire gut das Du anrufst. Bist du schon zu Hause? Denn du musst morgen schon kommen. Sue hat sich gestern krankgemeldet, tut mir leid deinen letzten Urlaubstag zu vermiesen, aber ich schaffe es allein einfach nicht.“ Entschuldigte sich Molly wortreich.
„Kein Problem, was hat Sue denn?“ Wollte ich wissen.
„Grippe, sie hörte sich wirklich schlimm an. Ich dank dir, bis morgen.“ Eilig beendete Molly das Gespräch. So wie Molly sich anhörte, stand sie unter Druck. Bestimmt einiges zu tun! Der kurze Blick auf die Uhr verriet mir, es lohnte sich keineswegs, Molly jetzt noch zu zur Hand gehen.
Also dann morgen. Schön! Für mich hieß das einen Tag früher anfangen.
Jetzt aber noch einmal raus und einkaufen. Denn den Rest der Woche würde ich bestimmt nicht mehr dazu kommen. Warm eingewickelt, denn es war draußen eisig machte ich mich auf den Weg. Zum Glück lag der Supermarkt gleich um die Ecke und nahm mir vor, diesmal nicht zu schlendern. Ein paar Schnellgerichte und einige Snacks für zwischendurch, ab in den Einkaufswagen damit. Denn ohne Sue, wurden die Mittagspausen in der Bücherei verlegt. Allein ein Cafe oder Imbiss zu besuchen, kam keinesfalls infrage. Unter vielen Menschen fühlte ich mich immer allein, geradezu verlassen. Was noch? Ãœber die Regale schauend, sollten ein paar Vitamine genau das richtige sein. Machte kehrt und Wums …, rammte in jemanden hinein. Direkt hinter mir musste jemand gestanden haben, das hatte ich nicht bemerkt.
„Entschuldigen Sie bitte, ich habe sie nicht gesehen“, stammelnd und gänzlich erschrocken, so etwas war mir noch nie passiert.
Total fassungslos starrten mich grüne Augen an. „Das nächste Mal passen sie aber besser auf!“ Wurde ich angefaucht.
„Darauf können sie sich verlassen!“ erwiderte ich, jetzt wütend! Was bildete der sich ein. Steht direkt hinter mir und wundert sich, wenn er angerempelt wird. So ein eingebildeter Schnösel! Hochnäsig ging ich an ihm vorbei, was du kannst, kann ich schon lange. Aber anstatt sich wegen seines Benehmens zu schämen, fing der Typ an zu lachen.
An der Kasse hallte das Lachen des Schnösels noch immer in meinen Ohren nach. Sauer auf mich, wegen solch einer Lappalie, die gute Laune zu verlieren.
Vergiss es! Freu dich lieber, morgen gehst du wieder arbeiten munterte ich mich selbst auf und bezahlte meinen Einkauf.
Da stand er ja! Direkt am Ausgang, als ob er auf mich warten würde. Mit einem hintergründigen Gesichtsausdruck verfolgte er jede meiner Bewegungen. Mit Herzklopfen verstaute ich meine Einkäufe und verließ den Markt, ohne diesem Herrn weitere Beachtung zu schenken.
Abgehetzt kam ich zu meiner Wohnung, mit dem untrüglichen Gefühl verfolgt, zu werden. Als ob ein grünes Augenpaar mich ständig beobachtete. Langsam schüttelte ich diesen Eindruck ab und machte es mir bequem, nach zwei Wochen endlich daheim.
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Zitternd vor Kälte betrat ich am nächsten Morgen, durch einen Nebeneingang speziell für Angestellte, die Bücherei. Molly stellte mir ohne Kommentar einen heißen Kaffee auf den Tisch. Während ich mich, von meinem Schal, Handschuhen, Mütze und Jacke befreite, erzählte sie schon die Neuigkeiten der letzten vierzehn Tage.
Es war ein warmes behagliches Gefühl wieder hier zu sein. Der Duft der Bücher, die ruhige Atmosphäre und auch Mollys Schilderungen. Es hatte sich nichts geändert, Molly in ihrer ruhigen distanzierten Art. Sie kam mir immer ein wenig wie eine Gouvernante vor. Ja, hier fühlte ich mich am richtigen Platz.
„Claire, wenn du heute vorn im Laden bist, habe bitte auch ein Auge auf den Lesesaal. Dann kann ich mich um die Bestellungen kümmern. Du kommst ja doch besser mit den Studenten klar.“ Mir war das nur Recht, im Grunde machte ich das am liebsten. Unentschlossenen Kunden zu helfen die richtige Lektüre auszusuchen. Auch die von Molly gefürchteten Studenten zu unterstützen, die richtigen Bücher zu finden. Da wir dem College mallcaster angeschlossen waren, hatten wir jederzeit Zugriff auf die Bibliothek oder das Gewölbe, wie wir es nannten. Denn Sue meinte an diesem Ort spuke es, mir erging es anders ich war gerne im Gewölbe. Das erreichten wir durch einen Gang, der unterhalb der _-soso Avenue führte. Daraus bestand meine Hauptaufgabe all diese Werke in ein digitales Netzwerk, aufzulisten. Sowie den Studenten, außerhalb des Colleges den Zugriff der Bücher zu ermöglichen.
„Molly mache dir nur keinen Stress, ich bekomm das schon hin.“
„Wenn wir nur noch jemanden hätten, der wenigstens halbtags kommen würde, dann wäre es auch keine Katastrophe, wenn mal jemand krank wird oder Urlaub hat“, murrte Molly, „so bleibt einfach zu viel liegen. Ãœbrigens hast du schon mit Sue gesprochen?“ wechselte sie das Thema.
„Nein habe ich noch nicht, ich wollte gestern Abend nicht mehr anrufen aus Angst, sie zu wecken.“ Oder wollte ihr nichts von grünen Augen erzählen, ergänzte eine Stimme in meinen Kopf, den Satz. Molly schaute auf die Uhr, was ich richtig verstand und in den Laden ging. Tief einatmend wurde mir nochmals bewusst, wie gern ich hier arbeitete.
Der Verkaufsraum war länglich, die Theke ging über fast die gesamte Breite des Raumes. Von hier aus hatte man einen Überblick über den ganzen Raum, rechts die Eingangstür links ging es in den Keller. Da die Regale längs standen, konnte man in den extra eingerichteten Lesesaal schauen. Obwohl dies ein sehr hochtrabender Begriff für unsere Ecke war, nutzten nicht nur Studenten den Raum.
Die restliche Woche verging wie im Fluge, viele Kunden freuten sich, mich wiederzusehen. Wie üblich machte es mir wiederum Spaß, meiner Kundschaft behilflich zu sein. Mit Sue telefonierte ich kurz, sie hörte sich mehr wie ein Reibeisen an und wollte nichts als schlafen. Also versorgte ich meine liebe Freundin mit Obst, das sie mir am liebsten an den Kopf geworfen hätte.
Obwohl die Woche so wie immer verlief, wurde ich ein unbestimmtes Gefühl beobachtet, zu werden nicht los. Im Laden schaute ich mich ständig um, sah sogar hinter den Regalen nach. Auf dem Nachhauseweg konnten meine Füße nicht schnell genug laufen. Auch zu Haus verließ mich das Gefühl nicht.  In den ersten Tagen war die Empfindung jemand wäre in meiner Wohnung gewesen unbeschreiblich stark. Einmal ertappte ich mich dabei den Teppich umzuschlagen, bevor es zur Arbeit ging. Fehlte nur noch das befestigte Haar an der Tür.  Was ich natürlich nicht tat!
Am schlimmsten waren aber meine Träume, immer diese Augen, unergründlich tiefe grüne Augen. Nicht dass ich mich vor ihnen fürchtete. Nein sie studierten, forschten, prüften mich, aber sobald ich mich ihnen zuwandte, wichen sie überrascht zurück.
Als ob sie Angst vor mir hätten. Dann der fragende Blick „Warum“ „Weshalb du“ dieser wechselte auch in einen vorwerfenden warnenden Ausdruck.
Doch niemals lächelten diese unergründlich grünen Augen. Regelmäßig wachte ich mit rasend schlagendem Herzen auf. Das Verlangen, in sein Gesicht zu sehen, ein Lächeln darin zu finden beunruhigte mich mehr, als die Träume. Â
Quatsch, du dumme Kuh, du würdest diesen Herrn gar nicht wiedererkennen, wenn er dir auf der Straße begegnet. Außerdem war dieser Kerl anmaßend und frech. Deshalb siehst du auch nie ein Lachen! So schlug ich meine Wünsche und Träume nieder.
Lust auf mehr?
Schau nach dem nächsten Teil.
Viel Spaß!
Maxim