Was bleibt von Opa Willy?
Wer war Opa Willy?
Ein Geburtstag und ein Sterbedatum? Eine Frau und zwei Kinder.
Seinen Vater habe ich noch kennen gelernt. Ein knurriger, alter Mann, der immer Kalmuswurzel und Kautabak kaute. Zu seinen Enkeln war er gütig. Wir durften auf seinen Knien sitzen.
Sein Sohn war der spätere Opa Willy, Willy hatte eine Schwester – die Marie.
Mit ihr war Willi Werner verheiratet, der mir mal erzählt hat, wie sie 1918 das Gefängnis in der Kreisstadt Ilmenau gestürmt haben.
In den Zwanzigern bauten die beiden Schwager ein Haus – das in der Neuen Str. 10, die auch mal Hindenburg Str. und A. Hitler Str. hieß.
Hier wohnten keine Bauern, hier war man „Was Besseres“.
Opa Willy hatte zwei Berufe – er hatte eine Metzgerlehre und eine beim Maler hinter sich.
Eine große Narbe am Bein zeugte noch von der Lehrzeit, denn sie mussten in den Koben und die Schweine abstechen. Ein Schwein hatte sich gewehrt.
Mutti erinnerte sich noch, dass er am Arm eine Verletzung hatte (wahrscheinlich mit dem Messer).
Die zweite Lehre ist sicher dem Beruf des Vaters zuzuschreiben, Friedrich Siegmund war auch Maler.
Vielleicht hing der zweite Beruf auch mit dem WK I zusammen, Opa wurde eingezogen, kam ins Lazarett und als er zurück zur Front kam, bekam er mit der Kompanie das EK I verliehen.
Opa hat nie vom Krieg erzählt.
Aber gerade in der Zeit nach der Inflation, macht er ein Malergeschäft auf und baut ein Haus.
Bald darauf kommen zwei Kinder zur Welt, zwei Mädchen.
Opa Willy wollte immer Jungens. Ich postuliere das, weil er so selig war, als seine Enkel kamen.
Im WK II war Willy Postbote, offenbar ein Ersatzposten, er konnte schon schlecht gehen.
Wie kommt so ein Mensch mit einer Volksschulbildung dazu, sich für alles Neue zu interessieren, was in der Technik passiert. Er baute den ersten Detektor in Langewiesen und später reparierte er „Goebbelsschnauzen“ und andere Radioapparate.
Ach ja und Schuster war er auch. Er hatte eine komplette Schusterwerkstatt im Keller.
Nebenbei interessierten ihn Motorräder und Motoren aller Art.
Er reparierte Fahrräder und machte aus Schrott neue Bikes.
Der Geist des Motoradbastelns ist auf mich übergegangen, denn ich habe noch in den 70er Jahren im Hof an meinem Mopeds gefriemelt.
Opa Willy war ein stiller Mann, doch manchmal ging er ins Wirtshaus zum Skat spielen.
Wir wurden dann in die „Linde“ geschickt, um ihn zu holen. Das war uns überhaupt nicht recht, denn wie kamen wir dazu einen Erwachsenen zu bevormunden?
Und ein musikalischer Autodidakt war Opa auch – er spielte leidlich Geige und Oma schlug die Saiten einer Zitter dazu.
Willys großer Coup war die „Postsortiermaschine“.
Sie soll noch lange auf dem Boden gestanden haben. Keiner hat seine Erfindung gewürdigt.
Es hat ihn zum Verzweifeln gebracht und er wurde immer stiller.
Ein Mensch mit großer technischer Bildung – selbst beigebracht und bewandert auf musischem Gebiet (er konnte sehr gut malen) pendelte zwischen Schutt (hier fand er alles) und Werkstatt (hier wurde alles restauriert).
Wenig wurde er gelobt, selten wurde er belohnt und ich habe nie gehört, dass er eine Forderung gestellt hat.
Sieben Jahre vegetieren nach einem Schlaganfall an der Bushaltestelle.
Ein Ende, das Keiner verdient hat, auch nicht mein Opa Willy.