Wenn man erkennt was Gut und Böse ist, dann darf man es nicht dabei belassen. Entscheidungen und konsequentes Handeln werden nötig, Ohne Folgen sind Erkenntnisse nichts wert.
Wandel
Manchmal passiert es einfach. Dinge wandeln und Menschen verändern sich. Die Welt, so wie ich sie kenne ist laut, schrill und bunt. In einer mittleren Großstadt kann es nunmal nicht leise sein. Doch es ist nicht nur die Stadt, die mich nicht zur Ruhe kommen lässt. Die Medien, die in unserem Alltag so allgegenwärtig sind tun ihr übriges, um mich und viele andere Menschen in Atem zu halten. Einige dieser Menschen geben sogar zu, dass sie mit der Stille auf Kriegsfuß stehen. Sie können die Ruhe nicht ertragen. Und manchmal kann ich das verstehen.
Im Moment sitze ich nicht etwa hier um zu schreiben oder weil ich Lust dazu hätte. Ich tue es, weil ich mich bewusst dafür entschieden habe. Es war nicht leicht sich meinen Lüsten und Neigungen entgegenzustellen. Diese Aspekte bewusst zu lenken ist eine Herausforderung der besonderen Art. Ich sage das zunächst nur für meinen Fall. Würde ich meinen Neigungen freien Lauf lassen, dann säße ich jetzt vorm TV – passiv. Oder ich würde sinnfrei im Internet unterwegs sein, auf der Suche nach vermeintlich wichtigen Informationen. Auf jeden Fall würde ich etwas tun wollen, dass mir leicht fällt und Spaß macht.
Dabei bin ich kein fauler Mensch, sondern nur ausgeprägt bequem. An diese Bequemlichkeit habe ich mich so sehr gewöhnt, dass sie mir zum Problem geworden ist. Denn ich ertappe mich immer öfter, wie ich versuche, um Aktivität herum kommen. Es ist so einfach sich vor den TV zu hängen und sich vereinnahmen zu lassen. Im Internet von einer Site auf die andere surfen. Es ist wirklich keine Kunst und macht keinerlei Mühe. Und beides in Kombination nennt sich Online Rollenspiel. Dort bekommt man bewegte Bilder, virtuelle soziale Kontakte, Geschichten und das Gefühl unterwegs zu sein. Doch in Wirklichkeit ist man allein im Zimmer.
Es ist wie das Rauschen der Blätter im Wald. Solange der Wind weht, alles in Bewegung ist, die Farben leuchten und die Blätter rauschen, empfindet man in Geborgenheit. Man ist versorgt, weil man nichts mehr braucht. Dort gibt es Action ohne Anstrengung. Alles ist perfekt, denn man hat sich diese Welt so eingerichtet, dass man sich in ihr wohlfühlen muss. Und erst wenn der Wind nicht mehr weht, die Blätter in den Bäumen nicht mehr rauschen und man die Stille im Wald plötzlich wahrnimmt, fühlt man, dass etwas nicht stimmt. Einsamkeit und Unruhe machen sich breit.
Einfach nur herumsitzen und nichts tun, ist allerdings auch nicht die Natur der Menschen. Menschen sind in Bewegung. Sie tun und machen, bewegen und verändern die Welt durch ihre Ideen. Wenn sie dazu frei sind und nichts sie aufhält. Was Menschen aufhalten kann ist ein voller Bauch. Denn dann ist er satt und zufrieden. Menschen brauchen aber auch ein Dach über dem Kopf, Kleidung am Leib und Nahrung. Das ist Elementar. Wenn diese Bedürfnisse gesichert sind, ist Pause angesagt. Kommt es zum Überfluss und es gibt keinen Grund zur Sorge, dann sucht er sich eine neue Beschäftigung. Etwas, dass Spaß macht. Wir leben in diesem Überfluss und einer Spaßgesellschaft.
Ich bin so ein typischer Mensch dieser Zeit. Lebe in einer Industrie Nation mitten in Europa. Mir fehlt es an nichts. Jedenfalls in materieller Hinsicht. Das Leben findet in einer Stadt, einer Wohnung – mit Menschen die ich liebe– statt, wo es genug Nahrung gibt und niemand friert. Alles ist gut. Nur, warum bin ich dann so angespannt? Warum bin ich unzufrieden? Was fehlt mir? Es ist einfach: Ich habe Entzugserscheinungen.
Mir fehlt der Fernseher, der mir die Sinne mit Informationen zuschüttet. Das Internet mit all den unnützen Information, die ich doch nicht brauche. Mir fehlt die Online-Welt, wo ich der Herr meines Lebens und immer der Sieger war. Mir fehlt, was ich nicht brauche. Was ich nicht will, das tue ich, und was ich will, dass tue ich nicht.
Ruhe, Freude, Frieden, Lachen und weinen vor Glück, Menschen, Freunde und der Kreis derer die sich Familie nennen – das ist es, was ich will. Dies will ich in der Wirklichkeit und nicht in der virtuellen Welt. Und jetzt, wo ich hier bin – in der Wirklichkeit – weiß ich wieder warum ich dorthin ging, warum ich mich habe reinziehen lassen: Es war alles so einfach dort – in der Virtualität.
Nicht so wie jetzt, wo ich mich an die Stimme der Stille gewöhnen muss. Die Ruhe, in der meine Gedanken mich anschreien. Sie sagt mir, ich solle diesen Ort zu verlassen, denn er ist laut und tut mir weh. Es ist so … ungewohnt. Rau und gar nicht freundlich. Kalt, grau und nass. Alles ist so teuer und geschenkt bekommt man auch nichts mehr. Es gibt keinen Highscore Level mehr, den man erreichen könnte. Ende Gelände, aus die Maus und Ruhe im Karton.
Ich bin ein Junkie und weiß es. Das macht es nicht leichter, aber es ist ein Anfang. Wie bei jedem Entzug, wird es auch hier nie mehr völlige Freiheit geben. Fordernde Gedanken werden immer wieder kommen und mich locken, weil es doch auch gar nicht so schlimm sei. Was ist denn schon dabei? Nur ein einziger Schluck, nur mal kurz daran ziehen. Mehr nicht, dann gleich wieder aufhören …
Wo dieser Weg hinführt weiß ich nicht genau. Aber ich will weder stehen bleiben noch nach Hinten schauen. Ich habe doch nur dieses eine Leben aus dem ich was machen kann. Und um es zu virtualisieren ist es mir zu wertvoll, das kann es also nicht sein.
Du schöne neue Welt, bist nicht so schön. Du hast mich betrunken gemacht und ich taumel glückselig lächelnd auf den Abgrund zu. „Alles ist so schön bunt hier!“
Danke, aber ich eigentlich stehe mehr auf Grau.