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Project Albagan [1x06] Vergeltung (Teil 2)

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"Project Albagan [1x06] Vergeltung (Teil 2)"
Veröffentlicht am 17. November 2010, 38 Seiten
Kategorie Science Fiction
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Project Albagan [1x06] Vergeltung (Teil 2)

Project Albagan [1x06] Vergeltung (Teil 2)

Beschreibung

//Fortsetzung der Serie Project Albagan. Neue Episoden gibts in geraden Kalenderwochen Samstags ab 20.15 auf http://s-hilgert.blogspot.com //Zum Inhalt: Immernoch auf der Suche nach der Lösung für den rätselhaften Mord an Liza Hedgefield stößt das Team um Jan Ferden und Mary Lu Rosenthal auf weitere Hinweise - doch wer auch immer der Mörder ist, er macht sehr schnell deutlich, dass er an weiteren Nachforschungen wenig Interesse hat...

Unlängst%u2026 bei Project Albagan

Während seines Urlaubs zuhause in Pennsylvania gerät Captain Hedgefield in einen heftigen Streit mit seiner Frau Liza. Kurz darauf wird sie tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Der Captain und seine Tochter Abby bleiben verschwunden. Auf Initiative von General Eagleson machen sich Jan Ferden, Mary Lu Rosenthal, Jack Springer und sein alter Kollege James Torrez, ehemaliger Detective des NYPD auf die Suche nach Hedgefield. Dabei stoßen sie auf Abby, die ebenso wie die Polizei davon überzeugt ist, dass ihr Vater der Mörder ist.

Ihre Suche gipfelt darin, dass das Team den Captain völlig verwirrt auf einer Lichtung im Wald in North Dakota findet – er behauptet, zum Zeitpunkt des Mordes nicht mehr im Haus gewesen zu sein. In einer Nacht- und Nebelaktion wird der Captain, unter schwerem Schock stehend, in ein Krankenhaus eingeliefert. Das Team quartiert sich derweil in der nahegelegenen Air Force Base ein um weiterhin an der Lösung des Falls zu arbeiten.

06.11.2010, 11:35 // North Dakota

Abby Hedgefield saß alleine in der Kantine und futterte gemächlich einen zähen Brei, der ,ihrer Meinung nach unverschämterweise, als Müsli angepriesen worden war. Dabei schmeckte das Zeug eher nach Pappe als nach irgendwas anderem. Plötzlich nahm sie hinter sich Stimmen war. Im Spiegelbild des Fensters ihr gegenüber konnte sie sehen, dass es sich um Jan Ferden und Mary Lu Rosenthal handelte. Leider konnte sie in dem vagen Bild keine Mimik erkennen, aber ihre Stimmen sprachen einen Ton der Resignation.

„Guten Morgen, Schlafmütze,“ grüßte Jan sie und ließ sich in den Stuhl ihr gegenüber fallen.

„Du musst einen Ton sagen,“ lachte Mary Lu, die Abby am Vortag gesteckt hatte, dass Jan selbst ein Langschläfer war. Letzterer ignorierte den Kommentar und meinte,

„Ich wusste gar nicht, dass es hier so spät noch Frühstück gibt.“

Abby zuckte mit den Schultern.

„Ich musste den Typen bestechen um noch was zu essen zu bekommen. Aber ganz ehrlich gelohnt hat es sich nicht.“

Jan lachte.

„Immer das gleiche Problem. Das Army-Essen schmeckt halt zum Kotzen.“

„Also wirklich, Jan. Wie kannst du nur so etwas sagen?“, entrüstete sich Mary Lu.

„Wieso stimmt das denn nicht?“

„Nein! Das hier ist die Air Force, nicht die Army. Also wirklich, und du willst dich mit dem US Militär auskennen?“

„Wer sagt wollen…“

Rosenthal zuckte mit den Schultern und sagte,

„Ich hol mir eben was zu trinken, möchte sonst noch wer was?“

Jan bat um einen Tee, Abby hingegen wies auf die Kaffeetasse neben ihrem Müsli, in dem der Löffel nun im rechten Winkeln zur Müslioberfläche steckte.

Jan verzog das Gesicht.

„Kaffee, also wirklich. Ihr Amerikaner wisst einfach nicht was gut und gesund ist.“

Abby stöhnte.

„Dieser Italiener, wie heißt er noch gleich… Carabenetti oder so hat mir gestern einen halbstündigen Vortrag über die Nachteile von Kaffee gehalten, um im gleichen Atemzug den hervorragenden Wein zu preisen, den er da vor sich hingesüppelt hat.“

„Carabezzoni. Er heißt Silvio Carabezzoni. Und mit dem Kaffee hat er durchaus recht.“

In dem Moment kam Rosenthal zurück und stellte einen Becher mit Tee vor Jans Nase. Dieser probierte einen Schluck – und hätte ihn bald wieder ausgespuckt.

„Was ist das denn!?“ röchelte er. Rosenthal runzelte die Stirn.

„Tee, was sonst.“ Sie nahm einen Schluck, setzte den Becher wieder ab und schüttelte den Kopf.

„Ganz normaler Tee.“

Jan verdrehte die Augen.

„Was gut, dass Lukas mir immer echten Tee bestellt, wenn er seine Listen durchgibt. Puh, ich freu mich jetzt schon wieder auf sein Essen.“

Rosenthal lachte.

„Ja, dem alten Hobbykoch seinen Traum zu erfüllen ein echtes Restaurant zu haben war wirklich eine gute Idee. Obwohl ich immer noch meine Bedenken habe ausgerechnet den leitenden Chemiker zum Koch zu erklären, aber egal. Du sagtest vorhin, dass wir vielleicht einen externen hinzuziehen könnten.“

Jan nickte.

„Ja, aber das ist Quark. Wir haben ja mit Torrez bereits jemanden der extern ist und von der Methodik Ahnung hat.“

Rosenthal schüttelte den Kopf.

„Nicht unbedingt. Ich dachte da eher an jemanden mit etwas mehr Lebenserfahrung, der noch ein gutes Stück externer ist als Torrez.“

„Du meinst doch nicht…“

Rosenthal lächelte.

„Doch. Ich schlage vor wir fragen Gundal.“

„Das ist totaler Blödsinn, sie kennt sich überhaupt nicht in der Materie aus, mal davon abgesehen ist sie über dreihundert Jahre alt.“

„Was!?“ schnappte Abby, die bisher nur stumm dabeigesessen hatte. Jans Augen weiteten sich, als er merkte, dass er gerade dabei war eins der bestgehütetsten Geheimnisse der Welt auszuplaudern.

„Ähh.. ich meine… ähh… das ist doch nur so eine Redewendung. Gibt’s das bei euch in Amerika nicht?“

Abby stand auf.

„Bleibt ihr nur bei eurer Geheimniskrämerei, irgendwann komme ich schon dahinter, was ihr so hochgeheimes treibt“, sprach‘s und verschwand mit zusammengekniffenen Augen vom Tisch.

Jan seufzte.

„Das war knapp“, meinte er. Rosenthal nickte.

„Wie auch immer. Zoe hat mich vorhin angerufen und gesagt, wir sollten uns noch mal alle zusammensetzen und den Fall von Anfang an noch mal hinterfragen. Sie hat für eins einen der Konferenzräume im Gebäude C reserviert.“

„Gut,“ nickte Jan, „dann versuchen wir jetzt noch mal was zu essen zu bekommen, ich bezweifle nämlich, dass wir für den Rest des Nachmittags viel davon bekommen werden…“

 

06.11.10, 15:00 // Gebäude C, Ebene 3, Konferenzraum %u201EHammond%u201C

Jan seufzte. Seit zwei Stunden saßen sie jetzt schon hier und drehten sich immer wieder im Kreis. Der kleine Konferenzraum verfügte über einen länglichen Holztisch, an dem außer Zoe, Rosenthal und ihm selbst noch Major Torrez, Jack Springer, Silvio Carabezzoni und Paul McGarrett saßen. Der Schotte war am Vortag von seiner Expedition zurückgekehrt und war nun in die Ermittlungen mit einbezogen worden, nachdem er beiläufig erzählt hatte, das er einige Jahre zuvor in einem Ermittlungskomitee der Royal Air Force gesessen hatte. Alle hofften insgeheim, dass er irgendwie eine Lösung herbeizauberte, doch McGarrett war genauso ratlos wie der Rest von ihnen. Torrez indes schaute schon nervös auf die Uhr, und Jan fragte sich, ob er möglicherweise noch einen Termin hatte.

Sie gingen gerade noch einmal durch, unter welchen Umständen die Leiche gefunden wurde, als Jans Handy vibrierte. Er entschuldigte sich, und ging vor die Tür um zu antworten, von nicht wenigen der Anwesenden mit gereizten Blicken bedacht.

„Ferden“, meldete er sich und wunderte sich wer am anderen Ende der Leitung sein konnte: Die Nummer war unterdrückt.

„Jan,“ meldete sich eine tränenerstickte Stimme vom anderen Ende, „hier ist Abby. Du musst mir helfen. Etwas furchtbares ist gerade passiert.“

Jan spürte, wie das Adrenalin seinen Körper flutete. Etwa zwei Minuten dauerte Abbys Bericht, zwei Minuten in denen Jan immer bleicher wurde.

„Wir kommen sofort“, versprach er schließlich und legte auf. Als er das Konferenzzimmer betrat, erklärte Carabezzoni gerade, dass man dem Captain eine Droge verabreicht hatte, die, hätten sie ihn nicht rechtzeitig gefunden, sicher zu seinem Tod geführt hätte.

„Ich dachte erst,“ erklärte er, „dass sein Schockzustand durch den Tod seiner Frau herbeigeführt worden sei, aber dann haben wir Spuren einer seltsamen Chemikalie in seinem Körper gefunden, einer Droge, die unter anderem extreme Paranoia hervorruft. Das würde erklären, warum er einfach abgehauen ist und uns fast erschossen hätte als wir ihn fanden.“

Er wollte gerade zu weiteren Ausführungen über die Droge ansetzen, als Jan, immer noch in der Tür stehend, ihn unterbrach.

„Wir müssen die Sitzung unterbrechen“, sagte er ohne Umschweife und hob sein Handy hoch.

„Ich habe gerade einen Anruf von Abby Hedgefield bekommen. Sie hatte ihren Vater besucht, der heute auf das Basiskrankenhaus verlegt wurde. Sie war gerade auf dem Weg zurück zum Hauptgebäude, als sie von einem Mann in die Büsche gezerrt wurde. Er hat sie vergewaltigt und dann gesagt, sie solle die Finger von dem Fall lassen. Sie liegt jetzt in einem Zimmer hier im Krankenhaus und steht unter psychologischer Betreuung. Mary Lu und ich werden hinübergehen und sie besuchen, vielleicht führt dieser Fall uns ja auf die Spur des Mörders.“

„Vorausgesetzt,“ warf Torrez ein, „die Fälle hängen überhaupt zusammen.“

„Abby sagt, der Mann hätte ihr ins Ohr geflüstert, sie solle die Finger von dem Fall lassen. Ich glaube das ist Beweis genug für den Zusammenhang.“

Torrez nickte nachdenklich.

„Ich denke ich werde mitkommen. Vielleicht bringt das ja mehr, als wenn wir uns hier nur im Kreis drehen.“

Jan nickte und die drei verließen das Gebäude. Draußen wehte ein ekelhaft nasskalter Wind, der sie frösteln ließ. Flotten Schrittes überquerten sie das Gelände und betraten das Krankenhaus, einen hässlichen Betonbau der siebziger Jahre, der von innen komplett weiß war und selbst gesunden Menschen das Gefühl verlieh irgendwie krank zu sein. Das Zimmer in dem man Abby untergebracht hatte lag im zweiten Stock und hätte bei gutem Wetter  einen herrlichen Blick über ein kleines Waldstück hatte. Ein Blick aus dem Fenster verriet allerdings, dass das Wetter hier oben genauso beschissen war wie unten, und damit den Blick reichlich irrelevant machte.

Abby saß aufrecht auf dem einzigen Bett und erwartete sie. Jan fand sie sah schrecklich aus. Das Gesicht war völlig bleich, ein Auge war blau und ein roter Striemen zog sich über ihre Wange. Ihr Top war an mehreren Stellen eingerissen, was mehrere blaue Flecken und blutige Wunden zeigte. Doch am schlimmsten war die Stelle, die sie eigentlich durch ihre Sitzposition geschickt verdeckte. Erst als sie aufstand entdeckte Jan den riesigen Blutfleck, der von ihrem Schritt ausgehend ihre Jeans bedeckte. Jan und Mary Lu nahmen simultan die Hand vor den Mund.

„Was um Gottes willen –“ setzte Jan an, doch Abby unterbrach ihn.

„Es ist nicht, was ihr denkt, so schlimm ist es zu Glück nicht.“ Sie schniefte. Jan war extrem beeindruckt davon, wie gut sie sich im Griff hatte. Er bezweifelte, dass er dazu in der Lage wäre.

„Erinnert ihr euch an das Kreuz, welches meiner Mutter auf den Rücken gezeichnet wurde?“

Sie nickten.

„Der Mann hatte ein Messer dabei. Er hat mir ein Kreuz in den Schritt geritzt, etwa daumenlang. Daher das ganze Blut.“

Rosenthal riss die Augen auf, wusste sie doch wie empfindlich die Haut an diesen Stellen war. Auch Jan reagierte geschockt, ebenso wie Torrez.

Langsam bewegte sich Jan auf sie zu und nahm sie vorsichtig in dem Arm.

„Abby, du bist verdammt tapfer. Es tut mir so leid, was passiert ist. Aber vielleicht bringt uns diese zweite Tat endlich auf die Spur des Mörders. Denn ich würde sagen deinen Vater können wir als Mörder jetzt endgültig ausschließen.“

Abby nickte. Eine Träne rann ihre Wange hinab.

„Danke“, hauchte sie. Jan drückte sie und ließ sie dann los. Er trat nach hinten, und ließ Major Torrez den Vortritt, der sie behutsam befragte, um herauszufinden wer der Mann hätte sein können. Etwa eine halbe Stunde später hatten sie ein ziemlich genaues Bild von ihm, während Abby wie ein Häuflein Elend auf ihrem Bett saß, tränenüberströmt und völlig in sich  zusammengesunken.

Jan fühlte sich plötzlich selbst ganz elend. Bilder stürzten auf ihn ein, Bilder aus einer längst vergessen geglaubten Vergangenheit. Rosenthals Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.

„… in Ordnung?“

„Was?“

„Ist bei dir alles in Ordnung?“, wiederholte sie. Jan nickte. Gemeinsam begaben sie sich zur Personalverwaltung ein Gebäude weiter. Sie gaben Abbys Beschreibung des Mannes an den Personalrat weiter, der flugs seine Datenbank durchsuchte und fünf Minuten später das Bild eines gewissen Airman John Quinn auf dem Schirm hatte.

Keine fünf Minuten später brachten drei MPs den Mann in Handschellen ins Büro des Basisleiters. Er gestand recht früh Abby vergewaltigt zu haben, stritt aber den Mord an Liza Hedgefield vehement ab. Er sei bezahlt worden, sagte er aus, ein Unbekannter habe ihm gestern 5.000 Dollar geboten für den Übergriff. An dem Abend des Mordes allerdings habe er mit einigen Kameraden in der Kantine Poker gespielt. Ein Alibi, was sowohl die sofort herbestellten Kameraden, als auch eine der Bedienungen in der Kantine bestätigen konnten.

„Abführen“ sagte der Basiskommandeur resigniert. Nicht mal eine Beschreibung des Mannes hatten sie herausfinden können, der Auftraggeber hatte sofort bezahlt, aber er habe einen langen Mantel mit Kapuze getragen und es sei Nacht gewesen. Keine Chance.

„Wir müssen also schon wieder bei null anfangen“ seufzte Jan.

Rosenthal und Torrez nickten.

„Es tut mir leid,“ sagte der Kommandant, „dass ich Ihnen nicht weiter helfen konnte. Ich würde diese Geschichte auch lieber heute als morgen klären, mir gefällt die Tatsache nicht, dass auf meiner Basis jemand herumläuft, der andere Soldaten besticht um unschuldige Mädchen zu überfallen und vergewaltigen.“

Rosenthal seufzte laut.

„Verdammt noch mal! Wir haben bis jetzt alles geschafft. Wir haben eine komplette Stadt gerettet, wir haben uns gegen Piraten zur Wehr gesetzt, hell, wir haben was weiß ich wie viele Rekorde gebrochen in den letzten Monaten. Und jetzt sollen wir hier auf dieser Basis eine verdammte Person nicht finden?“

„Und was schlägst du vor, was wir machen sollen?“ fragte Jan.

„Meine Großmutter pflegte zu sagen, Ich bin nicht vor Hitler geflohen um hier zu scheitern! Und ebenso wenig werden wir hier scheitern. Commander, ich schlage vor die Basis abzuriegeln. Keiner kommt rein, vor allem aber kommt keiner raus. Besetzen Sie die Gates mit Leuten denen sie trauen können und die nach Möglichkeit nicht bestechlich sind. Major, Sie sollten versuchen ihre Kontakte spielen zu lassen und finden sie heraus, on in letzter Zeit jemand größere Mengen Geldes abgehoben hat, vielleicht bringt uns das auf die Spur des Täters. Jan, können wir uns kurz unter vier Augen sprechen?“

Kurz darauf standen sich die beiden in einem windigen Eck der Basis zusammen. Weit und breit war niemand zu sehen.

„Ich fürchte fast, wir müssen ganz von null anfangen. Und zwar absolut null. Wir müssen alles in Frage stellen, jedes Alibi, jedes Motiv. Oder bin ich jetzt überparanoid?“

Jan lächelte.

„Nein. Ich seh’s genauso. Aber zu zweit bringt das nichts. Wir brauchen ein fünftes und sechstes Auge.“

„Aber wer? Wenn wir bei null anfangen müssen wir davon ausgehen, dass es auch einer von uns gewesen sein könnte.“

Jan nickte.

„Die einzigen, die wir ausschließen können wären die, die auf Inistra waren, zum Zeitpunkt des Mordes.“

„Falsch. Wie der Übergriff auf Abby gezeigt hat könnte es auch ein Auftragsmord gewesen sein. Es könnten auch du und ich sein.“

„Und, bist du’s?“ fragte Jan, der langsam hinter Mary Lus Definition von null kam.

Rosenthal schüttelte den Kopf.

„Nein, ich hätte aber auch kein Motiv gehabt, oder?“

Jan lachte.

„Im Gegensatz zu mir nicht.“

Rosenthal riss die Augen auf. Jan grinste.

„Keine Sorge, ich war’s auch nicht. Aber ich wende gerade deine Definition von null an und stelle alles in Frage. Von wem wissen wir am wenigsten?“

Rosenthal dachte nach.

„Springer und Torrez, würde ich sagen.“

„Springer glaub ich nicht. Selber sowieso nicht, dann hätte er danebengelegen, der Typ kann nämlich kein Blut sehen. Und Torrez – Torrez könnte sein, aber kannte er den Captain überhaupt?“

Rosenthal legte den Kopf schief.

Let’s find out.

Da Torrez selbst bereits unterwegs war um die Bankdaten zu holen suchten die beiden Jack Springer auf.

Dieser lächelte, als sie ihn fragten, ob sich Torrez und Hedgefield gekannt hätten.

„Und ob,“ erzählte er, „die beiden waren dicke Freunde nachdem Torrez zur Air Force kam. Es gibt sogar das Gerücht, dass eigentlich Major Torrez den Posten als Expeditionsleiter bekommen sollte, dann aber aufgrund seiner Knie und Rückenprobleme der Captain für den Posten eingesetzt wurde.“

Jan und Rosenthal sahen sich an. Das klang schon verdammt nach einem guten Motto.

„Aber,“ sagte Jack, „er kann’s nicht gewesen sein, erstens ist er nicht der Typ dazu und zweitens hab ich an dem Abend mit ihm im Casimir gesessen und Karten gespielt.“

„Casimir?“

Jack lachte.

„Spitzname unserer Stammkneipe. Liegt in einer Seitenstraße in DC. Ich kann’s euch mal zeigen wenn wir wieder in DC sind.“

Jan schüttelte den Kopf. Da steckte was hinter. Langsam aber sicher meldete sich das Bauchgefühl wieder, das ihm gesagt hatte es sei eine schlechte Idee die dritte Tür zu öffnen.

„Jack, kannst du uns erzählen was an dem Abend alles passiert ist?“

Springer dachte nach.

„Wir haben uns um fünf nachmittags getroffen. James hat mich bei mir zuhause abgeholt. Dann haben wir uns ins Casimir gesetzt und bis spätnachts gepokert. Später kam noch eine der Bedienungen dazu, weil nichts mehr los war. Ich- ah, verdammt!“

„Was?“

„Kopfschmerzen! Aber frag nicht wie!“

Rosenthal sah Jan an und sagte,

„Ich hole den Doc.“

 

Kurze Zeit später saßen sie zusammen mit Dr. Carabezzoni und Abby, die sich gewaschen und umgezogen hatte, und bis auf die Verletzungen und den furchtbar leeren Ausdruck in ihren Augen, geradezu normal aussah.

„Tja,“ sagte Silvio besorgt, „hier stimmt etwas nicht. Ich hatte mal so einen Fall, ein junger Mann aus Haiti, der Drogen nach Deutschlang geschmuggelt hatte. Er sagte er wisse von nichts, und irgendwann während des Verhörs bekam er solche Kopfschmerzen, dass ich als Arzt dazu gerufen wurde.“

„In Deutschland?“ fragte Rosenthal verwundert.

„Ich hab da studiert, in Berlin. Die Ausbildung ist da viel besser als in Italien.“

„Und weiter, was war mit ihm?“ drängte Jan.

„Tja, hinterher stellte sich raus, dass der Typ hypnotisiert war. Man hatte ihm den Stoff in den Koffer gepackt und dann hypnotisiert, sodass er sich nicht dran erinnern konnte.“

„Und Sie meinen man hat mich auch hypnotisiert, Doktor?“

Silvio zuckte mit den Schultern.

„Möglich wäre es. Die Symptome kommen ganz gut hin, aber bei sowas kann man sich selten sicher sein.“

Jan zückte sein Mobiltelefon.

„Finden wir’s raus.“

Er ließ sich von Jack die Nummer des Casimir geben und rief an. Irgendwie erstaunte es ihn gar nicht, als man ihm dort sagte, weder Jack noch der Major seien an besagtem Datum da gewesen. Kurzerhand rief er den Basiskommandeur an und bat ihn Torrez ausfindig zu machen und zu ihm zu bringen. Man solle ihn aber nichts merken lassen. Jan klappte das Handy zu und überlegte.

„Das erklärt aber immer noch nicht wie Torrez ins Haus gekommen ist.“

„Wenn er und der Captain sich kannten hat Mrs. Hedgefield ihn vielleicht reingelassen“ schlug Rosenthal vor. Abby schüttelte langsam den Kopf. Eine Träne sickerte über ihre Wange. Man merkte, dass sie psychisch am Ende war, obwohl sie darauf bestanden hatte an dieser Sitzung teilzunehmen.

„Sie könnte Torrez nie ausstehen. Sie hätte ihn nicht reingelassen wenn Dad nicht da war. Nein, ich glaube das ist meine Schuld.“

Alle sahen sie entgeistert an.

„Was soll das heißen?“ fragte Jan.

„Ich hatte meinen Schlüssel verloren. Letzte Woche, nach dem Training war er plötzlich weg. Ich hatte ihn beim Duschen in der Umkleide liegen, was noch nie ein Problem war, aber anscheinend hat ihn jemand geklaut…“

„Warum hast du das denn deinem Vater nicht erzählt? Ihr hättet doch die Schlösser austauschen können oder sonst irgendwas.“

„Ich hatte Angst davor es ihm zu sagen. Ich hatte gehofft den Schlüssel nur verlegt zu haben und ihn zu finden bevor es auffiel.“

„Deshalb saßt du auch in dem Baum anstatt reinzugehen nachdem du wieder zuhause warst.“

Abby nickte und weinte bitterlich. In diesem Moment rief jemand Jans Handy an. Während Rosenthal das Mädchen in die Arme nahm ging Jan raus auf den Gang und nahm ab. Es war die Sekretärin des Kommandeurs, man habe Torrez gefunden. Jan bedankte sich und ging einen Stock tiefer in das Zimmer in dem Torrez wartete. Bevor er reinging besprach er sich noch kurz mit Zoe Williamson, dann betrat er das Zimmer.

„Was ist denn hier los?“ wunderte sich Torrez, nachdem Jan die Tür geschlossen hatte, „Treffen unter vier Augen in irgendwelchen Krankenzimmern und MP-Eskorte zum Treffpunkt? Ich fühl mich ja fast schon wieder wie im Untergrund von NY den ich mal infiltriert habe.“

Er lachte. Jan brachte mit viel Aufwand ein Lächeln hervor.

„Es ging nur um diese seltsame Droge, die man dem Captain verabreicht hat. Ich wollte mich mal umhören wo man so Zeug herbekommt. Wie hieß das noch gleich, ich komm einfach nicht auf den Namen…“

„Den wissenschaftlichen hab ich auch vergessen, aber man nennt das Zeug auch „Noche de Sueñas“, Nacht der Träume. Aber mit dem herbekommen, vergessen sie’s. Dazu muss man echt lange in der Unterwelt sein um an Drogen von dem Kaliber ranzukommen.“

Jan lachte abfällig.

„Sie sind ein Idiot, Torrez. Wir sind gegangen, bevor Silvio gesagt hat wie das Zeug heißt. Sie haben sich gerade selbst in die Falle manövriert. Warum haben sie’s getan, aus Rache?“

Für einen Moment sah es aus, als würde der Mann die Kontrolle verlieren. Dann lächelte er und zog blitzschnell einen Gegenstand aus seinem Ärmel. Es handelte sich um eine winzige Pistole.

„Ferden, ich hatte eigentlich gehofft, sie würden ihre verdammte Nase aus dieser Angelegenheit raushalten. Was zwischen Mike und mir abgelaufen ist geht niemanden was an, ok? Aber da Sie ja nun sowieso sterben werden, kann ich Ihnen ja die Geschichte erzählen: Ich sollte Kommandeur der ersten Basis außerhalb der Erde werden. Ihre kostbare kleine Stadt sollte eigentlich mein sein, und dann geht irgendsoein hinterwäldlerischer Quacksalber hin und diagnostiziert mir einen Rückenschaden und einen Knieschaden und was weiß ich nicht was und schwupps- ich bin meinen Posten los. Und stattdessen, von allem die sie hätten nehmen können, nahmen sie Hedgefield. Der Mann, den ich einst aus der Unterweilt in die Armee gebracht habe, den Mann, der mir dann die Freundin ausgespannt hat. Da staunen sie was? Ja, ich Captain ist längst nicht so ein netter Kerl, wie er sich immer gibt. Also hab ich seiner Schlampe von Tochter den Schlüssel geklaut, was bei ihrem Intellekt nicht sonderlich schwer war und hab Liza umgebracht. Ich wollte, dass Mike genauso zugrunde geht wie ich beinahe zugrunde gegangen wäre.“

Er stand auf.

„Nur schade, dass sie dieses Wissen nun nicht mehr weitergeben können. Tschüss, Herr Ferden.“

Torrez schoss. Ferden, der sich darauf eingestellt hatte, riss blitzschnell den Arm hoch, sodass der Schuss ihn beinahe verfehlte. Aber nur beinahe, denn da ihm die Geschwindigkeit und Behändigkeit einer Abby Hedgefield abging konnte er die Pistole nur so weit bewegen, dass der Schuss in seine Schulter ging. Jan taumelte zurück. Jetzt konnte ihm nur noch Zoe helfen. Und er war verdammt froh, dass er sich mit ihr abgesprochen hatte, denn im nächsten Moment hörte er Glas splittern, und einen dumpfen Knall. Dann fielen die beiden Männer zeitgleich auf den Boden.

 

12.11.10, 17:00 // Krankenhaus, Raum F-303

Jans Schulter war bereits fast wieder in Ordnung. Jedenfalls fühlte er sich so. Zum Glück war es im Endeffekt nur eine Fleischwunde gewesen, ein kleiner Preis im Vergleich zum Tod, den Torrez ihm versprochen hatte. Dieser war von einem Scharfschützen mit Betäubungsgewehr außer Gefecht gesetzt worden – Jans Plan, den er mit Zoe besprochen hatte. Jetzt war er froh so paranoid zu sein.

Ihm gegenüber saß Mary Lu Rosenthal auf einem der Besucherstühle und machte ein ernstes Gesicht.

„Ich hab nachgedacht,“ sagte sie.

„Das kommt vor bei uns Wissenschaftlern“, lächelte Jan.

„Im Ernst. Hast du dir schon mal überlegt, was mit Abby passiert, wenn wir nach Inistra zurückkehren?“

Jan legte den Kopf schief.

„Ich gehe nicht davon aus, dass der Captain vorhat wegen seiner Tochter das Kommando aufzugeben. Hat sie hier irgendwo Familie?“

Rosenthal schüttelte den Kopf.

Nope. Nichts. Keine Großeltern, Tanten, Onkeln, oder irgendwas anderes. Null.“

„Hm. Ab wann darf man in Amerika alleine wohnen?“

„Jedenfalls nicht mit 17.“

„Glaubst du der Captain steckt seine Tochter ins Waisenhaus?“

„Das vielleicht nicht aber trotzdem. Ganz egal was er macht, es wird vermutlich nicht optimal für Abby sein.“

Jan nickte und starrte für einen Moment versonnen aus dem Fenster.

„Was wäre,“ fragte er, „wenn sie mitkommen würde? Nach Inistra meine ich.“

„Meinst du das ist der richtige Ort für sie? Ist das nicht vielleicht etwas zu gefährlich?“

„Willst du mich auf den Arm nehmen? Ich hab gestern mal mit ihr gesprochen, man hat ja viel Zeit hier. Die macht seit zig Jahren Karate und hat früher zusätzlich noch Cheerleading gemacht. Ich hab noch nie jemanden gesehen, der so beweglich ist. Glaub mir, Abby kann sich besser verteidigen als ich.“

„Weißt du, irgendwie hatte ich gehofft, dass du mit so einer Idee um die Ecke kommst. Denn ich hab zwar nachgedacht, aber auf was vernünftiges bin ich nicht gekommen.“

Jan wollte gerade etwas sagen, als es klopfte. Es war Abby.

„Stör‘ ich?“ fragte sie. Jan schüttelte den Kopf.

„Ich wollte gucken wie es dir geht. Dad wird nämlich heute entlassen, nachdem er die Psychologen genug in den Wahnsinn getrieben hat.“

Die drei lachten.

„Weißt du,“ setzte Jan an, „wir haben gerade über dich geredet.“

„Echt?“

„Ja. Es ging, so seltsam das auch klingt, darum wo du demnächst wohnen wirst, wenn dein vater wieder zurück nach… zurück auf die Basis kommt.“

„Ihr wollt mir immer noch nicht erzählen worum es dabei geht oder?“

„Doch. Aber wir brauchen zuerst die Einwilligung deines Vaters und der Vereinigten Staaten. Und dann nehmen wir dich mit – vorausgesetzt du möchtest nicht lieber hier bleiben.“

„Du weißt, dass du mir gerade bestätigst, dass ihr nicht irgendwo in Afghanistan oder im Irak haust und kämpft sondern irgendwo anders, oder?“

Jan nickte.

„Glaub mir, es ist besser wenn du es siehst. Sonst glaubst du es mir nämlich doch nicht. Sprich deinen Vater mal darauf an, wenn er nicht schon von selbst auf die Idee gekommen ist.

Als sie wieder gegangen war wandte sich Rosenthal an Ferden und fragte,

„Als wir nach dem Übergriff auf Abby hier saßen, hast du immer gesagt, ‚nicht schon wieder, nicht wieder das gleiche.‘ Möchtest du mir erzählen, was du damit meintest?“

Jan seufzte.

„Ich dachte ich sei darüber hinweg,“ sagte er leise, „aber vermutlich sind das Wunden, die nie heilen. Es ist schon gute 15 Jahre her. Meine Schwester war damals 14. Anna hieß sie, und sie war ein zauberhafter Mensch, auch wenn sie meine kleine Schwester war. Oder vielleicht gerade deshalb. Sie war bildhübsch und intelligent und herzlich. Naja. Eines Abends, auf dem Rückweg vom Training, ist sie überfallen worden. Drei betrunkene Soldaten auf Freigang vergewaltigten sie mehrfach und ließen sie schwer verletzt im Gebüsch liegen. Sie wurden bis heute nicht gefasst und sind immer noch stolz drauf. Meine kleine Schwester aber, die wir erst Stunden später fanden, war so schwer verletzt, dass sie am Tag darauf an inneren Blutungen starb. Damals ist für uns alle eine Welt zusammengebrochen. Und jetzt, als Abby vergewaltigt wurde, da kam all das wieder.“

Für einen Moment herrschte Stille. Dann sang draußen ein Vogel und Rosenthal flüsterte,

„Es tut mir so leid. Ist das der Grund, warum du so… gereizt auf die ganzen Militärs hier reagierst?“

Jan nickte.

„Ich war in der Kaserne. Ich hab sie drauf angesprochen. Alle die da waren. Ich hoffte durch Zufall die Schuldigen zu finden. Aber alles was ich gefunden habe war Spott und Hohn. Ich konnte hören, wie sie mich ausgelacht haben, nachdem ich die Stube verlassen habe. Kannst du dir vorstellen, dass ich deshalb auf die Art mancher Soldaten nicht sonderlich gut zu sprechen bin?“

Rosenthal nickte.

„Ja,“ sagte sie, „aber das ist Unsinn. Das ist so, als ob ich dich hassen würde, nur weil du Deutscher bist und deine Vorfahren Jagd gemacht haben auf meine Vorfahren. Das ist verrückt. Ich sag nicht, dass du alle Soldaten lieben sollst. Ich finde es gut, dass du einen kritischen Standpunkt behältst. Aber friss das nicht in dich rein. Es bringt nichts.“

Jan nickte versonnen.

„Du hast recht. Aber lassen wir das. Das ist Vergangenheit. Lass uns lieber was für die Zukunft tun und Abby dabei helfen nach Inistra zu kommen.“

Rosenthal lächelte und stand auf. Jan verschwand im Bad um sich umzuziehen, und kurz darauf waren die beiden auf dem Weg nach DC.

Es war strahlender Sonnenschein.

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