Jordan und Josephine, die kleinen Elfenmädchen
Gänseblümchen und Vergissmeinnicht.
Die kleinen Elfenmädchen Jordan und Josephine drücken sich die kleinen Nasen an der Fensterscheibe platt. Draußen ist so nebelig, dass sie nicht einmal das Nachbarhaus sehen können. Natürlich möchten sie viel lieber in der Natur rumtoben, als in der warmen Stube zu hocken, aber bei diesem Wetter hat der Opa gesagt, jagt man keinen Hund vor die Tür, geschweige denn zwei kleine Elfen.
Ja der Opa, er macht sich immer viel zu viele Gedanken, manchmal ist er schon ein bisschen überbesorgt, aber die kleinen Mädchen wissen, er sorgt sich so um sie, weil er sie von ganzem Herzen liebt.
Sehnsüchtig schauen die kleinen Elfenmädchen aus dem Fenster, es wäre so viel lustiger durch die Knusperblätter zu sausen, als nur aus dem Fenster zu schauen. „Josephine, weißt du was der Opa mal gesagt hat? Er hat gesagt: * es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur die falsche Kleidung.* Wenn wir uns Schal, Mütze, die Gummistiefeln und auch noch die Mäntel anziehen, dann sind wir doch echt gut ausgerüstet, oder?“ Kichernd nimmt Jordan die kleine Schwester in die Arme und drückt sie ganz fest an sich. „Große Elfenschwestern sind genial. Klar ziehen wir uns wetterfest an und schau mal, da unten diese Pfütze, da hüpfen wir als allererstes rein, immer und immer wieder, dass die Wassertropfen nur so um uns tanzen“. Jordan hilft der kleinen Josephine in den roten Mantel und dick eingemummelt flitzen die Beiden die Treppe runter und hüpfen laut lachend durch die große regenbogenbunte Wasserlacke.
Natürlich verliert auch die allerschönste Pfütze irgendwann mal ihren Reiz und so machen sich die kleinen Elfen auf, ihre kleine und gerade sehr nebelige Welt zu erkunden. Wirklich weit kommen sie nicht, denn schon an der ersten Rose bleibt Josephine stehen: „Du Jordan, schau mal wie traurig die Rose aussieht, grad so, als würde sie weinen. Guck nur die Tränen auf ihren Blütenblättern und wie sie den Kopf hängen lässt. Wir müssen ihre Tränen trocknen, gib mir dein Taschentuch, dann putz ich sie weg.“ „Du hast recht kleines Schwesterchen, es sieht aus als würde diese wunderschöne Blume weinen, aber ich kann dir versichern es sind Tautropfen, die warten dass die Sonne sie weckküsst.“ Josephine überlegt ein bisschen, aber dann ist sie sich sicher, dass Jordan recht hat.
Ganz langsam hebt sich die graue Nebeldecke und erste vorwitzige Sonnenstrahlen kriechen langsam auf die Wiese. Kleine weiße Blümchen mit gelben Gesichtern nicken mit ihren kleinen Köpfen, gerade so als wollten sie sagen: *Guten Morgen liebe Sonne, schön das du dich entschieden hast heute doch noch zu kommen*.
„Owe Jordan, jetzt hast du die kleinen Blumen plattgetreten, schau mal, wie traurig sie am Boden liegen, nun sind sie bestimmt gestorben. Du hast sie totgetreten, einfach so, kannst du denn nicht ein bisschen aufpassen.“
„Das hab ich doch nicht mit Absicht gemacht, was denkst du denn von mir, wo soll ich denn hintreten, wenn hier alles voller Gänseblümchen ist. Komm kleine Josephine hock dich neben mich und dann warten wir was passiert“.
„Bitte worauf soll ich denn warten, soll ich warten, dass sie wieder aufstehen oder was? Ich habe noch keine Blume gesehen die aufstehen kann?“ Jordan legt ihren Zeigefinger an die Lippen und macht „Psst“. Eine Weile schauen sie angestrengt auf die kleinen weißen Köpfchen und dann plötzlich stellen sich die Gänseblümchen wieder aufrecht hin.“Nein das gibt es doch nicht, die stehen echt wieder auf, ich hatte das doch nur aus Spaß gesagt und die machen das wirklich“. Jordan du bist so schlau, manchmal muss ich echt staunen“. Bewundernd blickt Josephine die große Schwester an und staunt mal wieder was die so alles weiß.
„Kleines Elfenschwesterchen ich kenne noch eine Blume, die von ganz allein aufsteht, soll ich dir sagen welche?“ „Frag doch nicht immer, du weißt doch ganz genau wie neugierig ich bin. Los verrat es mir.“ Jordan lässt sich nicht zweimal bitten und erzählt ihrer kleinen Schwester die Geschichte von einer kleinen unscheinbaren Blume, die genau so bescheiden und kraftvoll ist, wie das Gänseblümchen. „Es ist das Vergissmeinnicht, es kann auch von ganz allein aufstehen, wenn es wach wird. Allerdings“ erklärt Jordan sehr wichtig, „es braucht nasse Füße“.
„Heee, meine große kluge Schweste, wieso braucht eine Blume nasse Füße, wie geht das denn. Blumen wachsen in der Erde und nicht im Wasser. Ja ich weiß Seerosen und auch Wasserlilien, aber die meisten Blumen eben nicht“.
„Erinnerst du dich noch an den Strauß Vergissmeinnicht, den wir der der Oma geschenkt haben? Die Omi hat die kleinen blauen Sternenblümchen damals ganz flach in eine große Schale gelegt, so dass es aussah, als würden die Füße ganz dicht nebeneinander liegen, dann hat sie das große rote Glasherz auf die Stiele gelegt und Wasser in die Schale gegossen. Als ich am Abend in das Wohnzimmer kann, da standen alle Vergissmeinnicht kerzengrade. Das rote Herz in der Mitte war kaum noch zu sehen. Es war so, als wollten die Blumen dem Herzen sagen, wir haben dich lieb und beschützen dich, aber bitte vergiss mich nicht.“
„Aber liebe Jordan dann müssten die Blumen ja *Vergiss mich nicht* heißen, oder was meinst du?“ Aber wie immer weiß die große Schwester auch hier die passende Antwort. Vergissmeinnicht gibt es schon sehr lange. Irgendwann schenkte ein Prinz seiner Prinzessin zum Abschied einen dicken Strauß dieser kleinen blauen Blümchen. Er war so traurig, weil er in die Fremde ziehen musste, dass er zu ihr sagte: *mein Liebling, Vergiss mein nicht*. Sie haben halt früher ein bisschen anders gesprochen, als wir heute. Und du kannst dir denken kleine Josephine, die Prinzessin hat ihren Prinzen nie vergessen und als er nach Jahren wieder zurück kam, da lag der Vergissmeinnichtstrauß noch immer im Zimmer der Prinzessin. Du siehst also es gibt tatsächlich Blumen die immer wieder aufstehen, egal was ihnen passiert oder wie traurig sie sind. Eigentlich sind das Gänseblümchen und auch das Vergissmeinnicht Blumen die nur für die Liebe gemacht sind. Die Oma hat erzählt, als sie damals in den Opa verliebt war, hat sie sich auf eine Bank gesetzt, sich ein Gänseblümchen gepflückt und die kleinen Blütenblätter mit den Worten: Er liebt, mich, er liebt mich nicht, einzeln heraus gezupft. Sie musste sehr oft fragen, weil es ja so viele Blütenblätter sind und als sie das letzte weiße kleine Blütenblättchen in der Hand hatte, war sie bei *er liebt mich* angelangt. Ja und dann, na das siehst du ja, dann wurden sie eben unsere Oma und Opa!“
Die kleine Josephine hat nun für heute wirklich genug über Blumen und Liebe und wieder aufstehen gehört, sie hat mächtig Hunger bekommen. „Komm Jordan, lass uns nach Hause gehen und dann überleg ich mir, was ich dich noch alles fragen kann“.
(C) Ute AnneMarie Schuster 17.11.2010