Humor & Satire
Kantinengemurmel

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"Kantinengemurmel "
Veröffentlicht am 16. November 2010, 6 Seiten
Kategorie Humor & Satire
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Über den Autor:

Bisher von mir erschienen im Verlag neun9zig Liebe mbH ISBN 978-3-944907-00-0 Querfeldein ISBN 978-3-944907-02-4 Beide Bücher leider komplett ausverkauft. Noch erhältlich bei Amazon, Verlag neun9zig oder direkt bei mir: Quertextein und hinterm Komma links ISBN 978-3944907215 Kontaktaufnahme über meine Homepage: http://quertextein.jimdo.com/
Kantinengemurmel

Kantinengemurmel

 

Dienstag Vormittag. Ich habe mich bereiterklärt, meine Tochter zu einem geschäftlichen Termin bei einem großen Unternehmen zu fahren, da der Tank meines Autos gut gefüllt ist, während ihr Wagen immer noch unter den Folgen des kürzlich erlittenen Auffahrunfalls leidet. Dummerweise liegt dieses Unternehmen gefühlt am … sagen wir mal … unteren Rand des verlängerten Rückens von Mutter Erde, so dass ich die anderthalb Stunden Wartezeit nicht wie geplant in einem gemütlichen kleinen Café verbringe, sondern die … äh.... nicht gerade kuschelig anmutende firmeneigene Kantine aufsuche. Gar keine so schlechte Idee, wie sich herausstellt, dienen mir doch solche Versammlungsstätten menschlicher Vielfalt als nie versiegender Inspirationsquell.

 

Um über das in dieser Kantine gängige Zahlungsmittel zu verfügen, besorge ich mir an einem Automaten eine Chipkarte, die ich an einem zweiten Automaten mit den erbetenen fünf Euro („Ich schlucke NUR 5-Euro-Scheine!“) auflade, zwei einfache Handgriffe, sofern man des Lesens mächtig ist. Bin ich. Der Schlipsträger hinter mir offensichtlich nicht. Er steckt die Karte verkehrt herum in den Schlitz, flucht, dreht sie einmal … zweimal … Man bedenke: Bei einem Plastikteil im Scheckkartenformat gibt es beim In-den-Schlitz-Stecken immerhin drei Möglichkeiten, etwas falsch zu machen. Schließlich ist das Kärtchen erfolgreich eingeführt. Der verständnislose Blick, mit dem der Aktentaschenfuzzi den von der Aufladestation bereits zum zweiten Mal ausgespuckten 20-Euro-Schein quittiert, ist Gold wert. Soll ich helfen? Nö … Wer Schlips und Aktentasche trägt, sollte auch in der Lage sein, einfachste Bedienungsanweisungen lesen bzw. entsprechende für Analphabeten angebrachte zeichnerische Darstellungen der korrekten Vorgehensweise deuten zu können.

 

Ich grinse mir eins.

 

Mit meinem per Karte bezahlten Baguette (na gut, einen Schokoriegel und eine Cola habe ich mir auch noch gegönnt) und meiner Tageszeitung mache ich es mir auf einem Eckplatz am Fenster bequem. Muss ich erwähnen, dass ich die Zeitung nur weniger Blicke würdige? Die Reality-Show ist viel interessanter. Wer, um alles in der Welt, hat bloß einen Popcorn-Automaten erfunden, der alle acht Minuten quiekt: „Hallo. Hast du mich schon entdeckt? Ich mache wunderbares Popcorn!“??? (KEIN WITZ!) Fast bin ich versucht, ihn tröstend zu streicheln, denn soweit ich beobachten kann, macht sich niemand die Mühe, ihm auf diese Frage zu antworten. Bilde ich es mir ein, oder klingt seine Stimme bei der fünften Wiederholung wirklich trauriger als beim ersten Mal?

 

Ich versuche, mich in den heutigen Leitartikel zu versenken, als mich lauter Gesang aufschreckt. Ein Trupp von fünfzehn Leuten, bis eben noch friedlich in einer etwas entfernter liegenden Ecke des Speisesaals fröhlich vor sich hin bechernd, formiert sich spontan zu einem Singkreis und schmettert „Heppi Börsdä tu juuu!“ Ich erinnere daran, es ist früher Vormittag. Nix gegen Gratulationen, aber Sekt bedingte Dissonanzen betrachte ich im Namen meiner Chor erprobten Ohren als persönliche Beleidigung.

 

Hach ja …

 

„Cholera bedroht CDU-Parteitag“??? Verflixt, meine Konzentrationsfähigkeit wird schon wieder einer harten Prüfung unterzogen. Am Nachbartisch lassen sich zwei Sakko gewandete Nickelbrillenträger nieder und werfen mit Termini der gehobenen Sprache nur so um sich. Schwer beeindruckt stelle ich meine Lauscher etwas präziser in Richtung der Fachsimpler, bis sie folgenden Satz empfangen: „Die Relevanz dieses brisanten Dossiers habe ich bereits schon erkannt gehabt.“ Huahhh … Schenk mich mal einer 'ne Tüte Deutsch …

 

Einmal abgelenkt finden auch meine Augen nur sehr schwer wieder den Weg zurück zur Zeitung und bleiben auf dem Umweg an einem, nun ja … sagen wir mal wohlbeleibten Herrn hängen. Seine Jeans hätte jeder Kleinkindergruppe gut und gerne als Krabbeltunnel dienen können. Er stützt sich mit beiden Ellbogen auf einen Stehtisch und verputzt zur besten Knoppers-Zeit ein paar fettige Bratwürste samt einer Portion „Pommes Schranke“. Was treibt einen Kantinenchef wohl dazu, Derartiges morgens um halb zehn in Deutschland auf die Speisekarte zu setzen? Ja nee, is klar, die Nachfrage regelt das Angebot. Dem umfangreichen Herrn muss es sehr gemundet haben, jedenfalls bedient er sich statt einer Serviette lieber seiner Zunge, um seine Finger vom Restefett zu befreien und auch noch die letzten Kalorien in den Magen zu schicken.

 

Mein Blick wandert zur Uhr. Noch eine Viertelstunde voraussichtlichen Wartens liegt vor mir, genügend Zeit für weitere Studien am lebenden Objekt. Gerade will ich mich entspannt zurücklehnen, um den Lästereien der beiden Blaustrümpfe links von mir zu lauschen („Haben Sie diesen Ausschnitt gesehen? Kein Wunder, dass die schon wieder schwanger ist!“ Ähm, wie bitte? DER ursächliche Zusammenhang ist mir jetzt nicht ganz klar!) als mein Handy dezent zu brummen beginnt, sicheres Zeichen dafür, dass meine Fahrdienste wieder benötigt werden. Schade eigentlich.

 

Ich lasse mir von der Entladestation für als Zahlungsmittel verwendete Chipkarten mein Restgeld zurückgeben, spendiere dem Popcorn-Automaten einen letzten mitleidigen Blick, zwinkere dem netten Portier mit den Colaflaschenboden dicken Brillengläsern zu … habe ich jetzt etwa mit dem Hintern gewackelt? … und verabschiede mich in Richtung Auto, einen Zettel voller Notizen in der Hand und die Worte „Dienstag Vormittag. Ich habe mich bereiterklärt, meine ...“ im Kopf.

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Hörbuch

Über den Autor

Gunda



Bisher von mir erschienen im Verlag neun9zig

Liebe mbH
ISBN 978-3-944907-00-0
Querfeldein
ISBN 978-3-944907-02-4

Beide Bücher leider komplett ausverkauft.

Noch erhältlich bei Amazon, Verlag neun9zig oder direkt bei mir:
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ISBN 978-3944907215

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Christina_Maverik ;-)) - Die besten Geschichten schreibt das Leben... eben!
..vor allem das erkannt gehabte Dossier hat es mir angetan.. Laaachhh..
LG Christa-tina
Vor langer Zeit - Antworten
Platonia Re: Re: Getippel -
Zitat: (Original von Gunda am 22.11.2010 - 16:53 Uhr)
Zitat: (Original von Platonia am 21.11.2010 - 10:14 Uhr) anstatt Gemurmel am heutigen Sonntagmorgen, bei Tee und Deiner sehr amüsanten Geschichte. Ich geniesse Sie sehr und freue mich schon jetzt auf Montag. Da kann ich mich so ähnlich inspirieren lassen, beim S-Bahn fahren.

GLG Platonia



Oh ja ... S-Bahn und Züge haben eine ähnliche Wirkung auf mich ... Habe ich auch schon "verarbeitet". Und ... hast du dich erfolgreich inspirieren lassen, Platonia?

Lieben Gruß
Gunda


Moin Gunda, irdendwie funktionierte meine Funkantenne nicht recht ;-).
Aber das 1. Hilfeteam hat schon angefangen mit der Entstörung, es wird alles aufgezeichnet, da hab ich aber ein Glück wa :-).
Wünsch Dir einen inspirierenden Mittwoch
LG Grit
Vor langer Zeit - Antworten
Gabriella Re: Re: Echt super gut - Lächel, schon klar, ich hab trotzdem Hunger bekommen. war wohl Abendbrotzeit. Lieben Gruß GA

Zitat: (Original von Gunda am 23.11.2010 - 10:27 Uhr)
Zitat: (Original von Louisa am 22.11.2010 - 17:33 Uhr) lächel, war lustig , bei den fettigen Bratwürsten musste ich schlucken.

So eine Kantine ist eben manchmal interessanter als die Bildzeitung. smile-

Nun habe ich Hunger auf Popcorn, das hab ich jetzt davon eigentlich hab ich nun richtig Hunger.
gefällt mir gut. LG GA


Jepp, bei den Bratwürsten musste ich auch schlucken ... Die wären mir um die Zeit im Halse steckengeblieben, schätze ich.

Also zum Appetitanregen war die Geschichte eigentlich nicht gedacht ;o))
Lieben Gruß und Dank
Gunda

Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Re: Echt super gut -
Zitat: (Original von Louisa am 22.11.2010 - 17:33 Uhr) lächel, war lustig , bei den fettigen Bratwürsten musste ich schlucken.

So eine Kantine ist eben manchmal interessanter als die Bildzeitung. smile-

Nun habe ich Hunger auf Popcorn, das hab ich jetzt davon eigentlich hab ich nun richtig Hunger.
gefällt mir gut. LG GA


Jepp, bei den Bratwürsten musste ich auch schlucken ... Die wären mir um die Zeit im Halse steckengeblieben, schätze ich.

Also zum Appetitanregen war die Geschichte eigentlich nicht gedacht ;o))
Lieben Gruß und Dank
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
Gabriella Echt super gut - lächel, war lustig , bei den fettigen Bratwürsten musste ich schlucken.

So eine Kantine ist eben manchmal interessanter als die Bildzeitung. smile-

Nun habe ich Hunger auf Popcorn, das hab ich jetzt davon eigentlich hab ich nun richtig Hunger.
gefällt mir gut. LG GA
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Re: Getippel -
Zitat: (Original von Platonia am 21.11.2010 - 10:14 Uhr) anstatt Gemurmel am heutigen Sonntagmorgen, bei Tee und Deiner sehr amüsanten Geschichte. Ich geniesse Sie sehr und freue mich schon jetzt auf Montag. Da kann ich mich so ähnlich inspirieren lassen, beim S-Bahn fahren.

GLG Platonia



Oh ja ... S-Bahn und Züge haben eine ähnliche Wirkung auf mich ... Habe ich auch schon "verarbeitet". Und ... hast du dich erfolgreich inspirieren lassen, Platonia?

Lieben Gruß
Gunda
Vor langer Zeit - Antworten
Gunda Re: Jetzt habe ich wieder gelacht. -
Zitat: (Original von baesta am 21.11.2010 - 20:32 Uhr) Da hast Du bestimmt auch ein paar Terroristen abgelauscht (kicher)? Bring Dich mal lieber in Sicherheit!!!!!!

Liebe Grüße
Bärbel



Nö, die, die ich belauscht habe, waren eigentlich nur Verbalterroristen :o))

Lieben Gruß
gunda
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Jetzt habe ich wieder gelacht. - Da hast Du bestimmt auch ein paar Terroristen abgelauscht (kicher)? Bring Dich mal lieber in Sicherheit!!!!!!

Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
Platonia Getippel - anstatt Gemurmel am heutigen Sonntagmorgen, bei Tee und Deiner sehr amüsanten Geschichte. Ich geniesse Sie sehr und freue mich schon jetzt auf Montag. Da kann ich mich so ähnlich inspirieren lassen, beim S-Bahn fahren.

GLG Platonia
Vor langer Zeit - Antworten
UteSchuster Re: Re: o Gunda, ich hätte nicht gedacht, dass ich heute um kurz vor 23 Uhr -
Zitat: (Original von Gunda am 17.11.2010 - 17:24 Uhr)
Zitat: (Original von UteSchuster am 16.11.2010 - 22:59 Uhr) noch so einen Lachanfall bekomme. Mal wieder Danke, hier bei uns gibt es nirgends *Pommes mit Schranke* außer beim Mecki hat meine Weltstadt, keinen Imbiss.

Mach das öfter, eine Fallstudien sind einmalig. Und du sitzt da und schaust und lachst dich nicht schepp?

Liebe Grüße deine Ute



Doch, ich musste schon kichern, Ute, besonders über den Popcorn-Automaten. Nur als ich "bereits schon erkannt gehabt" hörte, habe ich mich fast an meinem Schokoriegel verschluckt ... :o))

Lieben Gruß
Gunda


das kann tötlich enden ;-)

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