Erleuchtung
Er hörte den Sand rasseln, er sah wie dieser langsam niederrieselte, und doch rann er zu schnell durch dieses Loch. Verfluchter Sand! Er hatte nicht mehr viel Zeit. Er starrte weiterhin auf dieses verdammte Glas, auf diesen verdammten Sand, doch er realisierte ihn nur schwach. So wie ein Bild, das Erinnerungen in einem weckt und man dann nur noch diese betrachtet und das Bild als schwachen Nebel, nur verschwommen, wahrnimmt. Nur dieses bedrohliche Gefühl in ihm ließ in realisieren, dass die Zeit ihm durch die Hand, so wie der Sand durch das Loch, rann. Es war der letzte Schritt, das letzte was er zu tun gedachte, doch er musste ihn finden bevor die Zeit vorbei war. Es war die ultimative Aufgabe, tausende von Menschen vor ihm hatten versucht ihn zu finden. Und niemand hatte bisher diese Aufgabe bewältigt. Niemand. Er wusste nicht warum er ihn suchte, er wusste nur, dass er ihn finden musste: den Sinn des Lebens!
Für ihn war es mehr als nur eine Aufgabe, mehr als nur irgendeine Pflicht. Er musste ihn finden, den Sinn, der nicht gefunden werden konnte. Es war ein innerer Zwang, nein, es war mehr. Er spürte es. Dieses Gefühl des Wissens, dieses unbestimmte Kribbeln in seinem Bauch. Doch er konnte es nicht fangen. Er suchte, er suchte vergebens, zumindest bis jetzt. Und die Klarheit, dass er den Sinn der Sinne noch nicht gefunden hatte, und dass ihm die Zeit davonlief, ließ in ihm eine Angst aufkommen.
Der Sand rieselte wieder, nein, er nahm ihn wieder wahr, ganz bewusst. War mit seinen Sinnen wieder bei dem Glas mit dem Sand, der Sanduhr. Die Zeit verging, aber was war die Zeit denn überhaupt. Die Zeit, die immer gleichmäßig verging, die immer lief, nie anhielt, immer rastlos war. Sie war gnadenlos, aber warum? Welchen Sinn hatte denn die Zeit überhaupt? Wer schuf sie einst? Er spürte, dass er nun den richtigen Weg eingeschlagen hatte, doch er folgte ihm nur zögerlich, er musste sich beeilen, den Nebel vor sich lüften, das Geheimnis der Geheimnisse aufdecken.
Er spürte diesen leichten, doch unangenehmen Druck an seiner Schädeldecke, so als würde sein Gehirn seinen Schädel von innen zerdrücken würde. Er war nah am verrückt werden, am Durchdrehen. Er musste diesen verdammten Sinn finden. Warum, wusste er nicht, er wusste nur, dass es ihm nicht bekommen würde, wenn er den Schleier nicht lüften konnte. Er konzentrierte sich wieder auf den Sand. Irgendwoher hatte er die Gewissheit den Sinn im Sand ausgraben zu können. Er konnte ihn finden, in der Zeit, das war ihm nur bewusst. Doch nur wie?
Die Zeit band den Menschen an unausweichliche Regeln, sie war die Ursache der Fehler aller Menschen, denn sie verhinderte, dass wir diese rückgängig machen. Wer hat dem Menschen denn nur diese Last auferlegt? Er glaubte nicht an Gott, nicht an Götter, jedenfalls nicht so, wie es die Kirchen und Religionen vorschrieben. Es gab etwas, das die Menschen weder sehen noch fassen konnten, es gab etwas, das den Sinn kannte, es gab etwas, dass da draußen herrschte. Etwas, von dem ein Teil jedem innewohnte und daher wusste er auch, dass er den Sinn finden konnte. Doch die Zeit lief ihm davon, der Weg zur Lösung verschwand, immer schneller.
Er betrachtete die Sanduhr. Er nahm nur sie wahr, wenn er überhaupt etwas wahrnahm. Um ihn herum war Dunkelheit, Finsternis. Sein Kopf schien zu platzen, sein Kopf füllte sich und wenn er den Sinn nicht fand, dann würde er irre werden. Dann würde er nicht mehr denken können. Dann würde seine Obsession, den Sinn des Lebens zu finden, seinen Kopf vollständig füllen und nicht mehr zulassen, damit er an irgendetwas anderes dachte. Der Sand rieselte nieder und ihm kam es so vor, dass er immer schneller durch dsa Loch fallen würde, je näher er der Lösung kam. Die Lösung, die ihn retten würde, retten vor vor der vollständigen Bessesenheit, retten vor dem Wahnsinn, der sich in ihm anbahnte. Der Sand verbarg die Rettung, die Zeit verschleierte sie und seine Obsession vernebelte seinen Blick und schärfte ihn trotzdem mehr, als es irgendetwas je vermochte. In der Zeit war die Lösung versteckt.
Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen, der Mensch war die Ursache der Zeit, er hatte sich die Fesseln selbst angelegt. Die Erinnerung zwang ihn dazu. Hätte der Mensch nicht die Vorstellung der Erinnerung besessen hätte er nie die Zeit erfunden, denn er hätte sie nicht ordnen wollen. Die Logik, sie war auch schuld an der Verschleierung, sie zwang den Menschen dazu die Erinnerungen in einer logischen Reihenfolge zu ordnen. Diese beiden Eigenschaften des Menschen, die Logik und Erinnerungen zu besitzen, waren sein Verhängnis, er legte sich die Fesseln der Zeit an. Er war sich sicher, dass dieses irgendetwas, dass höher war als der Mensch, dieses gottähnliche Wesen, diese Fesseln nicht kannte. Und das brachte ihn einen Schritt weiter auf dem Weg zur Lösung.
Er musste seine Fesseln zerstören, und dazu musste er die Ursachen vernichten, er musste vergessen und nicht mehr menschenlogisch denken. Doch wie sollte er dies nur bewältigen? Der letzte Schritt am dem Weg zur Erleuchtung, er musste den Nebel der Zeit zerstören. Doch das Dumme an Nebel ist nun mal, dass er nicht greifbar ist. Die Zeit spielte gegen ihn. Sie war ein mächtiger Gegner, doch jeder besitzt Schwächen, auch die Zeit. Sie mussten nur gefunden werden. Die Sanduhr vor seinen Augen wurde wieder schärfer und dann verstand er. Er nahm sie in seine Hand, erhob sich und schmetterte die Uhr in die Finsternis. Die Uhr wurde immer kleiner und kleiner und dann folgte die Erleuchtung.