Dieser Text ist eine nicht ganz fiktive Geschichte, in der es um die Entstehung einer tiefen Freundschaft geht. Viel Spass beim lesen.
Yvonne lernte Michael (Name englisch ausgesprochen) in einem Forum kennen. Er fiel ihr auf, weil er ungehobelt, oft unhöflich, jedoch immer sehr direkt und schonungslos sagte (bzw schrieb ), was er dachte. Yvonne hatte schon immer eine Schwäche für ungehobelte, direkte Leute, die eine gewisse Düsternis und Gequältheit ausstrahlen. Yvonne komentierte seine Postings oft mit beruhigenden Worten, manchmal halt etwas "lehrerhaft", wie es halt ihre Art war damals.
Eines Tages eröffnete Yvonne einen neuen Tread. Sie war auf der Suche nach einer Abdeckung für ein Aquarium. Denn das Forum war ein Aquaristik-Szene-Forum. Das war, so erinnert sich Yvonne, so ungefähr September 2006. Sie hatte sich occasion, also gebraucht, ein Becken gekauft, jedoch war dazu kein Deckel geliefert worden. Michael dachte sich wohl, er müsse mal mit Yvonne direkt reden und quatschte sie im MSN an.
Aus dieser anfänglich sehr lockeren Bekanntschaft entwickelte sich schon nach kurzer Zeit eine innige Freunschaft. Yvonne merkte, dass Michael eine faszinierende, vielschichtige Persönlichkeit hatte. Sie waren sich von Anfang an sehr ähnlich. Die beiden hatten die gleichen Interessen, sogar ähnliche Hobbies, obwohl sich Michael der Terraristik zuwendete und lieber Reptilien pflegte wie Fische. Sie sind beide tätowiert, Yvonne hatte jedoch im Gegensatz zu Michael nur ein Tatoo, er hat ganze zehn über den Körper verteilt. In all den Monaten gelang es Yvonne nicht, ihr Interesse an Michael deutlicher zu zeigen als ab und zu ein "ich mag dich sehr" in das Kommunikationsfeld ihres Messenger zu tippen.
Denn Michael hatte Probleme an der Backe. Er hatte sich frisch von der Ehefrau getrennt (wobei eher die Frau ihn rausschmiss, als dass er gegangen war). Er soff sich aus dem Grund mit beängstigender Regelmässigkeit einfach zu und schüttete so lange Alkohol in sich hinein, bis nichts mehr reinging. Yvonne versuchte, Michael begreiflich zu machen, dass es ihr gar nicht gefiel, dass er sich betrank. Sie sagte ihm:
"Probleme können auch in Alkohol sehr gut schwimmen".
Und tatsächlich - Michael hörte dann auf, zu trinken. Ob dies nun Yvonnes Einsatz zuzuschreiben war, das weiss Yvonne bis heute nicht. Michael jedoch war es etwas suspekt, dass sich Yvonne so derart um ihn sorgte. Öfter sagte er ihr:
"Was kümmert es dich, ob ich mich besauf? Ist doch mein Leben. Ich kann damit machen, was ich will"
Und sie antwortete ihm lediglich:
"Ich mag dich und sehe nicht einfach seelenruhig zu, wie du dich selber zerstörst! Bitte hör auf damit!"
Im folgenden Jahr lernten sich die beiden auf eine Weise kennen, die wohl zwischen Mann und Frau als enorm selten zu bezeichnen ist. Eine tiefe Freundschaft, die auf Vertrauen und Ehrlichkeit aufgebaut ist, entwickelte sich. Die beiden mögen sich sehr. Yvonne hatte sich vorgenommen, Michael erst dann zu zeigen, wie sehr sie ihn mochte, wenn er die Probleme mit seiner Ex-Frau beseitigt hatte. Denn genauso wie sie selbst mag es Michael überhaupt nicht, bedrängt zu werden. Er ist ein Mensch, der Freiräume braucht.
Beängstigend viele Gemeinsamkeiten zeigten sich. Denn nicht nur in den Interessengebieten (Faszination für Mittelalterliche Waffen, Fabelwesen wie Drachen und ein bisschen Interesse am dunklen Gothic-Style) erkannten die beiden Gemeinsamkeiten. Auch charakterlich zeigten sich nicht nur Ähnlichkeiten sondern direkte Gemeinsamkeiten.
Obwohl die beiden aus verschiedenen Welten stammen, einen völlig unterschiedlichen Lebensweg genommen hatten bisher, waren sie sich charakterlich enorm ähnlich, fast gleich. Er, der grobknochige 1.84-Meter-Mann, der über 120 Kilo wiegt, früher rechts-extrem und mit Springerstiefeln unterwegs, Drogenabhängig und einfach recht gewalttätig -- Sie, die feingliedrige 1.62-Meter-Frau, die knappe 63 Kilo wiegt, mit Heim-Kindheit, welche ihr ein einsames Leben verschafft hatte ohne viele Höhen, jedoch mit vielen verletzenden Tiefen.... haben Gemeinsamkeiten wie sie merkwürdiger nicht sein können. Er mag es genauso wenig, bedrängt zu werden wie sie, er ist direkt und schonungslos, genau so wie sie. Er mag Heucheleien nicht, genau so wie sie. Diese und viele weitere Gemeinsamkeiten offenbarten sich in den zahllosen, stundenlangen, nächtlichen Diskussionen.
Die beiden vertrauten sich Dinge an, die sonst keiner wusste. Sie erzählte ihm ihre Geheimnisse, er ihr die seinen. Selbst erotische Fantasien und Wünsche machten da keinen Halt. Tabulos offen redeten sie Nächtelang über ihre Interessen, Schwächen und Wünsche. Yvonne gab sich Mühe, ihm Vertrauen entgegen zu bringen. Doch durch ihre schlechten Erfahrungen in Bezug auf Männer scheute sie sich wie ein gebranntes Kind davor, zu viel zu empfinden. Michael wiederum überschüttete sie mit Komplimenten wie:
"Ich finde dich sehr atraktiv, ich mag deine Art sehr. Du bist ein sehr spezieller Mensch, echt einzigartig... und ich akzeptiere dich so, wie du bist. Bitte ändere dich nicht. Ich find dich so toll"
Das ging bei Yvonne natürlich 'runter wie Öl'. Sie öffnete ihr Herz für Michael, riss die Mauern runter, die sie in Jahrelanger Arbeit hochgezogen hatte. Michael hatte sich in ihr Herz geschlichen. Doch war ihm das auch bewusst? Michael redete nie über seine Frauenbekanntschaften, wenn er mit Yvonne über MSN plauderte. Yvonne wusste also nicht, woran sie war und wie lange sie wohl noch warten sollte um sich und ihre Gefühle zu offenbaren.
In ihrem Bestreben, Michael nicht zu bedrängen verpasste Yvonne jedoch irgendwann dann die Gelegenheit, ihr Interesse an Michael zur rechten Zeit zu offenbaren. Sie kannten sich mitlerweile fast zwei Jahre, hatten sich auch schon real gesehen, nicht nur über die Webcam des Messengers. Und beide wussten, dass sie sich sehr mochten. Michael äusserte Ängste, nicht das kaputt machen zu wollen, was sie beide verband, weswegen er nie auf den Gedanken gekommen wäre, dass sich Yvonne schon längst verliebt hatte. Doch weil Yvonne und Michael nicht gerade nahe beieinander wohnten, wäre das ganze auf eine Fernbeziehung hinausgelaufen. Etwas, was Yvonne widerstrebte. Sie lebten über 120 km weit auseinander. Eine stramme, zweistündige Zugfahrt müsste diese Distanz überbrücken.
In der Meinung, es sei nun endlich Zeit für endgültige Offenheit, drängte Yvonne Michael dazu, ihr einen Samstag zu nennen, wo er für sie Zeit haben sollte. Doch wie es das Schicksal wollte, musste Yvonne über einen quälend langen Monat warten, bis sie sich in den Zug setzen und zu ihm fahren konnte. Der Tag verlief ruhig, äusserst angenehm und Yvonne hatte nur noch Augen für Michael. Es brannte ihr in der Seele, ihm zu sagen, was sie fühlte, wie ein heisses, loderndes Feuer, das durch nichts zu löschen ist. Doch irgendwie schien nie der richtige Zeitpunkt gekommen zu sein. Yvonne ist halt eben ein wenig schüchtern, wenn es um Gefühle geht. Am Ende des Tages überwand sich Yvonne dann und gestand Michael ihre Liebe.
"Ich weiss das schon länger, Yvonne. Und ich find das so schön. Danke" lautete die Antwort von Michael. Später, auf dem Nachhause-Weg riss eine SMS Yvonne aus ihren Gedanken.
"Egal was passiert, wir bleiben Freunde. Hab zur Zeit Chaos und kann nicht sagen, wie unsere Zukunft aussieht. Möchte nie den Kontakt zu dir verlieren. Es war ein wunderschöner Tag" war auf ihrem Handydisplay zu lesen. Eine Nachricht von Michael. Yvonnes Herz hüpfte vor Freude. Hatte sie denn wirklich Chancen bei Michael? Sollte sie endlich hoffen dürfen, einen Partner fürs Leben gefunden zu haben? Durfte sie sich endlich mal "glücklich" nennen? Sollte tatsächlich ein einziges Mal in ihrem Leben etwas positives passieren?
Doch wie so oft in Yvonnes leben sollte auch diese Geschichte, wie so viele andere, schief laufen. Vier Tage später schnitt sie das Thema gegenüber Michael im MSN an:
"Ich möchte gerne wissen, was du mir gegenüber fühlst. Ich weiss, dass du geschrieben hast, du wollest den Kontakt zu mir nie verlieren. Aber sag mir bitte, was du für mich empfindest!"
Michaels Antwort lag darin, wieder ihre Vorzüge aufzuzählen. Er meinte, er sei zu verwirrt, um seine Gedanken in Worte zu fassen. Er möge sie so, wie sie sei und er empfinde "sehr viel" für sie, schrieb er. Doch Yvonne, die die scheinbaren Ausflüchte satt hatte, drängte ihn zu einer Antwort. Denn er hatte sich in den letzten vier, fünf Wochen zurückgezogen. Sagte ständig, er müsse einer Frau helfen, die ihn brauchen würde. Und nur er allein könne ihr helfen. Yvonne begann, einen Hass auf die andere Frau zu entwickeln. Die Unbekannte hatte es gewagt, sich im unpassendsten Moment einzumischen!
Noch in der selben Nacht offenbarte Michael dann Yvonne:
"Okay, ja. Du hast recht. Ich fahre zu meinem Mäuschen. Ich hab schon länger was mit ihr. Was glaubst du eigentlich? Ich bin schliesslich auch nur ein Mann! Ich bin nicht gern allein! Ich wollte dir gegenüber jedoch nichts sagen, weil ich dich nicht verletzen wollte."
Oh, das hatte Michael ja toll hingebogen. Nichts sagen, um jemanden nicht zu verletzen... um dann um so härter und gnadenloser zuzuschlagen, Yvonnes Herz zerriss und blutete. Für sie brach nicht nur eine Welt, sondern ein komplettes Universum zusammen. Hatte sie sich doch so gewünscht, endlich glücklich sein zu dürfen. Michael hatte sie überschüttet mit Komplimenten, war ihr immer sehr nahe - und hatte dennoch nicht den Verstand, offen und ehrlich von Anfang an zu sagen, dass das alles zwar ernstgemeinte Komplimente gewesen waren, jedoch nie die Absicht dahinter gewesen wäre, Yvonnes Herz damit zu erobern. Michael nannte sich selberungehobelter Klotz und verflucht, weil sich immer die falschen Frauen in ihn verlieben würden. Yvonne jedoch, so herb enttäuscht und zutiefst verletzt, konnte nicht anders, wie ihren Angebeteten trotzdem noch aufzubauen:
"Du bist kein ungehobelter Klotz! Aber du scheinst nur sehr ungeschickt zu sein. Denn es bringt nichts, wichtige Details zu verschweigen, nur um mich nicht zu verletzen. Wärst du von Anfang an ehrlich zu mir gewesen, hättest du mich jetzt nicht so massiv verletzt."
Michael äusserte darauf hin nur gut ein dutzend mal ein "es tut mir leid" und schickte Yvonne hunderte "rot-werd"- und "tränen-tröpfel"-smilies. Doch dies wollte Yvonne nicht mehr sehen. 'Passiert ist eben passiert', dachte sie sich und legte sich enttäuscht und zutiefst verletzt schlafen.
Doch der Schlaf wollte nicht kommen. Zutiefst verletzt worden grübelte Yvonne in ihrem Bett, was sie hätte anders machen sollen. Eine schlaflose Stunde nach der anderen verstrich und Yvonne wälzte sich von einer Seite zur Anderen. Ruhelos, sich selbst Vorwürfe machend, ständig grübelnd, von Minute zu Minute trauriger werdend brach Yvonne schliesslich in Tränen aus. Sie hatte seit Jahren nicht mehr geweint. Sie nässte mit ihren zahlreichen Tränen ihr ganzes Kopfkissen ein. Früh morgens dann fiel die Entscheidung. Michael ist ihr zu wichtig, als dass sie sich von ihm endgültig hätte verabschieden könnnen. Sie hängt ja sehr an ihm.... also, wie früher wieder die Mauer ums Herz aufziehen, stärken und nie wieder etwas fühlen. So zumindest der Plan, den Yvonne gefasst hatte.
Was aus ihr und Michael nun wird, weiss Yvonne nicht. Er bedeutet ihr viel zu viel und sie weiss, dass sie ihn immer lieben wird. Egal, was passiert, egal, wie oft er sie noch verletzt in seiner ungeschickten Art. Denn insgeheim mag sie seine ungeschickte Art sehr. Sie empfindet eben die absolut reine, wahre Liebe für Michael, ohne jegliche Ansprüche, Bedingungen oder sonstige Hindernisse. In Gedanken hat sie die neue Freundin ihres Michael schon sicher hundert mal gekillt, zerstückelt und durch den Fleischwolf gedreht. Aber wirklich nützen tut dies ja auch nicht. Michaels Beteuerungen, die Freundschaft zu Yvonne sei ihm sehr wichtig treffen seit jener Nacht wieder auf die fast genau gleiche alte Mauer. Misstrauen ist wieder vorhanden und ihre Freundschaft wird vermutlich nie wieder so sein wie vorher. Yvonne weiss nämlich, dass sie und nur sie die ideale Partnerin für Michael ist. Zu viele Gemeinsamkeiten sind da vorhanden, als dass es auch nur eine 1 %ige Chance gäbe, dass eine Beziehung schief gehen würde.
Michael und Yvonne sind Seelenverwandte - so ist Yvonne felsenfest überzeugt. Michael und Yvonne - Eine einzigartige Freundschaft - Für immer!
"I love you my dear, for ever" - sagt Yvonne noch heute.....
Dragonlady Re: Meikel - Zitat: (Original von pyrmonter am 05.12.2010 - 15:57 Uhr) Ob das aber mit dem Kerl auf Dauer gut geht ???? Viel Grüße p. das wird die zukunft zeigen :D wer weiss, vielleicht gibts ja noch nen zweiten teil von der geschichte. |
Dragonlady Re: - Zitat: (Original von Sonnstrahl am 14.11.2010 - 22:04 Uhr) Sehr schön geschreiben, und traurig danke fürs kompliment. auch wenns traurig ist, so hat die geschichte für mich persönlich doch sehr viel bedeutung. |
Sonnstrahl Sehr schön geschreiben, und traurig |