Prolog
„Das Land wird in Dunkelheit gehüllt! Ein Dämon - ein mächtiger, wutentbrannter Dämon wird Rache üben und Gashra in Chaos und Zerstörung stürzen… Krieg, Hunger und Tod wird herrschen! Ich rieche Blut! Das Blut des gashranischen Volkes… Der Dämon wird nicht alleine erscheinen. Ich sehe, mächtige Verbündete werden ihn begleiten, ihn blind unterstützen… Sie werden das Blut edler Gashraner vergiessen… Sie werden kommen, das Chaos anzurichten, welches der Dämon anstreben wird. Das Übel wird das Land überrollen wie ein kraftvoller, alles zerstörender Gewittersturm! …Das Chaos wird über Gashra herrschen mit den eisernen Klauen und todbringenden Atem des Bösen!... Doch sehet! Eine Kriegerin! Eine Kriegerin ganz in Weiss gehüllt wird dem Land beistehen in seiner grössten Not. Ich sehe Drachen… Drachen in weiss, blau, grün und rot werden sie begleiten. Die Drachen, die Frau in Weiss und ihre beider Fähigkeiten werden Gashra vom Übel befreien! Ihr Schicksal wird es sein… gegen den Dämon zu kämpfen. Seht euch vor, Herrscher von Gashra! Sorgt für die Zukunft des Landes und schaut aus nach der Kriegerin in Schwarz!“
Kaum waren die Worte gesprochen, brach der alte Seher zusammen. Er hatte vor dem steinernen Altar des Tempels gestanden mit weit geöffneten Armen, das Gesicht nach oben gerichtet umrahmt von schneeweissen Haaren. Mit krächzender Stimme fragte er, ob seine Worte, an die er sich kaum erinnerte, aufgeschrieben worden waren. Er wusste alles. Er hatte Bilder gesehen, schreckliche Bilder. Die Bilder der Vision liessen ihn erzittern und furchterfüllt dachte er daran, dass er selbst nicht in die Geschichte eingreifen konnte. Doch kaum hatte er die Vision in Worte gefasst, verblassten die Bilder der Gewalt. Ihm blieb nur noch die Hoffnung, dass König Zihm es gelang, das schreckliche Übel, das Gashra drohte, abzuwenden!
Priester rannten sofort aus dem Tempel und baten um eine Privataudienz beim Herrscher. Das eiligst aufgesetzte Schriftstück wurde König Zihm von einem der drei atemlosen Priester vorgelegt. Aufmerksam las er die ungelenk gekritzelten Worte. Er setzte den schmalen goldenen Reif ab, der bis eben sein schwarz gelocktes Haupt geziert hatte. Er fuhr sich mit der linken Hand durch die Haare und richtete seinen Blick nun auf die keuchenden Priester.
„Geht es Toka gut?“, wollte er wissen.
„Eure Majestät, er ist geschwächt von der kraftvollen Vision, die ihm Druh geschickt hat“, antwortete ihm der Priester, der ihm das Schriftstück überreicht hatte.
„Ich werde mich augenblicklich mit meinen Beratern zurückziehen. Das hier ist viel zu wichtig, als dass ich es ignorieren könnte!“ Der König erhob sich von seinem Stuhl, setzte den goldenen Reif wieder auf und zog seinen Waffenrock gerade.
Die drei Priester verbeugten sich so tief, dass ihre Nasen fast den Boden berührten.
Drei Tage später verstarb Toka. Er erfuhr nicht mehr, welche Auswirkungen seine Vision auf das Land hatte. Das alte Ordensoberhaupt wurde auf dem Grabhügel hinter dem Tempel verbrannt. Gebete seiner Priester begleiteten ihn in die höhere Welt.
König Zihm befahl kurz darauf, nach der Kriegerin zu suchen. Boten durchstreiften das Land. Die Prophezeiung wurde sauber abgeschrieben und verschwand zusammen mit dem Original im Archiv des gashranischen Haupttempels.
Die Boten kamen unverrichteter Dinge zurück. Niemandem war es gelungen, eine Kriegerin zu finden. Es gab keine in ganz Gashra.
Der Rest des Jahres verlief so ruhig, so wie die meisten vorherigen auch. Die Leute lebten glücklich in ihren Häusern. Das Land war gross und fruchtbar. Das Meer rund um Gashra war wie immer wunderbar blau und voller guter Fische. Die Feldfrüchte wuchsen prächtig und das Land war reich an Wild. In Gashra herrschte Frieden und Ruhe und auch mit dem Nachbarn Taryón gab es keinen Streit. Die Bewohner des Landes lebten nebeneinander ohne grössere Ärgernisse. Der Handel auf dem Land- und dem Wasserweg florierte. Selbst das Lehensgut Salassya, besser bekannt als Insel Salassya machte keine Probleme. Gashra hatte von Wüste, über Wald bis zu Sumpfgebieten für jeden das Zuhause zu bieten, das ihm gefiel. In jeder Stadt standen Tempel der Göttin von Gashra - Druh! Die Einwohner verehrten ihre Göttin, es gab Klöster und Tempel in jeder Stadt, jedem Dorf. Und jeder Lehnsherr hatte mindestens einen Schrein für Druh auf dem Gut. Obwohl das Land reich war, gab es auch hier wenige Leute, die krank oder arm waren. Und um diese kümmerte man sich in den Klöstern. Die Heiler Gashras waren über die Grenzen hinaus bekannt für ihre Fähigkeiten.
Die Bewohner des Landes hatten die Prophezeiung schon fast vergessen. Keiner dachte mehr daran, dass Toka, der grösste Seher der Göttin Druh, prophezeit hatte, dass ein Dämon das Land zerstören wird. Auch der wichtige Teil der Prophezeiung, der von einer grossen Kriegerin sprach, deren Schicksal war es, gegen diesen Dämon zu kämpfen, wurde vergessen. Denn das Königreich besass keine solchen Kriegerinnen. Denn Frauen waren Burgherrinnen, Bauernfrauen oder Mägde. Gashra kümmerte sich anfangs sehr um diese Prophezeiung und König Zihm, der befohlen hatte, nach dieser Kriegerin zu suchen, war beunruhigt. Es hätte ja sein können, dass sie sich verbarg. Er beauftragte die Priester des Rahsan-Ordens, ihren Sehern und Zauberern den Befehl zu erteilen, diese Kriegerin zu finden. Er wies auch junge Adelsfrauen an, sich am Hofe zu Ritterinnen ausbilden zu lassen. Das war ein sehr gewagter Befehl und die Nachbarn Gashras beobachteten alles sehr misstrauisch deswegen. Anfangs wollte keines der Mädchen diesen Weg gehen, doch allmählich gewöhnte sich das Land an die Geschehnisse und immer mehr junge Frauen aus Adelsgeschlechtern wurden zu Ritterinnen. Auch ihre Familien gewöhnten sich an diese neuen Gesetze. Doch die Jahre vergingen, ohne dass die Kriegerin oder der Dämon aufzufinden waren. Es gab keine Anzeichen von Veränderungen im Land. Die Prophezeiung wurde mehr und mehr zur Legende. So geriet sie in der Öffentlichkeit in Vergessenheit und Zihms Nachkommen übernahmen den Thron, ohne die Prophezeihung allzu ernst zu nehmen. Doch die Priester des Rahsan-Ordens vergassen ihren Auftrag nicht und suchten trotz des immer noch herrschenden Friedens weiterhin nach dem Dämon und der geheimnisvollen Kriegerin. Von ihr wussten sie nur, dass sie in Weiss erscheinen würde. Doch nirgendwo fand sich eine Kriegerin in weiss....
Die Ankunft
Kadra war gerade erst acht Jahre alt, als ihr Vater beschloss, sie ins Kloster von Druh zu schicken. Doch Kadra wollte keine Lady werden, deren einzige Aufgabe es war, mit sechzehn Jahren zu heiraten, einen Haushalt zu führen und Nachkommen zu gebären. Sie wollte kämpfen lernen. Lernen, wie man mit Schwert, Schild und Bogen umging. So bat sie ihre Eltern darum, an den Königshof gehen zu dürfen um Ritterin zu werden. Ihr Bruder, der zehn Jahre älter war, hatte die Ausbildung gerade abgeschlossen und er sah einfach phantastisch aus in seinem königlichen Waffenrock. Kadra schwärmte für alles, was nach Rittertum aussah. Auch wenn ihr Bruder nicht gerade ein mustergültiges Beispiel an Ritterlichkeit war. Yanon warnte sie. Ja er verspottete sie sogar:
„Du wirst die Ausbildung nie schaffen, Kadi! Mach dir keine Illusionen. Du bist ein fleischloser Zwerg! Wie willst du da diese Jahre überstehen?“
Und auch ihre Mutter Sylia war von dieser Idee nicht begeistert:
„Du wirst dich verletzen mein Kind! Du wirst dir Knochen brechen, Schmerzen erleiden! Bitte überleg es dir anders. Ich habe Druh so lange darum gebeten, mir eine Tochter zu schenken. Die Opfer, die ich in ihrem Schrein dargebracht habe, haben gewirkt und Druh hat mir ein grosses Geschenk gemacht. Und dieses Geschenk bist du, meine Kleine! Ich habe Angst um dich, wenn du dich zu diesem Weg entscheidest. Du wirst das nicht überstehen mein Schatz!“ Lady Sylia trug wie immer ausladende Röcke in violett und ihre dunkelblonden Locken wippten ganz nervös.
„Bitte Kadi, überleg es dir noch einmal!“, bat Lady Sylia sie eindringlich.
Nur ihre Freundin Jeanna war sofort begeistert und Feuer und Flamme für dieses Vorhaben. Sie sprachen kurz darauf über die Pläne Kadras.
„Das ist Wahnsinn, Kadi! Das ist so toll! Ich will auch Kriegerin werden, wie du. Nur bin ich nicht adlig, so darf ich nicht im Palast lernen. Leider! Mein Vater hat mir gesagt, dass ich dich nicht begleiten darf! Aber ich bin überzeugt, er wird mir alles zeigen. Er ist der beste Waffen- und Werkzeugschmied hier auf Lokar. Du wirst schon sehen, ich werde wie du eine grosse Kriegerin und dann werden wir gemeinsam Abenteuer bestehen!“ Die Augen ihrer Freundin blitzten aufgeregt.
Kadra war für ihr Alter ziemlich gross, hatte merkwürdig schneeweisses Haar, das ihr ganz gerade über die Schultern fiel, ihre Augen waren gross und von einem sehr dunklen Blau. Kadra wollte trotz allem immer noch in den königlichen Palast von Prash, der Hauptstadt von Gashra. Es war ihr Traum und für diesen wollte sie kämpfen.
Nach vielen Monaten, nach etlichen Gesprächen mit Mutter und Vater und nach ausgeprägter, geschickt und präzise ausgeführter Überredungskunst seitens Kadra lenkte schliesslich ihr Vater Lord Farnsten von Lokar ein und schickte sie zu König Zarth. Mittlerweile war Kadra neun Jahre alt und somit im Alter eines königlichen Pagen. Er schrieb einen Brief an Lord Kotan von Asken, der die Ausbildung der Ritter am königlichen Hof überwachte. Aber ihr Vater warnte sie, dass es schwer werden würde und dass sie jederzeit wieder zurückkommen könne. Aber Kadra hatte dies keineswegs vor. Sie hatte schliesslich ein Ziel! So schwang sie sich auf ihre zehnjährige, felsengraue Stute Wölkchen, die sie an ihrem sechsten Geburtstag erhalten hatte. Der Ritt dauerte zwei Tage, dann kam Kadra in der grossen Stadt Prash an. Weil sie alleine unterwegs war, musste sie nach dem Weg fragen, denn die Stadt war riesig und ausserdem nahm ihr der Markt, auf den sie sich verirrt hatte mit seinen vielen Ständen völlig die Übersicht. Es roch hier nach exotischen Früchten aus Gashras Süden, seltenen Gewürzen und gepökeltem Fleisch. Zwischendurch stiegen Kadra weit unangenehmere Gerüche in die Nase. Sie roch den menschlichen Abfall, den hunderte von Stadtbewohnern hinterlassen hatten. Das Rinnsal, das sich den Häusern entlang schlängelte, stank übel und hatte eine undefinierbare, graubräunliche Farbe. Die Strasse war bedeckt von knöcheltiefem Schlamm, der ebenfalls nicht gerade nach frischen Blüten duftete. Kadra wandte sich ab und suchte nach jemandem, den sie nach dem Weg zum Palast fragen konnte. Ihr Blick fiel auf eine junge Frau, die gerade an einem Gewürzstand etwas gekauft hatte. Sie beugte sich aus ihrem Sattel und sagte zögerlich:
„Entschuldigt gnädiges Fräulein, könntet ihr mir bitte erklären, wie ich zum Palast des Königs komme?“
Die junge Frau wandte sich um. Sie war weit jünger, als Kadra angenommen hatte. Sie hatte von der Rückseite betrachtet wie ungefähr sechzehn Jahre alt gewirkt, doch Kadra stellte fest, dass sie jünger sein musste. Blondes, dickes Haar umwogte ein schlankes Gesicht mit den grünsten Augen, die Kadra je gesehen hatte. Da lächelte sie das Mädchen an und sagte:
„So nobel werde ich ja selten angesprochen. Woher kommst du denn? Hast wohl keine Ahnung, was?“
„Nun, ich bin aus einem zwei Tagesritte entfernten Lehnsgut hier her gekommen und kenne mich nicht aus hier. Mein Vater Lord Farnsten schickt mich her zur Ritterausbildung. Würdest du mir denn bitte helfen?“
„Aber sicher kleine Adelige. Ich führe dich einfach hin.“, antwortete die namenslose Blonde. Kadra bedankte sich und so machten die beiden sich auf den Weg Richtung Palast. Sie quetschten sich durch übel riechende, enge Gässchen und überquerten breite Strassen, die von Fuhrwerken und Kutschen verstopft zu sein schienen. Kadra verlor hoffnungslos die Orientierung. Sie hörte wie ein Bauer einen Kutscher anbrüllte, er solle sein Gefährt von der Strasse holen, der Kutscher wiederum brüllte zurück, dass er weichen solle, da er eine Dame zur Näherin zu bringen habe.
„Entschuldige, aber du hast mir nicht gesagt, wie du heisst“, sagte Kadra plötzlich. „Wie kann ich mich bei dir bedanken?“
„Oh, das ist kein Problem. Also ich meine meinen Namen. Ich heisse Gandra. Ich lebe hier schon mein ganzes Leben lang. Und … Ich denke, wenn du mir ein Silberstück gibst, bin ich damit zufrieden.“, entgegnete das blonde Mädchen mit einem Augenzwinkern. Sie erwartete eine entrüstete Antwort auf ihren unverschämt hohen Preis. Doch Kadra entgingen die Gedanken der Fremden.
„Tut mir leid, aber ich habe keine Silberstücke bei mir. Ich denke aber, wenn mir mein Vater Lord Farnsten mir den Unterhalt sendet, werde ich dir das Silberstück zukommen lassen. Im Moment habe ich nur Kupferstücke bei mir und den Rest meines Reiseproviants. Aber ich werde mich erkenntlich zeigen. Weisst du, ich werde Ritterin! Ich werde in neun Jahren zurückkehren zu meinem Vater und er wird stolz auf mich sein!“, schwärmte Kadra, ohne zu bemerken, dass sie vor den grossen Haupttoren des Palastes angekommen waren. Wölkchen blieb stehen und Kadra beugte sich aus dem Sattel zu Gandra und wollte sich verabschieden.
„Ich hoffe, dass ich meine Schuld bei dir begleichen kann. Vielen dank für deine Hilfe, Gandra. Ohne dich wäre ich verloren gewesen in dieser grossen Stadt!“
„Nichts zu danken, zukünftige Ritterin von Gashra. Vielleicht sehen wir uns ja irgendwann wieder!“, antwortete Gandra und wandte sich ab und ging die Strasse hinunter, von wo sie beide gekommen waren. Kadra blickte ihr nach und hatte das Gefühl, eine Freundin gefunden zu haben. Sie dachte nicht einen Lidschlag lang an den Standesunterschied, den sie beide trennte. Langsam lenkte sie Wölkchen durch das breite Tor. Da wurde sie plötzlich angehalten von einem mächtigen Speer, der ihr von einem mürrisch aussehenden, bärtigen Mann in einem königsblauen Waffenrock direkt vor die Nase gehalten wurde.
„Was willst du hier, Kleine?“, knurrte er das vom Ritt staubige Mädchen mürrisch an.
„Äh… ich… ähm… ich will Ritterin werden. Ich muss… äh, ich möchte in den Palast Wachmann!“, stotterte sie vor Verlegenheit rot anlaufend im Gesicht. „Hier… Hier ist das Empfehlungsschreiben meines Vaters, Lord Farnsten, Herzog von Lokar. Melde mich… Melde mich beim König, Wachmann!“. Sie streckte dem Bärtigen zittrig den Brief entgegen, die ihr Vater verfasst hatte.
Der Wachmann schluckte leer und bemerkte erst jetzt, dass er eine junge Adlige vor sich hatte.
„Wäre ja noch schöner, wenn ich direkt zum König käme…“, brummte er in seinen mächtigen, dunklen Bart. Er schielte kurz zu seinem Kumpanen, der zweiten Torwache. Dieser grinste nur breit. Der Wachmann schluckte noch einmal und setzte neu an: „Ihr solltet erst mal in die königlichen Ställe mit eurem Pferd und ich melde euch beim Lord an.“, brummte er, verbeugte sich und ging mit dem Brief in der Hand in Richtung Palast davon.
Kadra stieg von ihrem Pferd und schritt unsicher quer über den Platz und lenkte Wölkchen am Zügel Richtung Ställe. Dort traf sie auf einen Pferdeknecht, der ihr mit einer Verbeugung das Pferd abnahm. Er sagte, er heisse Lando und sei für die Pferde des Königs zuständig und ausserdem der Oberstallmeister. Er führte Pferd und Mädchen in die Stallungen und stellte die Stute in eine der vielen Boxen in diesem riesigen Stall. Kadra schlug der warme Geruch von Heu und Pferden entgegen. Diese Gerüche erinnerten sie an ihr Zuhause. Den kurzen Schmerz, der ihr mit dieser Erinnerung ins Herz stach, ignorierte sie.
„Diese Box wird in Zukunft das Zuhause eures Pferdes sein. Ihr werdet es aber selber pflegen müssen, verstanden?“, sagte der Oberstallmeister und nahm Wölkchen Zaumzeug und Sattel ab und lud die Sachen Kadra auf die Arme. „Und nun zeig ich euch noch, wo ihr Sattel und Zaumzeug hintun könnt.“
Lando führte sie an den Boxen entlang zum Ende des Stalles und zeigte ihr, wo ihre Sachen ihren Platz hatten. Dabei bemerkte sie, dass wunderbare Tiere in den Abteilen standen. Füchse, Schimmel, Braune. Ebenso Rappen und Graue mit Aalstrich, so wie ihre kleine Wölkchen. Es schien so, dass jede Rasse hier vertreten war, ein Pferd edler als das andere. Kadra konnte nur noch staunen.
„Das sind die Pferde der Pagen und Knappen, die ebenfalls die Ausbildung zum Ritter machen! Edle Tiere, nicht war?“, sagte Lando zu Kadra gewandt.
„Oh ja, das ist wirklich so. Da bin ich ja direkt froh, mit meiner Wölkchen nicht aus dem Rahmen zu fallen. Ansonsten würde ich mir schäbig vorkommen. Sie stammt aus der Zucht meines Vaters. Die Stute ist zwar zehn Jahre alt, aber ich glaube, sie kann ja gut mein Reittier sein während der Ausbildung“, sagte Kadra etwas scheu und doch mit einem gewissen Stolz in ihrer Stimme.
Einige Augenblicke später wurde Kadra von einem Diener in königsblauer Livrée ins Innere des Palastes geführt. Sie gingen über Treppen und Gänge, durchquerten Hallen und wieder verlor Kadra die Orientierung angesichts dieser Fülle von Räumen, Hallen und Korridoren. Sie schienen alle irgendwie gleich auszusehen. Dann liess der Bedienstete sie vor einer grossen Tür stehen und ging in den Raum. Sie hörte ihn mit einem Mann reden. Kurze Zeit später trat er wieder heraus und öffnete die Tür, damit Kadra eintreten konnte.
„Ah, da bist du ja. Kadra von Lokar, stimmt das?“, fragte ein Mann, der hinter einem mächtig wirkenden Tisch sass, der über und über mit dicken Schriftrollen bedeckt war. Der Mann hielt den Brief von Kadras Vater in den Händen. Er war in rot gekleidet und schien sich irgendwie zu langweilen. Seine braunen Haare hingen ihm strähnig in die ebenfalls braunen Augen. Er strich sich einige Strähnen hinter das rechte Ohr und begann: „Ich bin Lord Kotan von Asken. Ich bin hier für die Ausbildung der Pagen und Knappen zuständig. Ich werde dafür sorgen, dass aus dir eine Ritterin von Gashra wird. Du wirst aber hart arbeiten müssen. Hast du das soweit verstanden?“
„Ja, Lord Kotan“, antwortete Kadra unsicher, „Ich hoffe, dem König und Gashra dienen zu können, Herr. Ich will eine grosse Kriegerin werden.“
„Du wirst drei Jahre als Page hier verbringen. Sobald du die Knappenprüfung überstanden hast, wirst du zum Knappen ernannt. Dann wirst du weitere fünf Jahre in den Diensten eines Ritters stehen. Danach folgt die Prüfung, die dich zur Ritterin machen wird, natürlich nur im Falle du diese Prüfung bestehen wirst.“, belehrte sie Lord Kotan.
Und so begann Kadras Ausbildung zur Ritterin des Reiches Gashra.