/Fortsetzung der Serie Project Albagan. Neue Episoden gibts in geraden Kalenderwochen Samstags ab 20.15 auf http://s-hilgert.blogspot.com //Zum Inhalt: Mit Unterstützung von der Erde sucht das Expeditionsteam nach einer Lösung für ihr Altersproblem. Dafür besuchen sie einen Planeten, der von einer übriggebliebenen Gruppe Chibigo besiedelt wird.
Jack Springer stand ein Stück abseits des Albagan-Portals im Türrahmen, der in die Stadt führte. Ein bizarres Bild bot sich ihm: Mit leisem Surren baute sich vor ihm das Albagan-Portal auf, während Drei weißhaarige Gestalten langsam auf ihn zukamen. An seiner Seite standen bereits vier junge Marines, die die ausgefallenen Soldaten der Inistra-Expedition vorläufig ersetzen würden.
Die weißhaarigen Gestalten traten vom Alter gebückt auf ihn zu.
„Bereit, Jack?“ fragte Dr. Jan Ferden ihn.
„Ich würde dir ja in bester Western-Manier auf die Schulter klopfen als Antwort, aber ich fürchte dann brichst du vollends zusammen.“
Die beiden lachten. Neben ihnen standen Dr. Mary Lu Rosenthal und Captain Mike Hedgefield. Eigentlich hatten auch Dr. Lunovitch und Dr. Carabezzoni mitkommen wollen, aber dann hatte sich Lunovitch beim Frühstück den Arm gebrochen, und so mussten beide zurückbleiben.
Mit einem finalen Pfeifen stabilisierte sich das Portal und der Raum wurde in ein tiefes Blau getaucht. Erst gingen die Marines hindurch, dann folgten die Expeditionsteilnehmer.
Auf der anderen Seite angekommen befand sich die Gruppe in einem Höhlenartigen Gang. Als das Portal geschlossen war sahen sie, dass Licht durch ein Loch in der Decke hinabfiel und die Höhle in schummriges, fast mystisches Licht tauchte. Wasser rann die Wände herab und in einigen Spalten wuchsen Pflanzen. Vorsichtig schritt die Gruppe durch den Gang, der nach etwa zwanzig Metern leicht anstieg und kurze Zeit später aus einem Berg heraus an die Oberfläche führte. Zwei der Marines blieben zurück um einen eventuellen Rückzug sichern zu können. Man war vorsichtig geworden seit dem Überfall auf Thibida.
Eine gute Viertelstunde lang wanderten sie einen schmalen Pfad entlang durch einen dichten grünen Wald, der Jan an seine Besuche bei seinen Großeltern im Schwarzwald erinnerte. Trotz der Idyllischen Umgebung fühlten sie sich beobachtet. Aber niemand konnte etwas erkennen, dass diesen Verdacht bestätigt hätte. Bis mit einem Mal wie aus dem Boden gewachsen eine Figur vor ihnen stand, mit einem langen Gewehr im Anschlag. Seine Kleidung war in einem grün-braun gehalten, mit dem man ihn kaum vom Boden unterscheiden könnte. Er war ein Mensch.
„Hold your fire!“ brüllte der Kommandant der Marines. Die Soldaten senkten ihre Gewehre ein paar Millimeter.
Rosenthal trat vor.
„Mary Lu“, sagte sie und legte dabei ihre Hand auf die Brust. Dann deutete sie mit der Hand auf den Weg den sie gekommen waren und sagte langsam und betont,
„Albagan, val mal Inistra“
Der Mensch zog die Augenbrauen hoch.
„Yillsan Chibigo?“ Ihr seid Chibigo?
“Varak.” Nein.
“Nal yillsan?” Wer seid ihr?
Da sie den Ausdruck für die Erdenbewohner nicht kannte dachte Mary Lu einen Augenblick nach. Dann sagte sie,
„Harrata.“ Hilfe.
Für einen Moment sagte niemand etwas. Dann senkte ihr gegenüber seine Waffe und legte seine Hand auf die Brust.
„Mughag“, sagte er. Dann bedeutete er ihnen ihm zu folgen. Schweigend liefen sie durch den Wald, bis sie zu einer unscheinbaren Gruppe Hütten gelangten, die gut zwischen den Bäumen getarnt waren. Zwei Wächter standen am Wegesrand und hielten die Gruppe an. Mughag wechselte ein paar Worte mit den Wächtern, worauf diese den Weg freigaben. Mughag drehte sich zu ihnen und gab ihnen zu verstehen zu warten.
Jack Springer sah sich um. Die Hütten waren äußerst primitiv, und standen im krassen Gegensatz zu der fast schon verschwenderischen Bauweise der Stadt auf Inistra. Interessanterweise passten die wenigen Wächter die hier umhergingen ganz und gar nicht zu der Primitivität der Siedlung. Irgendetwas stimmte hier nicht recht.
Ein Vorhang öffnete sich an einem der Zelte und heraus kam ein etwa vierzehnjähriges Mädchen, klein gewachsen aber mit einer sicherlich kostbaren rot-goldenen Robe gekleidet. Auf ihren langen, hellblonden Haaren saß ein Hut, der mit goldenen Plättchen belegt war. Sie wurde begleitet von vier Wächtern, die die Neuankömmlinge kritisch musterten.
Das Mädchen neigte würdevoll den Kopf. Dann breitete sie die Arme aus und sagte,
„Alsa Gundal, Hulvan mal Aiwa Sagha“
Mary Lu runzelte die Stirn.
„Aiwa Sagha?“
Gundal lächelte und deutete auf den Boden.
„Aiwa Sagha“ sagte sie. Dann deutete sie auf die Gruppe und sagte,
„Albagan mal Aiwa Inistra“
„Was sagt sie?“ fragte Springer, der kein Wort verstand. Mary Lu lächelte.
„Sie sagt dieser Planet heißt Aiwa Sagha, was auch immer das heißt. Ihr Name ist Gundal, nur aus dem Wort Hulvan werde ich nicht schlau. Es heißt eigentlich Oberhaupt oder Ältester, aber…“
Springer zog die Augenbraue hoch. Der Captain war weniger korrekt. Er lachte los und rief,
„Älteste!? Das ist doch nur ein Kind! Vermutlich spielt sie uns nur einen Streich!“
Rosenthal drehte sich wortlos wieder zu Gundal. In einer gut halbstündigen Konversation, die nicht selten mit Händen und Füßen unterstützt wurde erfuhr Rosenthal, dass Gundal sehr wohl das Oberhaupt war. Denn obwohl ihr Körper erst vierzehn Jahre alt war, zählte ihr Geist bereits über 200 Jahre. Rosenthal staunte.
„Wie ist das möglich?“ fragte sie. Gundal erklärte, dass wann immer ein Oberhaupt dem Tod ins Auge blickte, ein Jugendlicher gesucht wurde, dessen Körper durch das scheidende Oberhaupt in Besitz genommen wurde. Die Erdlinge waren entsetzt ob dieser scheinbar unmenschlichen Tradition. Gundal jedoch versicherte ihnen, dass die meisten ihre Körper freiwillig zur Verfügung stellten, einige wenige aus Patriotismus, die meisten jedoch weil sie ohne Perspektive, ohne Familie, Freunde oder irgendetwas, dass das Leben lebenswert machte vor sich hinlebte. Gundals Körper hatte zuvor einem Mädchen gehört, dessen gesamte Familie kurz zuvor bei einem Brand ums Leben gekommen war. Nach mehreren vereitelten Selbstmordversuchen, hatte sie schließlich ihren Körper geopfert.
Das Mädchen sah sie an.
„Yillsan Hulvana?“ Seid ihr Häuptlinge?
Rosenthal schüttelte den Kopf und erklärte was vorgefallen war. Gundals Augen weiteten sich als sie von den Vorfällen auf Inistra erzählte.
„Yillsan gun vaghe Chibigo.“ Ihr seid wirklich keine Chibigo.
Rosenthal nickte. Gundal erklärte, dass alle Chibigo von Hulyägh wussten, dem Projekt, welches die Fuetron ausrotten sollte. Der Fehlschlag hatte die ersten Abspaltungen innerhalb der Rebellen herbeigeführt und war der Anfang vom Ende gewesen. Rosenthal wollte gerade weiter danach fragen, als Gundal sie fragte, wo sie denn herkommen würden wenn sie keine Chibigo seien. Da Rosenthal keine Übersetzung für das Wort ‚Erde‘ kannte begann sie zu beschreiben, was sich als durchaus schwierig herausstellte. Als Rosenthal bei den Meeren angekommen war, die bekanntlich große Flächen der Erde ausmachen legte Gundal den Kopf schief. Sie bat Rosenthal aufzuhören und redete leise mit einigen ihrer Begleiter, die bisher im Hintergrund geblieben waren.
„Yillsan mal Blou Aiwa?
„Blou Aiwa?” fragte Jan.
Rosenthal schlug sich an die Stirn.
„Natürlich,“ rief sie aus, „Blou Aiwa, Blauer Planet.“
Gundal machte ein besorgtes Gesicht und wollte gerade etwas sagen,als Jan die Hand hob und Gundal geradeheraus fragte, ob man den Prozess rückgängig machen konnte.
Schweigen.
Dann sagte Gundal vorsichtig, dass sein Körper ja tatsächlich gealtert sei. Und es gäbe keinen Baum der Jugend, weder auf Segha noch auf Inistra.
„Baum der Jugend?“ raunte Jan Rosenthal zu.
„Vermutlich eine Art Jungbrunnen“ gab sie zurück. Plötzlich meldete sich der Captain zu Wort,.
„Sagten sie nicht die Phagen seien programmiert gewesen?“ fragte er.
Rosenthal nickte.
„Dann müsste es doch eigentlich auch möglich sein sie so umzuprogrammieren, dass sie unsere ursprüngliche DNA wiederherstellen.“
Rosenthal gab die Frage gleich an Gundal weiter, deren kindliche Augen plötzlich aufleuchteten. Ja, sagte sie, das sei möglich, wenn so lange es eine DNA Probe von jedem gäbe. Rosenthal übersetze für Jack Springer, der sofort Anstalten machte zurückzugehen um die Proben zu holen. Gundal hielt ihn auf und gab ihnen zu verstehen, dass sich das nötige Equipment auf Inistra selbst befände.
Aber sie hätten doch alles durchsucht, wunderte sich Rosenthal.
Gundal lächelte schief. Es sah süß aus auf dem Gesicht des jungen Mädchens, als sie antwortete, es gäbe ein geheimes Labor auf Inistra, in dem die Waffe erforscht worden war. Rosenthal überzeugte Gundal, dass sie sofort aufbrechen sollten. Gundal wies vier der Wächter an sie zu begleiten, und gemeinsam gingen sie zurück zum Albagan Portal. Auf dem Weg fragte Rosenthal, wie alt ihr Geist denn eigentlich sei. Gundal lächelte.
„Tethaz sunathes“ Dreihundert Jahre. Rosenthal klappte der Kiefer herunter. Das hieß ja, dass dies bereits mindestens der vierte Körper Gundals sein musste. Rosenthal schüttelte ungläubig den Kopf.
Als sie keine halbe Stunde später in Richtung Biolabor marschierten war Jan noch immer überrascht über Gundals Reaktion auf den Besuch auf Inistra. Sie hatte leicht verstört gewirkt wider hier zu sein hatte Jan das Gefühl, und doch bewegte sie sich mit einer Entschlossenheit und Zielstrebigkeit die ihresgleichen suchte.
Im Labor angekommen bewegte sie sich auf den mittleren Teil zu. Schweigend besah sie sich die Wand. Eine kleine Lampe leuchtete daran hängend, und zwei Regale bedeckten dieselbe fast komplett. Nach kurzem Zögern zog Gundal an der Lampe, und gab einen Code in ein winziges Tastenfeld auf der Hinterseite der Lampe ein. Mit einem lauten Scharren schwang eins der Regale zur Seite weg und entblößte einen dunklen, rohen Gang im Gestein. Jack nahm eine Taschenlampe ein ging in den Raum hinein. Die anderen folgten ihm. Die Kanten des rohen Gesteins warfen unheimliche Schatten an die Wände. Nach etwa zwanzig Metern weitete sich der Gang plötzlich, und vor ihnen lag ein dunkles kleines Labor, versteckt und geheim im Fels gebaut.
Gundal leuchtete mit einer stabförmigen Lampe in den Raum und entdeckte eine kleine Konsole an der Wand. Zwei Tastendrücke später wurde das Labor in helles Licht getaucht. Zielstrebig nahm Gundal eins der Reagenzgläser, welches den Aufdruck Ferden-10/26/10 trug. Gundal nahm das Glas und steckte es in einen klobig aussehenden Apparat, welcher die Stirnseite der ovalen Höhle ausfüllte.
Das Mädchen drückte ein paar Knöpfe, und die Maschine gab ein lautes Summen von sich. Fünf Minuten später zog Dr. Carabezzoni eine milchige Flüssigkeit in eine Spritze, die er Jan dann in den Arm drückte. Erst passierte nichts. Dann färbte sich das Haar des Physikers langsam wieder schwarz. Die Hautfalten verschwanden und der vom Alter gebeugte Rücken richtete sich wieder auf. Jan lächelte glücklich.
„Mann,“ sagte er lachend, „was seht ihr alle alt aus!“
Erlösendes Gelächter überfiel die Gruppe, und sie machten sich wieder an die Arbeit auch die anderen zu heilen.
Nach gut fünf Stunden war auch der letzte versorgt, und das Team auf Inistra wieder fast vollzählig. Gundal lächelte froh. Der Captain wollte sie zwar gerne einladen den Abend auf Inistra zu verbringen, aber ohne Koch gab es nur das typische Army-Food, was auch liebevoll als recycelte Innereien bezeichnet wurde. Also gingen sie alle zurück nach Sagha um dort zu feiern. Interessanterweise war auch hier ein Großteil der Siedlung unterirdisch gebaut, lediglich der Essenssaal hatte eine Glaskuppel, die sich über die Oberfläche erstreckte. Durch diese konnten sie nun das Farbspiel der untergehenden Sonne beobachten, während das Team von der Erde ihnen völlig unbekannte Speisen kosten durfte. Die Chibigo erwiesen sich als überaus Gastfreundlich und der Abend verlief einfach toll.
Bis plötzlich ein uniformierter Soldat hereinplatzte und kreidebleich auf Gundal einredete. Er zeigte nach oben durch das Glasdach, durch welches man nun einen violetten Fleck ausmachen konnte, der sich rasch ausbreitete. Plötzlich breitete sich Panik im Raum aus. Leute schrien und deuteten immer wieder auf den lila Fleck im Himmel. Jan und die anderen standen hilflos inmitten dieses Chaos. Rosenthal wollte gerade fragen was los war, als sich ein riesiges zylindrisches Objekt aus dem Fleck schälte. Es war lang und vorne abgeflacht, mehr konnte man aus der Distanz nicht erkennen. Schwarz war es, und obwohl jegliche Referenz fehlte wussten sie alle, dass das Objekt riesig sein musste. Und es hielt auf die Oberfläche des Planeten zu.
Plötzlich stand Gundal neben ihnen und erklärte, es handle sich um Piraten und sie müssten helfen den Planeten zu verteidigen. Ein Angebot zur Revanche, welches die Erdenbewohner nur zu gerne annahmen. So griffen sie sich ihre Waffen und stürmten nach draußen, wo bereits heftig gekämpft wurde. Die Piraten hatten eine Art Beiboot absteigen lassen, in dem gute fünfzig Männer Platz hatten, und die nahmen nun die Bewohner Saghas unter Feuer. Weitere Boote stiegen vom Himmel, klobig und schwarz und von laut fauchenden Düsen in der Luft gehalten. Das Mutterschiff feuerte indes mit vier riesigen Kanonen wahllos auf den Boden.
Sergeant Charleston und seine Soldaten waren vorgeprescht und standen nun den Piraten Auge in Auge gegenüber. Es handelte sich ebenfalls um Menschen, doch ihre Gesichter warn mit blutroter Farbe bedeckt und ihre Rüstungen waren zerschrammt und zerbeult. Die meisten trugen einen dunkelbraunen Harnisch aus Leder und Metall, dazu einen Helm mit einem furchterregenden Stachel am Hinterkopf und eine längliche Schusswaffe, die kleine Explosivgeschosse feuerte. Die Rüstungen waren ein viel besserer Schutz gegen Kugeln, als Charleston gehofft hatte, und so war ihre Aufgabe um einiges schwerer als angenommen.
Jan Ferden, der praktisch nie ein Gewehr in der Hand gehalten hatte kämpfte verbissen mit einer großen Pistole in der einen und einem Set Wurfsterne in der anderen. Er war viel in der Welt herumgekommen und hatte sich im Umgang mit den Sternen geübt, als er zwei Monate in China festsaß. Er hatte eine große Anzahl nach Inistra und jetzt auch Sagha mitgenommen, obwohl er gar nicht so genau sagen konnte warum. Aber es war sein großes Glück, denn so erledigte er einen Piraten nach dem anderen.
Jack Springer hielt sich im Hintergrund. Für ihn war alles gut, solange er kein Blut sehen musste, also war im Moment eigentlich gar nichts gut. Mit Müh und Not hielt er sich auf den Beinen, während das Kampfgeschehen gute fünfzig Meter von ihm entfernt stattfand. Er bewachte dabei einen kleinen Eingang, eine Aufgabe die ihm Gundal gnädigerweise zugeteilt hatte nachdem er seine Schwäche gebeichtet hatte.
Captain Mike Hedgefield dagegen war beschmiert mit dem Blut eines Gegners, der so nah herangekommen war, dass er zum Messer hatte greifen müssen und dem Mann die Kehle aufgeschlitzt hatte. Zwei Meter neben ihm verteilte Jan Ferden geschickt seine Wurfsterne, doch auch die würden irgendwann aufgebraucht sein. Die Piraten hatten eine Taktik eingesetzt, die Charleston aus dem Irakkrieg als ‚Shock and Awe‘ kannte. Sie hatten die Seghaner in die Enge gedrängt und warn so nah herangekommen, dass sich die Maschinengewehre der Menschen als weniger nützlich als im Fernkampf herausgestellt hatten. Die Piraten metzelten sich dagegen geradezu durch die Reihen, da ihre länglichen Gewehre vorn mit einer Art Bajonett ausgestattet waren. Aus dem Augenwinkel sah der Captain, wie Mary Lu Rosenthal eins dieser Gewehre nahm um die Piraten im wahrsten Sinne des Wortes mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. ‚Hoffentlich klappt es’, dachte der Captain, während er einen Piraten aufs Korn nahm, der an seinem Bajonett ein ausgestochenes Auge hängen hatte.
Rosenthal verstand nun, warum die Siedlung unter der Erde Gebaut war: Ein Stück rechts von ihr schlug gerade ein Explosivgeschoss des Mutterschiffs ein und machte aus einem uralten Baum ein Häuflein Asche. Die Geschosse konnten der Siedlung so wenig anhaben, allerdings halfen sie den Piraten ordentlich Verwirrung zu stiften. Sie hoffte allerdings, dass es den technisch überlegenen Seghanern gelingen würde die deutlich in der Überzahl angreifenden Piraten abzuwehren. Entschlossen nahm sie die Waffe fester in die Hand und schoss weiter auf die Piraten.
Die Seghaner waren zum Glück auf den Angriff zumindest insoweit vorbereitet gewesen, als dass sie einige stationäre Waffen besaßen, die nun ebenfalls auf die Piraten gefeuert wurden. Es handelte sich um schnell feuernde Gewehre, die mehrere tausend Schuss extrem harter Projektile pro Minute abfeuern konnten. Zoe Williamson saß in einem unterirdischen Kontrollraum vor vier Bildschirmen, die jeweils zwei Blickwinkel auf je ein Ziel zuließen. Mit jeder Hand bediente sie ein Gewehr, genauso wie fünf andere Personen mit ihr. Vorsichtig, um nicht ihre eigenen Leute aufs Korn zu nehmen verarbeitete sie die Piraten zu Hackfleisch.
Jan Ferden wollte gerade seinen letzten Wurfstern werfen, als ihm der Pirat, den er ins Jenseits befördern wollte in den Fuß schoss. Jan schrie auf und stürzte zu Boden. Der Stern entglitt seinen Händen, während er auf die Knie ging. Der Pirat vor ihm lachte hämisch und legte sein Gewehr an. In diesem Moment fuhr ihm eine Kugel ins Gesicht und er fiel rücklings hin. Das Gesicht des Captains beugte sich über Jan. Der Befehlshaber streckte ihm die Hand hin. Jan ergriff sie dankbar und stützte sich auf seinen unverletzten Fuß. Dann griff der in seine Tasche und zog seine Handgranaten heraus.
Der Captain sah, wie die Granate flog und die Gegnergruppe vor ihnen regelrecht niedermähte. Zur Gleichen Zeit schallte ein „Get Down!“ über das taktische Funknetz, und kaum, dass sie lagen mähte eine Schnellfeuersalve die Gruppe dahinter um. Das Blatt begann sich zu wenden. Der Captain gab den Befehl Granaten gegen die Feinde einzusetzen und war heilfroh, dass Charleston als Sicherheitschef darauf bestanden hatte für den Notfall eine komplette Kampfausrüstung mitzunehmen. Thibida sollte sich nicht wiederholen.
Williamson sah über ihre Monitore, wie sich das Feld langsam lichtete. Die ersten Piraten flohen schon und schleppten dabei Geiseln mit in ihre Boote. Sie zögerte, doch der kurze Hinweis darauf, was das Leben als Sklave der Piraten bedeutete ließ sie den Steuerungshebel durchdrücken. Ein Boot nach dem anderen fiel wie ein Stein zu Boden. Gundal sah sie traurig an, bedeutete ihr aber auch für die Geiseln das bessere getan zu haben. Williamson sah dabei einen tiefen Schmerz in den Augen des weisen Mädchens.
Eine halbe Stunde später war das Schiff der Piraten unter lautem Getöse und mit einigen finalen Schüssen verschwunden. Der Boden vor und um die Siedlung war Blutgetränkt und voller Leichen, die meisten waren die von Piraten. Der Captain, noch immer blutverschmiert, stapfte müde zurück in Richtung Eingang, sehr zum Unglück Jack Springers. Dieser nämlich konnte beim Anblick des Expeditionsleiters nicht mehr an sich halten, und kotzte Hedgefield zur Begrüßung auf die Stiefel, was dieser mit einer sehr ungehaltenen Bemerkung quittierte.
Jan und Mary Lu indes trafen auf dem Schlachtfeld mit Gundal zusammen, die nach Überlebenden suchte.
Ob es eine Möglichkeit gäbe die wenigen Gefangenen noch zu retten, fragte Jan. Gundal schüttelte traurig den Kopf.
Nein, sagte sie, die Piraten reisen seit Jahrhunderten durch die Dimensionen und sind Meister im Verwischen ihrer Spuren.
Wo sie herkämen, fragte Rosenthal. Gundal zuckte mit den Schultern.
Vermutlich, antwortete sie, seien sie eine weitere Abgespaltete Gruppe der Chibigo. Vermutlich hatten sie Probleme mit ihrer neuen Umgebung und fingen daraufhin an Chibigo zu jagen und als Sklaven zurück an die Fuetron zu verkaufen. Ein furchtbares Schicksal warte auf die, die von den Piraten gefangen würden.
Während sie auf nun schweigend auf dem Schlachtfeld standen, senkte sich langsam die Nacht auf sie herab. Ein schwacher Mond ging auf. Kein Sterin stand am Firmament, ein Phänomen, welches sie auch schon auf Inistra beobachtet hatten. Rosenthal fragte Gundal danach, weil sie es sich nicht erklären konnte. Gundal reagierte verwundert, dass sie es nicht wusste.
Die Siedlungen der Chibigo-Rebellen seien in Dimensionsblasen eingeschlossen, erzählte sie, kleine künstliche Gebilde deren Größe auf ein kleines Sonnensystem beschränkt war. Es war mit großem Aufwand verbunden ein Sonnensystem aus einem Universum abzukapseln, aber es ging. Und es war ein sehr wirkungsvoller Schutz gegen die Fuetron. Lediglich die Piraten hatten es geschafft Schiffe zu bauen, die zwischen den Dimensionen hin und her springen konnten. Den Fuetron dagegen war der aktive Kampf langweilig geworden, und so hatten sie ihre Experimente aufgegeben und bezahlten nun die Piraten dafür ihnen hin und wieder eine Ladung Sklaven zukommen zulassen.
Was sie vorhätten zu tun, fragte Rosenthal Gundal. Diese zuckte mit den Schultern.
Die Toten beweinen und weiterleben. So wie immer, antwortete sie. Rosenthal sah ihr fest in die Augen.
Wir sind noch neu und unerfahren in dieser Gegend des Universums, aber wir sind auf euren Hilferuf hin gekommen. Wenn wir helfen können werden wir es tun.
Gundal lächelte. Sie legte den Kopf schief und flüsterte, der Große Hilferuf, noch so ein Fehlschlag. Als Rosenthal nachfragte wollte sie aber nicht weiter darauf eingehen.
„Irgendwie sind sie doch seltsam, oder?“ raunte Jan ihr ins Ohr.
„Vielleicht wird man so, wenn man dreihundert Jahre lang in vier verschiedenen Körpern gelebt hat…“
Aufgrund der Schlacht bestanden sowohl die Menschen als auch die Chibigo darauf die Festlichkeiten zu unterbrechen. Die Menschen halfen noch das Schlachtfeld aufzuräumen, eine äußerst unangenehme Aufgabe, aber sie fühlten sich dazu verpflichtet, wofür die Chibigo wiederum sehr dankbar waren. Trotzdem war es den Menschen traditionsgemäß als Nichtmitglieder der Siedler nicht erlaubt der Bestattungszeremonie beizuwohnen. Mit warmen Worten verabschiedete Gundal die Menschen und ließ sie in der stillen Dunkelheit der Nach davonziehen.
„Sie erinnert mich irgendwie an meine Tochter,“ lachte Carabezzoni.
„Wer, Gundal?“ fragte Jan überrascht.
Carabezzoni nickte.
„Wie alt ist sie denn?“
„Acht,“ lachte der Arzt, „aber sie ist auch bildhübsch und klug.“
Jan lachte.
„Wo auch immer wir hingehen,“ zitierte er, „immer werden wir etwas von uns selbst finden…“
Carabezzoni lächelte.
„Sempre“, flüsterte er und trat in das Portal nach Inistra.