Es handelt sich hierbei um eine Kurzgeschichte die ich vor 5 Jahren verfasst habe. Es geht um einen Assassinen der einen Auftrag erhält. Bei dem Versuch, seine Mission zu erfüllen, muss er erkennen, dass nichts so ist wie es scheint!
Altair wusch sich die Hände, um das Blut an seinen Fingern loszuwerden. Als hochrangiger Assassine war es natürlich nicht sein erster Mord gewesen. Aber das sein Opfer weiblichen Geschlechts war, brachte ihn doch etwas aus der Fassung. Natürlich war sie verantwortlich für das Leid, dass das Volk von Renoo heimgesucht hatte und deshalb war auch seine Tat gerechtfertigt, da war er sich sicher, außerdem würde er nie den Willen des Clan-Herrschers in Frage stellen. Aber eine Frau? Was zum Teufel treibt eine Frau zu so scheußlichen Taten?
„Altair!“, eine vertraute Stimme riss den Assassinen aus seinen Gedanken. „Hörst du mir überhaupt noch zu? Warum denkst du über deine Tat nach. Es war ein einfacher Mord, genau wie jeder andere.“
„Nein, genau das entspricht nicht der Wahrheit“, erwiderte Altair mit seiner düsteren Stimme. „Es war eine Frau, Claude. Eine Frau, verstehst du nicht? Was treibt ein so edles Geschöpf, zu solch schlimmen Taten?“
Sein Gegenüber musste unwillkürlich lächeln. „Du bist ein alter Charmeur, mein Freund. Und jetzt hör’ auf darüber nachzudenken und melde dich beim Führer, er hat nach dir verlangt.“ Ohne eine Antwort abzuwarten verließ Claude den kleinen Waschraum in der Unterkunft der Assassinen. Altair rümpfte die Nase, zog sich seine weiße Kutte wieder an und verstaute dann seine Ausrüstung, welche aus zahlreichen Wurfmessern, einem Lang- und einem Kurzschwert, sowie einigen Gifttränken, bestand. Ein letzter prüfender Blick in den Spiegel, offenbarte ihn, dass seine Narbe, welche er sich vor ungefähr zehn Jahren in einem Hinterhalt zuzog, unter dem linken Auge wieder einmal rötlich blitze. Das geschah immer wenn er sich zu sehr aufregte oder sich Gedanken über eines seiner Opfer machte. Auch wenn er aus seinen zahlreichen Alpträumen erwachte, war dies der Fall. Wenigstens schmerzte die Narbe zurzeit nicht. Er machte sich oftmals Gedanken über seine Opfer und über das was sie kurz vor ihrem letzten Atemzug zu ihm sagten, auch wenn die anderen das als eingemachten Blödsinn abtaten. Das war wohl mit einer der Gründe, warum er im Clan nicht sonderlich viele Freunde hatte, obwohl er durchaus von jedem respektiert und von manchen sogar schon als der nächste Clan Führer gehandhabt wurde. Altair war sowieso lieber ein Einzelgänger, er zog es immer schon vor, so wenig Freunde wie möglich zu haben. Denn je mehr Freunde man hat, desto mehr Menschen können sich gegen einen verschwören, pflegte er immer zu sagen. Altair stieß einen letzten leisen Seufzer aus und verließ dann ebenfalls den Waschraum um Baltamus Korens, den Clan-Führer, aufzusuchen.
„Ich bin sehr stolz auf dich, Altair“, sagte Baltamus. „Unter uns gesagt: Du bist mein bester Assassine und ich wäre stolz eines Tages meinen Platz für dich zu räumen. Doch zwei Dinge musst du noch lernen, mein Schüler. Zum Einen musst du deinen Stursinn abschalten mein Freund. Denn diese Sturheit wird dich eines Tages vielleicht zu Fall bringen. Und zum Zweiten musst du endlich aufhören deine Taten, und somit meine Autorität in Frage zu stellen.“ Bis jetzt hatte Altair nur schweigend dagestanden und seinem Führer in der dunkelblauen Kutte aufmerksam zugehört. Nun musste er allerdings seinerseits einige Worte los werden. „Mein Führer“, begann er. „Nichts liegt mir ferner, als Eure Autorität in Frage zu stellen, doch bei allem Respekt auch ich bin nur ein Mensch, ob gut oder böse, dass obliegt nicht mir zu entscheiden. Doch als eigenständiger Mensch muss ich doch das Recht haben Reue zu zeigen und über meine Taten nachzudenken. Ist dass nicht das, was ihr uns bei . . .“ Baltamus brachte seinen Schüler mit einer Handbewegung zum Schweigen. „Höre zu, mein Schüler. Selbstverständlich bist du ein eigenständiger Mensch und selbstverständlich hast du das Recht auf deine eigene Meinung. Allerdings muss ich mir sicher sein, dass du voll und ganz hinter mir stehst, denn die Aufträge die ich für dich habe, sind von äußerster Wichtigkeit. Kann ich dir vertrauen, Altair?“
„Natürlich, Baltamus Korens.“
„Gut“, sagte der nur. „Wie dir selbstverständlich bekannt ist, hast du bereits sieben mächtige Männer ausgeschaltet, um diesen fürchterlichen und sinnlosen Krieg ein schnelles Ende zu bereiten. Sieben Städte stehen nun ohne richtigem Heer da und könnten sofort überrannt werden. Und das wird auch geschehen, es gibt nämlich noch eine achte Stadt. Risao Zamusi, der Herrscher, dieser Stadt namens Seili ist schon dabei ein riesiges Heer aufzubauen und all die anderen Städte zu erobern und zu vernichten. Das darfst du nicht zu lassen, Altair. Wenn Risao Zamusi getötet wird, dann ist keine dieser acht Städte mehr kriegsfähig und das Morden ist endlich zu Ende. Überlebt Risao allerdings, dann wird auch dieser Clan keine Zukunft haben, mein Schüler. Bist du bereit einen letzten großen Auftrag zu übernehmen, um diesen Krieg zu stoppen?“ Altair nickte. „So sei es“, erwiderte Baltamus. „Hör mir jetzt genau zu“, sagte er und schilderte seinem Schüler kurz darauf, was er zu beachten habe.
Altair war gestern in Seili angekommen und hatte sich noch am selben Abend eine Unterkunft, in der Nähe der Stadtkirche gesucht. Heute früh hatte er sich schon etwas umgehört und erfahren, dass Risao Zamusi jeden zweiten Tag in eben diese Kirche zum beten ging. Morgen war es wieder so weit und der Assassine hatte vor, nach dem Gebet zuzuschlagen. Ihn in der Kirche oder während seinen Gebeten zu ermorden, würde gegen den Assassinen Kodex verstoßen. Altair schlenderte gerade durch den Stadtmarkt und sah sich nach einem Fluchtweg um, den er nach dem Anschlag verwenden konnte. Der Gestank von vermoderten Fisch stieg ihm in die Nase und all die dickbäuchigen Standbesitzer bewarfen den Assassinen beinahe schon mit ihren Waren. Seilin war eine ziemlich heruntergekommene Stadt, die Backsteinhäuser waren allesamt sehr eng aneinander gereiht und schienen jeden Moment in sich zusammenzubrechen. Plötzlich nahm Altair ein ungewöhnliches Geräusch in einer engen Seitengasse wahr. Er entschied sich nach der Ursache zu forschen. Mit der rechten Hand am Schwertknauf schritt der Meuchelmörder in die Gasse, sein Blick untersuchte sofort jedes noch so kleine Detail. Auf einmal sah er eine Frau vor sich stehen. Sie hatte wunderschönes braunes Haar, welches bis zu den Hüften herabhing. Mit ihren kastanienbraunen Augen sah sie ihn liebevoll an.
„Marie?!“, krächzte Altair. Marie war Altairs Geliebte, bis er sie vor drei Jahren bei einer seiner Missionen verlor. Sie war in derselben Stadt und wartete auf seine Rückkehr. Es sollte sein letzter Auftrag sein, doch irgendwie hatte sein Opfer herausgefunden, dass Marie in der Stadt war und hatte sie vor den Augen Altairs mit einem seiner eigenen Gifttränke ermordet. Maries Mörder wurde kurz darauf selbst von Altair ermordet und dieser beschloss weiterzumachen. Wozu hätte er denn auch aufhören sollen? Schließlich gab es keine Marie mehr. Und nun stand sie plötzlich lebendig vor ihn. Oder war es nur Illusion. Illusion oder nicht, sie deutete Altair näher zu kommen. Er tat wie ihm Geheißen, doch noch bevor er sie berühren konnte, erschallte ein lauter Knall und eine dicke Rauchwolke entstand zwischen den beiden. Als sich der Rauch wieder gelöst hatte, war Marie verschwunden. „Also doch nur, eine Illusion“, murmelte Altair enttäuscht und ging wieder zurück auf den belebten Markt. So wie es aussah hatten die Menschen nichts von dem Knall und der Rauchwolke mitbekommen, denn das fröhliche Preisfeilschen und Waren anbieten schien endlos lange weiterzugehen. Altair beschloss seine Nachforschungen zu beenden und sich für den morgigen Tag vorzubereiten.
Es war zehn Uhr Früh, als sich Altair seine Kutte anlegte und seine Ausrüstung verstaute. Da die Messe erst in zwei Stunden beginnen und eine weitere andauern würde, beschloss der Assassine sich mental auf seinen Auftrag vorzubereiten. In die Mitte seines Zimmers in der Herberge, stellte er ein Dutzend brennender Kerzen auf. Er setzte sich in voller Kampfmontur in die Mitte, verschränkte seine Beine und schloss die Augen. Kurz darauf begann er, in lateinischer Sprache, ein altes Kampflied der Assassinen zu summen.
Um kurz vor dreizehn Uhr hatte Altair sein Ritual beendet und erwachte aus der Trance. Mit steinerner Miener verließ er die Herberge und machte sich auf den Weg zur nahegelegenen Kirche. Kurz nach seinem Eintreffen, hörte er auch schon die Glocken läuten, was bedeutete dass die Messe zu Ende war und Risao Zamusi bald die Kirche verlassen würde. Natürlich würde er nicht alleine sein, deshalb musste Altair nachher entweder sehr schnell sein oder aber auch die Leibwächter töten. Letzteres sollte allerdings nur geschehen, wenn es gar nicht anders ginge. Die Kirchentür flog förmlich auf und Risao, nur mit einem dünnen Seidenhemd und khakifarbenen Stoffhosen bekleidet, trat ins Freie. Sofort kamen sechs Männer mit schwerer Rüstung und voll bewaffnet um die Ecke und schirmten den Herrscher Seilis ab. Altair hielt mit seinem Opfer schritt, allerdings ging er auf den Dächern um die Stadt und die mögliche Route der kleinen Kolonne überblicken zu können. Altair hatte beschlossen diesmal aus der Ferne zu agieren, um sich das Geschwätz seines Opfers nicht anhören zu müssen. Er glaubte dies sei auch in Baltamus Korens Sinne. Gerade kam die kleine Kolonne an eine Weggabelung, als Altair blitzschnell eines seiner Wurfmesser zog und ganz genau in Risao Zamusi’s Hals traf. Sofort ging der Herrscher zu Boden, eine Blutlache bildete sich unter seinem leblosen Körper. Seine Beschützer hatten sich relativ bald wieder unter Kontrolle waren aber lange genug überrascht, um Altair die Möglichkeit zu eröffnen, die Flucht zu ergreifen. Sofort hetzten ihn die Soldaten hinter her. Der Assassine hatte seine Verfolger doch etwas unterschätzt, denn als er zurückblickte erkannte er, dass sie doch näher waren als er ursprünglich dachte. Dennoch schaffte er es nach knapp dreißig Minuten, alle Verfolger abzuschütteln und in einem nahegelegenen Wald unterzutauchen. Endlich wiegte er sich in Sicherheit und als er gerade seine Ausrüstung kontrollieren wollte, spürte er kalten Stahl an seinem Hals. Langsam drehte sich Altair um, um seinen Angreifer in die Augen sehen zu können. Vor ihm stand ein fünfzehnjähriger Junge, der angespannt dreinblickte. Auf Grund seines Alters, konnte er seine Ausbildung erst vor wenigen Tagen oder Wochen beendet haben, mutmaßte der Assassine.
„Keine Bewegung, oder ich töte dich“, drohte der kleinwüchsige Junge. Er bemühte sich redlich furchteinflößend zu klingen, dieses Vorhaben misslang ihn allerdings.
„Hör zu, du Wicht“, erwiderte Altair mit seiner düsteren und bedrohlichen Stimme. Alleine dieser kurze Satz schien den kleinen Funken Selbstvertrauen des Jungen vernichtet zu haben. „Ich habe nichts gegen dich und ich will dich auch nicht töten, aber wenn du mir nicht auf der Stelle aus den Weg gehst und schön brav nach Hause läufst, dann lässt du mir nun einmal keine andere Wahl.“
„Du hast meinen Herrscher getötet!“, fauchte ihn der Junge mit Tränen ringend an.
„Deinen Herrscher?“, spottete Altair. „Du hast doch keine Ahnung warum du Risao gefolgt bist. Verschwinde oder ich muss dich töten.“
Plötzlich holte der Junge zum Hieb aus und blitzschnell fuhr Altairs Hand unter seine Kutte und holte das Kurzschwert hervor. Die Klinge grub sich in das Herz des Jungen, welcher sein Schwert fallen ließ und krächzend zu Boden fiel. Er lebte noch. Altair wollte ihn nicht leiden lassen und drehte ihn auf den Rücken. „Es tut mir leid“, flüsterte er. „Möge Gott deiner Seele gnädig sein.“ In Sekundenschnelle durchschnitt er dem jungen Mann die Kehle und beendete somit sein kurzes Leben. Altair hoffte, dass nicht noch mehr Soldaten seine Fährte wieder aufgenommen hatten und beschloss einen See oder Bach zu suchen, um das Blut seines jüngsten Opfers abwaschen zu können. Danach würde er seine Reise fortsetzen. Nur noch zwei Tagesmärsche trennten ihn von seiner Heimat und somit vom Lobe Baltamus Korens’.
Ein bisschen weniger als einen Tagesmarsch hatte Altair noch vor sich, als er weit in der Ferne dichte schwarze Rauchwolken aufsteigen sah. Die Rauchwolken kamen von ungefähr dort wo die Städte Renoo, Rimai, Krava, Desta, Octo und Quadell ihren Standort hatten. Und auch aus der Richtung der Assassinen Unterkunft stiegen dicke Rauchwolken auf. Altair begann zu rennen um schneller an den Ort des Geschehens zu kommen. Was war nur mit seiner Heimat und all den Städten passiert? Er war schon eine Stunde unterwegs, als er mitten auf dem Weg einen regungslosen Körper in weißer Kutte liegen sah. Schnell drehte er den leblosen Körper um und erschrak sogleich als er sah, wer von der Kutte verschleiert war. Es war Claude, sein einziger wirklicher Freund unter den Assassinen. Schnell schleifte Altair seinen Freund vom Weg hinunter und tastete nach seinen Puls. Claude war noch am Leben! Nach einiger Zeit schaffte er es ihn wieder aufzuwecken. Claude sah schwach und verwirrt in Altairs ebenfalls verwirrtes Gesicht.
„Altair“, sagte er leise. „So habe ich dich doch noch gefunden, alter Freund.“
„Schone deine Kräfte“, erwiderte Altair. „Sag mir nur, warum bist du hier und was ist mit all den Städten und unserer Unterkunft geschehen?“
„Baltamus“, stammelte Claude. „Er . . . er ist . . . er . . . hat uns verraten, Altair. Dich, mich und . . . eine handv“, Claude spuckte einmal aus. „Und eine handvoll anderer treuer . . . Ass . . . Assassinen.“ Claude versuchte sich etwas zu beruhigen. Altair starrte seinen Freund ungläubig an. „Baltamus ein Verräter? Aber wieso?“
„Er wollte, dass du Altair . . . all die Herrscher aus dem Weg räumst da . . .m . . .damit er all die . . . St . . . Städte unterwerfen kann. Er ist völlig durchgedreht. Und nun . . . da du der einzige Assassine bist der noch am Leben und bei vol . . . vollen Kräften und Verstand ist musst du ihn aufhalten. Er ist mittlerweile bestimmt schon in Seili angekommen. Du . . . du musst . . . ihn aufhalten, Altair.“ Dies waren Claudes letzte Worte und Altair war den Tränen nahe. Sein Mentor ein Verräter? Sein bester und einziger Freund tot? All die anderen Assassinen Verräter? Er begrub seinen Freund uns sprach ein stilles Gebet. Gleich darauf machte er sich auf den Rückweg nach Seili um Baltamus Korens und seine Schar zur Rechenschaft zu ziehen. Außerdem würde er all die unterdrückten Völker befreien, dass schwor er Claude und auch sich selbst, egal wie viele Menschenleben sein Vorhaben noch kosten würde.
Altair hatte auf einer Anhöhe, knapp dreihundert Meter vom Haupttor der Stadt Seili entfernt Stellung bezogen und richtete sich einen Plan zu recht. Mit etwas Glück waren die Assassinen ihrem Herrscher nicht freiwillig gefolgt, sondern standen unter einem bösen Zauber. Wenn dem so war, dann musste er lediglich Baltamus Korens töten und all die anderen Assassinen würden wieder zu selbstständig denkenden Menschen werden. Wenn sie ihrem Herrscher allerdings doch aus freien Stücken gefolgt sind, so würde es für Altair umso schwieriger werden mit dem Leben davonzukommen. Er verharrte bis zum Einbruch der Dunkelheit auf der Anhöhe und als diese zwei Stunden später schließlich hereinbrach, begann Altair sich der Stadt zu nähern. Sie war wohl schon unter Baltamus’ Kontrolle, denn die Wachposten waren allesamt Assassinen, allerdings hatten diese keine weißen Kutten mehr an, sondern rote. Altair war verwundert, dachte aber nicht weiter darüber nach. So sehr er diese Leute auch verabscheute, einen Assassinen zu töten, widersprach gegen den Ehrenkodex, den er nun leider brechen musste. Er konnte unmöglich an Baltamus herankommen, ohne vorher einige Assassinen aus dem Weg geräumt zu haben. Er würde einfach versuchen, so wenige Clan Mitglieder wie möglich zu töten, um zu Baltamus gelangen zu können. Wie ein Schatten so schnell und wie eine Katze so geschickt und leise, lief Altair auf die beiden Wachen zu und tötete sie mit einem kurzen Schwerthieb. Lautlos fielen die beiden beinahe gleichzeitig zu Boden. Altair versteckte ihre Leichen hinter einem nahegelegenen Baum und kletterte dann die Stadtmauer entlang. Oben angekommen, tötete er eine weitere, allerdings schlafende, Wache. Auch diesen Mord vollzog er äußerst lautlos. Eine Stunde lang schlich er auf Dächern und an Hausmauern entlang und versuchte den Assassinen aus dem Weg zu gehen. Schließlich konnte er unbemerkt in ein verlassenes Haus in der Nähe des Hauptplatzes eindringen und dort die Nacht verbringen. Am nächsten Morgen wurde er durch eine ihm sehr gut bekannte Stimme geweckt, welche vom Hauptplatz aus, zu ihm vordrang. Es war Baltamus Stimme, der vor seinen Schergen gerade eine Rede hielt. Altair schlich auf das Dach hinauf und blickte hinunter auf seinen einstigen Mentor. Er beschloss ihn aus der Ferne zu töten und dann abzuwarten, ob sich die anderen Assassinen veränderten oder nicht. Gerade zog er eines seiner Wurfmesser als er einen harten Schlag an den Hinterkopf abbekam und sofort sein Bewusstsein verlor.
Altair erwachte, als eiskaltes Wasser in sein Gesicht gespritzt wurde. Sofort registrierte er, dass er mit den Armen an einem Pfahl gefesselt war und ihm gegenüber stand Baltamus Korens. Zornig versuchte Altair ihn zu treten, schaffte es jedoch nicht. Belustigt von dem Anblick seines früheren Schülers fing Baltamus lauthals an zu lachen.
„Sei gegrüßt, mein Schüler“, begann er spöttisch. „Ihr habt lange gebraucht, um zu verstehen, was vor sich geht, aber Ihr habt es immerhin geschafft. Meine Glückwünsche sind Euch gewiss.“ Baltamus fing an um den Pfahl zu kreisen und wandte sich dann an die Assassinen und Krieger die ringsherum standen. „Meine Freunde. Dies ist Altair. Einst mein größter und bester Schüler. Ich wäre stolz gewesen ihm eines Tages meinen Rang und meine Stelle als Führer im Orden anbieten zu können, aber sein Hochmut, seine Sturheit und sein Drang alles zu hinterfragen, hat diesen Mann zu unserem Feind gemacht“, Baltamus hielt kurz inne. „Da er meinen Rang nun nicht mehr bekommen kann, wird nun mein neuer bester Schüler, die Ehre erhalten diesen Verräter seiner gerechten Strafe zuzuführen.“
Baltamus sah sich um. „Claude!!“, schrie er. Altair sah verwirrt auf, als er seinen Freund, der in seinen eigenen Armen gestorben war, auf ihn zukommen sah. Claude lächelte ihn an. „Du fragst dich nun bestimmt was hier vor sich geht, nicht wahr?“ Es ist ganz einfach erklärt, wir haben dich mit einem Zauber getäuscht. Was du gesehen hast, war eine sterbende Illusion von mir, die dich hier her schicken sollte. Und natürlich haben wir alle deine Schritte verfolgt, teilweise sogar geleitet.“ Claude lächelte. „Jetzt sieh mich doch nicht so an, du bist doch derjenige der immer gesagt hat, je mehr Freunde man hat, desto mehr Menschen können einen verraten. Du hättest auf dich hören sollen, mein Freund. Bindet ihn los!“, schrie er. Sofort kamen zwei Assassinen hinzu und schnitten die Schnüre an Altairs Handgelenken ab. Dieser fiel zu Boden und grunzte Zornig, als er das selbstgefällige Lächeln seines ehemaligen Freundes sah. Dieser warf seinen Widersacher stumm ein Langschwert entgegen und der Kampf hatte begonnen. Claude versuchte auf Altairs rechte Schulter einzuschlagen, doch der schaffte es rechtzeitig sich abzurollen und seinerseits einen Hiebversuch anzubringen, welcher allerdings ebenfalls abgeblockt war. Wenigstens schaffte es Altair endlich aufzustehen und so entwickelte sich ein Kampf zwischen zwei Assassinen die sich in- und auswendig kannten. Baltamus Korens schien gedacht zu haben, dass Altair zu schwach wäre, um sich zu wehren, doch dieser machte seinem ehemaligen Mentor nicht den Gefallen und gab sich geschlagen. Er würde bis zum letzten Blutstropfen kämpfen und das Baltamus etwas anderes erwartet hatte, bewies dem Assassinen, dass dieser ihn eigentlich gar nicht wirklich kannte. Nun versuchte Claude die Knie Altairs zu erwischen, doch er wich geschickt aus und streifte mit seinem Schwert die rechte Wange seines Gegners. Dieser schrie wütend auf und hämmerte auf das Schwert Altairs ein. Aber wieder schaffte er es mit einer seitlichen Rolle den Schlägen zu entkommen und zerschmetterte mit seiner Klinge die Kniekehlen Claudes, welcher vor Schmerzen schrie. Ein Raunen ging durch die zuschauenden Assassinen, als Altair sich über Claude beugte und zum tödlichen Hieb ausholte. Doch plötzlich ließ er sein Schwert fallen und Blut rann aus seinen Mundwinkeln. Noch bevor er auf Claude fiel, robbte dieser sich zur Seite und Altair landete hart auf dem Steinboden des Hauptplatzes. Altair schnappte nach Luft, als er Schritte hinter sich wahrnahm. Eine dünne Hand griff nach dem Messer und zog es mit einer schnellen Bewegung aus dem Rücken. Der Assassine schrie auf und verlor gleich darauf noch mehr Blut. Die Person, die das Messer herausgezogen hatte, drehte Altair um und dieser brachte kein Wort heraus. Kastanienbraune Augen schauten ihn an und elendlanges braunes Haar hängte bis in sein Gesicht.
„Marie“, stammelte er. „Bin ich im Himmel?“
„Nein, mein Liebster“, erwiderte die Frau. „Aber bald wirst du dort oben eintreffen. Vorher möchte ich dir noch eine Geschichte erzählen: Genauso wenig wie Claude in deinen Armen gestorben ist, bin ich auch nicht in deinen Armen gestorben. In Seili sind wir uns allerdings wirklich begegnet. Nach meinem Tod“, Marie musste unwillkürlich lachen. „Nach meinem tragischen Ableben vor drei Jahren, habe ich Baltamus mit all den nötigen Informationen versorgt, die er brauchte um diesen Siegeszug zu feiern. Ich war es auch, die ihm die Menschen nannte, die du töten solltest. Ohne dich, Liebster wären wir nie so weit gekommen. Und nun nach drei Jahren, haben wir es endlich geschafft. Ich danke dir!“, Marie beugte sich vor und gab den bewegungsunfähigen Altair einen Kuss. „Aber . . . alles eine Lü . . . Lüge?! All . . .es war seit Jahren . . . geplant? Du . . .ha . .mich . . . nie geliebt?!“, stammelte er. „Du alter Charmeur“, erwiderte Marie. „Nein, du warst ein Teil des Plans und nun wird es Zeit für dich in den Himmel zu gehen. Möge Gott deiner Seele gnädig sein.“
Marie ging festen Schrittes zu dem immer noch vor Schmerzen stöhnenden Claude, nahm sein Schwert und rammte es in Altairs Brust. Das letzte was Altair sah waren die dunklen Rauchwolken am Himmel und das letzte was er in seinem Leben hörte, waren die lachenden Stimmen von Marie und Baltamus. „Nie geliebt“, wiederholte er. „Ich war ein . . . Werkzeug, all die Jahre“, stammelte der sterbende Assassine, als sich seine Seele des nun überflüssig gewordenen Körpers entledigte und ins Himmelreich aufstieg, um Frieden vor dem dunklen Zeitalter, welches sich nun anbahnte, zu finden.