Romane & Erzählungen
Gretl - eine Pferde - Geschichte

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"Gretl - eine Pferde - Geschichte"
Veröffentlicht am 10. November 2010, 8 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

Ich bin eher introvertiert, liebe die Menschen, die Natur - die Literatur seit ich lesen kann (bin eine echte Leseratte) und schreibe auch selbst sehr gerne.
Gretl - eine Pferde - Geschichte

Gretl - eine Pferde - Geschichte

GRETL


 

Die drei Söhne des Stadler Bauern waren aus dem Haus. Sie hatten Häuser gebaut, waren verheiratet und hatten bereits eigene Kinder. Keiner wollte die Landwirtschaft der Eltern weiterführen. So wurden die Äcker verpachtet. Nur ein kleiner, beim Haus verbliebener Weingarten, eine notdürftig eingezäunte Weidefläche hinter der Scheune und ein Gemüsegarten sorgten für die Beschäftigung der Altbauern. 

Der Stadler Toni liebte seine Frau Anna ohne Vorbehalte und Einschränkungen. Sie hatten die Goldene Hochzeit bereits hinter sich und in all den Jahren eine gute Ehe geführt.

Doch nicht minder liebte er Gretl, sein Pferd, dem er bei weitem mehr Zeit widmete als seiner Frau.

Gretl war nun keine Schönheit mehr; sie war alt geworden wie Toni selbst.

Einstens aber, als Toni sie gekauft hatte, stand sie als ausgesprochen prächtige Stute in seinem Stall. Zwischen den beiden war es Liebe auf den ersten Blick gewesen.

Jetzt allerdings war die Schönheit verblichen. Sie war grau geworden, die Flanken abgescheuert, haarlos, der Schweif beinahe kahl. Die abgekauten Unterzähne existierten nur noch als gelbe Stummel. Einzig die Kötenhaare an den Beinen und die Mähne sahen noch recht respektabel aus.

Beinahe täglich führte der Bauer führte sein Pferd auf die Weidefläche hinter der Scheune. Er setzte sich auf die Bank, entzündete sein Pfeifchen und beobachtete Gretl.

Dann redete er mit ihr. Er erzählte ihr von seinen Sorgen und informierte sie über den neuesten Familien- und Dorfklatsch.

Auch bei der täglichen Pflege führte er lange Gespräche mit dem Tier. Es schien jedes seiner Worte zu verstehen und  schaute ihm interessiert bei der Arbeit zu.

Manchmal fragte sich Toni, ob es zwischen Tier und Mensch so etwas wie Gedankenübertragung  geben mochte. Denn wenn er grantig und wortkarg war, stand auch das Pferd lustlos vor seiner Raufe und nahm kaum Anteil am Geschehen rundum. Wenn er hingegen vergnügt in sich hinein hüstelte und drauf los plauderte, schien sich Gretls Laune sofort zu heben. Aufmerksam stellte sie die Ohren auf, schaute sich nach Toni um und wieherte zufrieden.

Besonderes Vergnügen bereiteten der Stute immer noch die Besuche beim Hufschmied.

Dort bekam sie neben neuen Hufeisen einige Stück Zucker oder andere Leckerbissen und natürlich stets einen Kübel frisches Wasser.

Nach dem Beschlagen band Toni das Pferd vor der Schmiede fest und gönnte sich mit dem Meister ein Plauderstündchen. Oft fanden sich auch andere Männer ein, besonders im Winter. Man hatte Zeit.  In der Schmiede war es angenehm warm, man erfuhr  Neuigkeiten und konnte angeregt diskutieren.

Wenn es Gretl zu lange dauerte, schnaubte sie ungeduldig, leckte an der Haltestange und kaute am Zaumzeug. Missbilligend legte sie die Ohren zurück, warf die fettige Schweißdecke ab und wieherte beleidigt.

Im Sommer war das Warten noch unangenehmer. Ständig musste sie Fliegen verscheuchen, schüttelte unmutig ihre Mähne, schlug mit dem Schweif und stampfte mit den Hufen. Da währte ihre Geduld nicht allzu lange und sie riss Dutzende Male aus.

Mutterseelenallein schlug sie im Trab oder Passgang den vertrauten Weg zur Pferdeschwemme ein. Schon bei den ersten Schritten auf dem schräg abfallenden Teichgelände nahm sie einige Schluck Wasser zu sich. Genießerisch stapfte sie tiefer und tiefer, bis nur noch Kopf und Hals aus dem Wasser ragten.

So verharrte sie. Nur die Ohren waren in Bewegung, um die lästigen Insekten zu verjagen.

Hingebungsvoll schloss das Pferd die Augen. Es wusste, Toni würde es holen.

Der Bauer ließ sich Zeit -  er kannte Gretels Gewohnheiten zur Genüge.

Wenn er dann mit geschulterter Peitsche, die er allerdings nur für Drohgebärden benützte, erschien, verließ sie ohne Widerstreben ihr Bad.

Er schalt zwar mit ihr, doch ernst meinte er es nicht. Im Gegenteil – zu Hause  im weißgetünchten Stall - verwöhnte er sie mit duftendem Heu und einem Becher Hafer. 

 

Die Jahre vergingen.

Gretl magerte zusehends ab. Ihr Blick war freudlos geworden, jegliches Temperament  abhanden gekommen.

Aber auch Toni hatte keine Kraft mehr.

Nur noch selten fuhr er mit Gretl aus.     

Die Söhne, die nie gewagt hätten, gegen ihren Vater zu protestieren, murrten nun immer öfter. „So geht das nicht weiter“, sorgten sie sich, „die Gretl muss verkauft werden!“

Die Altbäuerin überraschte ihren Mann gelegentlich im Stall beim Ausmisten. Toni stand in der Box, seinen Kopf an Gretls Flanke gelehnt, seine Schultern zuckten – er weinte.

Manchmal musste sie ihn aus dem Weinkeller heimbegleiten.

Betrunken war er nicht, viel schlimmer, er litt unter Depressionen.

Wer sollte Gretl kaufen? Ein altes Pferd, das eine griesgrämige Miene machte, wenn man ihm das Zaumzeug anlegte und das in immer kürzer werdenden Abständen anhielt, um zu verschnaufen?

Vielleicht würde Gretl von einem neuen Besitzer mit der Peitsche misshandelt?

Auf Tonis Kopf sträubten sich die wenigen Haare, die er noch hatte.

Immer wieder schlich er in den Stall, um Gretl den Kopf zu kraulen. Er redete mit ihr, wie er es immer getan hatte:

„Du hast Schmerzen. Deine Vorderbeine sind so schwach, dass du kaum stehen kannst. Wir müssen uns trennen.“         

Die Söhne wurden informiert.

 

Toni wusste den Termin nicht. Aber als ihn sein jüngster Sohn abholte, um ihm den Ausbau seines Weinkellers zu zeigen, ahnte er es trotzdem.

Gott sei Dank musste er nicht zusehen!

Gutwillig ließ sich Gretl in das Lastauto des Pferdefleischhauers führen. Hatte sie verstanden, was ihr Toni mit vom Weinen erstickter Stimme erklärt hatte?

 

Die Altbäuerin säuberte und lüftete den Pferdestall . Sie hing Kummet und Peitsche dekorativ an die Wand.

Als Toni heim kam, stand die Stalltür sperrangelweit offen.

Seine Familie war vollzählig versammelt, um ihn zu trösten. Das Abendessen stand auf dem Tisch.

Toni wollte keinen Trost. Er wollte auch nichts essen.

„Ich muss im Weinkeller nachschauen,“ sagte er kleinlaut, „holen braucht ihr mich nicht.“

 

Als es immer später wurde, warf sich Anna ihren Mantel, der  griffbereit neben der Stalltüre hing, über und hastete in den Weinkeller.

Eine dumpfe Ahnung breitete sich aus ...

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Ich bin eher introvertiert, liebe die Menschen, die Natur - die Literatur seit ich lesen kann (bin eine echte Leseratte) und schreibe auch selbst sehr gerne.

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baesta Re: Re: Es ist schon so. Tiere -
Zitat: (Original von mukk am 21.11.2010 - 22:40 Uhr)
Zitat: (Original von baesta am 21.11.2010 - 20:42 Uhr) sind die besseren MENSCHEN. Ich kann den Bauern gut verstehen. Gut geschrieben.
Liebe Grüße
Bärbel



Guten Abend, liebe Bärbel, danke dir für deinen Besuch, dein Lob und deinen netten Kommi, ich hab mich sehr gefreut darüber. Tiere haben eine wunderbare Seele und sind uns bedingungslos ergeben, Die Liebe zu einem Tier bereichert unser Leben und ihre Treue sollten wir achten und wertschätzen, ihr mit liebevoller Fürsorge danken ...
Sei ganz lieb in deinen Abend gegrüßt, hoffe, es geht dir gut.
Herzlichst
Ingrid



Da hast Du vollkommen recht. Ich gehe, seit ich zu Hause bin, in der Woche 2 - 3 x im Tierheim mit den Hunden Gassi und sie sind alle so wunderbar und freuen sich über den Besuch, dass man sich gar nicht trennen mag. Leider habe ich mir vorige Woche beim Gassigehen eine Bänderzerrung im Kniegelenk zugezogen (bin gestürzt) und nun fällt mir das Laufen etwas schwerer. Ansonsten bin ich noch wohlauf, was ich auch von Dir hoffe.
Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Re: Re: Es ist schon so. Tiere -
Zitat: (Original von mukk am 21.11.2010 - 22:40 Uhr)
Zitat: (Original von baesta am 21.11.2010 - 20:42 Uhr) sind die besseren MENSCHEN. Ich kann den Bauern gut verstehen. Gut geschrieben.
Liebe Grüße
Bärbel



Guten Abend, liebe Bärbel, danke dir für deinen Besuch, dein Lob und deinen netten Kommi, ich hab mich sehr gefreut darüber. Tiere haben eine wunderbare Seele und sind uns bedingungslos ergeben, Die Liebe zu einem Tier bereichert unser Leben und ihre Treue sollten wir achten und wertschätzen, ihr mit liebevoller Fürsorge danken ...
Sei ganz lieb in deinen Abend gegrüßt, hoffe, es geht dir gut.
Herzlichst
Ingrid



Da hast Du vollkommen recht. Ich gehe, seit ich zu Hause bin, in der Woche 2 - 3 x im Tierheim mit den Hunden Gassi und sie sind alle so wunderbar und freuen sich über den Besuch, dass man sich gar nicht trennen mag. Leider habe ich mir vorige Woche beim Gassigehen eine Bänderzerrung im Kniegelenk zugezogen (bin gestürzt) und nun fällt mir das Laufen etwas schwerer. Ansonsten bin ich noch wohlauf, was ich auch von Dir hoffe.
Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: Es ist schon so. Tiere -
Zitat: (Original von baesta am 21.11.2010 - 20:42 Uhr) sind die besseren MENSCHEN. Ich kann den Bauern gut verstehen. Gut geschrieben.
Liebe Grüße
Bärbel



Guten Abend, liebe Bärbel, danke dir für deinen Besuch, dein Lob und deinen netten Kommi, ich hab mich sehr gefreut darüber. Tiere haben eine wunderbare Seele und sind uns bedingungslos ergeben, Die Liebe zu einem Tier bereichert unser Leben und ihre Treue sollten wir achten und wertschätzen, ihr mit liebevoller Fürsorge danken ...
Sei ganz lieb in deinen Abend gegrüßt, hoffe, es geht dir gut.
Herzlichst
Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Es ist schon so. Tiere - sind die besseren MENSCHEN. Ich kann den Bauern gut verstehen. Gut geschrieben.
Liebe Grüße
Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
UteSchuster Re: Re: erinenrt mich an meine Trixi, -
Zitat: (Original von mukk am 15.11.2010 - 18:05 Uhr)
Zitat: (Original von UteSchuster am 11.11.2010 - 17:53 Uhr) mein Leben hörte von einem zum anderen Moment auf. Es war schrecklich.

Traurig schön geschrieben,

liebste Grüße deine Ute



Ach, liebe Ute, mein Gott, ja, auch ich erinnere mich - das waren hier ja deine Einstiegstexte, zumindest waren sie bei den ersten Einstellungen in diesem forum hier. Und man konnte deinen Schmerz um ihren Verlust ganz stark spüren...
Hast du wieder ein Hündchen?
Liebe Grüße
Ingrid


Ja das waren meine ersten texte überhaupt, mal abgesehen von den Kurzgeschichten in ganz jungen Jahren. Kessy ist ein Sonnenschein einfach nur Liebe. Und ach schon wieder 6 Jahre alt. Was meinst du wie oft ich Flöckchen geschrieben habe, immer vergessen laden zu klicken und weg wars. Ich habe damals direkt hier bei ms reingeschrieben.

Aber wie du siehst, ich habe nie aufgegeben.

ganz liebe Grüße an dich, fand ich sehr berührend, dass du dich noch daran erinnerst.

liebe Grüße deine Ute
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: Wieder so eine Geschichte..... -
Zitat: (Original von erato am 16.11.2010 - 16:31 Uhr) von dir, die ich so mag - weil sie so natürlich,
bildhaft und einfühlsam geschildert und geschrieben
sind. Du bist da schon eine Künstlerin, meine liebe Ingrid.
Dem Licht nach hier in Berlin - darf ich dir schon einen
netten Abend wünschen.
Mit herzlichsten Grüßen in die Kaiserstadt
Thomas


Mein lieber Thomas, danke für die Blumen!! Ich freue mich immer riesig, wenn dir meine Geschichten gefallen. Danke!
Mit lieben Grüßen aus der Kauserstadt nach Berlin! Wünsche auch dir einen erholsamen Abend!
Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: Re: Ein bisschen ... -
Zitat: (Original von mukk am 15.11.2010 - 17:55 Uhr)
Zitat: (Original von Gunda am 12.11.2010 - 19:41 Uhr) ... hadere ich mit dem Schluss, liebe Ingrid, und zwar aus dramaturgischen Gründen. Du lässt ihn bewusst offen, das gefällt mir gut, aber er klingt mir formal zu sehr nach "Fortsetzung folgt".

Die Geschichte als solche ist aber wunderbar feinfühlig erzählt.

Lieben Gruß
Gunda.



Liebe Gunda, kannst du mir näher erläutern - was gefällt dir am Schluss nicht, obwohl du es gut findest, dass ich ihn offen lasse?
Bin für dramaturgische Anregungen immer offen - eine Fortsetzung ist nicht angedacht - was auch? -
Danke dir und schicke liebe Grüße aus Wien!
Ingrid


Liebe Gunda danke dir für den Tipp ganz herzlich!
Liebe Grüße
Ingrid
Vor langer Zeit - Antworten
erato Wieder so eine Geschichte..... - von dir, die ich so mag - weil sie so natürlich,
bildhaft und einfühlsam geschildert und geschrieben
sind. Du bist da schon eine Künstlerin, meine liebe Ingrid.
Dem Licht nach hier in Berlin - darf ich dir schon einen
netten Abend wünschen.
Mit herzlichsten Grüßen in die Kaiserstadt
Thomas
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: Ach, ist das traurig, -
Zitat: (Original von wega am 10.11.2010 - 22:18 Uhr) aber so liebevoll geschrieben, und fachkundig, als ob du selbst viel von Pferden verstehst, liebe Ingrid.
Eine wunderschöne Geschichte!

Liebsten Abendgruß zu dir
deine wega


Liebe Wega, ich freue mich, wenn meine Geschichte deine Gefühle erreichen durfte...danke dir herzlich.
Mit lieben Abendgrüßen
deine Ingrid
danke!
Vor langer Zeit - Antworten
mukk Re: eine -
Zitat: (Original von Rajymbek am 11.11.2010 - 15:09 Uhr) traurige Geschichte - ich liebPferde. Wir haben so viel um uns herum.

LG Roland



Lieber Roland, dann kannst du meine Geschichte wohl stark nachempfinden? Hast du selbst auch welche?
Danke dir und herzliche Grüßein euren Abend!
Ingrid
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